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Informationen zum Dokument  BGE 84 II 542  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
3. Art. 418 g Abs. 1 OR bestimmt: "Der Agent hat Anspruch auf die ...
4. Art. 418 g Abs. 2 OR lautet: "Der Agent, dem ein bestimmtes Ge ...
5. Der Mäkler hat den Lohn nicht nur verdient, wenn der Vert ...
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74. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27.November 1958 i.S. Engler & Co. gegen Halpern.
 
 
Regeste
 
Art. 418 g, 418 b Abs. 1, 413 Abs. 1, 418 t Abs. 1 OR, Anspruch des Agenten auf Provision.  
b) Ursächlicher Zusammenhang zwischen Vermittlung und Abschluss des Geschäftes (Erw. 5).  
 
Sachverhalt
 
BGE 84 II, 542 (543)A.- Doryan Halpern in New York hatte auf Grund eines Agenturvertrages in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada, deren Gebiete ihm ausschliesslich zugewiesen waren, für die in Zürich niedergelassene Kommanditgesellschaft Engler & Co. den Verkauf von Maschinen zu vermitteln. Für seine Tätigkeit hatte er Anspruch auf 7 1/2% der Verkaufspreise. Am 15. April 1955 lief der Vertrag ab. Halpern bestätigte das der Auftraggeberin am 2. Mai 1955 mit der Erklärung, er habe sich entschlossen, die Vertretung aufzugeben.
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Am 12. Mai 1955 vernahm Halpern von der in den Vereinigten Staaten von Amerika niedergelassenen Firma National Lock Co., die der Gesellschaft Engler & Co. durch seine Vermittlung während der Dauer des Agenturvertrages eine Schraubenfräsmaschine abgekauft hatte, sie wolle noch zwanzig solche Maschinen bestellen. Halpern gab der Firma Engler & Co. davon Kenntnis. Der Kauf kam zustande und wurde ausgeführt, doch lehnte die Verkäuferin es ab, Halpern für dieses Geschäft eine Provision zu zahlen.
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BGE 84 II, 542 (544)Halpern klagte daher beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen Engler & Co. auf Zahlung von Fr. 10 500.-- nebst Zins zu 5% ab 1. Januar 1956. Die Beklagte beantragte, die Klage sei abzuweisen.
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B.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich verurteilte die Beklagte am 9. Mai 1958, dem Kläger Fr. 10 500.-- zu zahlen und diesen Betrag ab 1. Januar 1956 zu 5% zu verzinsen. Es kam zum Schluss, für die Bestellung der zwanzig Maschinen durch die National Lock Co. sei die während der Dauer des Agenturvertrages entwickelte Vermittlertätigkeit des Klägers mitbestimmend gewesen. Dem Kläger stehe daher gemäss Art. 418 g Abs. 1 OR die Provision zu. Art. 418 g Abs. 2 und Art. 418 t Abs 1 OR ständen diesem Anspruch nicht im Wege. Wäre Art. 418 g Abs. 1 nicht anwendbar, so bestände eine Gesetzeslücke, die der Richter gemäss Art. 1 Abs. 2 und 3 ZGB im angegebenen Sinne ausfüllen müsste.
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C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie macht geltend, gemäss Art. 418 g Abs. 2 OR habe der Kläger Anspruch auf Provision nur für Geschäfte erlangt, die - mit Kunden seines Gebietes - während der Dauer des Agenturvertrages abgeschlossen wurden. Es bestehe keine Gesetzeslücke. Zum gleichen Ergebnis führe Art. 418 t Abs. 1 OR, da diese Bestimmung dem Agenten Anspruch auf Provision für Nachbestellungen nur einräume, wenn sie vor Beendigung des Agenturvertrages eingelaufen seien. Übrigens habe der Kläger sich um die ganze Angelegenheit gar nicht mehr gekümmert. Er sei nicht persönlich am Sitze der National Lock Co. gewesen und habe nicht einmal einen Telephonanruf gewagt, ehe er das Vertretungsverhältnis aufgab. Die Verhandlungen hätten erst nach dem 14. Mai 1955 stattgefunden, und zwar in der Schweiz, und nachträglich sei dann der Kauf zustande gekommen.
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D.- Der Kläger beantragt, die Berufung sei abzuweisen.
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BGE 84 II, 542 (545)Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Diese Norm sieht den Provisionsanspruch für alle drei von ihr erfassten Tatbestände als Folge der vom Agenten in einem bestimmten Falle unternommenen Schritte vor. Sie lässt ihn entweder wegen der vom Agenten entwickelten erfolgreichen Vermittlungstätigkeit entstehen oder knüpft ihn an den vom Agenten getätigten Abschluss oder gewährt ihn, weil der Agent den Kunden, mit dem der Auftraggeber das Geschäft abschliesst, für Geschäfte der betreffenden Art geworben hat. In allen drei Fällen muss die massgebende Tätigkeit des Agenten (Vermittlung, Abschluss oder Werbung) während des Agenturverhältnisses entfalten worden sein. Hat sie nur in der Werbung des Kunden bestanden, so muss auch der Abschluss des Geschäftes - der mangels anderer schriftlicher Abrede erst den Provisionsanspruch entstehen lässt (Art. 418 g Abs. 3 OR) - in diesen Zeitraum fallen. Art. 418 g Abs. 1 sagt das ausdrücklich und wird durch Art. 418 t Abs. 1 dahin ergänzt, dass, wenn es nicht anders vereinbart oder üblich ist, auch die Nachbestellungen des vom Agenten geworbenen Kunden Anspruch auf Provision nur geben, wenn sie vor Beendigung des Agenturvertrages eingelaufen sind. Für den Fall, dass die massgebende Tätigkeit des Agenten nicht (oder nicht nur) in der Werbung des Kunden, sondern in der Vermittlung des Geschäftes besteht, sagt Art. 418 g Abs. 1 dagegen nicht, auch der (vom Auftraggeber vorgenommene) Abschluss dieses Geschäftes müsse während des BGE 84 II, 542 (546)Agenturverhältnisses erfolgen. Auch Art. 418 g Abs. 3 bestimmt das nicht. Zwar gilt diese Norm selbst für jenen Agenten, der die Provision kraft seiner Vermittlung verdient; er erlangt den Anspruch erst im Augenblick des Abschlusses. Aber Art. 418 g Abs. 3 sagt nichts über den Zeitpunkt, in dem dieser zustande kommen muss. Wenn das vom Agenten während der Dauer des Agenturvertrages vermittelte Geschäft erst nach Beendigung dieses Verhältnisses abgeschlossen wird, kann der Provisionsanspruch, so wie die Absätze 1 und 3 des Art. 418 g lauten, gleichwohl entstehen.
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In der Tat entstehen sie. Denn Art. 418 b Abs. 1 bestimmt, auf den Vermittlungsagenten seien die Vorschriften über den Mäklervertrag ergänzend anwendbar. Es gilt also sinngemäss Art. 413 Abs. 1 OR, wonach der Mäklerlohn verdient ist, sobald der Vertrag infolge der Vermittlung des Mäklers zustande gekommen ist. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Vermittlung und Abschluss genügt; der Zeitpunkt des Abschlusses ist bedeutungslos. Aus Art. 418 t Abs. 1 lässt sich für das Agenturverhältnis nichts anderes ableiten. Diese Bestimmung gilt nur, wenn die Nachbestellung dem Agenten Anspruch auf Provision lediglich gibt, weil er den Kunden geworben hat, nicht auch, wenn er dieses Geschäft selber vermittelt. Sonst wäre die Rechtslage verschlechtert, wie sie sich aus Art. 418 g Abs. 1, 418 b Abs. 1 und 413 Abs. 1 OR für den ergibt, der ein Geschäft vermittelt. Diese Schlechterstellung des Agenten liegt dem Art. 418 t Abs. 1 fern. Die Norm will nur verhüten, dass der Agent unter Berufung auf seine Werbetätigkeit die Provision auch noch auf Nachbestellungen beanspruche, die der von ihm geworbene Kunde erst nach Beendigung des Agenturvertrages macht.
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Diese Norm ordnet die Ansprüche jenes Agenten, dem ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmter Kundenkreis ausschliesslich zugewiesen ist, nicht abschliessend. Jeder Agent, sei ihm ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmter Kundenkreis ausschliesslich vorbehalten oder nicht, hat für den Auftraggeber dauernd Geschäfte zu vermitteln oder abzuschliessen (Art. 418 a OR). Da auch die in Art. 418 g Abs. 2 genannten Agenten das tun - und tun müssen, wenn sie ihre Rechte aus dem Vertrag geltend machen wollen (Art. 82 OR) -, treffen auch auf sie die Art. 418 g Abs. 1, 418 b Abs. 1 und 413 Abs. 1 zu. Denn Art. 418 g Abs. 1 spricht vom "Agenten" schlechthin, und auch Art. 418 b Abs. 1 sieht im "Vermittlungsagenten" nur einen Gegensatz zu dem daselbst ebenfalls erwähnten "Abschlussagenten", nicht zum ausschliesslich beauftragten Gebiets- oder Kundenkreisagenten. Wollte das Gesetz auf diesen nur Art. 418 g Abs. 2 angewendet wissen, so begänne Art. 418 g Abs. 1 mit den Worten: "Der Agent, dem nicht ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmter Kundenkreis ausschliesslich zugewiesen ist, hat Anspruch..."
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Es besteht auch kein sachlicher Grund, in Art. 418 g Abs. 1 und 418 b Abs. 1 nicht allgemeine, auf alle Agenten zutreffende Normen und in Art. 418 g Abs. 2 nur eine sie ergänzende Bestimmung für die ausschliesslich beauftragten Gebiets- oder Kundenkreisagenten zu sehen. Schlösse Art. 418 g Abs. 2 die Anwendung der Art. 418 g Abs. 1, 418 b Abs. 1 und 413 Abs. 1 für diese Agenten aus, so entgingen ihnen die Früchte ihrer erfolgreichen Vermittlertätigkeit, wenn das Geschäft erst nach Beendigung des Agenturverhältnisses abgeschlossen wird. Sie wären also insoweit schlechter gestellt als andere Agenten. Art. 418 g Abs. 2 bezweckt das nicht. Er will die sich aus Art. 418 g Abs. 1 in Verbindung mit Art. 418 b Abs. 1 und 413 Abs. 1 ergebenden Provisionsansprüche nicht einschränken, sondern nur erweitern. Diese Erweiterung ist nicht als Gegenstück BGE 84 II, 542 (548)zu einer Einschränkung gedacht, sondern soll den Agenten wirklich besserstellen. Das rechtfertigt sich, weil zu vermuten ist, alle in einem bestimmten Gebiete oder Kundenkreis abgeschlossenen Geschäfte gingen auf die allgemeine Werbetätigkeit des Agenten zurück, wenn ihm das Gebiet oder der Kundenkreis ausschliesslich zugewiesen ist. Da der Zusammenhang zwischen dieser Tätigkeit und dem Abschluss des Geschäftes nur abstrakt als vorhanden gilt, gibt Art. 418 g Abs. 2 den Provisionsanspruch nur, wenn das Geschäft vor Beendigung des Agenturverhältnisses abgeschlossen wird. Diese Begrenzung ist hier vernünftig, dagegen innerlich nicht begründet, wenn der Agent nachweist, dass das Geschäft infolge seine Vermittlertätigkeit zustande gekommen ist. Gewiss kann im Zeitpunkt des Abschlusses das Gebiet oder der Kundenkreis bereits einem anderen Agenten wiederum ausschliesslich zugewiesen sein. Es darf aber nicht unterstellt werden, das Gesetz verpflichte in diesem Falle den Auftraggeber, die Provision zweimal zu zahlen: dem ausgeschiedenen Agenten nach Abs. 1, dem Nachfolger gemäss Abs. 2 des Art. 418 g. Gewährt es sie jenem, so kann es sie nicht diesem ebenfalls zuerkennen wollen. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das in § 87 Abs. 1 und 2 HGB (Fassung vom 6. August 1953) ausdrücklich gesagt. Auch dieser Staat gibt dem Handelsvertreter, dem ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen ist, Anspruch auf Provision auf den ohne seine Mitwirkung abgeschlossenen, aber während des Vertragsverhältnisses zustande gekommenen Geschäften (§ 87 Abs. 2 HGB), ohne ihm anderseits die Provision auf den von ihm selbst vermittelten, eingeleiteten oder vorbereiteten, aber erst nach Beendigung des Verhältnisses abgeschlossenen Geschäften zu entziehen (§ 87 Abs. 3 HGB).
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5. Der Mäkler hat den Lohn nicht nur verdient, wenn der Vertrag ausschliesslich oder vorwiegend infolge seiner Vermittlung zustande gekommen ist, sondern auch dann, BGE 84 II, 542 (549)wenn diese den Dritten bloss mitbestimmt hat, den Vertrag abzuschliessen. Auch braucht der Abschluss nicht die unmittelbare Folge der Mäklertätigkeit zu sein; es genügt, wenn diese auch nur zu einer entfernteren Ursache des Entschlusses des Dritten geworden ist. Es muss nur dargetan werden, dass überhaupt ein psychologischer Zusammenhang zwischen den Bemühungen des Mäklers und diesem Entschlusse besteht (BGE 57 II 194,BGE 62 II 344,BGE 69 II 108,BGE 72 II 89,BGE 76 II 382). Diese Grundsätze gelten kraft der Vorweisung des Art. 418 b Abs. 1 OR auch für die Vermittlertätigkeit des Agenten.
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Hievon geht auch das Handelsgericht aus. Es verkennt also die Anforderungen nicht, die das Bundesrecht an den Zusammenhang zwischen der genannten Tätigkeit und dem Zustandekommen des Geschäftes stellt. Indem es erklärt, der Kläger habe nicht nur den Verkauf der ersten von der National Lock Co. erworbenen Maschine vermittelt, sondern seine Tätigkeit habe sich auch auf die Bestellung weiterer Maschinen bezogen und sie habe im Sinne der erwähnten Rechtsprechung zum Zustandekommen des Vertrages über diese Kaufsachen beigetragen, verstösst es daher nicht gegen Bundesrecht. Es trifft ausschliesslich eine Feststellung über tatsächliche Verhältnisse. Da sie nicht offensichtlich auf Versehen beruht und auch nicht unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen ist - die Beklagte selber behauptet weder das eine noch das andere -, ist das Bundesgericht an sie gebunden (Art. 63 Abs. 2 OG). Soweit die Beklagte mit der Einwendung, der Kläger habe sich um die ganze Angelegenheit nicht mehr gekümmert, den massgebenden Zusammenhang zwischen seinen Bemühungen und dem Abschluss des Geschäftes zu bestreiten wähnt, ist sie daher nicht zu hören. Wenn sie dagegen sagen will, er habe die Provision nicht verdient, weil er sich nicht bis zuletzt um den Abschluss bemüht habe, geht sie rechtlich fehl. Die Tätigkeit des Klägers brauchte nicht den letzten Anstoss zum Vertragsabschluss BGE 84 II, 542 (550)zu geben. Es genügt, dass sie ihn überhaupt hat herbeiführen helfen.
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Die Klage ist daher mit Recht gutgeheissen worden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Mai 1958 wird bestätigt.
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