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Informationen zum Dokument  BGE 131 I 66 - Eidgenössicher Untersuchungsrichter  Materielle Begründung
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Zitiert selbst:
BGE 131 I 36 - Luzernischer Amtsstatthalter
BGE 130 I 26 - Ärztestopp

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
4. Der Beschwerdeführer macht geltend, dem Eidgenössisc ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher  
 
10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft und Bundesstrafgericht (Beschwerde)
 
 
1S.4/2005 vom 3. Februar 2005
 
 
Regeste
 
Art. 31 Abs. 3 und Art. 191 BV; Art. 5 Ziff. 3 EMRK; Art. 47 Abs. 4 BstP; Haftbestätigung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 131 I, 66 (67)Am 12. Oktober 2004 eröffnete die Schweizerische Bundesanwaltschaft gerichtspolizeiliche Ermittlungen gegen X. und Mitbeteiligte wegen des Verdachtes von Vermögensdelikten.
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Am 25. November 2004 erfolgte zuletzt eine förmliche Verhaftung von X. durch die Bundesanwaltschaft. Am 26. November 2004 stellte die Bundesanwaltschaft beim Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt das Gesuch um Haftbestätigung bzw. förmliche Anordnung der Untersuchungshaft. Mit Verfügung vom 28. November 2004 bestätigte das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt die Haft wegen Kollusions- und Fluchtgefahr. Dagegen erhob X. am 30. November 2004 Beschwerde beim Bundesstrafgericht. Am 16. Dezember 2004 wies das Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, den Haftrekurs ab.
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Gegen den Entscheid der Beschwerdekammer vom 16. Dezember 2004 erhob X. am 12. Januar 2005 Beschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheides seine unverzügliche Haftentlassung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
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Aus den Erwägungen:
 
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BGE 131 I, 66 (68)4.1 Im angefochtenen Entscheid wird dazu Folgendes erwogen: "Die Mehrzahl der Art. 5 Ziff. 3 und 4 EMRK angepassten Gesetze" belasse "der Untersuchungsbehörde die Befugnis, die Haft zu verhängen", räume "aber dem Inhaftierten das Recht ein, den Haftbefehl durch einen Richter bzw. ein Gericht überprüfen zu lassen, so auch Art. 52 i.V.m. Art. 214 ff. BStP, welche sich auf Art. 31 Abs. 4 BV stützen". Auch "die Verschiebung eines Verhandlungstermins" könne "im Übrigen nicht als Indiz für den Mangel des Richters an den von der EMRK und der BV vorgeschriebenen Eigenschaften interpretiert werden".
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Auch der Auffassung der Bundesanwaltschaft, es könne auf die Beschwerde in diesem Punkt nicht eingetreten werden, da eine Befangenheit des haftanordnenden Eidg. UR "quasi auf Vorrat" beanstandet werde, kann nicht gefolgt werden. Wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgeht, ist die Frage, welche Funktionen die haftanordnende Behörde im Verlauf des Strafverfahrens ausübt, ex ante bzw. vorausschauend zu prüfen.
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4.3 Wie zuletzt in BGE 131 I 36 (Amtsstatthalteramt Luzern) dargelegt wurde, verlangt Art. 5 Ziff. 3 EMRK, dass jede in strafprozessualer Haft gehaltene Person unverzüglich einem Richter oder einer anderen, gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Justizperson vorgeführt werden muss ("doit être aussitôt traduite devant un juge ou un autre magistrat habilité par la loi à exercer des fonctions judiciaires"/"shall brought promptly before a judge or another officer authorised by law to exercise judicial power"). Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung muss es sich beim haftanordnenden Magistraten im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 EMRK um eine unparteiische Instanz handeln, die von der Exekutive und den Parteien unabhängig und bei der Ausübung ihres Amtes nicht weisungsgebunden ist. Sie muss in einem justiziellen Verfahren entscheiden, den Inhaftierten persönlich anhören, insbesondere die Angemessenheit der Haft prüfen und nötigenfalls die BGE 131 I, 66 (69)Haftentlassung anordnen können (BGE 131 I 36 E. 2.3; BGE 119 Ia 221 E. 7a S. 231; BGE 118 Ia 95 E. 3b S. 98; Urteil des EGMR vom 5. April 2001 i.S. H.B. gegen Schweiz, JAAC 65/2001 Nr. 120 S. 1292, Ziff. 55, je mit Hinweisen; vgl. auch JOCHEN A. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl u.a. 1996, N. 117 zu Art. 5 EMRK; ARTHUR HAEFLIGER/FRANK SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 112). Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist Art. 5 Ziff. 3 EMRK namentlich verletzt, wenn die haftanordnende Justizperson in gleicher Sache auch noch für die Anklageerhebung zuständig ist (BGE 131 I 36 E. 2.3 S. 40; BGE 124 I 274 E. 3c S. 279; BGE 119 Ia 221 E. 7c S. 234; BGE 118 Ia 95 E. 3c S. 98, E. 3d-e S. 99 f.; BGE 117 Ia 199 E. 4b-c S. 201 f., je mit Hinweisen).
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4.4 Das Bundesgericht hat im erwähnten BGE 131 I 36 (E. 2.5) ausdrücklich offen gelassen, ob der am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Art. 31 Abs. 3 BV einen unabhängigen Richter im engeren Sinne als haftanordnende Behörde voraussetze oder ob eine Justizperson im Sinne der bisherigen Praxis, insbesondere ein Untersuchungsrichter, diese Funktion grundsätzlich weiterhin erfüllen kann. In diesem Bundesgerichtsentscheid (der den luzernischen Amtsstatthalter betraf) stellte das Bundesgericht fest, dass im beurteilten Fall nicht einmal die Voraussetzungen der bisherigen Praxis zu Art. 5 Ziff. 3 EMRK erfüllt waren, da derselbe Untersuchungsrichter in der gleichen Strafsache die Untersuchung geführt, die Haft angeordnet, die Strafverfügung erlassen und die Überweisung mit förmlicher Anklagefunktion an das Strafgericht vorgenommen hatte.
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4.5.1 Gemäss dem Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege sind Parteien im Bundesstrafverfahren der Beschuldigte, der Bundesanwalt und der Geschädigte (Art. 34 BStP). Die Bundesanwaltschaft leitet zunächst die Ermittlungen der gerichtlichen Polizei (Art. 15 Satz 1 und Art. 104 Abs. 1 BStP). Vor Einleitung der Voruntersuchung ist in Fällen wie dem vorliegenden der Bundesanwalt zum Erlass eines Haftbefehls berechtigt (Art. 45 Ziff. 1 BStP). Der verhaftete Beschuldigte wird unverzüglich der Bundesanwaltschaft zugeführt und von dieser innert 24 Stunden zur Sache einvernommen (Art. 47 Abs. 1 BStP). Besteht nach wie vor ein Haftgrund, veranlasst der Bundesanwalt unverzüglich die Zuführung an einen BGE 131 I, 66 (70)Eidg. UR und stellt Antrag auf Bestätigung der Haft (Art. 47 Abs. 2 BStP). Vor dem Entscheid über den Haftbestätigungsantrag hört der Eidg. UR den Beschuldigten unverzüglich nach der Zuführung an; er gibt dem Beschuldigten Gelegenheit, den bestehenden Verdacht und die Haftgründe zu entkräften (Art. 47 Abs. 3 BStP). Der Eidg. UR entscheidet innert 48 Stunden seit der Zuführung über die Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft (Art. 47 Abs. 4 BStP). Gegen den Haftbestätigungsentscheid des Eidg. UR kann innert fünf Tagen beim Bundesstrafgericht Beschwerde geführt werden (Art. 217 BStP; vgl. auch FELIX BÄNZIGER/LUC LEIMGRUBER, Das neue Engagement des Bundes in der Strafverfolgung, Kurzkommentar zur "Effizienzvorlage", Bern 2001, S. 160 Rz. 198; GIUSEP NAY, in: Basler Kommentar StGB, Bd. II, Basel 2003, N. 30 ff., 34 zu Art. 340 StGB).
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4.5.2 Liegt zur Einleitung einer Voruntersuchung kein Grund vor, so stellt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen ein (Art. 106 Abs. 1 Satz 1 BStP). Die Voruntersuchung wird (auf Antrag der Bundesanwaltschaft) durch den Eidg. UR selbstständig verfügt und geführt (Art. 108 Abs. 1 Satz 1 und Art. 109 BStP). Die Eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen und Untersuchungsrichter werden durch das Bundesstrafgericht gewählt (Art. 15 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 2002 über das Bundesstrafgericht [SGG; SR 173.71]). Sie sind in ihrer richterlichen Tätigkeit unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen; in rechtlicher und administrativer Hinsicht unterstehen sie der Aufsicht des Bundesstrafgerichtes (Art. 28 Abs. 2 SGG; Art. 13 Abs. 2 des Reglementes für das Bundesstrafgericht vom 11. Februar 2004 [SR 173.710]; Art. 5 des Reglementes für die eidgenössischen Untersuchungsrichterinnen und Untersuchungsrichter vom 25. Mai 2004 [SR 173.713.1]). Der Eidg. UR stellt den Sachverhalt in der Voruntersuchung soweit fest, dass die Bundesanwaltschaft entscheiden kann, ob Anklage zu erheben oder die Untersuchung einzustellen ist; er sammelt die Beweismittel für die gerichtliche Hauptverhandlung (Art. 113 BStP).
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4.6.1 Im Fall Schiesser hatte der EGMR erwogen, dass Zürcher Bezirksanwälte die Voraussetzungen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK grundsätzlich erfüllen könnten, sofern eine personelle Trennung zwischen haftrichterlicher Funktion einerseits und Untersuchungs- bzw. Anklagefunktion anderseits gewährleistet wird (Urteil des EGMR vom 4. Dezember 1980 i.S. Schiesser gegen Schweiz, Série A, vol. 34, Ziff. 31 = EuGRZ 1980 S. 201). Im Fall J.H. hat der EGMR eine Verletzung der EMRK durch die Schweiz festgestellt, da der gleiche Zürcher Bezirksanwalt sowohl für die Haftanordnung als auch für die Anklageerhebung zuständig war (Urteil des EGMR vom 23. Oktober 1990 i.S. J.H. gegen Schweiz, Série A, vol. 188, Ziff. 42 f. = EuGRZ 1990 S. 502). Entscheidend für die Beurteilung, ob die haftanordnende Justizperson ausreichend unabhängig erscheint, ist der objektive Anschein im Zeitpunkt der Haftanordnung. Der Eindruck der Unvoreingenommenheit fällt grundsätzlich schon dahin, wenn aufgrund der Prozessordnung die Möglichkeit besteht, dass die haftanordnende Justizperson in der Folge Anklagefunktionen ausüben könnte (Urteil des EGMR vom 26. November 1992 i.S. Brincat gegen Italien, Série A, vol. 249-A = EuGRZ 1993 S. 389; Urteil des EGMR vom 5. April 2001 i.S. H.B. gegen Schweiz, JAAC 65/2001 Nr. 120 S. 1292, Ziff. 55, 57, 62 f.; Urteil des EGMR i.S. J.H. gegen Schweiz, a.a.O., Ziff. 40, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 131 I 36 E. 2.3; BGE 118 Ia 95 E. 3a S. 97; BGE 117 Ia 199 E. 4b S. 201).
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4.7 Im Falle des BStP stellt der nach Abschluss der Voruntersuchung gemäss Art. 119 Abs. 3 BStP zu erstellende Schlussbericht des Eidg. UR keine Überweisungsverfügung mit formeller Anklagefunktion dar (anders als etwa das "Überweisungserkanntnis" des Amtsstatthalters nach luzernischem Strafprozessrecht; vgl. dazu BGE 131 I 36 E. 2.2). Im Schlussbericht des Eidg. UR werden die Resultate der Voruntersuchung zusammengefasst, nämlich der untersuchte Sachverhalt und die ihm zugrunde liegenden Beweismittel. Der Schlussbericht soll dem Bundesanwalt die Prüfung ermöglichen, ob er Anklage erheben will oder nicht (vgl. Art. 113 BStP). Nach Einsichtnahme in den Schlussbericht, Würdigung der Beweisergebnisse und Prüfung der materiellen Rechtslage entscheidet die Bundesanwaltschaft selbstständig, ob ausreichende Verdachtsgründe vorliegen und ob sie Anklage erheben will (Art. 125 BStP). Tut sie das, reicht sie eine eigene förmliche Anklageschrift beim Bundesstrafgericht ein (Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4 BStP). Die Bundesanwaltschaft vertritt in der Folge die Anklage vor Gericht (Art. 15 Satz 2, Art. 16 Abs. 1 und Art. 167 Abs. 1 BStP). Sie stellt ihre Parteianträge nach freier Überzeugung und weisungsungebunden (Art. 14 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 4 Satz 1 BStP).
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Anders als die Bundesanwaltschaft tritt der Eidg. UR nicht als Ankläger und Partei des Bundesstrafverfahrens auf (Art. 34 BStP). Der Eidg. UR wird als unabhängige Justizperson durch das Bundesstrafgericht gewählt und beaufsichtigt. Er führt selbstständig die Voruntersuchung und fungiert unter anderem als haftbestätigende bzw. haftanordnende richterliche Behörde im Sinne von Art. 47 Abs. 4 BStP. Er nimmt weder Weisungen der Anklagebehörde BGE 131 I, 66 (73)entgegen, noch Anklagefunktionen wahr (vgl. dazu ausführlich oben, E. 4.5). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Haftbestätigung im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren erfolgte, bei dem der Eidg. UR nicht mit Untersuchungsaufgaben betraut ist. Der Eidg. UR hat den Beschwerdeführer sodann unbestrittenermassen persönlich angehört und innert zwei Tagen nach dessen Zuführung die Untersuchungshaft bestätigt. Damit wurden die grundrechtlichen Anforderungen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK und der betreffenden Rechtsprechung respektiert.
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Den Materialien lässt sich nicht entnehmen, dass Bundesrat und Parlament mit dem Wortlaut von Art. 31 Abs. 3 BV eine neue Rechtslage schaffen wollten, die von der bisherigen Praxis des EGMR und des Bundesgerichtes grundlegend abweicht (vgl. Botschaft BR, BBl 1997 I 1 ff., S. 185 f.; Entwurf Verfassungskommission NR, BBl 1998 I 364 ff.; StR, BBl 1998 I 439 ff.). Klar erscheint lediglich, dass für die "Richterin" oder den "Richter" nach Art. 31 Abs. 3 BV mindestens die Anforderungen der Praxis zu Art. 5 Ziff. 3 EMRK zu gelten haben (vgl. BBl 1997 I 185 f.). Damit besteht für das Bundesgericht kein sachlich begründeter Anlass, von der bisherigen bewährten Rechtsprechung abzuweichen. Der Sinn und Zweck von Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 31 Abs. 3 BV besteht darin, zu vermeiden, dass eine objektiv befangen erscheinende Justizperson strafprozessuale Haft anordnet. Ein solcher Anschein ist nach der dargelegten Praxis gegeben, wenn ein haftanordnender Untersuchungsrichter Weisungen von Seiten der Anklagebehörde zu befolgen hätte oder wenn er in der Folge in der gleichen Sache Anklagefunktionen ausüben könnte. Wie bereits dargelegt, ist dies beim Eidg. UR nicht der Fall.
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