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Informationen zum Dokument  BGE 116 IV 306  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. a) Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gem&a ...
2. Der Beschwerdeführer rügt im weiteren, die Vorinstan ...
3. Da die Gesetzesanwendung mangels hinreichender Klärung de ...
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59. Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1990 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 117 StGB; Art. 3, Art. 71, Art. 80 und Art. 81 SSV; Verletzung der Sorgfaltspflicht durch mangelhafte Signalisation einer Baustelle, Kausalität.  
Begriff der Kausalität (E. 2a; Zusammenfassung der Rechtsprechung). Der Entscheid darüber, ob bei Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre, setzt die Feststellung aller erheblichen Tatsachen voraus (E. 2b). Von einer umfassenden Klärung des Sachverhalts entbindet auch nicht die Risikoerhöhungstheorie. Anwendungsbereich dieser Theorie (E. 2c).  
 
Sachverhalt
 
BGE 116 IV, 306 (307)A.- Am 14. September 1987, um ca. 20.30 Uhr, fuhr M. mit seinem Motorrad von Hochdorf herkommend in Richtung Ballwil. Auf dieser Strecke wurden damals in einem Gesamtbereich von 1200 m abschnittweise Strassenbauarbeiten ausgeführt. Rund 400 m vor dem Ortseingang Ballwil befand sich eine etwa 25 m lange offene Baugrube, bei welcher der Verkehr mit einer Lichtsignalanlage geregelt wurde. Diese Baugrube wurde von M. offenbar zu spät gesehen. Er leitete noch ein Bremsmanöver ein, bevor er zunächst mit der Signalanlage und anschliessend mit einer in der Baugrube abgestellten Strassenwalze kollidierte. Die Kollision führte zu seinem sofortigen Tod.
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Als zuständiger Baustellenpolier war A. für die Baustellensignalisation verantwortlich.
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B.- Am 6. Oktober 1988 sprach das Amtsgericht Hochdorf A. der fahrlässigen Tötung schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 200.--.
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C.- Eine von A. dagegen eingereichte Kassationsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 13. Dezember 1989 ab.
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D.- A. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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E.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt Abweisung der Beschwerde.
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BGE 116 IV, 306 (308)Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1. a) Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gemäss Art. 117 StGB setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch sorgfaltswidriges Verhalten den Tod des Motorradfahrers M. verursacht hat. Sorgfaltswidrig im Sinne von Art. 117 StGB ist eine Handlung dann, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Handlung aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung des Lebens des Opfers hätte erkennen können und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Art. 117 N 15; vgl. auch STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, § 16 N 20). Bei der Bestimmung des im Einzelfall zugrunde zu legenden Massstabs des sorgfaltsgemässen Verhaltens kann auf Verordnungen zurückgegriffen werden, die der Unfallverhütung und der Sicherheit im Strassenverkehr dienen (vgl. BGE 114 IV 175; BGE 112 IV 5; BGE 106 IV 80 ff.). Für Baustellen im Bereich öffentlicher Strassen ist insbesondere auf die Verordnung über die Strassensignalisation (SSV; SR 741.21) zu verweisen. Ein Verstoss gegen die in solchen Verordnungen enthaltenen Vorschriften lässt in der Regel auf eine Sorgfaltswidrigkeit schliessen (vgl. BGE 114 IV 175).
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b) Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, bei der Signalisation der Baustelle könne ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung nicht angelastet werden; die nach dem Unfall beigezogenen Ermittlungsorgane hätten die Signalisation für in Ordnung befunden.
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aa) Die kantonalen Instanzen gehen davon aus, dass die vom Beschwerdeführer erstellte Baustellensignalisation den Vorschriften der Signalisationsverordnung in verschiedener Hinsicht nicht entsprach. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, die einer Willkürprüfung durch die Vorinstanz standgehalten haben, wies die Signalisation im einzelnen folgende Mängel auf: Bei der Vorsignalisation wurde entgegen Art. 3 Abs. 4 SSV anstelle der Zusatztafel "Streckenlänge 1200 m" (5.03 Anhang 2 SSV) die Distanztafel "1200 m" (5.01 Anhang 2 SSV) verwendet; 150 bis 250 m vor der Baugrube fehlte das in Art. 3 Abs. 3 lit. b SSV vorgeschriebene Gefahrensignal "Baustelle" (1.14 Anhang 2 SSV); dieses Signal fehlte entgegen Art. 80 Abs. 1 SSV auch unmittelbar bei der Baugrube selbst; die Tafel Lichtsignalanlage (1.27 Anhang 2 SSV) sodann befand sich in Missachtung von BGE 116 IV, 306 (309)Art. 3 Abs. 3 lit. b SSV nur 100 m anstatt 150 bis 250 m von der Baugrube entfernt und war nicht mit dem Signal "Baustelle" kombiniert; die unmittelbar vor der Baugrube aufgestellte Lichtsignalanlage war entgegen Art. 81 Abs. 2 SSV nicht bewilligt und stand ausserdem in der Mitte der rechten Fahrbahnhälfte statt, wie es Art. 71 Abs. 1 SSV entsprochen hätte, am rechten Strassenrand; anstelle der vorgeschriebenen Abschrankung mit Querlatten und einer hochstehenden Latte (Art. 80 Abs. 2 SSV) war die Baugrube nur mit 75 cm hohen Absperrkegeln abgegrenzt; die Lampen an der Absperrung der Baugrube befanden sich zudem in einer Höhe von nur 40 bis 50 cm und nicht, wie von Art. 80 Abs. 5 SSV verlangt, 80 bis 100 cm über dem Boden.
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bb) Die kantonalen Instanzen lasten dem Beschwerdeführer indes nicht alle diese Mängel an. Sie halten ihm zugute, dass die Vorsignalisation von einem Beamten des Strassenverkehrsamtes abgenommen wurde und dass er die Lichtsignalanlage auf entsprechende Weisung des für die Gesamtleitung der Strassenbauarbeiten zuständigen Bauführers aufstellte. Hinsichtlich der übrigen Signalisationsmängel bejahen sie dagegen die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers, und sie halten die Sorgfaltspflichtverletzung insoweit für gegeben.
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cc) Der Standpunkt der kantonalen Instanzen ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hat nicht nur bei der Vorsignalisation, sondern auch bei der Signalisierung der Baugrube selber verschiedenen Vorschriften der Signalisationsverordnung zuwidergehandelt; da ihm deren Beachtung nach seinen persönlichen Verhältnissen möglich und zumutbar war, hat er seine Sorgfaltspflicht verletzt. Nichts zu seinen Gunsten ergibt sich aus dem Umstand, dass die unmittelbar nach dem Unfall beigezogenen Ermittlungsorgane die von ihm errichtete Signalisation offenbar nicht beanstandeten; von einem für Strassenbauarbeiten verantwortlichen Baustellenpolier muss erwartet werden, dass er die in der Signalisationsverordnung enthaltenen, für die Verkehrssicherheit wichtigen Bestimmungen jedenfalls soweit kennt, als sie seine berufliche Tätigkeit betreffen.
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BGE 116 IV, 306 (310)a) Nach der Rechtsprechung ist ein (pflichtwidriges) Verhalten im natürlichen Sinne kausal, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele; dieses Verhalten braucht nicht alleinige oder unmittelbare Ursache des Erfolgs zu sein (BGE 115 IV 206 E. 5b mit Hinweis). Mit dieser "conditio sine qua non-Formel" wird ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht und dabei geprüft, was beim Weglassen bestimmter Tatsachen geschehen wäre; ein solchermassen vermuteter natürlicher Kausalverlauf lässt sich nicht mit Gewissheit beweisen, weshalb es genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete (BGE 115 IV 206 E. 5b; BGE 101 IV 152 f. E. 2c). Um hypothetische Kausalität geht es auch bei der Unterlassung. Zwischen dieser und dem Erfolg besteht dann ein Kausalzusammenhang, wenn bei Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre; die blosse Möglichkeit des Nichteintritts des Erfolgs bei Vornahme der gebotenen Handlung reicht zur Bejahung des Kausalzusammenhangs nicht aus (BGE 115 IV 191 E. 2 mit Hinweisen).
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b) Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs ist hier somit die Frage entscheidend, ob der Motorradfahrer M. mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tödlich verunfallt wäre, wenn der Beschwerdeführer die Baustelle ordnungsgemäss signalisiert hätte.
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Das Amtsgericht, dessen Feststellungen von der Vorinstanz als willkürfrei angesehen werden, geht nach einer Analyse der in Erwägung 2b angeführten, dem Beschwerdeführer anzulastenden Mängel davon aus, dass die von diesem erstellte Signalisation eindeutig weniger auffällig war als die gesetzlich vorgeschriebene. Es kommt danach zum Schluss, dass die mangelhafte Signalisation sehr wahrscheinlich zu einer späteren Reaktion des Verunfallten und damit zumindest zu einer Verschlimmerung der Unfallfolgen geführt hat. Da es diese Aussage auf die allgemeine Lebenserfahrung stützt, kann sie vom Kassationshof überprüft werden (vgl. BGE 115 II 448 E. 5b). Ob die Bejahung des Kausalzusammenhangs durch das Amtsgericht bundesrechtskonform ist, kann aufgrund der in seinem Urteil enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen indes nicht entschieden werden; denn diese sind lückenhaft. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren verbindlich festgestellt (Art. 277bis Abs. 1 BStP) sind nur die bereits erwähnten, zumindest teilweise relevanten Mängel der Baustellensignalisation sowie BGE 116 IV, 306 (311)die Tatsache, dass der Verunfallte mit erheblicher Geschwindigkeit in die Lichtsignalanlage hineingefahren ist. Nicht abgeklärt ist demgegenüber, aus welcher Distanz die Baustelle, so wie sie signalisiert war, bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit erkannt werden konnte und ob der Verunfallte bei Einhaltung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit auf diese Distanz hätte anhalten können bzw. ob und wieviel er langsamer hätte fahren müssen, um rechtzeitig bremsen zu können. Ebensowenig ist festgestellt, aus welcher Entfernung der Verunfallte die Baustelle bei korrekter Abschrankung und Beleuchtung hätte erkennen können. Nicht zu entnehmen ist dem Urteil des Amtsgerichts ferner, wie sich die Tatsache, dass die Lichtsignalanlage in der Mitte der rechten Fahrbahnhälfte anstatt am rechten Strassenrand stand, auf die Erkennbarkeit der Baustelle ausgewirkt hat.
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c) Es ist einzuräumen, dass diese Feststellungen nicht ohne Schwierigkeiten getroffen werden können. Auf die Erhebung von Beweisen darf indes nicht verzichtet werden, auch dann nicht, wenn man den vorliegenden Fall, wie die Vorinstanz, abweichend von der bisherigen Rechtsprechung auf der Grundlage der Risikoerhöhungstheorie beurteilen wollte. Die Anwendung dieser Theorie entbindet nämlich nicht von einer umfassenden Klärung des Sachverhalts. Denn ob der Täter die Gefahr, die sich im Erfolg verwirklicht hat, mindestens gesteigert hat, ist unter Auswertung aller im Zeitpunkt des Urteils, also ex post bekannten Umstände zu ermitteln (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, § 9 N 31; vgl. auch WALDER, Die Kausalität im Strafrecht, ZStR 93 (1977), S. 159 ff.; RUDOLPHI, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band I, Allg. Teil, 5. A., vor § 1 N 69 f.; ZIELINSKI, Alternativkommentar StGB, Band 1, Neuwied 1990, § 15/16 N 119). Sollte die Klärung bestimmter Tatsachen im Einzelfall scheitern, ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu entscheiden. Der Anwendungsbereich der Risikoerhöhungstheorie beschränkt sich auf Fälle, in denen, wie etwa bei der Beurteilung des Genesungsprozesses eines Kranken bei korrekter ärztlicher Diagnose und Behandlung, ein hypothetischer Geschehensablauf in Frage steht, über den beweismässig keine Aussagen gemacht werden können (vgl. WALDER, a.a.O., insb. S. 160; STRATENWERTH, a.a.O.).
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