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Informationen zum Dokument  BGE 106 IV 179  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Die inkriminierte Äusserung steht in einem "Erkanntnis" ( ...
3. Die Vorinstanz ging davon aus, der Vorwurf des Handelns aus re ...
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52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Juni 1980 i.S. Achermann gegen Büttiker (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 32 StGB. Rechtfertigungsgrund der Amtspflicht.  
 
Sachverhalt
 
BGE 106 IV, 179 (180)A.- Anton Achermann wurde 1978 für sein Restaurant Hippotel auf der Müswanger-Allmend, Gemeinde Hämikon, vom Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Luzern eine zeitlich und örtlich beschränkte Wirtschaftsbewilligung erteilt. In der Folge gab er auch ausserhalb der bewilligten Öffnungszeiten (Wochenende und Feiertage) den Besuchern seines Zentrums auf dem Lindenberg Getränke und Esswaren ab, verlangte aber kein Entgelt dafür. Hingegen waren Kassen für freiwillige Spenden zu Gunsten der von Achermann in seiner "Katzenburg" betreuten Tiere (ausgesetzte Katzen) aufgestellt.
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In diesem Vorgehen erblickten die Luzerner Behörden eine Umgehung der zeitlichen Beschränkung der Wirtschaftsbewilligung. Der Amtsstatthalter von Hochdorf, Hermann Büttiker, sprach Achermann am 18. September 1978 des Führens einer Wirtschaft ohne Bewilligung und des Wirtens in nicht bewilligten Räumlichkeiten schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 800.--. In der Begründung seines Entscheides findet sich der Satz: "Schliesslich ist nicht zu übersehen, dass der Angeschuldigte (Achermann) aus reiner Profitgier gehandelt hat." Das Amtsgericht Hochdorf verneinte Gewinnsucht und setzte die Busse dementsprechend mit Urteil vom 4. Juli 1979 auf Fr. 100.-- herab. Eine Kassationsbeschwerde Achermanns wurde vom luzernischen Obergericht abgewiesen. Das Bundesgericht (I. öffentlichrechtliche Abteilung) wies die hiegegen gestützt auf Art. 4 BV erhobene staatsrechtliche Beschwerde ebenfalls ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.
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B.- Achermann reichte gegen Amtsstatthalter Büttiker wegen des oben zitierten Satzes Ehrverletzungsklage ein. Das Amtsgericht Hochdorf sprach Büttiker am 30. Mai 1979 von Schuld und Strafe frei. Das luzernische Obergericht bestätigte am 14. Januar 1980 diesen Entscheid.
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Gegen das Urteil des Obergerichtes führt Achermann Nichtigkeitsbeschwerde.
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Aus den Erwägungen:
 
1. Die inkriminierte Äusserung steht in einem "Erkanntnis" (Strafverfügung) des Amtsstatthalters, das insgesamt fünf BGE 106 IV, 179 (181)Seiten umfasst. Es wird darin einlässlich dargelegt, aus welchen Gründen das Vorgehen Anton Achermanns gegen die Vorschriften des Wirtschaftsgesetzes verstosse. Der letzte Passus über die Strafzumessung hat folgenden Wortlaut:
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"Bei der Strafzumessung ist zu berücksichtigen, dass sich der Angeschuldigte bedenkenlos über die ihm bestens bekannten Vorschriften hinwegsetzte und versuchte das Gesetz zu umgehen. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass die zuständigen Behörden dem Begehren des Angeschuldigten sehr weit entgegengekommen sind. Dessen ungeachtet setzte er sich über die klaren Bestimmungen hinweg. Schliesslich ist nicht zu übersehen, dass der Angeschuldigte aus reiner Profitgier gehandelt hat."
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a) Während die sachliche Feststellung, die Übertretung des Wirtschaftsgesetzes sei erfolgt, um Gewinn zu erzielen, den Ruf des Täters als ehrbarer Mensch nicht tangieren könnte, hat das Obergericht mit Recht den Vorwurf des Handelns aus reiner Profitgier als ehrverletzend betrachtet; denn als "Profitgier" wird ein übermässiges, die üblichen Schranken überschreitendes, krass egoistisches Streben nach Gewinn bezeichnet.
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b) Zutreffend nahm das Obergericht an, es müsse zunächst geprüft werden, ob die inkriminierte Äusserung durch die Amtspflicht gerechtfertigt sei, der allgemeine Rechtfertigungsgrund habe den Vorrang vor dem Entlastungsbeweis gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB, der nur zum Zuge kommen könne, wenn die Straflosigkeit sich nicht bereits aus einem Rechtfertigungsgrund des Allgemeinen Teils ergebe (L. FREI, Der Entlastungsbeweis nach Art. 173 Ziff. 2 und 3 StGB ..., Diss. Bern 1976 S. 99).
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Zur Amtspflicht gehört auch die Verpflichtung von Gerichten und Verwaltungsbehörden, ihre Entscheide zu begründen.
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BGE 106 IV, 179 (182)Bei der Motivierung von Entscheidungen müssen vielfach ehrenrührige Tatsachen (z.B. negative Angaben über Vorleben und Leumund) erwähnt oder zusammenfassende Werturteile (z.B. Würdigung der charakterlichen Zuverlässigkeit eines Gesuchstellers im Bewilligungsverfahren) abgegeben werden. Soweit solche an sich die Ehre des Betroffenen verletzenden Äusserungen mit dem Gegenstand des Entscheides direkt zusammenhängen und der notwendigen Begründung dienen, sind sie durch die Amtspflicht gedeckt. Der begründende Richter oder Beamte kann sich auf Art. 32 StGB berufen; für die sachbezogenen Argumente, die er in einer vertretbaren Weise und nicht unnötig verletzend darlegt, kann er nicht wegen übler Nachrede gemäss Art. 173 StGB verfolgt und allenfalls zur Leistung des Entlastungsbeweises gezwungen werden (vgl. Frei a.a.O. S. 87). Wer in seiner amtlichen Funktion auch ehrenrührige Fakten zusammenstellen und Wertungen über persönliche Eigenschaften und Motive abgeben muss, ist durch Art. 32 StGB gedeckt, soweit er mit seinen Äusserungen nicht eindeutig über das für die Erfüllung seiner Aufgabe Notwendige hinausgeht oder Behauptungen wider besseres Wissen aufstellt. Was im Rahmen der Amtspflicht zur Begründung eines Entscheides vorgebracht wird, unterliegt der Überprüfung durch obere Instanzen (im Rechtsmittelverfahren), kann aber nicht durch eine Ehrverletzungsklage zum Gegenstand eines Entlastungsbeweises gemacht werden.
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c) Im vorliegenden Fall ist als Ehrverletzung eine kurze sachbezogene Äusserung des Amtsstatthalters Büttiker eingeklagt, mit welcher dieser die von ihm für angemessen erachtete Busse begründete. Amtsgericht und Obergericht sind der Auffassung des Amtsstatthalters nicht gefolgt, sie hielten Achermann offenbar zugute, dass er auch aus anderen Motiven gehandelt haben könnte. Die Annahme Büttikers, die Übertretung des Wirtschaftsgesetzes sei aus reiner Profitgier erfolgt, wurde in klarer Weise korrigiert. Eine Äusserung, die im Rahmen der Amtspflicht erfolgt ist und eine sachbezogene Motivation enthält, bleibt aber durch Art. 32 StGB gedeckt, auch wenn das darin enthaltene wertende Urteil von der Rechtsmittelinstanz als unrichtig erklärt und nicht übernommen wird. Es wäre eine unhaltbare Konsequenz, wenn in solchen Fällen die materielle Korrektur eines die Ehre tangierenden Werturteils durch die Rechtsmittelinstanz den Weg für einen Ehrverletzungsprozess BGE 106 IV, 179 (183)gegen den Erstrichter öffnete, wobei die ungünstige Beurteilung nur straflos bleiben könnte, wenn es gelänge, für die von der Rechtsmittelinstanz abgelehnte Annahme zumindest den Gutgläubigkeitsbeweis im Sinne von Art. 173 Ziff. 2 StGB zu erbringen. Art. 32 StGB schützt den Beamten, der bei der Ausübung seines Amtes Verhaltensweisen bewerten und sich über Umstände äussern muss, die den Ruf eines Menschen tangieren können, vor der Bedrohung mit Ehrverletzungsklagen. Büttiker hat mit dem Vorwurf des Handelns aus reiner Profitgier einen Vorwurf erhoben, welcher der Überprüfung durch die obern Instanzen nicht standhielt. Die Äusserung erfolgte jedoch sachbezogen und in Ausübung der Amtspflicht. Es handelt sich um eine wohl etwas scharf formulierte, aber vertretbare Stellungnahme im Rahmen eines amtlichen Entscheides.
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