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Informationen zum Dokument  BGE 112 II 214  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht ein Anspruch a ...
2. Wie das Bundesgericht schon in BGE 111 II 35 E. 4 festhielt, h ...
3. a) Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Baugläubig ...
4. a) Die Befristung der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrecht ...
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36. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juni 1986 i.S. Steiger und Mitbeteiligte gegen Zurmühle AG (Berufung)
 
 
Regeste
 
Frist zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts im Falle von Stockwerkeigentum (Art. 839 Abs. 2 ZGB).  
 
Sachverhalt
 
BGE 112 II, 214 (215)Die Intercap S.A. liess im Jahre 1982 auf ihrem Grundstück Nr. 1247 des Grundbuches Luzern-Stadt ein Terrassenhaus erstellen. Am 18. Januar 1982, d.h. noch vor Beginn der Bauarbeiten, wurde an der geplanten Liegenschaft Stockwerkeigentum begründet. Zwei der insgesamt acht Stockwerkeinheiten gingen an Zeno Steiger, eine (je zur Hälfte) an Alois und Verena Amstad-Portmann.
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Gestützt auf einen mit der Intercap S.A. abgeschlossenen schriftlichen Werkvertrag vom 8./12. Juli 1982 (mit späteren Ergänzungen) führte die A. Huber AG, Rechtsvorgängerin der Zurmühle AG, am Terrassenhaus verschiedene Schreinerarbeiten aus. Namentlich baute sie in den einzelnen Wohnungen Wandschränke ein.
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Durch superprovisorische Verfügung vom 17. Februar 1983 und Bestätigungsentscheid vom 22. März 1983 ordnete der Amtsgerichtspräsident I von Luzern-Stadt in Gutheissung eines Gesuchs der A. Huber AG vom 16. Februar 1983 an, dass zu deren Gunsten ein Bauhandwerkerpfandrecht im Gesamtbetrag von Fr. 30'081.-- nebst Zins zu 5% seit 19. Dezember 1982, aufgeteilt auf die einzelnen Stockwerkeinheiten nach Massgabe des Wertes der geleisteten Arbeit, vorläufig eingetragen werde.
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Die von der A. Huber AG in der Folge gegen die Stockwerkeigentümer erhobene Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts hiess das Amtsgericht Luzern-Stadt (I. Abteilung) durch Urteil vom 14. Mai 1984 teilweise gut, indem es das Pfandrecht für eine Summe von Fr. 10'485.95 zusprach. Das Obergericht (I. Kammer) des Kantons Luzern hat diesen Entscheid am 2. Dezember 1985 bestätigt.
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BGE 112 II, 214 (216)Gegen das obergerichtliche Urteil haben die Beklagten Zeno Steiger sowie Alois und Verena Amstad-Portmann, welche die Klage im Umfang von Fr. 47.35 je Stockwerkeinheit anerkannt hatten, beim Bundesgericht Berufung erhoben.
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Die Zurmühle AG schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Aus den Erwägungen:
 
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Die Vorinstanz legte den Beginn der Frist zur Eintragung der vorliegend strittigen Bauhandwerkerpfandrechte bezüglich aller Stockwerkeigentümer einheitlich auf denjenigen Zeitpunkt fest, da die A. Huber AG ihre Arbeiten in sämtlichen Wohnungen des Terrassenhauses abgeschlossen hatte. Nach den obergerichtlichen Feststellungen wurden noch am 19. November 1982 Abschlussarbeiten ausgeführt, so dass die am 16. Februar 1983 beantragte und am darauffolgenden Tag superprovisorisch verfügte Eintragung der Pfandrechte rechtzeitig gewesen sei. Die Berufungskläger halten demgegenüber dafür, dass die Eintragungsfrist für jede Stockwerkeinheit gesondert zu laufen begonnen habe, und zwar mit dem Abschluss der Arbeiten in den entsprechenden Wohnungen. Da die A. Huber AG nach dem 10. November 1982 in ihren Wohnungen keine in Betracht fallenden Arbeiten mehr ausgeführt habe, sei der Anspruch auf das Pfandrecht verwirkt.
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2. Wie das Bundesgericht schon in BGE 111 II 35 E. 4 festhielt, hat der schweizerische Gesetzgeber das durch Bundesgesetz vom 19. Dezember 1963 eingeführte Stockwerkeigentum so ausgestaltet, dass jedem Stockwerkeigentümer ein Miteigentumsanteil am Grundstück insgesamt - d.h. an allen seinen Bestandteilen und somit auch an den sich darauf befindenden Gebäuden - zusteht. Hinzu kommt ein Sonderrecht, wonach der einzelne Miteigentümer bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich benutzen und innen ausbauen darf (vgl. Art. 712 a Abs. 1 ZGB). Gewisse Gebäudeteile, die der Gemeinschaft dienen, sind von Gesetzes wegen von der Zuteilung zu Sonderrecht ausgeschlossen BGE 112 II, 214 (217)bzw. können durch den Begründungsakt oder durch nachherige Vereinbarung der Stockwerkeigentümer davon ausgeschlossen werden (vgl. Art. 712 b Abs. 2 und 3 ZGB).
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Aus der dargelegten gesetzlichen Ordnung hat das Bundesgericht geschlossen, dass ungeachtet der dem Grundeigentum angenäherten Ausgestaltung von Sonderrechten an einzelnen Gebäudeteilen grundsätzlich alle Bestandteile und Gebäude des in Stockwerkeigentum aufgeteilten Grundstücks zu einer Einheit verbunden würden, so dass Arbeitsleistungen und Materiallieferungen des Bauhandwerkers wertmässig unmittelbar der im Miteigentum der Stockwerkeigentümer stehenden Liegenschaft anwüchsen. Welchen unmittelbaren Nutzen durch Gebrauch die einzelnen Stockwerkeigentümer aus den Leistungen des Bauhandwerkers zögen, sei dabei unerheblich. Das Bauhandwerkerpfandrecht, das die Ansprüche derjenigen Gläubiger in besonderer Weise sichern solle, die mit den erbrachten Leistungen den Wert des überbauten Grundstücks vermehrt hätten, müsse deshalb grundsätzlich bei der im Miteigentum stehenden Sache bzw. bei den Miteigentumsanteilen insgesamt anknüpfen (vgl. BGE 111 II 35 f. E. a). Vorbehalten wurde dann allerdings der Fall, da die Leistungen des Bauhandwerkers ausschliesslich der Ausstattung von im Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers stehenden Gebäudeteilen dienen. In Einklang mit der Lehre (vgl. SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. A., S. 96, Rz. 379; ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, in: ZSR 101/1982 II S. 1 ff., insbesondere S. 127; DE HALLER, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, in: ZSR 101/1982 II S. 189 ff., insbesondere S. 264) hat das Bundesgericht entschieden, dass die entsprechenden Forderungen durch ein Bauhandwerkerpfandrecht auf dem betreffenden Miteigentumsanteil gesichert werden könnten, sofern die bauliche Ausstattung der im Sonderrecht stehenden Räume ein wesentliches Element des dem gemeinschaftlichen Eigentum entgegenstehenden Sonderrechts ausmache (vgl. BGE 111 II 36 E. b).
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3. a) Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Baugläubigerpfand-Belastung bei Stockwerkeigentum trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht jeder Mehrwert, den ein Bauhandwerker durch seine Arbeit oder durch geliefertes Material an einem der im Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers stehenden Gebäudeteil schafft, auch in gleichem Masse eine Wertvermehrung für die Liegenschaft insgesamt bedeuten muss. Die Vorinstanz hat dies nicht übersehen. Sie schliesst eine selbständige Behandlung der BGE 112 II, 214 (218)einzelnen Stockwerkeinheiten hinsichtlich der dreimonatigen Eintragungsfrist für Fälle der vorliegenden Art denn auch nicht generell aus. Indessen hält sie dafür, dass eine gestaffelte Auslösung der erwähnten Frist nach Massgabe der Vollendung der Arbeiten in den einzelnen Wohnungen nur insoweit in Frage kommen könne, als der - über die Normausrüstung hinausgehende - Sonderausbau betroffen sei. Für Leistungen der Bauhandwerker, die auf einem einheitlichen Werkvertrag beruhten und zum Standardausbau der Stockwerkeinheiten gehörten, werde die Frist dagegen erst dann (einheitlich) ausgelöst, wenn die Arbeiten im ganzen Haus, d.h. in allen Wohnungen, abgeschlossen seien. Seine Ansicht begründet das Obergericht damit, dass dem Unternehmer gerade bei grossen Überbauungen nicht generell zugemutet werden könne, eine Kontrolle über den Abschluss der Arbeiten in den einzelnen Stockwerkeinheiten zu führen. Die Vorinstanz hält sodann fest, dass die den strittigen Pfandrechten zugrunde liegenden Arbeiten eindeutig zum Standardausbau gezählt hätten; es sei deshalb für alle Stockwerkeigentümer von einem einheitlichen Fristbeginn auszugehen.
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b) Im Schrifttum wird die hier gestellte Frage unterschiedlich beantwortet. ZOBL (a.a.O. S. 149) hält dafür, dass bei Arbeiten an Bauteilen, die Gegenstand des Sonderrechts eines Stockwerkeigentümers bildeten, der Beginn der Frist auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeiten falle, zumal der Stockwerkeigentumsanteil das Pfandobjekt darstelle. SCHUMACHER (a.a.O. S. 195, Rz. 682 f.) räumt zwar ein, dass die Struktur des Stockwerkeigentums dafür sprechen würde, die einzelnen Stockwerkeinheiten auch bezüglich der Dreimonatefrist für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts möglichst selbständig zu behandeln. Unter Hinweis auf die - auch von der Vorinstanz erwähnten - Gründe der Praktikabilität und auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes vertritt dieser Autor aber dann gleichwohl die Ansicht, die Frist sei in einem Fall wie dem vorliegenden für alle Stockwerkeigentümer gleichzeitig mit der letzten Arbeit des Unternehmers im ganzen Haus beginnen zu lassen.
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Der Bauhandwerker befindet sich demgegenüber in einer günstigeren Lage. So kann er dem Baufortschritt entsprechende Abschlagszahlungen verlangen. Vor allem aber ist er insofern wirksam geschützt, als er gemäss Art. 839 Abs. 1 ZGB das ihm zustehende Pfandrecht bereits von dem Zeitpunkt an eintragen lassen kann, da er sich zur Arbeitsleistung verpflichtet hat. Dass in der Praxis freilich oft Hemmungen bestehen dürften, sich in dieser Weise abzusichern, vermag an der grundsätzlichen Besserstellung des Unternehmers nichts zu ändern. Das Abschätzen des Risikos wird für diesen allerdings dann erschwert, wenn bei Überbauungen der vorliegenden Art das Stockwerkeigentum erst nach Beginn oder gar nach Abschluss der Arbeiten begründet wird. Wie es sich mit der Eintragungsfrist unter solchen Umständen verhalten würde, braucht indessen nicht entschieden zu werden, da hier das Stockwerkeigentum bereits bestanden hatte, als die A. Huber AG ihre Arbeiten aufnahm. Denkbar wäre allerdings, dass ein Bauherr das Bestehen von Stockwerkeigentum verschweigt, doch kann der Unternehmer durch Einsicht in das Grundbuch davon Kenntnis erlangen.
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b) In Anbetracht der dargelegten Stellung des Bauhandwerkers und seiner Möglichkeiten, sich gegen eine allfällige Insolvenz des Werkbestellers rechtzeitig und wirksam abzusichern, erscheint es als ungerechtfertigt, den Beginn der Frist zur Eintragung eines Baugläubigerpfandrechts einheitlich auf denjenigen Zeitpunkt anzusetzen, da die Arbeiten in sämtlichen Wohnungen abgeschlossen sind. Es kann namentlich dem Erwerber einer fertiggestellten Stockwerkeinheit nicht zugemutet werden, dass noch drei Monate nach der - unter Umständen viel späteren - Vollendung der Arbeiten in einer andern Wohnung auf seinem Grundstück ein Bauhandwerkerpfandrecht eingetragen wird. Das Risiko einer Doppelleistung (Zahlung des Preises an den Verkäufer, der das Werk bestellt hatte, einerseits und an den Bauhandwerker andererseits) soll mindestens in zeitlicher Hinsicht überblickbar sein. Eine einheitliche Fristauslösung im obenerwähnten Sinn ist aber auch deshalb abzulehnen, weil sie eine Privilegierung des Bauhandwerkers zur Folge hätte, die über das Ziel des Gesetzes hinausginge: Der Unternehmer könnte für den durch seine Leistungen geschaffenen BGE 112 II, 214 (220)Mehrwert an einer bestimmten Stockwerkeinheit auch noch nach Ablauf der dreimonatigen Frist seit Arbeitsvollendung das gesetzliche Pfandrecht eintragen lassen. In Würdigung der auf beiden Seiten in Betracht zu ziehenden Interessen ist es dem Bauhandwerker entgegen der Ansicht der Vorinstanz schliesslich durchaus zuzumuten, dass er bei Überbauungen der vorliegenden Art über seine Arbeiten und Materiallieferungen generell eine nach Stockwerkeinheiten getrennte Kontrolle führe. Die individuelle Rechnungstellung an die einzelnen Stockwerkeigentümer verlangt ohnehin ein solches Vorgehen.
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c) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen geht es nicht an, die gestaffelte Fristauslösung nach Massgabe der Vollendung der Arbeiten an den einzelnen Stockwerkeinheiten mit dem Obergericht nur bezüglich derjenigen Leistungen gelten zu lassen, die der Unternehmer im Rahmen eines Sonderausbaus der Wohnungen, d.h. über die Normausrüstung hinaus, erbracht hat. Bei einer solchen Lösung würden übrigens in vielen Fällen erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Standard- und Sonderausbau auftreten.
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d) Begann die Frist zur Eintragung der strittigen Bauhandwerkerpfandrechte somit in jedem Fall mit der jeweiligen Vollendung der Arbeiten der A. Huber AG in den Wohnungen der Berufungskläger zu laufen, ist unerheblich, ob jene zum Standard- oder zum Sonderausbau zu zählen seien. Die Rüge der Berufungskläger, die vorinstanzliche Annahme, wonach es sich um Leistungen im Rahmen des Standardausbaus gehandelt habe, verstosse gegen Art. 8 ZGB (da die Klägerin dies nie geltend gemacht habe), wird mithin gegenstandslos.
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