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Informationen zum Dokument  BGE 135 II 426  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Beim vorliegenden Verfahren handelt es sich um eine Aufsichtsa ...
2. In der Anzeige wird geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgeri ...
3. Den angezeigten Fällen lagen weitgehend identische Sachve ...
Erwägung 4
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42. Auszug aus dem Entscheid der Verwaltungskommission i.S. X. gegen Bundesverwaltungsgericht (Aufsichtsbeschwerde)
 
 
12T_1/2009 vom 29. September 2009
 
 
Regeste
 
Administrative Aufsicht des Bundesgerichts (Art. 1 Abs. 2 BGG); Prüfungsgegenstand.  
Gegenstandslosigkeit der Aufsichtsbeschwerde, da das Bundesverwaltungsgericht den Mangel erkannt und das Koordinationsproblem gelöst hat (E. 4.2).  
 
Sachverhalt
 
BGE 135 II, 426 (427)A. X. und Y., eigenen Angaben zufolge Cousins mit iranischer Staatsangehörigkeit, stellten beide am 30. Dezember 2004 in der Schweiz ein erstes Asylgesuch. Das Bundesamt für Migration (BFM) lehnte beide Gesuche am 19. Januar 2005 ab, die dagegen eingereichten Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht je mit Urteilen vom 24. August 2007 ab.
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Am 21. Dezember 2007 liessen sowohl X. als auch Y. durch ihren Rechtsanwalt je ein zweites Asylgesuch einreichen, auf welche das BFM mit Verfügung vom 9. Februar 2009 (Y.) bzw. vom 12. Februar 2009 (X.) nicht eintrat. Mit Eingabe vom 17. Februar 2009 (Y.) bzw. vom 20. Februar 2009 (X.) erhoben beide Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Dieses hiess die Beschwerde von Y. mit Urteil D-1009/2009 vom 25. Februar 2009 gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. Demgegenüber wies es die Beschwerde von X. mit Urteil D-1159/2009 vom 2. März 2009 ab. Beide Fälle wurden in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters (Art. 111 lit. e AsylG) behandelt, im Verfahren D-1009/2009 weil die Beschwerde "offensichtlich begründet" sei, im Fall D-1159/2009 weil die Beschwerde "offensichtlich unbegründet" sei.
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B. Am 14. April 2009 liess X. beim Bundesgericht Aufsichtsanzeige einreichen. Er macht im Wesentlichen geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe das Gleichbehandlungsgebot verletzt, und beantragt BGE 135 II, 426 (428)die Aufhebung des Urteils vom 2. März 2009. Das Bundesverwaltungsgericht schliesst auf Nichteintreten.
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Das Bundesgericht gibt der Aufsichtsbeschwerde keine Folge, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist.
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Aus den Erwägungen:
 
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Die Aufsicht des Bundesgerichts über das Bundesstraf- und das Bundesverwaltungsgericht ist administrativer Art; die Rechtsprechung ist von der Aufsicht ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 AufRBGer, Art. 3 Abs. 1 des Strafgerichtsgesetzes [SGG; SR 173.71], Art. 3 Abs. 1 VGG). Aufsichtsanzeigen, welche sich in rein appellatorischer Kritik am beanstandeten Urteil erschöpfen, ist daher keine Folge zu geben. Der Aufsicht unterstehen hingegen alle Bereiche der Geschäftsführung, insbesondere die Gerichtsleitung, die Organisation, die Fallerledigung sowie das Personal- und Finanzwesen (Art. 2 Abs. 1 AufRBGer).
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Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, auf die Aufsichtsanzeige nicht einzutreten, da sie sich in appellatorischer Kritik am von ihm gefällten Urteil D-1159/2009 erschöpfe.
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3. Den angezeigten Fällen lagen weitgehend identische Sachverhalte zweier Cousins zu Grunde. Das Bundesverwaltungsgericht wies die beiden Beschwerden zwei unterschiedlich besetzten Spruchkörpern in verschiedenen Kammern der Abteilung IV zu. Diese beantworteten die sich in beiden Fällen gleich stellende Frage, ob bei mit BGE 135 II, 426 (429)exilpolitischen Tätigkeiten (subjektiven Nachfluchtgründen) begründeten zweiten Asylgesuchen eine persönliche Anhörung stattfinden muss, unterschiedlich: Während das Urteil D-1009/2009 vom 25. Februar 2009, Ziff. 5.4, auf die Rechtsprechung der ehemaligen Asylrekurskommission verweist, "welcher sich das Bundesverwaltungsgericht anschliesst", geht das andere - eine Woche später gefällte Urteil - auf diese Rechtsprechung nicht ein und beantwortet die Frage genau umgekehrt (Urteil D-1159/2009 vom 2. März 2009 S. 7 f.).
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Das Bundesverwaltungsgericht räumt in seiner Stellungnahme vom 12. August 2009 ein, die genannte Frage sei auch in mehreren weiteren Verfahren unterschiedlich behandelt und beantwortet worden.
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Erwägung 4
 
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4.2 Vorliegend stellt sich indessen die über den Einzelfall hinausgehende Frage, ob die uneinheitliche Behandlung der beiden Verfahren eine unzulängliche Organisation oder Durchführung der Koordination der Rechtsprechung am Bundesverwaltungsgericht offenbart. Diese Frage fällt in die aufsichtsrechtliche Kompetenz des Bundesgerichts. Zwar liegt die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Grenzbereich zwischen Rechtsprechung und administrativer Aufsicht. Inwieweit die Einheitlichkeit der Rechtsprechung Prüfungsgegenstand der Aufsichtsbeschwerde ans Bundesgericht sein kann, kann vorliegend indessen offenbleiben (generell bejahend HEINRICH KOLLER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 89 zu Art. 1 BGG; zustimmend unter gewissen Voraussetzungen auch PAUL TSCHÜMPERLIN, Die Aufsicht des Bundesgerichts, SJZ 105/2009 Nr. 10 S. 233 ff., N. III. B.1 und IV. B). In den der Aufsicht des Bundesgerichts unterstehenden Bereich der Organisation und Geschäftsführung fällt nämlich jedenfalls die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht vorliegend die Rechtsprechung entsprechend seinem Geschäftsreglement (Art. 14 Abs. 2 lit. b des Geschäftsreglements für das Bundesverwaltungsgericht vom 17. April 2008 [VGR; SR 173.320.1]) durchgeführt und zweckmässig organisiert hat.
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In seiner Stellungnahme vom 12. August 2009 führt das Bundesverwaltungsgericht dazu aus, es habe bereits vor Kenntnisnahme der BGE 135 II, 426 (430)vorliegenden Aufsichtsbeschwerde beim Bundesgericht erkannt, dass in der genannten Frage ein Koordinationsproblem bestehen könnte. Es habe daher unverzüglich Massnahmen zur Eruierung des allfälligen Koordinationsbedarfs getroffen und die zu koordinierenden Fragen mittels eines am 30. Juni 2009 von den beiden betroffenen Abteilungen verabschiedeten Arbeitspapiers gelöst. Zu beachten sei allerdings, dass die entsprechenden Fälle stets aufgrund der individuellen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen seien.
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Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts geht somit hervor, dass es die Frage mittels des Art. 14 Abs. 2 lit. b VGR entsprechenden Koordinationsverfahrens in der Zwischenzeit ausführlich behandelt und offenbar einer Lösung zugeführt hat, soweit dies möglich ist. Das Aufsichtsverfahren ist insoweit gegenstandsos geworden. Ob in den beiden vorliegend angezeigten Fällen im Übrigen eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt war, ist eine Ermessensfrage, welche das Bundesgericht in seiner Rolle als Aufsichtsbehörde nicht zu überprüfen hat.
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