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Informationen zum Dokument  BGE 136 III 566  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
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83. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Sparkasse Z. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_36/2010 vom 7. Oktober 2010
 
 
Regeste
 
Lugano-Übereinkommen; Gerichtsstand der provisorischen Rechtsöffnung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 136 III, 566 (566)A. Die Sparkasse Y., in B., Deutschland, betrieb mit Zahlungsbefehl vom 5. März 2008 X. (Beschwerdeführer) mit Wohnsitz in A. (Kanton Luzern) über den Betrag von Fr. 3'161'400.- nebst 5 % Zins seit 3. März 2008. Die Sparkasse stützte ihre Forderung auf einen vom Betriebenen als Selbstschuldner unterzeichneten Bürgschaftsvertrag vom 9./10. November 2006 über EUR 2'000'000.-, mit welchem Forderungen der Sparkasse gegen die W. GmbH aus einem Rahmenvertrag für Fremdwährungsdarlehen gesichert worden sein sollen. In diesem Bürgschaftsvertrag ist B., Deutschland, als Gerichtsstand bestimmt. Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag.
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Auf Gesuch um provisorische Rechtsöffnung vom 28. Mai 2008 hin erteilte der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land mit Entscheid vom 2. September 2009 der Sparkasse Z. (Beschwerdegegnerin), welche die Sparkasse Y. in der Zwischenzeit übernommen hatte und ebenfalls Sitz in B. hat, die provisorische Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 3'161'400.- nebst 5 % Zins seit 4. März 2008.
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BGE 136 III, 566 (567)B. Ein von X. gegen diesen Rechtsöffnungsentscheid an das Obergericht des Kantons Luzern erhobener Rekurs blieb im Wesentlichen erfolglos. Das Obergericht erteilte mit Entscheid vom 24. November 2009 die provisorische Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 3'124'812.45 nebst 5 % Zins seit 27. Januar 2009.
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C. Am 13. Januar 2010 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er beantragt, den Entscheid des Obergerichts vom 24. November 2009 aufzuheben und auf das Rechtsöffnungsgesuch mangels örtlicher Zuständigkeit nicht einzutreten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 3
 
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Der allgemeine Wohnsitz- (Art. 2 LugÜ) und der Zwangsvollstreckungsgerichtsstand (Art. 16 Ziff. 5 LugÜ i.V.m. Art. 84 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 SchKG) sind vorliegend identisch. Zu prüfen ist aber, ob die provisorische Rechtsöffnung Gegenstand einer Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 17 LugÜ) bilden kann. Dabei geht es von vornherein nicht um die Prorogation eines ausländischen Gerichtsstandes, da im Ausland die spezifisch schweizerische Besonderheit des Rechtsöffnungsverfahrens nicht bekannt ist, sondern einzig um die Derogation der schweizerischen Rechtsöffnungszuständigkeit.
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3.2 Einer Gerichtsstandsvereinbarung kommt gemäss Art. 17 Abs. 3 LugÜ keine rechtliche Wirkung zu, wenn die Gerichte, deren Zuständigkeit abbedungen wird, aufgrund von Art. 16 LugÜ ausschliesslich und damit auch zwingend (GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 3. Aufl. 2002, S. 218) zuständig sind. Ob die provisorische Rechtsöffnung unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ BGE 136 III, 566 (568)fällt, ist in der Lehre umstritten. Während sich ein Teil der Doktrin dafür ausspricht (namentlich PAUL VOLKEN, Rechtsprechung zum Lugano-Übereinkommen [1993], SZIER 1994 S. 398 ff., 408 ff.; ders., Rechtsprechung zum Lugano-Übereinkommen [1995], SZIER 1996S. 96 f.; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 93 zu Art. 82 SchKG; SPÜHLER/INFANGER, Anwendung des LugÜ, insb. von Art. 16 Ziff. 5 LugÜ, auf SchKG-Klagen, in: Aktuelle Probleme des nationalen und internationalen Zivilprozessrechts, Spühler [Hrsg.], 2000,S. 121 ff.; MYRIAM A. GEHRI, Wirtschaftsrechtliche Zuständigkeiten im internationalen Zivilprozessrecht der Schweiz, 2002, S. 164; ANDRÉ SCHMIDT, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 4 zu Art. 84 SchKG, der zudem den Anwendungsbereich des LugÜ nicht für eröffnet hält), vertreten zahlreiche Autoren die gegenteilige Ansicht (insb. ALEXANDER R. MARKUS, Lugano-Übereinkommen und SchKG-Zuständigkeiten, 2. Aufl. 1997, S. 66 ff., 176 f.; ders., in: Kommentar zum Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 20 ff. zu Art. 16 Nr. 5 LugÜ; YVES DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. III, 1998, N. 6383; MATTHIAS STAEHELIN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 1998, N. 20 zu Art. 30a SchKG; DANIEL STAEHELIN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 1998, N. 24 zu Art. 84 SchKG; WALTER, a.a.O., S. 234, bzw. 4. Aufl. 2007 [zu Art. 22 Ziff. 5 des revidierten LugÜ], S. 248). Auch diekantonale Rechtsprechung zeichnet kein einheitliches Bild (für die Unterstellung unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ etwa: Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 15. März 1995, in: SJZ 92/1996 S. 32 f. und SZIER 1996 S. 94 ff.; Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 28. Oktober 1997, in: Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung [ZWR] 1998S. 140 ff.; Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 30. Mai 1996, in: Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide [LGVE] 1996 I Nr. 45 und SJZ 94/1998 S. 368 f.Gegen die Unterstellung z.B.: Urteile der Cour de justice civile de Genève vom 17. August 1993, in: SZIER 1994 S. 395 ff., 405 ff.; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 2. September 2002, in: Blätter für Zürcherische Rechtsprechung [ZR] 102/2003 Nr. 1). Für die Anwendung von Art. 16 Ziff. 5 LugÜ auf die Rechtsöffnung spricht sich schliesslich auch die bundesrätliche Botschaft zum Lugano-Übereinkommen aus, welche allerdings definitive und provisorische Rechtsöffnung nicht unterscheidet (Botschaft vom 21. Februar 1990 betreffend das Lugano-Übereinkommen, BBl 1990 II 308 f. Ziff. 226.6).
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BGE 136 III, 566 (569)3.3 Die Auffassung, wonach die provisorische Rechtsöffnung nicht unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ falle, wird im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei ihr im System des Lugano-Übereinkommens nicht um ein Zwangsvollstreckungs-, sondern um ein Erkenntnisverfahren, also um ein materiellrechtliches Verfahren, handle. Das Bundesgericht hat allerdings stets an der rein betreibungsrechtlichen Natur des Verfahrens auf provisorische Rechtsöffnung festgehalten. Der Rechtsöffnungsrichter befindet nicht über den Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung, sondern einzig über deren Vollstreckbarkeit (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400). In diesem Abschnitt des Betreibungsverfahrens entscheidet das Gericht, ob die Zwangsvollstreckung weitergeführt werden kann, d.h. der erhobene Rechtsvorschlag aufzuheben ist, oder ob die Betreibung eingestellt bleibt (Art. 78 Abs. 1 SchKG) und der Gläubiger somit zur Durchsetzung seines Anspruchs auf den ordentlichen Prozessweg verwiesen wird. Ziel des Verfahrens auf provisorische Rechtsöffnung ist also nicht, über die Existenz der in Betreibung gesetzten Forderung, sondern über die Existenz eines Vollstreckungstitels zu befinden, und als Vollstreckungstitel dient einzig eine Schuldanerkennung im Sinne von Art. 82 Abs. 1 SchKG (zum Ganzen BGE 120 Ia 82 E. 6c S. 85; BGE 132 III 140 E. 4.1.1 S. 141 f. mit Hinweisen; Urteil 4A_119/2009 vom 9. Juni 2009 E. 2.1, in: SJ 2010 I S. 58). Dass im Rahmen des Rechtsöffnungsverfahrens vorfrageweise auch gewisse materiellrechtliche Punkte zu berücksichtigen sind, ändert an der Rechtsnatur desselben nichts (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400). Der materielle Forderungsprozess folgt erst nach dem Rechtsöffnungsentscheid und auch nur dann, wenn die Parteien die Initiative hiezu ergreifen. Tun sie es nicht, bleibt je nach Ausgang des Rechtsöffnungsverfahrens die Zwangsvollstreckung entweder eingestellt oder sie kann ihren Fortgang nehmen, ohne dass die Begründetheit der Forderung je geprüft worden wäre. Der allfällige Forderungsprozess wird zudem inhaltlich durch das vorangegangene Rechtsöffnungsverfahren nicht präjudiziert. Dem Urteil im Rechtsöffnungsprozess kommt aufgrund des anders gelagerten Streitgegenstands keine Rechtskraftwirkung für den späteren Forderungsprozess zu (Urteil 4A_119/2009 vom 9. Juni 2009 E. 2.1, in: SJ 2010 I S. 58; statt vieler PETER STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 160). Der Ausgang des Rechtsöffnungsverfahrens beeinflusst lediglich die Parteirollenverteilung für den materiellen Prozess: Nach Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung muss der Betriebene Aberkennungsklage erheben (Art. 83 Abs. 2 SchKG), wenn er den Fortgang der BGE 136 III, 566 (570)Betreibung verhindern will. Die Aberkennungsklage als materiellrechtliche Klage untersteht den Zuständigkeitsregeln von Art. 2 ff. LugÜ, wenn die Voraussetzungen für dessen Anwendbarkeit gegeben sind (BGE 130 III 285 E. 3.2 S. 288 f.). Der Schuldner kann den materiellen Bestand der Forderung auch in späteren Stadien der Zwangsvollstreckung bzw. nach Abschluss derselben noch überprüfen lassen (vgl. Art. 85a und Art. 86 SchKG). Wird die provisorische Rechtsöffnung hingegen nicht erteilt, liegt es am Gläubiger, mit der sogenannten Anerkennungsklage (Art. 79 SchKG) den Bestand der behaupteten Forderung gerichtlich klären zu lassen. Die vom Schuldbetreibungsrecht vorgesehene Abfolge von provisorischer Rechtsöffnung und Forderungsprozess zeigt, dass es sich beim vorausgehenden Rechtsöffnungsverfahren nicht um ein Erkenntnisverfahren handeln kann. Die Aneinanderreihung zweier materiellrechtlicher Verfahren erschiene kaum sinnvoll.
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Die Eigenart des Verfahrens auf provisorische Rechtsöffnung muss bei der Einordnung in das Lugano-Übereinkommen berücksichtigt werden. Unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ fallen Verfahren, die unmittelbar die Zwangsvollstreckung zum Gegenstand haben (vgl. GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., München 2010, N. 272 zu Art. 22 EuGVVO). Der Bezug der provisorischen Rechtsöffnung zur Zwangsvollstreckung ist nach dem Gesagten dermassen eng, dass dieses Verfahren unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ zu subsumieren ist. Der Gerichtsstand der provisorischen Rechtsöffnung steht somit nicht zur Disposition der Parteien und kann demgemäss in einer Gerichtsstandsklausel nicht derogiert werden (vgl. LAURENT KILLIAS, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993, S. 138 f.). Die Beschwerdegegnerin hat somit zurecht vor einem Schweizer Gericht um provisorische Rechtsöffnung ersucht. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.
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