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Informationen zum Dokument  BGE 92 I 100  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. In der Sache selbst rügt der Beschwerdeführer, die i ...
3. Als Rüge eines Verstosses gegen Art. 4 BV ist das Vorbrin ...
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18. Auszug aus dem Urteil vom 9. März 1966 i.S. Schmidli gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich und Obergericht des Kantons Zürich.
 
 
Regeste
 
Art. 31 und 4 BV; Taxigewerbe.  
2. Die polizeiliche Aufsicht über die Taxichauffeure, die weiter geht als die über andere Berufe, hält wegen der besonderen Gefahren des Gewerbes vor Art. 4 BV stand.  
 
Sachverhalt
 
BGE 92 I, 100 (101)A.- Der Gemeinderat der Stadt Zürich erliess am 18. November 1959 eine (am 6. September 1961 ergänzte) Taxiverordnung (TV). In Art. 27 - Randtitel "Meldepflicht" - wird bestimmt:
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"Der Betriebsinhaber hat der Gewerbepolizei den Eintritt und Austritt seiner Chauffeure schriftlich unter Angabe der genauen Personalien zu melden Erfolgt eine Entlassung auf Grund eines mit dieser Verordnung in Widerspruch stehenden Verhaltens, hat er dies ausdrücklich mitzuteilen."
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B.- Wilhelm Schmidli ist Inhaber eines Taxiunternehmens mit einer Betriebsbewilligung A. Diese berechtigt ihn, seine Fahrzeuge auf städtischen Standplätzen aufzustellen, um Taxifahrten anzubieten (Art. 1 Abs. 2 TV). Sc hmidli beschäftigte seit dem 1. Oktober 1962 Benjamin Meyer als Chauffeur. Er unterliess es aber, dessen Dienstaustritt im Juni oder Juli 1963 der Gewerbepolizei zu melden Desgleichen versäumte er die Anmeldung des Heinrich Oberholzer, der am 28. August 1963 als Taxichauffeur in seinen Dienst getreten war. Wegen dieser Versäumnisse wurde er vom Polizeirichter der Stadt Zürich am 28. Februar 1964 mit Fr. 5.- gebüsst.
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C.- Schmidli verlangte gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich bestätigte am 25. November 1964 die Busse. Er stützte sich dabei auf Art. 27 TV und auf Art. 52 der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Zürich (APV) vom 14. Oktober 1959. Nach Art. 52 APV BGE 92 I, 100 (102)werden Übertretungen städtischer Verordnungen mit Polizeibusse bis Fr. 50.- bestraft.
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Schmidli erhob gegen das Urteil des Einzelrichters kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Diese wurde vom Obergericht (I. Strafkammer) des Kantons Zürich am 23. September 1965 abgewiesen. Der Begründung ist zu entnehmen: Unbestrittenermassen habe Schmidli die Vorschriften des Art. 27 TV missachtet, weshalb er gebüsst worden sei. Entgegen seiner Meinung habe es im vorliegenden Fall trotz Verjährung der Strafverfolgung beim erstinstanzlichen Urteil sein Bewenden. Bei der Beurteilung der Frage, ob Art. 27 TV verfassungswidrig sei, sei davon auszugehen, dass das Taxigewerbe, auch wenn für dessen Ausübung eine Polizeierlaubnis erforderlich sei, ein freies Gewerbe darstelle; es geniesse daher den Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit des Art. 31 BV. Die Meldepflicht des Taxiunternehmers halte sich an die mit Art. 31 BV zu vereinbarenden gewerbepolizeilichen Beschränkungen; denn sie sei ein geringfügiger, notwendiger und nach Zweck und Mittel verhältnismässiger Eingriff. Deshalb dringe auch die Rüge, die Meldepflicht der Taxiunternehmer verletze Art. 4 BV, nicht durch.
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D.- Gegen das Urteil des Obergerichtes erhebt Schmidli staatsrechtliche Beschwerde. Er rügt Verletzungen der Art. 4 und 31 BV und verlangt die Aufhebung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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a) Taxiunternehmen sind Gewerbe im Sinne von Art. 31 BV und geniessen grundsätzlich den Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit. Diese Freiheit kann indessen den Beschränkungen unterworfen werden, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordert (BGE 84 I 110, BGE 87 I 447 /8). So wurde auch hinsichtlich des Taxigewerbes entschieden (BGE 79 I 338).
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Wegen der Gefahren, welche der Taxibetrieb für den Strassenverkehr, die Kunden und die Wagenlenker selbst mit sich bringt, stellt die Taxiverordnung der Stadt Zürich besondere Anforderungen bezüglich Fahrtüchtigkeit, Charakter und Ortskenntnis der Taxichauffeure. Die Meldepflicht der Taxiunternehmer, insbesondere hinsichtlich der Verstösse als Entlassungsgrund, BGE 92 I, 100 (103)dient der Kontrolle, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind; sie dient auch dazu, Fahndungen gegen nicht identifizierte Chauffeure zu beschleunigen. Die Ermittlungen werden erheblich erleichtert, wenn die Polizei ein auf den An- und Abmeldungen der Unternehmer fussendes eigenes Register führt. Fehlt ein solches oder ist es nicht nachgeführt, so erheischt die Fahndung mehr Zeit, da sie von der Mitarbeit der Arbeitgeber abhängig ist. Gerade bei Verbrechen mit motorisierten Tätern ist es aber wichtig, dass zwischen der Tat und der Erfassung des Beschuldigten möglichst wenig Zeit vergehe. Daher steht schon die Erleichterung oder Beschleunigung der Fahndung im öffentlichen Interesse und ist daher ein zulässiger polizeilicher Zweck. Das Erfordernis dieser Meldungen kann demzufolge nicht als Schikane bezeichnet werden; es trägt vielmehr zur Sicherheit der Fahrgäste sowie zur Wahrung von Treu und Glauben im Verkehr bei.
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b) Richtig ist, dass die Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit nicht über das hinausgehen dürfen, was erforderlich ist, um den Zweck zu erreichen, durch den sie gedeckt sind (BGE 88 I 67 Erw. 5). Zwar muss jeder Taxichauffeur, wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, einen besondern Ausweis sowie die Kontrollkarte über die Arbeits- und Ruhezeit besitzen und hat überdies eine Fahrtenkontrolle zu führen. Allein diese Ausweise befinden sich im Gewahrsam des Chauffeurs. Sie nützen der Polizei nichts bei der Suche nach einem noch nicht identifizierten Taxilenker. Das gestützt auf die Auskünfte der Unternehmer erstellte Verzeichnis liefert der Polizei dagegen Unterlagen, deren sie sich sogleich bedienen kann. Durch den Hinweis auf Entlassungen wegen Verstössen wird der Gewerbepolizei ermöglicht, Fahrer vom Beruf des Taxilenkers auszuscheiden, die den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr genügen und die das mit ihrer Stellung verbundene Vertrauen eingebüsst haben. Die An- und Abmeldung der angestellten Chauffeure bewirkt ihrerseits keine starke Belastung der Betriebsinhaber; eine andere, noch weniger einschneidende Massnahme ist nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit durch die Auflage nicht verletzt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hält sich die Meldepflicht der Taxiunternehmer somit im Rahmen der gewerbepolizeilichen Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit, die mit Art. 31 BV vereinbar sind.
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BGE 92 I, 100 (104)3. Als Rüge eines Verstosses gegen Art. 4 BV ist das Vorbringen zu verstehen, dass keinem andern Gewerbe eine entsprechende Pflicht zur Meldung von Personaländerungen auferlegt sei. Zum Vergleich erwähnt der Beschwerdeführer das Baugewerbe mit Einschluss der Sanitärinstallateure und Elektriker, das Gastwirtschafts- und Autotransportgewerbe.
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Wenn diese Meldepflicht nur für die Taxiführer und nicht auch für Elektriker, Installateure und die Angestellten des Gastwirtschaftsgewerbes aufgestellt ist, so rechtfertigt sich das einerseits durch die besonderen Gefahren im Taxigewerbe und anderseits dadurch, dass die Taxichauffeure auf der Fahrt jeder Aufsicht ihrer Arbeitgeber entzogen sind. Auch aus dem Vergleich mit dem Autotransportgewerbe kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Da der Fahrgast sich oft dem Taxi allein anvertraut, liefert er seine Person viel stärker der Gewalt des Chauffeurs aus als der Benützer eines mehr oder weniger besetzten Autocars und er ist auch viel mehr an den Wagenlenker gebunden als der Güterspediteur. Diese Unterschiede im Tatbestand vermögen die nachhaltigere Aufsicht zu rechtfertigen, jedenfalls soweit, dass nicht erklärt werden kann, die in Art. 27 TV enthaltene Meldepflicht sei willkürlich, sachlich unhaltbar und verletze Art. 4 BV.
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