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Informationen zum Dokument  BGE 114 II 127  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Im Vertrag vom 18. April 1986 haben die Parteien ein Vorkaufsr ...
2. Stockwerkeigentum ist ein gesetzlich besonders ausgestalteter  ...
3. Die Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters erstreckt si ...
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21. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Januar 1988 i.S. Ackermann Shops AG gegen Grundbuchamt von Biel und Justizdirektion des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Eintragung einer Vormerkung an einem zukünftigen Stockwerkeigentumsanteil (Art. 681 Abs. 1 ZGB; art. 712c Abs. 1 ZGB).  
 
Sachverhalt
 
BGE 114 II, 127 (127)A.- Theo Mäder räumte der Ackermann Shops AG am 18. April 1986 auf seinem Grundstück Nr. 2218 des Grundbuches Biel ein unlimitiertes Vorkaufsrecht an der Laden- und der Restfläche des Erdgeschosses ein. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts wurde bestimmt, an der Ladenfläche gegebenenfalls Stockwerkeigentum zu begründen. Ferner wurde die Vorkaufsberechtigte ermächtigt, die Vormerkung des Vorkaufsrechts zur Eintragung in das Grundbuch anzumelden.
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Am 16. Mai 1986 meldete die Ackermann Shops AG das Vorkaufsrecht zur Eintragung an.
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BGE 114 II, 127 (128)B.- Mit Verfügung vom 8. August 1986 wies der Grundbuchverwalter von Biel die Anmeldung ab. Zur Begründung führte er im wesentlichen an, der Gegenstand des Vorkaufsrechts sei zu wenig klar bestimmt. Es sei fraglich, ob jemals Stockwerkeigentum begründet werde; insbesondere seien die Miteigentumsanteile (Wertquoten) nicht bekannt.
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Gegen diese Verfügung erhob die Ackermann Shops AG Beschwerde bei der Justizdirektion des Kantons Bern. Diese wies die Beschwerde am 10. August 1987 ab.
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C.- Gegen diesen Entscheid wendet sich die Ackermann Shops AG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt, auf dem Grundstück Nr. 2218 des Grundbuches Biel sei zu ihren Gunsten ein Vorkaufsrecht für das Erdgeschoss des Hauses vorzumerken.
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Die Justizdirektion des Kantons Bern und das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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In BGE 81 II 506 f. E. 3 hat das Bundesgericht gestützt auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit anerkannt, ein Vorkaufsrecht könne sich auch auf einen realen Teil eines Grundstückes beziehen. Ein solches Vorkaufsrecht könne im Grundbuch vorgemerkt werden, auch wenn der betreffende Grundstücksteil nicht als besonderes Grundstück ins Grundbuch aufgenommen werde. Die gegenteilige Auffassung von HAAB (Zürcher Kommentar, N. 31 zu Art. 681/682 ZGB), wonach entweder das Grundstück zuvor parzelliert oder ein Vorkaufsrecht bezüglich des ganzen Grundstückes vorgemerkt werden müsse, wobei die Ausübung durch eine persönliche Verpflichtung des Berechtigten auf den fraglichen Teil beschränkt werde, wurde ausdrücklich verworfen. Diese Lösung schaffe unnötige Komplikationen.
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Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nun darin, dass sich das Vorkaufsrecht nicht auf einen unüberbauten Teil des Grundstückes bezieht, sondern auf einen Teil eines Gebäudes. Im Vorkaufsfalle ist es daher nicht möglich, das Vorkaufsrecht durch eine Abparzellierung des betreffenden Grundstücksteils auszuüben. Die erforderliche Verselbständigung kann vielmehr nur BGE 114 II, 127 (129)durch die Begründung von Stockwerkeigentum erreicht werden. Der fragliche Vorkaufsvertrag enthält denn auch eine Bestimmung, wonach im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts gegebenenfalls Stockwerkeigentum zu begründen sei.
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a) Der fragliche Vorkaufsvertrag enthält keine Bestimmung über den Kaufpreis oder dessen Berechnungsmethode. Selbst die Wertquoten (Anteile) der allfälligen Stockwerkeinheiten sind noch nicht bestimmt. Hinzu kommt, dass die Veräusserungspreise nicht unbedingt mit den Wertquoten der einzelnen Stockwerkeinheiten übereinzustimmen brauchen. Denn die Kaufpreise sind von weiteren Faktoren als nur der Wertquote abhängig, so von der Lage, der Verwendbarkeit, dem Ausbau der betreffenden Einheit usw. Im Unterschied zu BGE 81 II 509 ff. E. 6 und 8, wo es um ein unüberbautes Grundstück ging, rechtfertigt es sich somit nicht, im Vorkaufsfall den anteilsmässigen Wert des vorkaufsbelasteten Teiles einfach nach der Flächengrösse oder dem Kubikinhalt zu berechnen. Aus dem gleichen Grund ist es ferner ausgeschlossen, ersatzweise die Regeln über den Mengekauf anzuwenden, wie dies grundsätzlich von MEIER-HAYOZ vorgeschlagen wird (N. 152 zu Art. 681 ZGB).
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b) Die Beschwerdeführerin wendet zwar nicht zu Unrecht ein, auch bei einem unüberbauten Grundstück bestehe keine Sicherheit, dass das Grundstück zwischen der Begründung des Vorkaufsrechts für einen Teil des Grundstücks und dem Eintritt des Vorkaufsfalles nicht überbaut werde. Werde ein Grundstück nachträglich überbaut, so sehe man sich bei der Berechnung des für den Vorkauf massgeblichen Preises vor die gleichen Schwierigkeiten gestellt, wie wenn das Grundstück von Anfang an überbaut sei.
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Daraus lässt sich jedoch keineswegs der Schluss ziehen, der vorliegende Fall müsse gleich behandelt werden wie jener in BGE 81 II 506 ff. Die Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin ruft vielmehr Bedenken gegen eine Verallgemeinerung jener Rechtsprechung hervor, weil dort einer unterschiedlichen Bewertung der fraglichen Bodenteile keine besondere Beachtung geschenkt worden BGE 114 II, 127 (130)ist. Jedenfalls bestehen bei einer teilweisen Überbauung so eindeutige Anhaltspunkte für eine ungleichmässige Bewertung des Bodens, dass sich eine anteilsmässige Aufschlüsselung des Kaufpreises wie in BGE 81 II 510 f. E. 8 nicht mehr rechtfertigen lässt. Es fragt sich somit, ob der Erwerbspreis sonst hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist.
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Dies ist zu verneinen. Da die Wertquoten der Stockwerkeinheiten nicht bestimmt sind und kein allgemeingültiges Kriterium für die Aufschlüsselung des Kaufpreises besteht, ist die Berechnung des anteilsmässigen Kaufpreises der einzelnen Stockwerkeinheit im Vorkaufsfall nicht sichergestellt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die ganze Liegenschaft als solche veräussert wird. Denn diesfalls erfolgt keine automatische Aufteilung des Kaufpreises nach Stockwerken. Eine verlässliche Bestimmung des Kaufpreises für die fragliche Stockwerkeinheit ist nur möglich, wenn die Stockwerke oder wenigstens die fragliche Stockwerkeinheit einzeln verkauft würden. Ein solches Vorgehen kann vom Eigentümer jedoch nicht verlangt werden. Trotz der Belastung eines Teils des Gebändes mit einem Vorkaufsrecht verbleibt ihm selbstverständlich die Möglichkeit, die Liegenschaft als Ganzes zu verkaufen. In diesem Fall lässt sich der Kaufpreis aufgrund des Vorkaufsvertrages aber nicht ermitteln. Damit fehlt in einem objektiv wesentlichen Vertragspunkt die erforderliche Einigung.
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c) Unklar ist ferner, ob das Vorkaufsrecht und die Bestimmung über die allfällige Begründung von Stockwerkeigentum umfangmässig übereinstimmen. Nach dem Vertrag vom 18. April 1986 umfasst das Vorkaufsrecht nämlich "die heutige Ladenfläche gemäss beiliegendem Plan (rot umrandet) und die auf dem beiliegenden Plan gelb schraffierte Restfläche des Erdgeschosses". Die allfällige Begründung von Stockwerkeigentum für die Ausübung des Vorkaufsrechts ist demgegenüber nur für "diese Ladenfläche" vereinbart worden. Aus der vertraglichen Abrede ist somit nicht eindeutig ersichtlich, ob sich die Begründung von Stockwerkeigentum wie das Vorkaufsrecht auf das ganze Erdgeschoss bezieht. Dieser Umstand könnte bei der allfälligen Begründung von Stockwerkeigentum zu weiteren Schwierigkeiten führen.
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d) In Anbetracht der erheblichen Mängel, die dem vereinbarten Vorkaufsrecht anhaften, verletzt es kein Bundesrecht, wenn dessen Eintragung im Interesse der Klarheit und Sicherheit des Grundbuches abgelehnt wird. Unter den gegebenen Umständen ist MEIER-HAYOZ beizupflichten, der für die Vormerkung von Vorkaufsrechten BGE 114 II, 127 (131)an zukünftigen Miteigentumsanteilen und insbesondere an Stockwerkeigentum im Grundbuch - im Unterschied zur Begründung des Vorkaufsrechts an sich - verlangt, dass das Stockwerkeigentum im Grundbuch bereits verselbständigt sei. Vor der Verselbständigung sei es ungewiss, ob das Stockwerkeigentum überhaupt je begründet werde (N. 82b zu Art. 681).
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Angesichts der offenkundigen Mängel des Vorkaufsvertrages - insbesondere der fehlenden Einigung über einen objektiv wesentlichen Vertragspunkt - hat der Grundbuchverwalter seine Kompetenz mit der Abweisung der Vormerkung nicht überschritten (vgl. DESCHENAUX, Traité de droit privé suisse, Bd. V/II, 2, S. 412).
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