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Informationen zum Dokument  BGE 86 III 134  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Fragen der örtlichen (oder sachlichen) Zuständigkeit ...
2. Auch die Einrede der abgeurteilten Sache lässt sich nicht ...
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32. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. September 1960 i.S. Frau E. gegen D.
 
 
Regeste
 
Widerspruchsverfahren. Art. 106-109 SchKG.  
2. Hat der Gläubiger die Klage nach Art. 109 SchKG versäumt oder nicht ordnungsgemäss angehoben, und ist es daher nicht zu einem Sachurteil gekommen, so steht ihm zu, in einer neuen Betreibung eine übereinstimmende Klage nunmehr ordnungsgemäss anzuheben. Abweisung der. Einrede der abgeurteilten Sache. (Erw. 2.)  
 
Sachverhalt
 
BGE 86 III, 134 (135)A.- D. führt gegen E. für Fr. 10'000.-- eine ordentliche Betreibung (Nr. 44'751) durch das Betreibungsamt Frauenfeld. Der Schuldner wohnt im Bezirk dieses Amtes, nämlich im thurgauischen Kefikon an der Zürcher Grenze. Jenseits dieser Grenze, im zürcherischen Kefikon, betreibt er zusammen mit seiner güterrechtlich getrennten Ehefrau Landwirtschaft auf Grundstücken, welche die Ehefrau gepachtet hat. Gepfändet wurden durch das Betreibungsamt Frauenfeld im thurgauischen Dorfteil drei Sachen im Schätzungswert von Fr. 410.-- und requisitionsweise durch das Betreibungsamt Bertschikon im zürcherischen Dorfteil Vieh und Gebrauchsgegenstände im Gesamtwert von rund Fr. 26'000.--. Des Schuldners Ehefrau sprach sowohl die am Wohnort wie auch die auf dem Pachtgut gepfändeten Gegenstände als ihr Eigentum an. Mit Rücksicht hierauf setzte das Betreibungsamt Frauenfeld dem Gläubiger gemäss Art. 109 SchKG zehn Tage Frist, "innert welcher er die Ansprüche durch Einleitung gerichtlicher Klage anfechten kann".
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B.- D. erhob gegen die Ansprecherin beim Friedensrichteramt Frauenfeld und dann beim dortigen Bezirksgericht BGE 86 III, 134 (136)Klage auf "Aberkennung" des von ihr erhohenen Eigentumsanspruchs an den Pfändungsgegenständen Nr. 1 bis 3 (in Kefikon TG) und Nr. 5 - 24 (in Kefikon ZH). Das Bezirksgericht Frauenfeld hiess die Klage in bezug auf alle streitigen Gegenstände ausser den Nummern 21 und 24 gut. Das Obergericht des Kantons Thurgau, an das die Beklagte die Sache weiterzog, bestätigte dieses Urteil durch Entscheid vom 12. Juli 1960. Es verwarf sowohl die Einrede der Unzuständigkeit der thurgauischen Gerichte, die die Beklagte mit Hinweis auf den zürcherischen Standort des überwiegenden Teils der Pfändungsgegenstände erhoben hatte, wie auch die Einrede der abgeurteilten Sache, die sich auf eine wenigstens teilweise dieselben Gegenstände betreffende frühere Streitigkeit gleicher Art zwischen denselben Parteien bezog. D. hatte nämlich die gleiche Forderung schon 1956/57 in Betreibung gesetzt, als der Schuldner noch in Niederbüren, Bezirk Wil, Kanton St. Gallen, wohnte. Nachdem ihm dort bereits die Pfändung angekündigt worden war, verzog der Schuldner nach Diepoldsau im st. gallischen Rheintal, wo es zur requisitionsweisen Pfändung kam. Gegenüber der Eigentumsansprache der Ehefrau des Schuldners hatte der Gläubiger beim Bezirksgericht Unterrheintal Klage nach Art. 109 SchKG erhoben. Indessen hatte das Kantonsgericht St. Gallen am 29. Januar 1959 erkannt, auf die Klage werde mangels örtlicher Zuständigkeit nicht eingetreten.
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C.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht stellt die Beklagte die Anträge:
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"1. Es sei die Klage abzuweisen, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einrede der Unzuständigkeit der thurgauischen Gerichte gutzuheissen.
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2. Eventuell habe durch die nicht rechtzeitige Einreichung der Widerspruchsklage gemäss Pfändungsurkunde vom 20. Juli 1957 die Eigentumsansprache der Beklagten und Berufungsklägerin Frau E. als anerkannt zu gelten, und es sei die Einrede der abgeurteilten Sache gutzuheissen."
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Zur Begründung des Hauptantrages wird einzig die Gerichtsstandseinrede wieder aufgenommen. Dieser Antrag BGE 86 III, 134 (137)ist also bloss dahin zu verstehen, auf die Klage sei wegen Unzuständigkeit der thurgauischen Gerichte nicht einzutreten.
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Der Eventualantrag stützt sich auf den Ausgang des frühern, in der Betreibung von Niederbüren eingeleiteten und vor den st. gallischen Gerichten angehobenen Widerspruchsverfahrens.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1. Fragen der örtlichen (oder sachlichen) Zuständigkeit der Behörden können dem Bundesgericht durch das Rechtsmittel der Berufung (oder der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 Abs. 1 lit. b OG) nur unterbreitet werden, wenn eine Zivilrechtsstreitigkeit bzw. Zivilsache vorliegt und eine Verletzung bundesrechtlicher Zuständigkeitsnormen gerügt wird. Mit einer Zivilrechtsstreitigkeit hat man es beim Widerspruchsverfahren nach Art. 106 bis 109 SchKG zweifellos zu tun, wenn, wie hier, ein zivilrechtlicher Anspruch im Streit liegt und daher nicht etwa eine Verwaltungs- oder Verwaltungsjustizbehörde ausschliesslich zuständig ist (vgl. BGE 68 III 21). Die örtliche Zuständigkeit der zur Beurteilung solcher zivilrechtlicher Klagen berufenen Gerichte ist aber vom SchKG nicht geregelt worden. Als bundesrechtliche Gerichtsstandsnorm wäre freilich auch eine nicht ausdrücklich im Gesetz enthaltene, aber doch aus der Rechtsnatur der Klage abzuleitende und allenfalls durch Heranziehung anderer Gerichtsstandsnormen auf dem Weg der Analogie näher zu bestimmende Regel anzuerkennen. Das nehmen denn auch für die Klagen nach Art. 107 und 109 SchKG einige Autoren an (namentlich JAEGER, auch JAEGER/DAENIKER, N. 5 E zu Art. 107 und N. 9 zu Art. 109 SchKG, und BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 393). Sie wollen wegen der betreibungsrechtlichen Wirkungen dieser Klagen den Betreibungsort als bundesrechtlichen Gerichtsstand anerkannt wissen (womit die Ablehnung der Gerichtsstandseinrede durch die Vorinstanzen im vorliegenden Falle voll gerechtfertigt BGE 86 III, 134 (138)wäre), während die Berufungsklägerin den nach Anzahl und Wert der streitigen Gegenstände überwiegenden Sachort als massgebenden Gerichtsstand betrachtet. Allein die ständige Rechtsprechung verneint das Bestehen eines bundesrechtlichen Gerichtsstandes für solche Klagen. Sie zieht in Betracht, dass diese Klagen neben betreibungsrechtlichen auch dingliche Elemente aufweisen, beim Streit um Forderungen ausserdem obligatorische, weshalb es für den Bundesgesetzgeber durchaus nicht ausgemacht war, dass als Gerichtsstand nur der Betreibungsort und nicht der (mit dem Sachort zur betreffenden Zeit zusammenfallende) Ort des Pfändungsvollzugs als solchen oder auch der (damit nicht notwendig zusammenfallende) Sachort zur Zeit der Klage oder endlich der Wohnort des Beklagten anzuerkennen sei. Wenn das SchKG dennoch keine ausdrückliche Regelung getroffen hat, so ist anzunehmen, es habe die Bestimmung des Gerichtsstandes für solche Klagen dem kantonalen Prozessrecht anheim geben wollen (vgl. BGE 25 I 37, BGE 51 I 197, BGE 81 III 9 /10).
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Auf Art. 59 BV könnte sich die Beklagte nur mit staatsrechtlicher Beschwerde berufen (laut dem in Art. 49 und ebenso in Art. 68 Abs. 1 lit. b OG ausgesprochenen Vorbehalt). Sie hatte dazu natürlich keine Veranlassung, da die thurgauischen Gerichte ja diejenigen ihres Wohnsitzkantons sind und sie mit ihrer Einrede gerade einen von ihrem Wohnsitz verschiedenen Gerichtsstand in Anspruch nehmen will. Übrigens unterstehen Widerspruchsklagen nur dann dem Art. 59 BV, wenn, anders als im vorliegenden Falle, Forderungen im Streit liegen (BGE 36 I 44, BGE 51 I 198, BGE 75 I 34 Erw. 1), und zwar nur Klagen nach Art. 109 gegen den Drittansprecher, nicht auch solche nach Art. 107 SchKG, wobei der Drittansprecher als Kläger auftritt (BGE 58 I 232).
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Beim Fehlen einer bundesrechtlichen Gerichtsstandsnorm im eigentlichen Sinn (handle es sich um die Bestimmung des Gerichtsstandes überhaupt oder doch des Kantons, dem die Gerichtsbarkeit für Klagen der vorliegenden Art BGE 86 III, 134 (139)zukomme) kann aber das Bundesgericht nur zur Beilegung allfälliger interkantonaler Gerichtsstandskonflikte angerufen werden (abgesehen von der staatsrechtlichen Beschwerde wegen willkürlicher Anwendung kantonaler Gerichtsstandsregeln). Die Berufungsklägerin behauptet denn auch, es bestehe ein negativer Konflikt zwischen der thurgauischen und der zürcherischen Gerichtsbarkeit. Sie weist darauf hin, dass Klagen im Sinne der Art. 107 und 109 SchKG nach § 16 der thurgauischen ZPO "beim Gerichte des die Pfändung oder den Arrest vollziehenden Betreibungsamtes", dagegen nach § 7 Ziff. 2 und 3 der zürcherischen ZPO "beim Gerichte des Ortes der Betreibung" anzubringen sind. Es ist zuzugeben, dass sich unter Umständen aus solcher Verschiedenheit der kantonalen Gerichtsstandsregeln ein interkantonaler Konflikt ergeben kann. Indessen erhebt sich vorweg die Frage, ob solche Konflikte als Verletzung eidgenössischer Zuständigkeitsnormen zu bezeichnen seien und daher mit Berufung gemäss Art. 48/49 OG bzw. Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 OG dem Bundesgericht unterbreitet werden können, oder ob dafür nur die staatsrechtliche Beschwerde nach der weiter gefassten Vorschrift des Art. 84 Abs. 1 lit. d OG "wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden" (neben staatsrechtlicher Klage von Behörden nach Art. 83 lit. b OG) zur Verfügung stehe. Der ersten Ansicht ist GULDENER (Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 79 N. 254), der davon ausgeht, dem Bundesgericht liege - was die erwähnte Rechtsprechung nicht annimmt - beim Fehlen bundesgesetzlicher Gerichtsstandsnormen wenigstens die Aufstellung bestimmter Regeln für die Abgrenzung der kantonalen Gerichtsbarkeiten, nicht nur die Beilegung interkantonaler Konflikte, ob (vgl. auch GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, S. 61 ff.). Andere Autoren zählen die in Frage stehenden Konfliktsfälle zu den staatsrechtlichen Streitigkeiten, zu deren Erledigung das Bundesgericht BGE 86 III, 134 (140)infolge der bundesstaatlichen Gliederung der Schweiz nach Art. 5 und 113 Abs. 1 Ziff. 2 BV berufen ist gemäss der Ausführungsnorm des Art. 83 lit. b OG (und den spezielleren Vorschriften der lit. d und e, teilweise auch c daselbst) sowie der bereits erwähnten, die Befugnis des betroffenen Bürgers zur staatsrechtlichen Beschwerde festlegenden Vorschrift des Art. 84 Abs. 1 lit. d OG (so FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung I 201, mit Hinweis auf die letztere Bestimmung, und die dort in N. 325 angeführten Autoren; GIACOMETTI, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 192 mit N. 24 und S. 245 mit N. 43; vgl. auch die in erster Linie an Art. 5 BV anknüpfende Begründung der bundesgerichtlichen Zuständigkeit zur Lösung interkantonaler Gerichtsstandskonflikte in BGE 33 I 363 Erw. 6 = = Sep.-Ausg. 10 S. 170, wobei ebenfalls eine Klage nach Art. 109 SchKG vorlag; vgl. ferner BGE 72 I 11). Die Frage nach dem zutreffenden Rechtsmittel mag indessen offen bleiben, weil der angefochtene Entscheid des thurgauischen Obergerichts gar keinen interkantonalen Konflikt schafft, sondern ihn gerade vermeidet. Das angefochtene Urteil bejaht nämlich die Zuständigkeit der thurgauischen Gerichte aus folgenden Gründen:
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"Nach § 16 der thurgauischen ZPO sind Widerspruchsklagen beim Gericht des die Pfändung vollziehenden Betreibungsamtes anzubringen. Da die Positionen 1-3 auf dem thurgauischen Gebiet der Gemeinde Kefikon vom Betreibungsamt Frauenfeld gepfändet worden sind, ergibt sich für diese Gegenstände auf jeden Fall die Zuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts Frauenfeld. Für die übrigen auf Zürcher Boden gepfändeten Gegenstände lässt sich aber nicht einfach der zürcherische Gerichtsstand anrufen. Die Zivilprozessordnung des Kantons Zürich stellt nämlich nicht auf den Ort des Pfändungsvollzuges ab, sondern auf den Ort der Betreibung. Die Behörden des Kantons Zürich müssten deshalb gestützt auf ihr kantonales Recht die Behandlung einer Widerspruchsklage ablehnen.
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Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 34 I 729, BGE 58 I 233, BGE 81 III 10) geht im Konfliktfall der kantonale Gerichtsstand des sogenannten Sachortes demjenigen des Betreibungsortes vor. Die zitierten Entscheide betreffen jedoch Tatbestände, wo Betreibungsort und Sachort gänzlich auseinanderfallen. In der hier zu beurteilenden Streitsache ist wenigstens für einen Teil der gepfändeten Gegenstände der Sachort mit dem Betreibungsort identisch und der thurgauische Gerichtsstand gegeben. In bezug auf die im thurgauischen Dorfteil von Kefikon gelegenen Gegenstände BGE 86 III, 134 (141)sind die zürcherischen Gerichte von der Beurteilung ausgeschlossen. Den Kläger aber zu zwingen, zwei Prozesse in verschiedenen Kantonen zu führen, erscheint schlechterdings unzumutbar. Mit Recht hat die Vorinstanz die Einheit der Widerspruchsklage dadurch betont, dass sie das für einen Teil der Gegenstände unzweifelhaft feststehende Forum Frauenfeld zur Behandlung der ganzen Streitsache auch in bezug auf die im zürcherischen Kefikon gelegenen Sachen zuständig erklärt hat. Diese Lösung ist im zürcherisch-thurgauischen Verhältnis umso angebrachter, als das zürcherische Recht selbst den Betreibungsort als Klageort bezeichnet und hier somit gleichfalls auf Kefikon TG als Gerichtsstand für die auf Zürchergebiet gelegenen Sachen hinweisen würde."
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Vom Standpunkt des Bundesrechts aus ist dagegen nichts einzuwenden. Gewiss gibt die Rechtsprechung bei interkantonalen Konflikten betreffend den Gerichtsstand einer Klage nach Art. 107 und 109 SchKG grundsätzlich (jedenfalls bei positivem Konflikt, wie er hier nicht in Frage kommt) der Gerichtsbarkeit des Kantons des Sachortes den Vorrang vor der Gerichtsbarkeit des Kantons des Betreibungsortes. Immerhin blieb vorbehalten, "ob daneben nicht auch der Gerichtsstand des Wohnortes des Beklagten anzuerkennen sei" (BGE 34 I 729= Sep.-Ausg. 11 S. 260), welcher Wohnort sich im vorliegenden Falle, vereint mit dem Betreibungsort und dem Ort eines Teils, wenn auch des kleineren und weniger wertvollen, der streitigen Sachen, im Kanton Thurgau befindet. Indessen ist hier eben kein interkantonaler Gerichtsstandskonflikt entstanden, weil die Vorinstanzen sich dazu bereit gefunden haben, den für einen Teil der streitigen Gegenstände unzweifelhaft gegebenen thurgauischen Gerichtsstand auch für die rechtshilfeweise auf Zürcher Boden gepfändeten Sachen von höherem Gesamtwert anzuerkennen und damit dem auf eigenem Gebiet liegenden Betreibungsort Rechnung zu tragen, an den die zürcherische ZPO ihrerseits solche Klagen weist. Diese Entscheidung beruht auf der Anwendung einer kantonalen Gerichtsstandsnorm, der auf dem Wege der Auslegung und Lückenausfüllung eine über ihren Wortlaut hinausgehende Tragweite gegeben wird. Das Obergericht berücksichtigt das Postulat eines einheitlichen Gerichtsstandes des Sachzusammenhanges und glaubt hiebei das Schwergewicht, das nach Zahl und Wert der streitigen BGE 86 III, 134 (142)Gegenstände im Kanton Zürich läge, in entgegenkommender Berücksichtigung der zürcherischen Gerichtsstandsordnung an den thurgauischen Betreibungsort - und zugleich Wohnort der Beklagten - verlegen zu sollen. Diese auf kantonalem Recht beruhende, zur Vermeidung eines negativen Gerichtsstandskonfliktes mit dem Nachbarkanton führende Entscheidung gibt nach dem Gesagten keine Veranlassung zur Anrufung des Bundesgerichts (abgesehen von der Möglichkeit einer Rüge willkürlicher Ausdehnung eines kantonalen Gerichtsstandes durch staatsrechtliche Beschwerde, die aber nicht erhoben worden ist und wozu die als Einwohnerin des Kantons Thurgau in keinen ernstlichen Interessen betroffene Beklagte auch wohl nicht befugt wäre).
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2. Auch die Einrede der abgeurteilten Sache lässt sich nicht halten. Sie fällt von vornherein nur in Betracht, soweit die in der jetzt hängigen Betreibung Nr. 44'751 von Frauenfeld gepfändeten Gegenstände mit den seinerzeit in der Betreibung Nr. 1034 von Niederbüren gepfändeten übereinstimmen. Aber auch soweit dies zutrifft, ist die Einrede gänzlich unbegründet. Im Einklang mit der herrschenden Lehre schreibt die ständige Rechtsprechung dem Urteil im Widerspruchsprozess Rechtskraftwirkung (materielle Rechtskraft) nur für die Betreibung zu, in deren Verlauf es ergangen ist (BGE 44 III 209: "feststehender Grundsatz"; so auch neulich BGE 85 III 62 Mitte). Vorbehalten blieb der (hier nicht gegebene) Fall des Urteils über die Klage eines Drittansprechers nach Art. 107 SchKG gegen den Schuldner selbst, dem nach einer Lehrmeinung "objektive" Rechtskraft über die konkrete Betreibung hinaus zukommen soll (vgl. JAEGER/DAENIKER, N. 5 C zu Art. 107 SchKG). Ferner ist die Reflexwirkung des Urteils auf materiellrechtliche Verhältnisse zu beachten, die sich bei Ablehnung des Dritteigentums darin äussert, dass der streitig gewesene Gegenstand nun als Vermögensstück des Schuldners verwertet, also gültig auf einen Ersteigerer oder Freihandkäufer übertragen werden kann, und bei Ablehnung BGE 86 III, 134 (143)eines beschränkten dinglichen Rechtes darin, dass Verwertung und Verteilung ohne Berücksichtigung eines solchen Vorzugsrechts erfolgen können (vgl. BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 391). Konnte aber der Drittanspruch mit Erfolg geltend gemacht werden, so kommt es, wenn es um das Alleineigentum ging, gar nicht zur Verwertung der betreffenden Sache. Daher steht, wenn rechtskräftige Erledigung der Ansprache nur für die Betreibung, in der das Verfahren nach Art. 106 bis 109 SchKG stattfand, angenommen wird, nichts entgegen, die nämliche Sache in einer gegen denselben Schuldner gerichteten neuen Betreibung wiederum zu pfänden und über den Drittanspruch nochmals ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Das ist allerdings nicht unbestritten. Im Gegensatz zur erwähnten Rechtsprechung tritt GULDENER (ZSR NF 74 I 43 ff. und Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, S. 303 N. 19 b) dafür ein, dass dem Urteil im Widerspruchsprozess eine weitergehende Rechtskraft zuerkannt werde. Nach seiner Ansicht ist Ziel der Klage (um das Eigentum) "die richterliche Zulässigerklärung bzw. Unzulässigerklärung einer Pfändung des streitigen Objektes zum Zwecke der Durchsetzung der in Betreibung stehenden Forderung schlechthin", nicht nur in der konkreten Betreibung, die zum Widerspruchsverfahren führte. Dem Urteil komme daher materielle Rechtskraft auch in spätern Betreibungen zu, "sofern sich in der spätern Betreibung die gleichen Parteien oder ihre Rechtsnachfolger gegenüberstehen und keine Änderung der Rechtslage behauptet wird" (S. 48 - 50 der ersterwähnten Abhandlung). Es ist fraglich, ob sich eine solche Lösung mit der gesetzlichen Ordnung vereinen lässt, wonach das Widerspruchsverfahren als Zwischenverfahren einer bestimmten Betreibung erscheint und nur im Hinblick auf deren weitern Verlauf eingeleitet wird (vgl. FRITZSCHE I S. 202/3). Die betreibungsamtlichen Fristansetzungen erfolgen zu keinem andern Zweck, und das Interesse des betreibenden Gläubigers an der mehr oder weniger hartnäckigen Abwehr eines Drittanspruchs wird jeweilen BGE 86 III, 134 (144)dadurch mitbestimmt, welchen Erfolg die Pfändung im übrigen hat und was für andere Gläubiger noch daran teilnehmen - Umstände, die sich bei einer spätern Betreibung inzwischen stark verändert haben können, auch wenn in bezug auf den Drittanspruch als solchen keine Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Ob gleichwohl aus den vom genannten Autor dargelegten Gründen dann, wenn im Widerspruchsverfahren ein rechtskräftiges Gerichtsurteil zu Gunsten des dritten Eigentumsansprechers ergeht, dieser sich in einer neuen Betreibung desselben Gläubigers gegen denselben Schuldner für dieselbe Forderung eine neue Klagefristansetzung gemäss Art. 107 SchKG zur Wahrung seines Eigentums nicht gefallen zu lassen brauche und ihm demgemäss gegenüber einer neuen Klage des Gläubigers nach Art. 109 SchKG die Einrede der abgeurteilten Sache zustehe, mag indessen hier auf sich beruhen bleiben. Auf keinen Fall darf der Begriff der abgeurteilten Sache auf die bloss betreibungsverfahrensrechtliche Verwirkung (Präklusion) ausgedehnt werden, wie sie den Gläubiger trifft, der die ihm nach Art. 109 SchKG eingeräumte Klagefrist versäumt oder doch davon keinen ordungsmässigen, zur Herbeiführung einer Sachentscheidung geeigneten Gebrauch macht. Wenn Art. 109 SchKG bestimmt: "Wird diese Frist nicht benützt, so gilt der Anspruch des Dritten als anerkannt", so ist damit eine für die laufende Betreibung geltende Fiktion ohne materiellrechtliche Bedeutung aufgestellt. Die Fristansetzung durch das Betreibungsamt soll nur dazu beitragen, das Widerspruchsverfahren als Teil der laufenden Betreibung rasch abzuwickeln. Es liegt dem SchKG fern, eine über die laufende Betreibung hinaus wirkende materiellrechtliche Verwirrkung an die Versäumung oder an die nicht ordnungsmässige Benützung der Frist des Art. 109 SchKG zu knüpfen, und es wäre denn auch für eine derartige selbst für künftige Betreibungen geltende Abstandswirkung kein zureichender Grund ersichtlich. Das Betreibungsamt ist vielmehr verpflichtet, in einer spätern Betreibung unter denselben Voraussetzungen nochmals BGE 86 III, 134 (145)ein Widerspruchsverfahren einzuleiten, auch wenn bereits in der früheren Betreibung eine Klagefrist nach Art. 109 SchKG angesetzt, jedoch nicht oder nicht in gehöriger Weise benützt worden war. Und der diesmal ordnungsmäss belangte Beklagte kann aus der untauglichen Art der frühern Klageführung keine materiellrechtlichen Wirkung ableiten.
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Die von der Berufungsklägerin angerufenen Entscheidungen enthalten nichts, was diesen Ausführungen entgegenstünde, zumal nichtBGE 37 I 466(= Sep.-Ausg. 14 S. 245, je Beginn des zweiten Absatzes), wo die Berufungsbegründung gerade den die Verwirkung einschränkenden Passus "dans la poursuite en cours" weglässt; aber auch nicht BGE 27 I 390(= Sep.-Ausg. 4 S. 150, je Erw. 2), wo ausgesprochen wurde, der in einem Widerspruchsverfahren erzielte Prozessgewinn dürfe einem Drittansprecher in einer nachfolgenden Pfändungsgruppe ebenso wenig streitig gemacht werden wie bei umgekehrtem Ergebnis dem an der vorgehenden Gruppe beteiligten Gläubiger. Die andern Hinweise betreffen entweder die Befugnis des Betreibungsamtes zur Ansetzung von Klagefristen mit Androhung von Rechtsverlusten im allgemeinen (woraus sich für die Frist des Art. 109 SchKG kein weitergehender Rechtsverlust als wie oben dargelegt herleiten lässt) oder andere Verwirkungsfristen des SchKG als die hier in Frage stehende, woraus vollends nichts für die von der Berufungsklägerin postulierte materielle Rechtskraftwirkung des Unterbleibens einer gehörigen Widerspruchsbeseitigungsklage in der frühern Betreibung folgt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 12. Juli 1960, soweit es angefochten worden ist, bestätigt.
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