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Informationen zum Dokument  BGE 103 II 69  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsm& ...
3. Art. 12 UWG bestimmt, wenn die Behörde eine vorsorgliche  ...
4. Die Justizkommission macht in der Vernehmlassung zur Beschwerd ...
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10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1977 i.S. Permedia AG gegen Lokal-Telefon-Verzeichnis AG
 
 
Regeste
 
Vorsorgliche Massnahmen nach UWG.  
2. Bei vorsorglichen Massnahmen nach UWG muss eine Klagefrist im Sinne von Art. 12 Abs. 1 UWG angesetzt werden (E. 3 und E. 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 103 II, 69 (70)A.- Auf Klage der Lokal-Telefon-Verzeichnis AG traf die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern als Instanz nach § 355bis ZPO am 3. Dezember 1976 eine vorsorgliche Massnahme im Sinne der Art. 9 ff. UWG des Inhalts, es werde der Beklagten Permedia AG untersagt, weiterhin folgende Behauptungen aufzustellen und zu verbreiten: a) das Lokal-Telefon-Verzeichnis Region Hochdorf der Klägerin erscheine nicht mehr; b) die Klägerin stehe vor dem Konkurs oder sei bereits in Konkurs gefallen; c) die Klägerin erhalte von der PTT keine Unterlagen über Telefonabonnenten mehr zur Verfügung gestellt. Die Justizkommission drohte der Beklagten für den Fall der Übertretung dieses Verbots gemäss Art. 292 StGB Bestrafung mit Haft oder Busse an. Von der Ansetzung einer Klagefrist an die Klägerin sah sie mit der Begründung ab, eine solche sei gemäss § 357 Abs. 2 ZPO nicht zwingend vorgeschrieben; die Verbreitung unwahrer Behauptungen im wirtschaftlichen Wettbewerb, die dem Konkurrenten schaden könne, bleibe immer unerlaubt; auch habe die Beklagte kaum ein rechtlich schützenswertes Interesse, dass die Klägerin noch den Weg des ordentlichen Prozesses beschreite.
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Auf eine Kassationsbeschwerde der Permedia AG ist das Obergericht des Kantons Luzern am 9. Februar 1977 mit der Begründung nicht eingetreten, dieses Rechtsmittel sei nur gegen Zivilurteile der beiden obergerichtlichen Kammern, nicht auch gegen Entscheidungen der obergerichtlichen Kommissionen zulässig und zudem habe die Justizkommission nicht über einen materiellen Anspruch endgültig entschieden.
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B.- Die Permedia AG hat gegen den Entscheid der Justizkommission rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde eingereicht.
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BGE 103 II, 69 (71)Sie beantragt, ihn aufzuheben. Sie macht geltend, die Justizkommission habe Art. 4 BV verletzt, weil die Nichtansetzung einer Frist zur Klage beim Erlass vorsorglicher Massnahmen dem klaren Wortlaut des Art. 12 UWG widerspreche, also willkürlich sei. Auch sei ihr durch die Nichtansetzung der Klagefrist das rechtliche Gehör verweigert worden, denn damit sei ihr die Möglichkeit genommen, in einem ordentlichen Prozess mit vorgeschriebenem Schriftenwechsel und Beweisverfahren ihre Verteidigungsrechte auszuschöpfen, was sie im summarischen Verfahren auf Anordnung vorsorglicher Massnahmen nicht habe tun können.
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C.- Die Lokal-Telefon-Verzeichnis AG beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden könne.
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Nach der Auffassung der Justizkommission ist die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Massnahmen nach Art. 9 UWG sind vorsorglicher Natur. Über den Anspruch, den sie schützen, wird erst in einem allfälligen Hauptprozess endgültig entschieden. Die Beschwerdeführerin geht denn auch darauf aus, dass der Beschwerdegegnerin zur Anhebung eines solchen gemäss Art. 12 UWG Frist gesetzt werde. Der angefochtene Entscheid ist somit nicht Endentscheid im Sinne des Art. 48 OG (BGE 101 II 362 E. 1 mit Hinweisen auf weitere Urteile). Er kann nicht mit der Berufung angefochten werden.
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Die Justizkommission hat der Beschwerdegegnerin nicht Frist zur Anhebung des Hauptprozesses gesetzt, weil § 357 Abs. 2 ZPO die Ansetzung nicht zwingend vorschreibe. In der Vernehmlassung zur Beschwerde gibt sie diese Bestimmung als irrtümlich zitiert aus und erachtet § 354 ZPO als anwendbar. Ob statt der einen oder anderen dieser Normen, die beide dem kantonalen Recht angehören, die eidgenössische Bestimmung des Art. 12 UWG anzuwenden sei, wie die Beschwerdeführerin BGE 103 II, 69 (72)geltend macht, ist eine Frage, die dem Bundesgericht gemäss Art. 68 Abs. 1 lit. a OG mit der Nichtigkeitsbeschwerde unterbreitet werden kann, da eine Zivilsache vorliegt und die Justizkommission als letzte kantonale Instanz entschieden hat. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht zulässig.
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Dass die Beschwerdeführerin auch noch den Vorwurf der Verweigerung des rechtlichen Gehörs erhebt, ändert nichts. Sie begründet ihn nicht mit der Behauptung, sie habe im summarischen Befehlsverfahren, in dem die Justizkommission urteilte, die ihr zustehenden Verteidigungsrechte nicht ausüben können. Sie sieht die angeblich formelle Rechtsverweigerung darin, dass der Gegenpartei nicht Frist zur Anhebung des Hauptprozesses angesetzt wurde und damit der Beschwerdeführerin von vornherein verunmöglicht worden sei, sich in einem ordentlichen Prozesse mit dem in den § 95 ff. und 132 ff. ZPO vorgesehenen Schriftenwechsel und Beweisverfahren zu verteidigen. Diese Rüge deckt sich also mit dem Anbringen, die Justizkommission hätte Art. 12 UWG anwenden sollen. Es bleibt daher für eine staatsrechtliche Beschwerde kein Raum.
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Das eingelegte Rechtsmittel ist deshalb als Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln (BGE 56 II 2 E. 1).
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Diese Bestimmungen sind zum Schutze dessen erlassen worden, der in Anwendung des Art. 9 UWG von vorsorglichen Massnahmen betroffen wird (Botschaft des Bundesrates, BBl 1942 708; vgl. VON BÜREN, Kommentar zum UWG, N. 1 zu Art. 9-12). Sie gehen dem kantonalen Prozessrecht vor (Art. 2 ÜbBest. BV). Dieses kann den Schutz des Betroffenen nicht aufheben oder einschränken. Da die Justizkommission unter Berufung auf kantonales Recht von der Ansetzung einer Klagefrist abgesehen hat, muss die Beschwerde gutgeheissen BGE 103 II, 69 (73)und die Sache zur Anwendung des eidgenössischen Rechts an die Justizkommission zurückgewiesen werden.
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Damit verkennt sie den Sinn des Art. 12 UWG. Diese Bestimmung will nicht einem angeblichen Interesse des Gesuchsgegners an der Durchführung des Hauptprozesses dienen. Der Betroffene ist in der Regel an einem Hauptprozess überhaupt nicht interessiert, sondern nur daran, dass die vorsorgliche Massnahme nicht unbestimmte Zeit fortbestehe, ohne dass der Gesuchsteller gehalten sei, im ordentlichen Prozess ein endgültiges Urteil zu erstreiten. Nur diesem Interesse will Art. 12 UWG dienen. Inwiefern es im vorliegenden Falle nicht bestehen sollte, ist nicht zu ersehen. Der Einwand der Beschwerdegegnerin, die Beschwerdeführerin könne ja dem Obergerichte ohne weiteres die Aufhebung der vorsorglichen Massnahme beantragen, wenn sie nachweise, dass sie während angemessener Zeit keinerlei unwahre Behauptungen über die Beschwerdegegnerin mehr verbreitet habe und diese im wirtschaftlichen Wettbewerb nicht mehr gefährde, taugt nicht. Es ist nicht Sache des Betroffenen, die vorsorgliche Massnahme vorerst hinzunehmen und später auf deren Aufhebung zu klagen. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn des Art. 12 UWG hat vielmehr der Gesuchsteller binnen einer ihm zu setzenden Frist von höchstens dreissig Tagen den ordentlichen Prozess einzuleiten, wenn er vermeiden will, dass die vorsorgliche Massnahme dahinfalle. Die Auffassung der Justizkommission, unwahre Behauptungen im wirtschaftlichen Wettbewerb, die dem Mitbewerber schaden könnten, blieben immer unerlaubt, vermag hieran nichts zu ändern. Art. 12 UWG verlangt die Fristansetzung zur Anhebung des Hauptprozesses, weil das Gesetz das Ergebnis des Verfahrens um vorsorgliche Massnahmen nicht endgültig als massgebend erachtet. Daher darf nicht unterstellt werden, die Äusserungen der Beschwerdeführerin, die vor der Justizkommission glaubhaft gemacht wurden, versetzten die Beschwerdeführerin ein BGE 103 II, 69 (74)für allemal ins Unrecht. Erst der Hauptprozess wird die Rechtslage endgültig abklären. Die Fristansetzung darf auch nicht mit der in der Vernehmlassung der Justizkommission gegebenen Begründung unterbleiben, die Beschwerdeführerin selber habe ja die Ausgabe ihres Lokal-Telefonbuches als abgeschlossen bezeichnet und den Fortbestand eines Wettbewerbsverhältnisses zur Beschwerdegegnerin bestritten. Die Justizkommission widerspricht damit ihrem eigenen Entscheide. Sie hat der Beschwerdeführerin in diesem entgegengehalten, der Umstand, dass die Inseratenwerbung für ihr TELU-Telefonbuch II abgeschlossen sei, besage keineswegs, dass sie solche nicht für ein neues Verzeichnis betreiben könne. Die Justizkommission hat also die Möglichkeit des Fortbestandes eines Wettbewerbsverhältnisses bejaht und gerade deshalb die vorsorgliche Massnahme getroffen. Im Hinblick auf diese Möglichkeit hat die Beschwerdeführerin ein Interesse an der Fristansetzung, die allenfalls zum Hinfall des gegen sie ausgesprochenen Verbotes und der damit verbundenen Strafandrohung führen kann.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1. Die Beschwerde wird als Nichtigkeitsbeschwerde entgegengenommen.
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2. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern vom 3. Dezember 1976 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an diese Behörde zurückgewiesen.
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