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Informationen zum Dokument  BGE 143 I 60  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
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5. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_604/2016 vom 1. Februar 2017
 
 
Regeste
 
Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a IVG; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 143 I, 60 (61)A. Die 1975 geborene A. meldete sich im Juli 2003 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an unter Hinweis auf die Folgen eines am 26. Juli 2002 erlittenen Unfalls. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihr aufgrund eines ermittelten Invaliditätsgrades von 100 % für die Zeit von Juni bis September 2003 eine ganze Rente zu (Verfügung vom 12. März 2004). Auf die von der Versicherten gegen die Befristung erhobene Einsprache hin bejahte die Verwaltung in einer weiteren Verfügung vom 10. Februar 2005 auch für die Zeit ab Oktober 2003 den Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.
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Mit Wirkung ab 1. September 2008 setzte die IV-Stelle die bisherige ganze Rente aufgrund eines neu ermittelten Invaliditätsgrades von 59 % revisionsweise auf eine halbe herab (Verfügung vom 24. Juli 2008).
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Am 28. Juli 2009 teilte die IV-Stelle A. mit, ihr Rentenanspruch sei unverändert.
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Im September 2014 leitete die Verwaltung ein weiteres Revisionsverfahren ein. Nachdem A. am 16. November 2014 eine Tochter geboren hatte, klärte die IV-Stelle die Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Versicherten in Beruf und Haushalt ab. Vorbescheidsweise stellte die Verwaltung A. am 20. April 2015 aufgrund eines ermittelten Invaliditätsgrades von 5,4 % (Einschränkung von 0 % im zu 40 % gewichteten Erwerbsbereich [Teilinvaliditätsgrad: 0 %]; Einschränkung von 9 % im zu 60 % gewichteten Haushaltbereich [Teilinvaliditätsgrad: 5,4 %]) die Einstellung der Rente in Aussicht. Am 17. Juni 2015 lehnte sie den von der Versicherten erhobenen Einwand ab und verfügte die Aufhebung der Rente auf das Ende des der Zustellung folgenden Monats.
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B. Beschwerdeweise liess A. beantragen, die Verfügung vom 17. Juni 2015 sei aufzuheben und es sei ihr die bisherige InvalidenrenteBGE 143 I, 60 (62)unverändert weiter auszurichten. Das angerufene Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ermittelte einen Invaliditätsgrad von 43,7 % (Einschränkung von 52,4 % im zu 80 % gewichteten Erwerbsbereich [Teilinvaliditätsgrad: 41,9 %]; Einschränkung von 9 % im zu 20 % gewichteten Haushaltbereich [Teilinvaliditätsgrad: 1,8 %]). Dementsprechend hiess es die Beschwerde teilweise gut und änderte die angefochtene Verfügung dahingehend ab, dass es die bisherige halbe Rente auf eine Viertelsrente herabsetzte (Entscheid vom 7. Juli 2016).
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C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr die bisherige halbe Invalidenrente unverändert weiter auszurichten. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung).
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Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 3
 
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3.2 Nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid haben sich der Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin (0 % in der angestammten Tätigkeit als Detailhandelsangestellte; 50 % in einer angepassten Tätigkeit) im massgebenden Vergleichszeitraum (zwischen dem 24. Juli 2008 und dem 17. Juni 2015; vgl. BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114) nicht wesentlich verändert. Die von der Vorinstanz angeordnete Rentenherabsetzung ergibt sich allein daraus, dass die Versicherte für die Invaliditätsbemessung seit der Geburt ihrer Tochter nicht mehr als vollerwerbstätig, sondern als teilerwerbstätig mit Aufgabenbereich zu betrachten ist. Denn dieser als Revisionsgrund geltende Statuswechsel hat grundsätzlich zur Folge, dass ihre Invalidität nicht mehr anhand eines (auf Vollerwerbstätige anwendbaren und von der IV-Stelle demzufolge vor der Geburt des ersten Kindes der Beschwerdeführerin angewendeten) Einkommensvergleichs (wie er insbesondere der Verfügung vom 24. Juli 2008 zugrunde lag), sondern nach der gemischten Methode zu ermitteln ist. Daraus ergibt sich nach dem angefochtenen BGE 143 I, 60 (63)Entscheid ein Invaliditätsgrad von 43,7 % (Teilinvaliditätsgrade von 41,9 % aus dem zu 80 % gewichteten Erwerbsbereich und von 1,8 % aus dem zu 20 % gewichteten Haushaltbereich), welcher Anspruch auf die von der Vorinstanz zugesprochene Viertelsrente verleiht.
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3.3.1 Dem EGMR-Urteil vom 2. Februar 2016 lag der Fall einer Versicherten zugrunde, welche unter dem Status einer Vollerwerbstätigen eine Invalidenrente beanspruchen konnte, und diesen Anspruch allein aufgrund des Umstandes verlor, dass sie wegen der Geburt ihrer Kinder und der damit einhergehenden Reduktion des Erwerbspensums für die Invaliditätsbemessung neu als Teilerwerbstätige mit einem Aufgabenbereich qualifiziert wurde. Der EGMR betrachtete es als Verletzung von Art. 14 (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens), dass die sich aus dem Statuswechsel ergebende Änderung in den Grundlagen der Invaliditätsbemessung - anstelle des auf Vollerwerbstätige anwendbaren Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG) gelangte nun die gemischte Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG) zur Anwendung (vgl. auch nicht publ. E. 2.2 in fine hiervor) - zur Aufhebung der Invalidenrente führte und sich damit zu Ungunsten der Versicherten auswirkte.
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3.3.3 Wie im Sachverhalt, der dem Urteil des EGMR vom 2. Februar 2016 zugrunde lag, sprechen auch im Falle der Beschwerdeführerin allein familiäre Gründe (die Geburt eines Kindes und die damit einhergehende Reduktion des Erwerbspensums) für den erwähnten Statuswechsel und führt auch bei ihr die neu anstelle des BGE 143 I, 60 (64)Einkommensvergleichs angewendete gemischte Methode zu einem tieferen Invaliditätsgrad. Die beiden Fälle unterscheiden sich lediglich insofern, als es im bereits entschiedenen um eine revisionsweise Rentenaufhebung ging (neu ermittelter Invaliditätsgrad von weniger als 40 %) und hier - weil der neu ermittelte Invaliditätsgrad (43,7 % gemäss angefochtenem Entscheid) über der anspruchserheblichen Schwelle von 40 % (Art. 28 Abs. 2 IVG) liegt - eine revisionsweise Rentenherabsetzung in Frage steht. Dabei handelt es sich um einen rein quantitativen Unterschied. Das in BGE 143 I 50 zur revisionsweisen Rentenaufhebung bei allein familiär bedingtem Statuswechsel von "vollerwerbstätig" zu "teilerwerbstätig mit Aufgabenbereich" Gesagte verliert deswegen nicht seine Gültigkeit (vgl. in diesem Sinne wohl auch IV-Rundschreiben Nr. 355 des BSV vom 31. Oktober 2016).
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