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Informationen zum Dokument  BGE 113 II 381  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Berufung ist gestützt auf Art. 44 lit. c OG zulä ...
2. Gemäss Art. 265a ZGB bedarf die Adoption der Zustimmung d ...
3. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung ...
4. Die Berufungsklägerin bestreitet nicht, dass es ihr w&aum ...
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66. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Oktober 1987 i.S. X. gegen Z. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Adoption eines Unmündigen; Absehen von der Zustimmung eines Elternteils (Art. 265c Ziff. 2 ZGB).  
 
Sachverhalt
 
BGE 113 II, 381 (381)A.- Am 24. Juni 1985 stellte M. Z. das Gesuch um Adoption ihres Stiefsohnes Tomas Z., geboren im Jahre 1981. Gleichzeitig beantragte sie, es sei von der Zustimmung der leiblichen Mutter des Kindes, B. X., zur Adoption abzusehen. Da diese auf der Verweigerung ihrer Zustimmung beharrte, verfügte die Justizdirektion des Kantons Bern am 18. November 1985, es werde von der Zustimmung von B. X. zur Adoption ihres Sohnes Tomas durch M. Z. in Anwendung von Art. 265 c Ziff. 2 ZGB abgesehen.
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B.- Gegen diese Verfügung erhob B. X. bei der Justizdirektion des Kantons Bern Einsprache, die mit Entscheid vom 14. Mai 1986 abgewiesen wurde. Daraufhin reichte B. X. dem Regierungsrat des Kantons Bern eine Beschwerde ein. Dieser wies die Beschwerde am 29. April 1987 ab.
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C.- B. X. führt Berufung an das Bundesgericht, mit welcher sie die Aufhebung des Entscheids des Regierungsrates des Kantons Bern beantragt.
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BGE 113 II, 381 (382)M. Z. und der Berner Regierungsrat stellen Antrag auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Das Bundesgericht hat bei der Prüfung dieser Frage vorerst unter Hinweis auf die Lehre einzig darauf abgestellt, ob im massgeblichen Zeitpunkt eine lebendige Beziehung zwischen dem zustimmungsberechtigten Elternteil und seinem Kind, das adoptiert werden soll, bestehe. Der Grund, aus dem eine solche Beziehung nicht hergestellt oder auf die Dauer nicht unterhalten werden konnte, sollte dabei ausser acht bleiben. Auch wenn der fehlenden Beziehung zwischen dem Kind und seinem Vater oder seiner Mutter nicht ein schuldhaftes Verhalten des Elternteils, sondern rein objektive Umstände wie z.B. eine andauernde psychische Störung zugrunde lagen, sollte von der Zustimmung dieses Elternteils abgesehen werden können (BGE 107 II 22 f. E. 5).
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Diese Betrachtungsweise, die in erster Linie oder sogar ausschliesslich das Kindesinteresse im Auge hatte, vermochte jedoch nicht allen Lebenslagen, die unter dem Gesichtspunkt von Art. 265c ZGB zu beurteilen sind, gerecht zu werden. Auch will das Gesetz offensichtlich die in der Persönlichkeit des betroffenen Elternteils begründeten Interessen nicht einfach übergehen. Mag eine Adoption als noch so wünschenswert erscheinen, sie kann BGE 113 II, 381 (383)nach dem Willen des Gesetzgebers, der in Art. 265a und 265c ZGB seinen Niederschlag gefunden hat, ohne Zustimmung des Vaters oder der Mutter nur verwirklicht werden, wenn das Fehlen einer Beziehung zwischen diesem Elternteil und dem Kind darauf zurückzuführen ist, dass sich dieser Elternteil um sein Kind nicht gekümmert hat. Massgebend ist daher das Verhalten des grundsätzlich zustimmungsberechtigten Elternteils.
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Dieses Verhalten besteht in einem Unterlassen, im Verzicht auf Beziehungen zum eigenen Kind, die als Ausdruck der Anteilnahme am Schicksal der Nachkommenschaft der Regel entsprechen. Es trifft zu, dass es nicht darauf ankommen soll, ob die fehlende Anteilnahme am Kind dem Vater oder der Mutter zum Verschulden angerechnet werden müsse oder nicht (Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 1971 zur Änderung des Adoptionsrechts in BBl 1971 I S. 1228; BGE BGE 109 II 385 /86). Doch darf daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass jede fehlende lebendige Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem Kind ein "Sich-nicht-Kümmern" des Vaters oder der Mutter um das Kind bedeute. Wie der in BGE 109 II 386 beurteilte Fall auf eindrückliche Weise zeigt, kann die Verkettung unglücklicher äusserer und somit durch den Willen des betroffenen Elternteils nicht beeinflussbarer Umstände dazu führen, dass selbst ein unablässiges Bemühen einer Mutter um ihr Kind erfolglos bleibt. In einem solchen Fall lässt sich füglich feststellen, dass es an einer gelebten Beziehung zwischen dem Elternteil und seinem Kind fehlt; es kann aber nicht gleichzeitig gesagt werden, dieser in seinem unablässigen Bemühen gescheiterte Elternteil habe sich um sein Kind nicht gekümmert. Eine solche Möglichkeit will das Gesetz nicht zulassen, indem es bestimmt, dass von der Zustimmung zur Adoption nur dann abgesehen werden dürfe, wenn der Zustimmungsberechtigte sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert habe.
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Die Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGE 108 II 525 f. E. 3 und BGE 107 II 22 f. E. 5 ist in einem Teil der Lehre kritisiert worden (HEGNAUER, N. 25 c und 25 d zu Art. 265c ZGB; HEGNAUER, ZVW 39 (1984) S. 110 ff.; SCHNYDER, ZBJV 120 (1984) S. 129 ff. und 121 (1985) S. 93 ff.; zustimmend zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung STETTLER, Schweiz. Privatrecht III Bd. 2/1, S. 132 ff.). Entgegen dieser Kritik, die sich an den Gesetzgeber richten müsste, darf nicht übersehen werden, was das Gesetz in Art. 265a und 265c ZGB hinsichtlich der Person des grundsätzlich zustimmungsberechtigten Elternteils festgehalten hat. Diesbezüglich unmissverständlich BGE 113 II, 381 (384)ist das Votum des ständerätlichen Kommissionspräsidenten, Ständerat Broger, der in Anlehnung an die Botschaft des Bundesrates ausführte, ein Elternteil habe sich dann nicht ernsthaft um das Kind gekümmert, wenn er am Ergehen des Kindes keinen Anteil nehme, die Sorge dauernd andern überlasse und nichts unternehme, um eine lebendige Beziehung zum Kind aufzunehmen oder zu unterhalten (Amtl. Bull. 1971 St. S. 723). Es ist daher weiterhin im Einzelfall das Verhalten des zustimmungsberechtigten Elternteils zu berücksichtigen, wenn eine Eltern-Kind-Beziehung fehlt. Dabei kommt es entgegen der Meinung von SCHNYDER, ZBJV 123 (1987) S. 107 f., die nach den Ausführungen im angefochtenen Entscheid offenbar von der Vorinstanz geteilt wird, nicht entscheidend darauf an, ob das Verhalten dieses Elternteils schuldhaft sei oder nicht (Botschaft des Bundesrates, BBl 1971 I S. 1228; BGE 109 II 385 f.), sondern vielmehr darauf, ob der betreffende Elternteil sich ernstlich um sein Kind bemüht hat, auch wenn diesem Bemühen kein Erfolg beschieden war, weil es nur einseitig erfolgte und ohne Echo blieb. Dies ist nicht selten der Fall nach einer Scheidung, wenn Kinder in der Obhut des andern Elternteils den Kontakt zum besuchsberechtigten Elternteil verweigern (vgl. BGE 111 II 323 E. 3 c). Unter solchen Umständen sind an das andauernde Bemühen dieses Elternteils um eine lebendige Beziehung zu den Kindern keine allzu grossen Anforderungen zu stellen. Auch sollte eine neue Beziehung des obhutsberechtigten Elternteils nicht allzu rasch zum Verlust des Zustimmungsrechts zur Stiefkindadoption des andern Elternteils führen. Ein gänzlicher Verzicht auf den Nachweis aktiver Bemühungen um den persönlichen Kontakt zum eigenen Kind und einer sich nach aussen manifestierenden Anteilnahme an dessen Schicksal steht indessen nicht zur Diskussion (BGE 111 II 317 ff.). Ist ein hinreichendes Bemühen um echte Beziehungen zum Kind nachgewiesen, auch wenn es keinen Erfolg hatte, so kann von einem "Sich-nicht-Kümmern" nicht gesprochen werden. Hingegen ist ein "Sich-nicht-Kümmern" zu bejahen, wenn es an einem solchen Nachweis fehlt, aus welchen Gründen dies - verschuldet oder nicht verschuldet - auch immer der Fall sein mag.
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3. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Regierungsrates beantragte die Berufungsklägerin nach der Geburt ihres Sohnes Tomas, dass ihr die elterliche Gewalt entzogen und für das Kind eine Vormundschaft errichtet werde. Statt unter Vormundschaft wurde Tomas indessen mit Beschluss BGE 113 II, 381 (385)der Vormundschaftskommission der Stadt Bern vom 3. August 1982 unter die elterliche Gewalt seines Vaters, E. Z., gestellt. Am 15. Februar 1983 wurde sodann Tomas X. eine Namensänderung in Z. bewilligt, ohne dass die Berufungsklägerin dieser widersprochen hätte. Ein Besuchsrecht hat sie nie verlangt und auch nie ausgeübt. Nach einem gescheiterten Versuch der Berufungsklägerin und E. Z., das Zusammenleben wieder aufzunehmen, unterblieb jeder weitere Kontakt. Dies entsprach dem Willen des Vaters von Tomas, der dessen Mutter jeglichen Besuch untersagte. Insgesamt ist die Berufungsklägerin seit der Geburt ihres Sohnes mit diesem nur zweimal in Kontakt getreten, wobei die näheren Umstände nicht bekannt sind. Dieses Verhalten steht in offenkundigem Gegensatz zu den Beziehungen, die B. X. zu ihrer älteren Tochter aus ihrer Ehe mit B. X. zu pflegen in der Lage war und nach wie vor pflegt. Ein psychiatrisches Gutachten hat denn auch ergeben, dass die Berufungsklägerin zwar zeitweise an schwerer Depression und Manie leidet und in solchen, allerdings seltenen Phasen ihren Mutterpflichten nicht zu genügen vermag, dass sie aber im allgemeinen von der unmittelbaren Betreuung ihrer Tochter in keiner Weise abgehalten wurde und somit auch in der Lage gewesen wäre, eine aktive Beziehung zu ihrem Sohn Tomas aufzubauen.
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Nach Auffassung des Regierungsrates hat die Berufungsklägerin diese Möglichkeit aus eigenem Willen nicht genutzt. Gemäss seiner Beurteilung der Verhältnisse bestehe auch keine begründete Aussicht, dass sich diese in Zukunft wesentlich verändern könnten. Das Interesse, das die Mutter von Tomas diesem gegenüber nun doch noch bekunde, entspringe nicht einem echten Zuwendungsbedürfnis, sondern blossen Schuldgefühlen, weil sie sich ihrem Sohn gegenüber bisher tatsächlich interesselos verhalten habe. Darin könne aber kaum eine tragfähige Basis für den Aufbau einer lebendigen Beziehung erblickt werden.
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4. Die Berufungsklägerin bestreitet nicht, dass es ihr während Jahren nicht gelungen ist, zu ihrem Sohn Tomas eine lebendige Beziehung aufzubauen und zu unterhalten. Sie rügt indessen, der Regierungsrat habe einen zu strengen Massstab an ihr Bemühen um eine solche Beziehung angelegt. Dieses Bemühen sei einerseits durch die kategorische Ablehnung durch den Vater von Tomas, anderseits aber auch durch ihr eigenes krankheitsbedingtes Unvermögen, ihre Rechte als Mutter beharrlich zu beanspruchen, vereitelt worden. Um ihr krankheitsbedingtes Unvermögen darzutun, beruft sich die Berufungsklägerin allerdings auf tatsächliche Feststellungen, BGE 113 II, 381 (386)die dem regierungsrätlichen Entscheid nicht zugrunde liegen. Die Vorinstanz hat zwar bei der Berufungsklägerin psychische Störungen nicht in Abrede gestellt, indessen hat sie diese als nur zeitlich begrenzt bezeichnet, so dass B. X. lange Zeitspannen ohne jede Beeinträchtigung durchlebt habe. Solche Zeitspannen hätten es ihr denn auch ermöglicht, ihre mütterlichen Rechte und Pflichten ihrer Tochter gegenüber wahrzunehmen.
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Abgesehen von dieser unzulässigen Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2 OG), räumt die Berufungsklägerin selber ein, dass sie sich während Jahren nicht um einen Kontakt zu ihrem Sohn bemüht hat. Zwar will sie erwogen haben, ein Besuchsrecht gegenüber ihrem Sohn zu erstreiten, doch hat sie in dieser Hinsicht keine konkreten Anstrengungen unternommen. Sie war es vielmehr, die sich nach der Geburt von ihrem Sohn gelöst hat, obwohl ihre nur zeitweilig in Erscheinung tretende Krankheit dies nicht nötig gemacht hätte. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem, der in BGE 109 II 382 ff. zu beurteilen war. Der Regierungsrat ist daher mit Recht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in BGE 111 II 317 ff. gefolgt.
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Aber selbst wenn mit der Berufungsklägerin davon auszugehen wäre, dass sie durch ihre Krankheit daran gehindert worden sei, eine echte Beziehung zu ihrem Sohn aufzubauen, vermöchte dies am Ergebnis des vorliegenden Verfahrens nichts zu ändern. Wie dargelegt, ist entscheidend, dass sich der zustimmungsberechtigte Elternteil nicht um eine lebendige Beziehung zum Kind bemüht hat, während der Grund, aus dem er dies nicht tun konnte, keine wesentliche Rolle spielt. Diese Überlegungen führen zur Abweisung der Berufung.
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