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Informationen zum Dokument  BGE 121 III 414  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. In der Berufung wirft die Beklagte dem Kantonsgericht St. Gall ...
2. a) Gemäss Art. 418g Abs. 3 OR können die Parteien mi ...
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81. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. September 1995 i.S. E. AG gegen J. F. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Agenturvertrag; Entstehung und Fälligkeit des Provisionsanspruchs (Art. 418g und Art. 418t OR).  
Vereinbarung über den Zeitpunkt der Entstehung des Provisionsanspruchs. Auslegung nach den Grundsätzen über die Vertragsauslegung (E. 2a und b).  
Ausgenommen sind solche abweichenden Vereinbarungen bei der Vermittlungsagentur (E. 2c).  
 
Sachverhalt
 
BGE 121 III, 414 (415)A.- Die E. AG betreibt ein Profilpresswerk und stellt Halbfabrikate her, so unter anderem Stahlzargen und -türen. J. F. war seit 1973 ihr Agent mit Alleinverkaufsrecht für die Kantone Genf, Waadt, Wallis, Neuenburg, Freiburg und den französischsprachigen Teil des Berner Juras gegen eine Provision von 15%. Zu seinen Aufgaben gehörte die Kundenberatung, das Ausarbeiten der Offerten, die Erledigung der Korrespondenz, das Ausführen der Bestellungen und die Fakturierung. Nachdem die E. AG im Zuge von Reorganisationsmassnahmen die Fakturierung an die Kunden selbst übernommen hatte, kam es zwischen den Parteien zunehmend zu Meinungsverschiedenheiten, namentlich über die Provisionsabrechnungen. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1989 kündigte J. F. den Vertrag auf Ende 1990. Über den Umfang der noch ausstehenden Entschädigungen konnten sich die Parteien nicht einigen.
1
B.- Am 23. Mai 1991 klagte J. F. beim Bezirksgericht Untertoggenburg gegen die E. AG auf Zahlung von Fr. 600'000.-- nebst Zins für Kundschaftsentschädigung und ausstehende Provisionen. Mit Urteil vom 20. August 1992 nahm das Bezirksgericht von der Anerkennung im Betrag von Fr. 41'470.85 durch die Beklagte Vormerk und verpflichtete diese zur Zahlung von Fr. 493'000.45 nebst Zins. Das Kantonsgericht St. Gallen reduzierte mit Urteil vom 21. April 1994 den von der Beklagten zu leistenden Betrag auf Fr. 386'560.27 nebst Zins.
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Das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen wies am 30. November 1994 eine Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten ab, soweit es darauf eintrat.
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Das Bundesgericht weist sowohl die Berufung der Beklagten als auch die Anschlussberufung des Klägers ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Aus den Erwägungen:
 
1. In der Berufung wirft die Beklagte dem Kantonsgericht St. Gallen vor, den Zeitpunkt der Entstehung und jenen der Fälligkeit der Provisionsansprüche unrichtig bestimmt zu haben. Die Fälligkeit eines Anspruchs setze dessen Entstehung voraus. Die Vorinstanz habe die Frage der Entstehung des Provisionsanspruchs offengelassen mit dem Hinweis auf Art. 418t Abs. 2 OR, wonach mit der Beendigung des Agenturverhältnisses sämtliche Provisionsansprüche fällig werden. Damit gehe die Vorinstanz von einem völlig falschen Begriff der Fälligkeit im Sinne von Art. 418t Abs. 2 OR aus. Im weiteren rügt die Beklagte, das Kantonsgericht St. Gallen habe BGE 121 III, 414 (416)den Agenturvertrag vom 12. Februar 1973, insbesondere Ziffer 3 falsch ausgelegt. Ein Provisionsanspruch bestehe nur für jene Geschäfte, die bis zum Ende der Vertragsdauer, d.h. bis zum 31. Dezember 1990 bezahlt oder zumindest fakturiert worden seien. Demnach seien die im angefochtenen Urteil zugesprochenen restlichen Provisionsansprüche um mindestens Fr. 277'474.65 zu kürzen.
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a) Vorbehältlich abweichender schriftlicher Vereinbarung entsteht der Provisionsanspruch des Agenten, wenn das Geschäft zwischen dem Auftraggeber und dem Kunden rechtsgültig abgeschlossen worden ist (Art. 418g Abs. 3 OR). Der Vermittlungsagent muss während des Vertragsverhältnisses entweder das konkrete Geschäft vermittelt oder den Dritten als Kunden für Geschäfte dieser Art geworben haben (Art. 418g Abs. 1 OR); unabhängig davon hat ein Agent, dem ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmter Kundenkreis ausschliesslich zugewiesen ist, Anspruch auf die Provision für alle Geschäfte, die während der Vertragsdauer mit Kunden dieses Gebietes oder Kundenkreises geschlossen werden (Art. 418g Abs. 2 OR). Gemäss Art. 418i OR wird die Provision mangels anderer Abrede oder Übung auf das Ende des Kalenderjahres fällig, in dem das Geschäft abgeschlossen wurde.
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Bei Beendigung des Agenturverhältnisses werden laut Art. 418t Abs. 2 OR sämtliche Ansprüche des Agenten auf Provision und Ersatz fällig. Es tritt eine Vorverschiebung der Fälligkeit aller Provisionsansprüche des Agenten ein, die vor der Wirksamkeit des Beendigungsgrundes wenigstens entstanden sind (GAUTSCHI, Berner Kommentar, N. 3b zu Art. 418t OR). Mit der Beendigung des Agenturverhältnisses entstehen keine neuen Provisionsansprüche mehr, ausser jene für vorher vermittelte Geschäfte oder eingelaufene Nachbestellungen, deren rechtsgültiger Abschluss zwischen Kunden und Auftraggeber erst später, nach Vertragsbeendigung erfolgt; hier fällt die Fälligkeit mit dem Geschäftsabschluss zusammen (OR-WETTENSCHWILER, N. 2 Art. 418t OR). Für den Vermittlungsagenten bedeutet dies, dass ein Provisionsanspruch besteht, wenn die Vermittlung des Geschäfts während der Vertragsdauer erfolgte, obwohl dessen Abschluss allenfalls erst nach Beendigung des Agenturvertrags getätigt wird (BGE 84 II 542 E. 3 S. 546; GAUTSCHI, a.a.O., N. 2a und b zu Art. 418t OR; OR-WETTENSCHWILER, N. 2 zu Art. 418g OR; HOFSTETTER, Der Agenturvertrag, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2, S. 141). Hinsichtlich der Geschäfte, für die der Agent bei Kunden nur generell geworben hat oder die aufgrund der BGE 121 III, 414 (417)Ausschliesslichkeit eines zugewiesenen Gebietes oder Kundenstammes ihm zugerechnet werden, ist demgegenüber die Provisionsberechtigung auf jene Geschäfte beschränkt, welche noch während des Agenturverhältnisses rechtsgenüglich abgeschlossen werden (Art. 418g Abs. 1 und 2 OR; BGE 84 II 542 E. 3 S. 545). Für Nachbestellungen eines vom Agenten geworbenen Kunden bestimmt Art. 418t Abs. 1 OR - abgesehen von anderslautender Vereinbarung oder Übung -, dass der Provisionsanspruch besteht, wenn die Bestellung vor Beendigung des Agenturvertrags beim Auftraggeber eingelaufen ist.
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b) Das Kantonsgericht St. Gallen hat im angefochtenen Urteil die Provisionsberechtigung des Klägers für alle Geschäfte, welche im Jahre 1990 mit Kunden aus dem ihm ausschliesslich zugewiesenen Gebiet geschlossen worden sind, bejaht. Dies steht im Einklang mit der dargelegten gesetzlichen Regelung. Der Einwand, zu den Aufgaben des Agenten habe auch die Fakturierung und die Führung der Korrespondenz im Zusammenhang mit der Abwicklung des Geschäfts gehört, hilft der Beklagten nicht weiter. Ist nichts anderes vereinbart, so entsteht der Provisionsanspruch des Agenten mit dem Abschluss des Geschäfts, auch wenn noch Verrichtungen im Zusammenhang mit dessen Abwicklung in seinen Aufgabenbereich fallen. Für die bei Vertragsbeendigung noch nicht abgewickelten Geschäfte hat der Gesetzgeber damit bewusst in Kauf genommen, dass der Agent darauf einen Provisionsanspruch hat, obwohl er nicht alle normalerweise damit zusammenhängenden Leistungen erbringt. Eine Differenzierung bzw. Zusprechung einer nur anteilmässigen Provision wäre ebenso unpraktikabel, wie eine vollständige Verneinung eines Provisionsanspruchs unbillig wäre. Der Vorwurf, die Vorinstanz habe Art. 418t Abs. 2 OR verletzt, indem daraus die Entstehung eines Provisionsanspruchs abgeleitet worden sei, geht damit fehl; der Provisionsanspruch des Klägers auf den bis Ende 1990 abgeschlossenen oder vermittelten Geschäften ergibt sich vielmehr aus Art. 418g OR.
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2. a) Gemäss Art. 418g Abs. 3 OR können die Parteien mittels schriftlicher Vereinbarung für die Entstehung des Provisionsanspruchs einen anderen Zeitpunkt als den Geschäftsabschluss mit dem Kunden festlegen. Ob eine solche Vereinbarung vorliegt, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Die geforderte Schriftlichkeit ist gewahrt, wenn sich der übereinstimmende Wille zu einer solchen Regelung durch Auslegung aus den der Form genügenden Willenserklärungen der Parteien ergibt (siehe BGE 121 III 118 E. 4b/bb BGE 121 III, 414 (418)S. 124, BGE 96 II 139 E. 2 S. 141). Was die Beteiligten beim Vertragsabschluss dachten und wollten, ist dabei tatsächlicher Natur und wird vom kantonalen Richter für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG). Der freien Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegende Rechtsfrage ist demgegenüber die Ermittlung der Bedeutung, die den Willensäusserungen der Parteien beim Abschluss eines Vertrags nach Treu und Glauben zukommt; auch dabei ist das Bundesgericht an die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich äusserer Tatsachen und des inneren Willens der Parteien gebunden (BGE 107 II 226 E. 4 S. 229, BGE 105 II 16 E. 2 S. 18, jeweils mit Hinweisen, siehe auch BGE 119 II 449 E. 3a S. 451 und BGE 118 II 365 E. 1 S. 365 f.).
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b) Laut Ziffer 3 des Vertrags vom 12. Februar 1973 "beträgt die Provision des Agenten 15% der Rechnungsbeträge, die auf die Schweizerische Bankgesellschaft in Neuenburg einbezahlt werden". Aus der Erwähnung des Zahlungseingangs hat die Vorinstanz aufgrund der langjährigen Handhabung durch die Parteien geschlossen, dass für die Ermittlung der Höhe der Provision insoweit auf die effektiven Zahlungen abzustellen sei, als diese gegenüber dem Rechnungsbetrag um einen Skontoabzug verringert wurden. Hingegen hätten die Parteien nicht etwa vereinbart, dass der Provisionsanspruch erst mit der Zahlung durch den Kunden entstehe. Für eine so weitreichende Klausel hätten sie zweifellos eine andere und deutlichere Formulierung gewählt. Auch ihr Verhalten, wie es in den Provisionsabrechnungen der Jahre 1975 bis 1984 zum Ausdruck komme, lasse keinen Schluss hinsichtlich des Zeitpunkts der Entstehung des Provisionsanspruchs zu, da die einzelnen Geschäfte jeweils nach dem Kriterium der Fälligkeit der Provision in die Abrechnung aufgenommen worden seien.
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Was die Beklagte in der Berufung gegen diese Vertragsauslegung vorbringt, vermag keinen Verstoss gegen das Vertrauensprinzip zu begründen. In der Handhabung und Abwicklung des Agenturverhältnisses steht die Frage der Fälligkeit der Provision im Vordergrund, während die Regelung der Entstehung des Provisionsanspruchs von den Bestimmungen über dessen nachträgliches Dahinfallen (Art. 418h OR) überlagert wird. Von Bedeutung wird die Frage der Entstehung der Provision erst bei der Vertragsbeendigung, wenn zu entscheiden ist, welche Elemente des Geschäfts noch innerhalb der Vertragsdauer liegen müssen, damit es provisionspflichtig ist. Aus dem Wortlaut der angeführten Vertragsbestimmung ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Parteien diese Frage abweichend vom Gesetz hätten regeln wollen oder dass BGE 121 III, 414 (419)sie sich überhaupt dieser Problematik bewusst gewesen wären. Das angefochtene Urteil enthält auch keine weiteren tatsächlichen Feststellungen, welche einen solchen Schluss nahelegen würden. Entgegen der Auffassung der Beklagten erscheint es keineswegs als stossend, wenn ein Provisionsanspruch auf den bei der Vertragsbeendigung pendenten Aufträgen bejaht wird, auch wenn bei diesen die sonst zum Aufgabenbereich des Agenten gehörenden weiteren Bemühungen während der Abwicklungsphase nicht mehr erfolgen. Diese waren im übrigen von untergeordneter Bedeutung, insbesondere seit die Beklagte von sich aus die Fakturierung selbst übernommen hatte. Stossend wäre eher, wenn ein Agent auf bereits rechtsgültig abgeschlossenen Geschäften, welche er vermittelt hat, keine Provision erhalten würde, weil die Abwicklung erst später erfolgt. Je nach der Zeit, welche die Durchführung eines abgeschlossenen Geschäfts normalerweise beansprucht, würde er bei dieser Regelung mit der Vertragsbeendigung für die Tätigkeit während mehrerer Monate jedes Entgelts verlustig gehen. Die von der Beklagten errechnete Provisionssumme für die bei Vertragsbeendigung noch nicht abgewickelten Geschäfte beläuft sich im vorliegenden Fall sogar auf rund 150% des durchschnittlichen jährlichen Provisionsbetrags, den das Kantonsgericht St. Gallen für die Jahre 1986 bis 1990 ermittelt hat. Wenn die Vorinstanz das Vorliegen einer solchen weitreichenden Vereinbarung der Parteien verneint hat, hat sie keineswegs das für die Vertragsauslegung geltende Vertrauensprinzip verletzt.
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Wird das Vorliegen einer Vereinbarung über den Zeitpunkt der Entstehung des Provisionsanspruchs verneint, so gilt die gesetzliche Regelung (vgl. vorne Erwägung 1b). Für die Annahme einer Vertragslücke, welche durch den Richter zu füllen wäre, besteht entgegen der Auffassung der Beklagten kein Anlass; eine Disharmonie zwischen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelung und dem von den Parteien vereinbarten Vertragsinhalt (vgl. JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 515 ff. zu Art. 18 OR) wird auch von ihr nicht behauptet.
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c) Von den Vereinbarungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Provisionsanspruchs sind jene Abreden zu unterscheiden, die hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem einzelnen Geschäftsabschluss und der Tätigkeit des Agenten als Voraussetzung für den Anspruch auf Provision getroffen werden. Für Geschäfte mit Kunden, welche der Agent nur generell für Geschäfte dieser Art geworben hat, behält Art. 418g Abs. 1 OR eine gegenteilige schriftliche Abrede der Parteien vor. Ebenso kann der BGE 121 III, 414 (420)Provisionsanspruch auf Direktgeschäften mit Kunden aus dem Gebiet oder Kundenkreis, welcher dem Agenten ausschliesslich zugewiesen ist, nach der Lehre schriftlich wegbedungen oder modifiziert werden (OR-WETTENSCHWILER, N. 4 zu Art. 418g OR; GAUTSCHI, a.a.O., N. 2g zu Art. 418g/h/i/k OR). Für die vom Agenten konkret vermittelten Geschäfte sind indessen keine abweichenden Vereinbarungen möglich, da sonst kein Agenturvertrag vorliegt. Es ist nicht ersichtlich, welche weitergehenden Voraussetzungen als die Vermittlung des konkreten Geschäfts für den Provisionsanspruch des Vermittlungsagenten sollten verlangt werden können. In diesem Bereich ist somit die gesetzliche Regelung zwingend. Daher können auch für die Beendigung des Agenturverhältnisses keine weitergehenden Voraussetzungen aufgestellt werden. Der Provisionsanspruch für die vom Kläger vor dem 31. Dezember 1990 konkret vermittelten Geschäfte hätte somit auch durch eine schriftliche Vereinbarung der Parteien gar nicht gültig ausgeschlossen werden können.
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