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Informationen zum Dokument  BGE 108 II 503  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Das Obergericht hat mit Recht festgehalten, dass aufgrund der  ...
3. Diese neueste Rechtsprechung des Bundesgerichts, wie sie vor a ...
4. Im vorliegenden Fall leben die Parteien seit anfangs 1964 fakt ...
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94. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. November 1982 in S. H. gegen H. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Art. 142 Abs. 2 ZGB: Wann ist die Berufung auf Art. 142 Abs. 2 ZGB rechtsmissbräuchlich?  
 
Sachverhalt
 
BGE 108 II, 503 (503)F. H., geboren 1929, und H. R., geboren 1927, heirateten nach kurzer Bekanntschaft am 29. Oktober 1951. Ein Jahr später wurde den Ehegatten ein Sohn geboren. Nachdem die Eheleute H. während acht Jahren im Ausland gelebt hatten, kehrten sie im Jahre 1962 wieder in die Schweiz zurück. In der Folge lernte der BGE 108 II, 503 (504)Ehemann eine andere Frau kennen, mit welcher er zwei Kinder zeugte und seit anfangs 1964 zusammenlebt.
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Am 6. Dezember 1966 machte der Ehemann eine erste Scheidungsklage anhängig, der sich die Ehefrau widersetzte. Das Amtsgericht des Kantons X. wies die Klage mit rechtkräftigem Urteil vom 21. Juli 1967 wegen überwiegenden Verschuldens des Ehemannes ab. Im Urteil wurde festgehalten, dem Kläger sei der Nachweis, dass die eheliche Zerrüttung schon vor der Aufnahme seiner Beziehungen zu seiner Geliebten bestanden habe, nicht gelungen. Einziger Zerrüttungsgrund sei demnach sein ehebrecherisches Verhältnis zu dieser Frau.
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Mit Urteil vom 19. November 1981 hiess das Kantonsgericht des Kantons Y. eine erneute Scheidungsklage von F. H. trotz des Widerstandes der Beklagten gut und schied die Ehe der Parteien gestützt auf Art. 142 ZGB. Es betrachtete den Widerstand der Beklagten gegen die Scheidung als rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht mehr bereit sei, das Zusammenleben mit dem Kläger wieder aufzunehmen.
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Das Obergericht hob mit Urteil vom 7. Mai 1982 auf Appellation der Beklagten hin das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Scheidungsklage ab. Es erblickte im Widerstand der Beklagten gegen die Scheidung keinen Rechtsmissbrauch.
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Der Kläger legt beim Bundesgericht Berufung ein und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Scheidungsklage gutzuheissen.
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In ihrer Berufungsantwort schliesst die Beklagte auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
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Aus den Erwägungen:
 
2. Das Obergericht hat mit Recht festgehalten, dass aufgrund der vom Kläger im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Tatsachenbehauptungen an eine vom früheren Urteil abweichende Beurteilung der Verschuldensfrage nicht gedacht werden könne. Es finden sich in der Tat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehe der Parteien vor Aufnahme der Beziehungen des Klägers zu seiner jetzigen Geliebten bereits tief und unheilbar zerrüttet oder jedenfalls bereits so stark gestört gewesen wäre, dass das ehebrecherische BGE 108 II, 503 (505)Verhältnis des Klägers für den Eintritt der Zerrüttung nicht mehr als die wesentliche Ursache hätte betrachtet werden dürfen (BGE 98 II 162 /63, BGE 87 II 4 ff. mit Hinweis auf BGE 68 II 65 ff. und BGE 78 II 301; BÜHLER/SPÜHLER, N. 31 zu Art. 137 ZGB; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 76; Zusatzband, S. 35 ff.).
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Trifft den Schuldner somit das überwiegende Verschulden an der tiefen Zerrüttung der Ehe, hat die Beklagte gestützt auf Art. 142 Abs. 2 ZGB das Recht, sich der Scheidungsklage zu widersetzen. Allerdings findet dieses Recht seine Schranke im allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot des Art. 2 Abs. 2 ZGB, auf das sich der Kläger beruft. Indessen hat das Bundesgericht die Berufung auf Rechtsmissbrauch in diesem Zusammenhang nur mit grosser Zurückhaltung zugelassen, einerseits, weil Art. 2 Abs. 2 ZGB nur dem offenbaren Missbrauch eines Rechts den Schutz versagt, anderseits, weil das in Art. 142 Abs. 2 ZGB verankerte Recht, sich der Scheidungsklage des vorwiegend schuldigen Ehegatten selbst dann zu widersetzen, wenn die Ehe unheilbar zerrüttet ist, nicht durch eine allzu weitgehende Relativierung ausgehöhlt werden darf (BGE 105 II 225). In seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundesgericht Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit Art. 142 Abs. 2 ZGB nur dann bejaht, wenn der sich der Scheidung widersetzende Ehegatte es ablehnte, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen, obwohl der andere Partner dazu unter Verzicht auf sein ehewidriges Verhalten bereit gewesen wäre (BGE 92 II 76). Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht in seinen neuesten Entscheidungen dahingehend gemildert, dass rechtsmissbräuchliches Festhalten an der zerrütteten Ehe bereits dann bejaht wurde, wenn zwar der überwiegend schuldige Ehegatte nicht bereit war, sein ehewidriges Verhalten aufzugeben, das Festhalten des schuldlosen oder weniger schuldigen Ehegatten an der Ehe aber als völlig sinnlos erschien und dieser keinerlei schützenswertes Interesse an der Fortdauer der Ehe geltend machen konnte (BGE 104 II 152 /53, BGE 105 II 225 und BGE 108 II 28).
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Den Nachweis, dass die Aufrechterhaltung der Ehe völlig sinnlos geworden sei und dass schützenswerte Interessen des der Scheidung widersprechenden Ehegatten an der Fortdauer der Ehe fehlten, hat das Bundesgericht in den beiden Entscheiden 104 II 145 ff. und 108 II 25 ff. als erbracht angesehen. Dem erstgenannten Urteil lagen insofern ausserordentliche Umstände zugrunde, als eine 32 Jahre andauernde faktische Trennung zwischen den Ehegatten BGE 108 II, 503 (506)bestand und der Scheidungskläger im Ausland eine neue Ehe eingegangen war, aus der Kinder hervorgegangen waren; zudem standen die Ehegatten schon in sehr fortgeschrittenem Alter, und der sich der Scheidung widersetzende Ehegatte hatte nicht dargetan, dass ihn die Scheidung in schutzwürdigen materiellen oder ideellen Interessen treffen würde. Als nicht schutzwürdig hat das Bundesgericht in BGE 108 II 25 das rein finanzielle Interesse an der Fortdauer der Ehe angesehen, wenn der widersprechende Ehegatte selber im Konkubinat lebt und dadurch bekundet, dass er sich seinerseits endgültig von seinem Ehepartner abgewendet hat. In einem nicht veröffentlichten Urteil vom 2. Oktober 1980 in Sachen K. hat das Bundesgericht die von den kantonalen Instanzen ausgesprochene Scheidung trotz des überwiegenden Verschuldens des klagenden Ehemannes und des Widerspruchs der Ehefrau gestützt auf das Rechtsmissbrauchsverbot bestätigt angesichts der völligen Entfremdung, die durch die seit gut zwanzig Jahren bestehende Trennung bewirkt worden war, und des fortgeschrittenen Alters der Parteien. Zudem machte die Ehefrau kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der nur noch dem Bande nach bestehenden Ehe glaubhaft.
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Demgegenüber hat das Bundesgericht in BGE 105 II 218 ff. den Widerspruch einer Ehefrau, deren eheliche Gesinnung noch nicht völlig erloschen war und die aus achtenswerten Gründen an der Ehe festhielt, gegenüber der Scheidungsklage eines Mannes, der nach dreizehnjähriger faktischer Trennung seine Konkubine heiraten wollte, geschützt. Ganz ähnliche Verhältnisse liegen BGE 108 II 165 ff. zugrunde, was ebenfalls zur Abweisung der Scheidungsklage des vorwiegend schuldigen Ehemannes führte.
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3. Diese neueste Rechtsprechung des Bundesgerichts, wie sie vor allem in BGE 104 II 145 ff. und BGE 105 II 218 ff. konkretisiert worden ist und dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt hat, lässt noch keine fest umschriebene Kriterien erkennen, nach denen im Einzelfall die Frage beantwortet werden könnte, unter welchen Umständen die Berufung auf Art. 142 Abs. 2 ZGB als rechtsmissbräuchlich, d.h. das Festhalten an der Ehe als völlig sinnlos erscheinen müsse und der schuldlose Ehegatte keinerlei schützenswertes Interesse an der Fortdauer der Ehe geltend machen könne (vgl. auch die Stellungnahmen zu den beiden zitierten Bundesgerichtsurteilen von HINDERLING, a.a.O., Zusatzband, S. 24 ff., und HAUSHEER, ZBJV 116/1980 S. 93 ff. und 117/1981 S. 80 ff.). Dass sich die kantonalen Gerichte mit der bisherigen BGE 108 II, 503 (507)Rechtsprechung in den Entscheiden BGE 104 II 145 ff. und BGE 105 II 218 ff. schwer tun, zeigt gerade auch der vorliegende Fall, in dem die erste Instanz den Widerspruch der Beklagten gegen die Scheidung unter Berufung auf das Bundesgericht als rechtsmissbräuchlich betrachtet, während das Obergericht die Berufung der Beklagten auf Art. 142 Abs. 2 ZGB auch im Hinblick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zugelassen hat, ohne dass der einen oder andern Instanz ein klares Versehen vorzuwerfen wäre. Um diesen Abgrenzungsschwierigkeiten zu begegnen, sind objektive Abgrenzungskriterien anzustreben. Unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich eine Tatsachenvermutung in dem Sinne, dass nach 15jähriger Trennung der Ehegatten anzunehmen ist, es sei einerseits auch beim widersprechenden Ehegatten der wirkliche Ehewille erloschen und es bestehe anderseits auch kein schützenswertes Interesse mehr an der Aufrechterhaltung der Ehe dem Bande nach. Diese Lösung entspricht auch der Lebenserfahrung. Danach lässt eine Trennung von 15 Jahren in aller Regel eine echte Bindung an die Ehe und den klagenden Ehegatten erlöschen. Der widersprechende Ehegatte gibt sich meist einer Täuschung hin, wenn er glaubt, er sei nach so langer Zeit in der Lage, bei vorbehaltloser Rückkehr des schuldigen Gatten wieder eine harmonische Ehegemeinschaft aufzubauen. Immerhin muss er aber zum Gegenbeweis zugelassen werden, damit dem immer noch gültigen Art. 142 Abs. 2 ZGB Rechnung getragen wird. Auf diese Weise findet eine Umkehrung der Beweislast statt. Bisher hatte der schuldige Ehegatte stets den Nachweis zu erbringen, dass das Festhalten des schuldlosen oder weniger schuldigen Gatten an der Ehe nicht ernsthaft gemeint sei. Nun soll nach mindestens 15jähriger Trennung der Ehegatten bei Einreichung der Scheidungsklage das Erlöschen des Ehewillens auf beiden Seiten vermutet werden. Zwar mag der Festsetzung einer solchen zeitlichen Limite etwas Willkürliches anhaften, doch ist das Abstellen auf ein objektiv, das heisst in zeitlicher Hinsicht klar umschriebenes Kriterium um der Rechtssicherheit willen geboten (siehe auch REY, Tendenzen richterlicher Rechtsfortbildung im Familienrecht, in "recht", Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis, 1/1983, S. 64, unter Berufung auf HAUSHEER, ZBJV 116/1980, S. 98). Leben die Ehegatten mehr als 15 Jahre getrennt, soll dem schuldlosen oder weniger schuldigen Ehegatten aber immer noch die Möglichkeit gewahrt bleiben, den Nachweis zu erbringen, dass seine eheliche Gesinnung noch nicht endgültig erloschen sei oder dass er BGE 108 II, 503 (508)schützenswerte Interessen - ideelle oder materielle - am Fortbestand der Ehegemeinschaft habe. Dabei ist vor allem an Fälle von materieller Härte zu denken, während der Widerstand gegen die Scheidung aus rein ideellen Gründen kaum je genügen dürfte, um die zugunsten des klagenden Ehegatten aufgestellte Tatsachenvermutung umzustossen.
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4. Im vorliegenden Fall leben die Parteien seit anfangs 1964 faktisch getrennt. Die Trennung dauerte somit bis zur neuen Scheidungsklage mehr als 15 Jahre. Der Kläger ist nicht bereit, seine Lebensgefährtin und die mit ihr gezeugten beiden Kinder zu verlassen und vorbehaltlos zur Beklagten zurückzukehren. Nach dem Ausgeführten ist anzunehmen, dass auch der Ehewille der Beklagten inzwischen erloschen ist und keine schützenswerten Interessen am Fortbestand der Ehe dem Bande nach bestehen. Allerdings hat die Beklagte ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Ehelebens mit dem Kläger immer wieder betont, so insbesondere auch in der formellen Parteibefragung vor erster Instanz. Aus den Akten ergibt sich zudem, dass sie den Kläger verschiedentlich brieflich um eine Rückkehr zu ihr und ihrem gemeinsamen Sohn gebeten hat. Nach den Angaben in der Klageantwort haben sich die Parteien während der Trennungszeit zweimal getroffen, nämlich 1974 und 1976, wobei es jeweils zwischen ihnen zu intimen Beziehungen gekommen sein soll. Die Begegnung im Jahre 1976 hat der Kläger sogar in seiner Einvernahme vor erster Instanz zugegeben. Im übrigen berief sich die Beklagte im kantonalen Verfahren auf ihren katholischen Glauben und machte geltend, sie könne aus grundsätzlichen Erwägungen einer Scheidung nicht zustimmen. Demgegenüber legte das Kantonsgericht besonderes Gewicht auf die Äusserung der Beklagten zum Sohn der Parteien, wenn der Kläger jetzt noch kommen würde, dann könnte sie mit ihm nicht mehr zusammenleben; er solle da bleiben, wo der Pfeffer wachse. Dabei handelt es sich jedoch um eine vereinzelte Aussage, aus der allein noch nicht geschlossen werden kann, die Beklagte lehne den Kläger grundsätzlich ab, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die Beziehungen zwischen der Beklagten und ihrem Sohn seit langem gespannt sind und sie keinen Kontakt mehr miteinander pflegen.
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Ob die von der Beklagten bisher angeführten Gründe ausreichen würden, um die erwähnte tatsächliche Vermutung umzustossen, ist fraglich. Indessen ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass die Beklagte nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts auch gar keine Veranlassung hatte, weitere Gründe anzuführen.
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BGE 108 II, 503 (509)Insbesondere macht sie auch keine materiellen Interessen am Fortbestand der Ehe geltend. Dabei wäre denkbar, dass sie durch den Verlust ihrer Teilhabe an den Sozialversicherungsansprüchen des Ehemannes hart getroffen würde. Es soll ihr nicht verwehrt sein, den Gegenbeweis anzutreten. Doch ist es Sache der Vorinstanz, die Beweisanträge entgegenzunehmen und die entsprechenden Tatsachen festzustellen. Je nach Ausgang der Beweiswürdigung wird die Vorinstanz die Scheidung mit den Nebenfolgen auszusprechen oder die Scheidungsklage abzuweisen haben. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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