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Informationen zum Dokument  BGE 104 II 246  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Der Beschwerdeführer hält dafür, mit der Einlei ...
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40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1978 i.S. X. gegen X.
 
 
Regeste
 
Massnahmen für die Dauer eines im Ausland eingeleiteten Scheidungsprozesses; Zuständigkeit des schweizerischen Eheschutzrichters.  
 
Sachverhalt
 
BGE 104 II, 246 (246)Mit Verfügung vom 11. Mai 1978 erklärte der Einzelrichter in Ehesachen des Bezirkes Zürich A.X. gestützt auf Art. 170 Abs. 1 ZGB für berechtigt, für die Dauer eines Jahres von ihrem Ehemann B.X. - wie sie türkischer Staatsangehörigkeit und in Zürich wohnhaft - getrennt zu leben. Während der Einzelrichter den im Jahre 1959 geborenen Sohn unter die Obhut des Vaters stellte, setzte er den Entscheid betreffend die BGE 104 II, 246 (247)Zuweisung der im Jahre 1969 geborenen Tochter aus, wobei er verschiedene Stellen beauftragte, Berichte zu erstatten über die Verhältnisse der Eltern und über deren Erziehungsfähigkeit sowie über die Beziehungen der Tochter zu den Eltern.
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Gegen diesen Entscheid rekurrierte B.X., unter anderem mit dem Antrag, die Tochter sei im Sinne einer Sofortmassnahme vorläufig ihm zuzuweisen. In der Folge liess er das Obergericht wissen, er habe am 21. Juni 1978 in der Türkei auf Scheidung geklagt, die Zürcher Gerichte seien daher nicht mehr zuständig, Eheschutzmassnahmen zu treffen.
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Durch Zwischenbeschluss vom 5. Juli 1978 wies das Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) die Unzuständigkeitseinrede ab.
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B.X. hat hiegegen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde erhoben und dem Bundesgericht in einer weiteren Eingabe mitgeteilt, das von ihm angerufene Istanbuler Gericht habe am 8. September 1978 entschieden, die Tochter werde für die Dauer des Scheidungsprozesses unter seine Obhut gestellt.
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Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Aus den Erwägungen:
 
3. Der Beschwerdeführer hält dafür, mit der Einleitung des Scheidungsprozesses in der Türkei hätten die Zürcher Gerichte die Zuständigkeit verloren, Massnahmen zum Schutze der ehelichen Gemeinschaft im Sinne der Art. 169 ff. ZGB anzuordnen. Gewiss ist nach der Rechtsprechung für Eheschutzmassnahmen grundsätzlich kein Raum mehr, sobald eine Scheidungsklage anhängig gemacht worden ist (BGE 101 II 2 mit Hinweisen), wobei vom Eheschutzrichter bereits getroffene Massnahmen allerdings in Kraft bleiben, soweit sie vom Scheidungsrichter nicht abgeändert oder aufgehoben werden (BGE 64 II 396f. E. 1). Dieser Grundsatz lässt sich indessen nicht ohne weiteres auf einen internationalen Sachverhalt übertragen. Ist ein Scheidungsverfahren im Ausland angehoben worden, so ist eine sofortige vorsorgliche Regelung der Verhältnisse der in der Schweiz lebenden Ehegatten und allfälliger Kinder allein schon aus praktischen Gründen unter Umständen nicht gewährleistet, zumal die getroffenen Massnahmen in der Schweiz vorerst noch anerkannt werden müssen. Es obliegt BGE 104 II, 246 (248)in einem solchen Fall der schweizerischen Rechtsordnung, für einen lückenlosen Schutz zu sorgen.
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Der Einwand des Beschwerdeführers, es könnten in der Schweiz höchstens Massnahmen im Sinne von Art. 145 ZGB angeordnet werden, wofür ein fiktives Scheidungsgericht zuständig wäre, ist unbehelflich. Eheschutzmassnahmen können ihrer Natur nach während der ganzen Dauer der Ehe getroffen werden. Die eingangs angeführte Einschränkung der Kompetenz des Eheschutzrichters zugunsten des Scheidungsrichters beruht allein auf der innerstaatlichen Ordnung, die es einer Partei ermöglicht, beim Scheidungsrichter vorsorgliche Massnahmen zu verlangen, die - sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind - ohne Verzug anzuordnen und alsdann überall in der Schweiz zu vollstrecken sind. Wo jedoch ein ausländischer Scheidungsrichter angerufen worden, im Sinne der vorstehenden Ausführungen aber dennoch der schweizerische Richter zuständig ist, eine (erste) Regelung der Verhältnisse für die Dauer des Scheidungsprozesses zu treffen, liegen die Dinge wesentlich anders.
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Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die blosse Einleitung eines Scheidungsverfahrens im Ausland weder in der Schweiz bereits getroffene Eheschutzmassnahmen hinfällig werden lässt noch die Zuständigkeit des schweizerischen Richters aufhebt, solche Massnahmen anzuordnen. Die Zuständigkeit der Vorinstanz wäre nur dann entfallen, wenn vom türkischen Scheidungsrichter angeordnete vorsorgliche Massnahmen vor ihrem Entscheid in der Schweiz vollstreckbar erklärt worden wären.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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