VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 102 III 138  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. a) Zur Begründung ihres Entscheides führte die kanto ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
25. Auszug aus dem Entscheid vom 29. September 1976 i.S. A.
 
 
Regeste
 
Art. 17, 92 und 283 SchKG.  
 
Sachverhalt
 
BGE 102 III, 138 (138)A.- Als Vermieter der von A. gemieteten Fabrik- und Büroräume in X. stellte B. am 8. Juni 1976 das Begehren um Aufnahme einer Retentionsurkunde. Das Betreibungsamt gab dem Gesuch am 9. Juni 1976 statt. Noch am gleichen Tag händigte es ein Exemplar der Retentionsurkunde G. aus, der am 29. Oktober 1974 von der Vormundschaftsbehörde K. zum vorläufigen Vormund des Schuldners ernannt worden war.
1
B.- Mit Eingabe vom 29. Juli 1976 erhob Dr. M. für den sich in Untersuchungshaft befindenden A., zu dessen neuem vorläufigen Vormund er durch Beschluss der Vormundschaftsbehörde Y. vom 20. Juli 1976 bestimmt worden war, gegen die aufgenommene Retentionsurkunde Beschwerde. Es wurde geltend gemacht, verschiedene der mit Retentionsbeschlag belegten Gegenstände seien als Kompetenzstücke zu qualifizieren. Die kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs stellte mit Entscheid vom 30. August 1976 fest, die Beschwerde sei verspätet, und trat daher auf diese nicht ein.
2
C.- Diesen Entscheid hat A. mit Rekurs vom 17. September 1976 beim Bundesgericht angefochten.
3
 
Aus den Erwägungen:
 
2. a) Zur Begründung ihres Entscheides führte die kantonale Aufsichtsbehörde aus, die Retentionsurkunde sei dem BGE 102 III, 138 (139)Schuldner mit ihrer Übergabe an G. am 9. Juni 1976 rechtsgültig zugestellt worden; die erst Ende Juli erhobene Beschwerde sei daher verspätet. Zwar hat die Vorinstanz nicht übersehen, dass die am 29. Oktober 1974 errichtete vorläufige Vormundschaft durch eine vom Bezirksgericht Bülach am 21. Januar 1976 angeordnete Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft abgelöst wurde, ohne dass freilich je ein Beirat ernannt worden wäre. Unter Hinweis auf Art. 444 ZGB gelangte sie jedoch zum Schluss, G. habe als ehemaliger Vormund die Pflicht gehabt, bis zur Ablösung durch den zu bestimmenden Beirat die notwendigen Geschäfte des A. weiterzuführen. Auch nach Errichtung der kombinierten Beiratschaft sei er daher zuständig gewesen, die Retentionsurkunde für den Schuldner entgegenzunehmen.
4
Diese Auffassung der Vorinstanz ist zumindest nicht über alle Zweifel erhaben. Doch mag die Frage nach den Vertretungsverhältnissen offen bleiben, da sie für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der von Dr. M. erhobenen Beschwerde bedeutungslos ist.
5
b) Gewiss schränkt eine Verwaltungsbeiratschaft, wie sie hier neben der Mitwirkungsbeiratschaft angeordnet worden war, die Handlungsfähigkeit des von der Massnahme Betroffenen ein (vgl. BGE 80 II 17 /18) und ist der Beirat insofern als gesetzlicher Vertreter im Sinne von Art. 47 SchKG zu betrachten (BGE 58 III 87). Indessen steht dem urteilsfähigen verbeirateten Schuldner auch dort, wo ihm die Handlungsfähigkeit entzogen ist, das Recht zu, sich selbständig gegen eine Verletzung von Art. 92 SchKG (Retention unpfändbarer Gegenstände) zur Wehr zu setzen (vgl. BGE 68 III 116, wo die Befugnis zur selbständigen Beschwerdeführung einem Arrestschuldner zugestanden wurde, der sogar bevormundet war; in gleichem Sinne auch BGE 72 III 2 und BGE 75 III 80). Um eine solche Beschwerde des Schuldners handelte es sich bei der Eingabe von Dr. M., der ja nicht gestützt auf Art. 47 Abs. 1 SchKG von der Retentionsurkunde Kenntnis erhalten hatte.
6
Für die Rechtzeitigkeit einer Beschwerde, die vom oder für den in seiner Handlungsfähigkeit Eingeschränkten persönlich erhoben wird, ist nun aber der Zeitpunkt massgebend, da dieser selbst von der betreibungsamtlichen Verfügung Kenntnis erlangt hat. Ob und wann dies hier der Fall war, geht aus den Akten nicht hervor. Der angefochtene Entscheid der Aufsichtsbehörde BGE 102 III, 138 (140)ist daher aufzuheben und diese einzuladen, hiezu nähere Abklärungen zu treffen. Sollte sich herausstellen, dass Dr. M. die Retentionsurkunde übergeben wurde, ohne dass der Rekurrent von ihr je Kenntnis erhalten hätte, so müsste die von jenem erhobene Beschwerde ohne weiteres als rechtzeitig betrachtet werden. Sollte der Rekurrent dagegen von der Retentionsurkunde und ihrem Inhalt schon vorher gewusst haben, so wäre zu prüfen, ob die mit dem Tag der Kenntnisnahme beginnende Frist eingehalten wurde. Der Vorinstanz bleibt freilich unbenommen, die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde offen zu lassen, falls sie zur Ansicht gelangt, diese wäre aus materiellen Gründen ohnehin abzuweisen.
7
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).