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Informationen zum Dokument  BGE 97 IV 229  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Juli 1971 i.S. Monteverdi gegen Flück, Stotz und Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
 
 
Regeste
 
1. Art. 272 Abs. 6 BStP. Diese Bestimmung gibt den Parteien keinen Anspruch auf eine weitergehende Akteneinsicht, als sie ihnen im kantonalen Verfahren zustand.  
 
Sachverhalt
 
BGE 97 IV, 229 (230)A.- In der Nacht vom 1./2. Juni 1970 führten die Polizeileute Flück und Brunner um 22.30 Uhr im Schützenmattpark in Basel Personenkontrollen durch. Dabei fuhren sie mit ihrem Wagen bis auf ungefähr zwei Meter an Monteverdi heran und forderten ihn auf, sich auszuweisen. Dieser antwortete mit Schimpfworten und versuchte sich zu entfernen. In der Folge kam es zwischen Monteverdi und Flück zu einem tätlichen Streit. Auf dem Polizeiposten verhielt sich Monteverdi erneut widersetzlich und leistete den Anforderungen des Polizisten Stotz Widerstand.
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Gestützt auf diese Vorkommnisse erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt am 9. September 1970 gegen Monteverdi Anklage wegen wiederholter Gewalt gegen Beamte, und Flück reichte Privatklage wegen Beschimpfung und einfacher Körperverletzung ein, während Monteverdi seinerseits die Polizeileute Flück und Stotz wegen Tätlichkeiten verzeigte.
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B.- Am 25. November 1970 verurteilte das Strafdreiergericht von Basel-Stadt Monteverdi wegen wiederholter Gewalt gegen Beamte und Beschimpfung zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 500.--. Es sprach ihn dagegen von der Privatklage der einfachen Körperverletzung frei, und ebenso wurden Flück und Stotz von der Privatverzeigung der Tätlichkeit freigesprochen.
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Auf Appellation hin bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 26. März 1971 den erstinstanzlichen Entscheid, nachdem es verschiedene Beweisanträge Monteverdis abgelehnt hatte.
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C.- Monteverdi führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Aus den Erwägungen:
 
In prozessualer Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, das Appellationsgericht habe ihm die Einsicht in die Personalakten der Polizeileute Flück und Stotz verweigert; es seien diese BGE 97 IV, 229 (231)Akten vom Präsidenten des genannten Gerichtes nicht mehr beigezogen, sondern eliminiert worden, wodurch Art. 272 Abs. 6 BStP und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt worden sei. Der Nichtbeizug jener Akten habe es dem Gericht verunmöglicht, Vorleben, Persönlichkeitsadäquanz und Strafempfindlichkeit der Beteiligten zu beurteilen.
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a) Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen Art. 272 Abs. 6 BStP durch Verweigerung der Einsicht in die Personalakten der Beschwerdegegner im kantonalen Verfahren rügt, ist er nicht zu hören. Die einer Partei in diesem Verfahren zustehenden Verteidigungsrechte werden durch das kantonale Prozessrecht und letztlich durch Art. 4 BV geordnet, nicht durch Art. 272 Abs. 6 BStP. Diese letztere Vorschrift gilt nur für die Offenhaltung der Strafakten zum Zwecke der Begründung einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde. In dem Masse aber als Monteverdi rügen will, das Appellationsgericht habe ihm jene Akten auch zu solchem Behufe nicht geöffnet, könnte von einer Verletzung von Art. 272 Abs. 6 BStP nur die Rede sein, wenn nachgewiesen wäre, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt des angefochtenen Urteils auch tatsächlich Akteneinsicht verlangt hatte (vgl. das unveröffentlichte Urteil des Kassationshofes vom 16. Februar 1959 i.S. Wenzin). Das ist jedoch nicht der Fall gewesen.
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Im übrigen könnte der Beschwerdeführer aus Art. 272 Abs. 6 BStP ohnehin nicht einen Anspruch auf weitere Akteneinsicht ableiten, als sie ihm von Rechts wegen im kantonalen Verfahren zustand. Kantonale Verwaltungsakten, die wegen ihres vertraulichen Charakters im Interesse überwiegender öffentlicher oder schutzwürdiger privater Interessen schon während dem kantonalen Verfahren nicht zur Einsicht offengehalten werden konnten, sind dem Beschwerdeführer auch nicht zur Begründung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zu öffnen. Im vorliegenden Fall hätte Monteverdi im Sinne eines sachlichen Ausgleichs der auf dem Spiele stehenden Interessen (IMBODEN, Verwaltungsrechtssprechung, 3. Aufl., II Nr. 613 IV) höchstens eine Abschrift oder einen schriftlichen Auszug aus denjenigen Schriftstücken der fraglichen Personalakten verlangen können, die in der Hauptverhandlung vor Strafdreiergericht vorgelesen und dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt worden waren. Dass er indessen ein dahingehendes Begehren gestellt habe, behauptet er selber nicht.
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BGE 97 IV, 229 (232)b) Inwiefern sodann das Appellationsgericht den in Art. 249 BStP verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt haben soll, indem es die vertraulichen Personalakten der Polizisten Flück und Stotz nicht erneut beigezogen hat, ist nicht ersichtlich. Art. 249 BStP verbietet es dem Richter bloss, bei der Durchführung von Beweisen und der Würdigung erhobener Beweise gesetzlichen Regeln zu folgen, welche die eigene Prüfung und Bewertung ihrer Überzeugungskraft ausschliessen. Dagegen betrifft die genannte Verfahrensvorschrift nicht Beweisbeschränkungen, die sich daraus ergeben, dass das kantonale Recht aus andern Gründen als der Beweiswürdigung, z.B. zur Wahrung schutzwürdiger öffentlicher oder privater Interessen gewisse Beweismittel nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt (BGE 84 IV 175). Wenn das Appellationsgericht im vorliegenden Fall die vertraulichen Personalakten der Beschwerdegegner aus solchen Gründen nicht mehr beigezogen hat, so hat es damit in keiner Weise gegen Art. 249 BStP verstossen (vgl. BGE 80 I 5).
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