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Informationen zum Dokument  BGE 105 IV 291  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
2. a) Nach ständiger Rechtsprechung darf angetrunkenen Motor ...
3. Ob Vorleben, Charakter und Tatumstände erwarten lassen, d ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
74. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Oktober 1979 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Bedingter Strafvollzug bei Fahren in angetrunkenem Zustand.  
 
BGE 105 IV, 291 (291)Aus den Erwägungen:
 
2. a) Nach ständiger Rechtsprechung darf angetrunkenen Motorfahrzeugführern der bedingte Strafvollzug nur mit grosser Zurückhaltung gewährt werden. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die Fahrtüchtigkeit schon durch geringe BGE 105 IV, 291 (292)Mengen Alkohol beeinträchtigt wird. Wer sich unbekümmert darum angetrunken ans Steuer setzt und damit in Kauf nimmt, Leben und Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer erheblichen Gefahren auszusetzen, bekundet in der Regel mangelndes Verantwortungsbewusstsein, das auf einen Charakterfehler schliessen lässt (BGE 100 IV 9, 134, BGE 98 IV 160 mit Verweisungen).
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Das darf aber nicht zu einer systematischen Verweigerung des bedingten Strafvollzugs führen, für dessen Gewährung spezialpräventive Gründe im Vordergrund stehen (BGE 98 IV 160, BGE 91 IV 60). Vielmehr müssen auch beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand neben den Tatumständen das Vorleben und alle weiteren Umstände, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen, in die Beurteilung miteinbezogen werden, um auf Grund einer Gesamtwürdigung darüber zu entscheiden, ob der Verurteilte für dauerndes Wohlverhalten Gewähr biete oder nicht (BGE 104 IV 38 E. 3, BGE 101 IV 8 E. 2, BGE 100 IV 10 E. 1).
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b) Besonders belastet erscheint in der Regel ein Angeklagter, der alkoholische Getränke konsumiert, obwohl er weiss, dass er sich nachher ans Steuer setzen wird (BGE 101 IV 8 E. 2, BGE 98 IV 162 E. 3). Das bedeutet indessen nicht, dass derjenige, der sich erst in angetrunkenem Zustand zum Führen eines Motorfahrzeuges entschliesst, sich ohne weiteres auf den enthemmenden Einfluss des Alkohols berufen könne. Dazu ist zusätzlich etwa erforderlich, dass der Betreffende sich unter unvorhergesehenen Umständen, die eine gewisse Zwangslage begründen, zur Fahrt entschliesst oder dass er sich in einem Zustand befindet, der ihn die Tragweite seines Handelns nicht mehr erkennen lässt. Umgekehrt kann ihn belasten, wenn er die Abmahnung Dritter missachtet (BGE 97 IV 38 f.) oder wenn ihn besondere Umstände auch in diesem Zustande vom Führen des Motorfahrzeuges hätten abhalten müssen. Überhaupt können bei der Prognose des künftigen Verhaltens eines Fahrzeugführers, der sich erst im Zustand der Angetrunkenheit zur Fahrt entschlossen hat, alle erheblichen Umstände sowie das Vorleben mitberücksichtigt werden.
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Die Vorinstanz ist bei ihrem Entscheid von zutreffenden Kriterien ausgegangen. Das sonst gute Verhalten des Beschwerdeführers und die von der Verteidigung eingelegten amtlichen Berichte hat sie berücksichtigt. Es ist ihr nicht entgangen, dass die beiden früheren Verurteilungen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand mehr als 10 Jahre zurückliegen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers musste der Kantonsgerichtsausschuss diese beiden Schuldsprüche nicht völlig ausser acht lassen und Z. nicht wie einen Ersttäter behandeln; weder in den vom Beschwerdeführer herangezogenen BGE 104 IV 38 E. 3 und BGE 101 IV 9, noch in andern Entscheiden hat der Kassationshof den Grundsatz aufgestellt, dass ein angetrunkener Fahrer einem Ersttäter gleichgestellt werden müsse, wenn die letzte Verurteilung mehr als 10 Jahre zurückliege. Ein solcher Grundsatz liesse sich schon deshalb nicht aufstellen, weil nicht völlig bedeutungslos sein kann, wieviele Verurteilungen vor mehr als 10 Jahren erfolgten. Abgesehen davon durfte die Vorinstanz im vorliegenden Fall auch das polizeiliche Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1976 berücksichtigen, in welchem bei Z. ein Blutalkoholgehalt von 0,71 Gewichtspromille ermittelt worden war. Auch jener Vorfall hätte dem Beschwerdeführer eine Warnung vor den Folgen des Fahrens in angetrunkenem Zustand sein müssen (vgl. nicht publiziertes Urteil des Kassationshofes vom 12. November 1976 i.S. L. c. GR). Spätestens nach der Kollision mit dem parkierten Wagen wusste der Beschwerdeführer, wie er gegenüber den kantonalen Behörden zugab, dass er nicht mehr imstande war, ein Motorfahrzeug sicher zu führen. Der Unfall hatte Z. die Gefahren des Fahrens in angetrunkenem Zustand drastisch vor Augen geführt. Er kann sich daher nicht darauf berufen, dass er, als er sich erneut ans Steuer setzte, um nach Valchava zu fahren, infolge des enthemmenden Einflusses des Alkohols die Gefährlichkeit seines Tuns nicht erkannt habe. Schliesslich hat die Vorinstanz auch die Einsichtslosigkeit des Beschwerdeführers, die sowohl in seiner Handlungsweise nach dem Unfall wie auch in seinen Äusserungen gegenüber Drittpersonen, unter ihnen dem Untersuchungsrichter, zum Ausdruck kommt, richtig gewertet. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass dieses Verhalten auf einen unfallbedingten BGE 105 IV, 291 (294)schockartigen Eindruck und auf seine Alkoholisierung zurückzuführen sei, wie Z. heute behauptet.
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