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Informationen zum Dokument  BGE 136 II 132 - Nachzählung Abstimmungsresultat  Materielle Begründung
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BGE 125 II 417 - PKK

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
Erwägung 2.3
Erwägung 2.4
Erwägung 2.5
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Michelle Ammann, A. Tschentscher  
 
13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Güntert, Sorg und Besson gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
1C_275/2009 vom 1. Oktober 2009
 
 
Regeste
 
Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR, Art. 29a und 34 BV; Anspruch auf Nachzählung eines knappen Resultats einer eidgenössischen Abstimmung.  
Ergibt die Nachzählung wiederum ein sehr knappes Resultat, so ist dies allein kein Grund für eine weitere Nachzählung (E. 2.4.3).  
Beschwerdeinstanz für ein Rechtsmittel gegen das noch nicht erwahrte gesamtschweizerische Abstimmungsresultat ist gestützt auf Art. 29a i.V.m. Art. 34 BV das Bundesgericht (E. 2.5).  
 
Sachverhalt
 
BGE 136 II, 132 (133)A. Am 13. Juni 2008 beschloss die Bundesversammlung die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 über biometrische Pässe und Reisedokumente. Gegen diesen Bundesbeschluss wurde das Referendum ergriffen. An der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 wurde der Bundesbeschluss mit 953'136 Ja-Stimmen (50,14 %) gegen 947'632 Nein-Stimmen (49,86 %) angenommen.
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Mit teilweise gleichlautenden Eingaben erhoben Rudolf Güntert, Sonja Sorg, André Besson und weitere Personen beim Regierungsrat des Kantons Zürich Abstimmungsbeschwerden gemäss Art. 77 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1). Mit Verfügung vom 3. Juni 2009 vereinigte die Präsidentin des Regierungsrats die insgesamt 96 Beschwerden und wies sie ab, soweit sie darauf eintrat.
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B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 15. Juni 2009 beantragen Rudolf Güntert, Sonja Sorg und André Besson im Wesentlichen, die Abstimmung sei schweizweit für ungültig zu erklären und es sei eine neue Abstimmung anzuordnen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 2
 
2.1 Die Beschwerdeführer verlangen im Verfahren vor Bundesgericht, die Abstimmung sei "schweizweit als ungültig zu erklären". Aus der Beschwerdebegründung erhellt, dass sie sich damit auf die Anordnung einer (schweizweiten) Nachzählung beziehen (vgl. dazu BGE 123 V 335 E. 1 S. 336 ff.; Urteil 1C_339/2008 vom 24. September 2008 E. 1.2; je mit Hinweisen). Zur Begründung ihres Begehrens berufen sie sich auf Art. 34 Abs. 2 BV sowie auf das bei eidgenössischen Abstimmungen allerdings nicht zur Anwendung gelangende Gesetz des Kantons Zürich vom 1. September 2003 über die politischen Rechte (LS 161), nach dessen § 75 Abs. 3 die wahlleitende Behörde bei einem knappen Ausgang eine Nachzählung BGE 136 II, 132 (134)anordnet. Sie sind der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der Fehlerquote ein knappes Abstimmungsergebnis zwingend eine Nachzählung erfordere, auch ohne Anhaltspunkte für darüber hinausgehende Unregelmässigkeiten.
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Im kantonalen Verfahren hatten die Beschwerdeführer noch gefordert, die kantonale Abstimmung sei erneut durchzuführen beziehungsweise deren Resultat sei nachzuprüfen. Sie begründeten dieses Begehren damit, dass schweizweit der Unterschied zwischen Ja- und Nein-Stimmen etwas mehr als 5'000 Stimmen betrage und damit im Streubereich der Fehlerquote liege. Mit Blick auf mögliche Nachzählungen in anderen Kantonen sei eine solche selbst dann geboten, wenn trotz eines abweichenden Ergebnisses der Ausgang im Kanton Zürich nicht entscheidend verändert würde. Dazu erwog die Vorinstanz, die Beschwerdeführer würden sich in ihren Ausführungen auf allgemeine Mutmassungen stützen, ohne nähere Angaben zu konkreten Vorfällen beziehungsweise Unregelmässigkeiten in Wahlbüros zu machen. Zudem sei das zürcherische Abstimmungsresultat mit rund 51,9 % Ja-Stimmen nicht knapp ausgefallen und es bestehe auch insoweit kein Anlass zu einer Nachzählung.
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Die Zulässigkeit des vor Bundesgericht vorgetragenen Begehrens, die Abstimmung sei "schweizweit" für ungültig zu erklären beziehungsweise es sei eine schweizweite Nachzählung anzuordnen, hängt davon ab, ob bei einem knappen eidgenössischen Abstimmungsresultat ein bundesrechtlicher Anspruch auf Nachzählung besteht und wie ein derartiger Anspruch im Rahmen des bestehenden Rechtsmittelsystems des Bundes durchgesetzt werden kann. Mit beiden Fragen hatte sich das Bundesgericht bisher noch nicht auseinanderzusetzen. Auf sie ist im Folgenden einzugehen.
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2.2 Für eidgenössische Abstimmungen sieht Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR vor, dass wegen Unregelmässigkeiten bei der Kantonsregierung Beschwerde geführt werden kann. Die Kantonsregierung weist die Beschwerde gemäss Art. 79 Abs. 2bis BPR ohne nähere Prüfung ab, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten weder nach ihrer Art noch nach ihrem Umfang dazu geeignet waren, das Hauptresultat der Abstimmung wesentlich zu beeinflussen. Dass ein knappes Ergebnis allein kein Grund für eine Aufhebung oder Nachzählung sein soll, entspricht der früheren Praxis des Nationalrats zum Bundesgesetz vom 14. Februar 1919 betreffend die Wahl des Nationalrats (AS 35 359; AB 1975 N 1540). Diese Praxis wurde bei den parlamentarischen Beratungen zum Bundesgesetz über die politischen Rechte bestätigt BGE 136 II, 132 (135)(AB 1976 N 1488). Eine subjektiv-historische Auslegung von Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR ergibt somit, dass mit der Verwendung des Begriffs "Unregelmässigkeiten" nicht auch die erfahrungsgemäss bestehende und in diesem Sinne "regelmässige" Fehlerquote beim Auszählen erfasst werden sollte.
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Erwägung 2.3
 
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2.3.2 Einige kantonale Gesetze weisen die Behörden an, bei Unterschreiten einer festgelegten prozentualen Differenz zwischen Ja- und Nein-Stimmen oder allgemein bei einem "knappen Resultat" eine Nachzählung vorzunehmen (vgl. z.B. Art. 43 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Juni 2005 über die politischen Rechte im Kanton Graubünden [GPR; BR 150.100] - Nachzählen unter dem Schwellenwert von 0,3 %; Art. 45 der Vollziehungsverordnung des Kantons Obwalden vom 1. März 1974 zum Gesetz über die Ausübung der politischen Rechte [Abstimmungsverordnung; GDB 122.11] - "Knappe Abstimmungsergebnisse" sind nachzuzählen; Art. 26a Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Schaffhausen vom 15. März 1904 über die vom Volke vorzunehmenden Abstimmungen und Wahlen sowie über die Ausübung der Volksrechte [Wahlgesetz; SHR 160.100] - Nachzählen unter dem Schwellenwert von 0,3 %; Art. 39 Abs. 4 des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 4. Juli 1971 über die Urnenabstimmungen [sGS 125.3] - Nachzählen bei einem "sehr knappen Abstimmungsergebnis"; § 75 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 1. September 2003 über die politischen Rechte [LS 161] und § 49 Abs. 1 der Verordnung vom 27. Oktober 2004 über die politischen Rechte [VPR; LS 161.1] - Nachzählen bei einem "knappen Ausgang" beziehungsweise wenn der Anteil der Ja-Stimmen zwischen 49,8 und 50,2 % der Summe der Ja-Stimmen und der Nein-Stimmen liegt).
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In anderen Kantonen werden die Behörden in allgemeiner Weise bei Hinweisen auf ein unrichtiges Resultat zu einer Nachzählung angehalten (so in § 79 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 21. April 1994 über Wahlen und Abstimmungen [Wahlgesetz; SG 132.100] - "sofern stichhaltige Gründe vorliegen, welche dieBGE 136 II, 132 (136)zuverlässige Ermittlung des Ergebnisses einer Wahl oder einer Abstimmung in Frage stellen"; Art. 58 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Glarus vom 7. Mai 1989 über die Wahlen und Abstimmungen an der Urne [Abstimmungsgesetz; GS I D/22/2] - "bei Verdacht, dass ein Ergebnis unrichtig ist"; § 52 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Schwyz vom 15. Oktober 1970 über die Wahlen und Abstimmungen [SRSZ 120.100] - "Bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit eines Ergebnisses [...]"; § 36 der Verordnung des Regierungsrats des Kantons Thurgau vom 25. August 2003 zum Gesetz über das Stimm- und Wahlrecht [RB 161.11] - "wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein unrichtiges Ergebnis ermittelt worden sein könnte").
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Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann die zuständige Behörde im Übrigen auch ohne entsprechende gesetzliche Bestimmung von Amtes wegen eine Nachkontrolle eines Wahl- oder Abstimmungsergebnisses anordnen, falls es nach der gegebenen Sachlage als für die zuverlässige Ermittlung geboten erscheint (BGE 131 I 442 E. 3.2 S. 447 f. mit Hinweisen).
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2.3.3 Als Voraussetzung eines vom Einzelnen mit Beschwerde durchsetzbaren Anspruchs auf Nachzählung (beziehungsweise auf Aufhebung der Wahl oder Abstimmung) verlangen die kantonalen Gesetze in der Regel "Unregelmässigkeiten" oder "Mängel" oder verwenden sinngemässe Formulierungen (vgl. etwa Art. 62 Abs. 1 und Art. 65 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 24. April 1988 über die politischen Rechte [bGS 131.12]; § 83Abs. 1 lit. b des Gesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 7. September 1981 über die politischen Rechte [SGS 120]; § 81 Abs. 1lit. b des Wahlgesetzes des Kantons Basel-Stadt, vgl. auch § 79 Abs. 3 Wahlgesetz; Art. 137 Abs. 3 Loi sur les droits politiques vom 17. Oktober 1984 des Kantons Neuenburg [LDP; RSN 141];Art. 54 lit. b des Gesetzes des Kantons Obwalden vom 17. Februar 1974 über die Ausübung der politischen Rechte [Abstimmungsgesetz; GDB 122.1]; Art. 82bis Abs. 1 lit. c des Wahlgesetzes des Kantons Schaffhausen; Art. 217 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Wallis vom 13. Mai 2004 über die politischen Rechte [SGS 160.1]; Art. 120Abs. 2 und Art. 123 Abs. 3 Loi sur l'exercice des droits politiques vom 16. Mai 1989 des Kantons Waadt [LEDP; RSV 160.01]).
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Teilweise werden die Beschwerdegründe nicht genauer bezeichnet (vgl. beispielsweise die Verordnung des Kantons Appenzell Innerrhoden vom 11. Juni 1979 über die politischen Rechte [Nr. 160.010]; BGE 136 II, 132 (137)Art. 150-154 des Gesetzes des Kantons Freiburg vom 6. April 2001 über die Ausübung der politischen Rechte [PRG; SGF 115.1]; Art. 108- 112 Loi sur les droits politiques vom 26. Oktober 1978 des Kantons Jura [RSJU 161.1]).
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Eine vom Einzelnen durchsetzbare Verpflichtung zur Nachzählung kann sich zudem gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung aus Art. 34 Abs. 2 BV ergeben (BGE 131 I 442 E. 3.3 S. 448 f. mit Hinweisen).
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Erwägung 2.4
 
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Der demokratische Fundamentalgrundsatz, dass ein noch so knappes Resultat von den unterlegenen Stimmbürgern zu akzeptieren ist, darf nicht mit der Frage verwechselt werden, ob das Resultat ordnungsgemäss zustande gekommen ist (BGE 131 I 442 E. 3.3 S. 448). Zählfehler sind Unregelmässigkeiten, die aufgrund der erfahrungsgemässen Fehlerquote zu vermuten sind, deren Nachweis jedoch nur mittels Nachzählen überhaupt möglich ist. Zwar kann es sein, dass äussere Anhaltspunkte darauf hinweisen, dass nicht korrekt ausgezählt wurde. Indessen gibt es Zählfehler, für welche äusserlich keine Anhaltspunkte bestehen. Es hiesse die Augen vor dieser Erfahrungstatsache zu verschliessen, würde eine Nachkontrolle auch bei einem äusserst knappen Ergebnis zusätzlich von "konkreten" Anzeichen für Unregelmässigkeiten abhängig gemacht. Die Praxis hat denn auch desto geringere Anforderungen an den Nachweis von BGE 136 II, 132 (138)Unregelmässigkeiten gestellt, je knapper ein Wahlresultat ausgefallen war (vgl. die Nachweise bei LUTZ/FELLER/MÜLLER, Nachzählung bei knappen Wahl- und Abstimmungsergebnissen - überhöhte Erwartungen?, AJP 2006 S. 1519).
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Insoweit wird die grundsätzlich geforderte kumulative Voraussetzung der Unregelmässigkeit bei einem äusserst knappen Resultat praktisch vernachlässigt, wie dies bereits im Urteil des Bundesgerichts 1P.363/1994 vom 15. Dezember 1994 zum Ausdruck gelangte. Dieses Urteil hat in der Literatur starke Beachtung gefunden (siehe die Hinweise in BGE 131 I 442 E. 3.5 S. 450 f.). In ähnlicher Weise hat das Bundesgericht in BGE 131 I 442 zwar wie bei anderen Gelegenheiten erklärt, eine Nachzählung hänge auch bei einem äusserst knappen Resultat zusätzlich von konkreten Anzeichen für Unregelmässigkeiten ab. Im Ergebnis hat es jedoch die Erfordernisse für eine Nachzählung als erfüllt angesehen, obwohl die namhaft gemachten Verfahrensfehler sich auf das Resultat gar nicht ausgewirkt hatten (BGE 131 I 442 E. 3.8 S. 453 f. mit Hinweis; PIERRE TSCHANNEN, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2005 und 2006, ZBJV 142/2006 S. 801).
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In Bezug auf die Zuverlässigkeit der Nachzählung geben LUTZ/FELLER/MÜLLER zu bedenken, dass auch bei dieser Zählfehler auftreten dürften (a.a.O., S. 1531 f.; kritisch gegenüber Nachzählungen auch TSCHANNEN, a.a.O., S. 800 f.). Zudem würden dabei nicht auch jene Fehlerquellen ausgemerzt, welche in anderen Stadien als der Auszählung zum Tragen kämen, wie fehlerhafte Stimmregister infolge von Todesfällen oder Umzug, Beeinflussungen bei der Stimmabgabe usw. (a.a.O., S. 1525 ff.). Zu Recht halten MÜLLER/SCHEFER dem entgegen, dass dies nicht gegen eine Nachzählung spreche (MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 622 Fn. 73). Denn wenn auch andere Fehlerquellen bestehen mögen, so kann durch eine Nachzählung doch zumindest eine (wesentliche) angegangen und zumindest teilweise behoben werden. Eine Nachzählung findet nicht unter den gleichen Bedingungen statt wie die erste Auszählung. Bestehende Stapel können überprüft und falsch zugeteilte Stimmzettel auf den korrekten Stapel gelegt werden. Die folgende Neuzählung dürfte mit besonderer Umsicht, aber auch ohne Zeitdruck, damit insgesamt sorgfältiger vorgenommen werden. Das spricht für eine grössere Zuverlässigkeit des Resultats einer Nachzählung. Die Literatur befürwortet denn auch mehrheitlich eine BGE 136 II, 132 (139)Nachzählung bei einem sehr knappen Resultat, soweit zu der Frage Stellung genommen wird (HANGARTNER/KLEY, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2000, Rz. 2561; BERNHARD MAAG, Urnenwahl von Behörden im Majorzsystem, 2004, S. 66 und 68; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 622 Fn. 73; STEPHAN WIDMER, Wahl- und Abstimmungsfreiheit, 1989, S. 173 f.; vgl. für weitere Hinweise [ohne eigene Stellungnahme]: MICHEL BESSON, Behördliche Information vor Volksabstimmungen, 2003, S. 390 ff.; ETIENNE GRISEL, Initiative et référendum populaires, 3. Aufl. 2004, Rz. 292; CHRISTOPH HILLER, Die Stimmrechtsbeschwerde, 1990, S. 25, 31; RHINOW/SCHEFER, Schweizerisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 2100; WALTER STUTZ, Rechtspflege, in: Das Bundesgesetz über die politischen Rechte, 1978, S. 129; PIERMARCO ZEN-RUFFINEN, L'expression fidèle et sûre de la volonté du corps électoral, in: Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, § 21 Rz. 39).
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Diesen Erkenntnissen tragen jene Kantone Rechnung, die bei knappen Ergebnissen oder bei Erreichen einer bestimmten prozentualen Differenz zwischen Ja- und Nein-Stimmen eine Nachzählung vorsehen. Vor diesem Hintergrund und damit in Nachachtung des verfassungsmässigen Anspruchs auf unverfälschte Stimmabgabe (Art. 34 Abs. 2 BV) ist auch Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR auszulegen. Es drängt sich daher auf, die Tatsachenvermutung, ein sehr knappes Resultat sei mit entscheidenden Zählfehlern behaftet, gleich zu behandeln wie der Verdacht auf "Unregelmässigkeiten". Die Nachzählung bei sehr knappen Resultaten stärkt die demokratischen Institutionen. Je sicherer ist, dass ein Resultat ordnungsgemäss zustande gekommen ist, desto leichter fällt es den Unterlegenen, es zu akzeptieren.
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BGE 136 II, 132 (140)Erwägung 2.5
 
2.5.1 In verfahrensrechtlicher Hinsicht stellen sich allerdings eine Reihe von Problemen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es allein auf das eidgenössische Gesamtresultat ankommt. Eine Nachzählung aufgrund eines sehr knappen Gesamtresultats müsste jedoch zwangsläufig in allen Kantonen erfolgen, unabhängig davon, wie dort das jeweilige kantonale Resultat ausfiel. Eine solche schweizweite Nachzählung haben die Beschwerdeführer im Verfahren vor Bundesgericht verlangt, nicht aber im kantonalen Verfahren. Hätten sie es getan, so hätte die Kantonsregierung darauf nicht eintreten können, denn es fehlt ihr aufgrund des Territorialitätsprinzips an der Kompetenz, Nachzählungen in anderen Kantonen oder für die ganze Schweiz anzuordnen. Es kann daher den Beschwerdeführern nicht entgegengehalten werden, den Antrag auf eine schweizweite Nachzählung nicht bereits im kantonalen Verfahren gestellt zu haben.
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2.5.2 Das macht deutlich, dass die gesetzlich vorgesehene Abstimmungsbeschwerde an die Kantonsregierung (Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR) im hier interessierenden Kontext ein untauglicher Rechtsbehelf ist. Abhilfe vermag nur ein eidgenössisches Rechtsmittel zu schaffen, wobei das Bundesgesetz über die politischen Rechte keinen entsprechenden Beschwerdeweg vorsieht. Dieser ergibt sich indessen aus Art. 29a BV (Rechtsweggarantie) in Verbindung mit Art. 34 BV (politische Rechte) und damit direkt aus der Bundesverfassung (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 125 II 417, wo das Bundesgericht allein gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf eine Beschwerde eintrat [E. 4 S. 420 ff. mit Hinweisen]). Ein gesetzlicher Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung von Abstimmungsresultaten eidgenössischer Volksabstimmungen im Sinne von Art. 29a Satz 2 BV besteht nicht und wäre verfassungsrechtlich auch nicht zulässig. Denn wie die Stimmrechtsbeschwerde gegen kantonale Abstimmungen zeigt, ist die Justiziabilität in diesem Bereich gegeben (vgl. BGE 134 V 443 E. 3.1 S. 446; BGE 134 I 199 E. 1.2 S. 201; je mit Hinweisen). Auch erklärt Art. 189 Abs. 1 lit. f BV das Bundesgericht ausdrücklich für zuständig zur Beurteilung von Streitigkeiten wegen Verletzung von eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die politischen Rechte.
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Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf Art. 80 BPR kommt als Beschwerdeinstanz für ein Rechtsmittel, das sich gegen das provisorische, vom Bundesrat noch nicht erwahrte gesamtschweizerische Abstimmungsresultat (Hauptresultat) richtet, letztlich einzig das Bundesgericht in Frage.
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BGE 136 II, 132 (141)2.5.3 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die dreitägige Beschwerdefrist von Art. 77 Abs. 2 BPR auch für Beschwerden gilt, welche sich gegen das gesamtschweizerische Abstimmungsresultat richten. Dies gilt zudem unabhängig davon, ob die Beschwerde bei einer Kantonsregierung oder direkt beim Bundesgericht erhoben wird.
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