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Informationen zum Dokument  BGE 91 I 55  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 107 lit. a LandwG und Art. 38 Abs. 2 MB ist die Verw ...
2. Die Beschwerdeführerin will ihre als M-Drink bezeichnete  ...
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11. Urteil vom 29. Januar 1965 i.S. Genossenschaft Migros Bern gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartment.
 
 
Regeste
 
Milchstatut: Bewilligungspflicht für den Vertrieb von Konsummilch.  
2. Der Verkauf pasteurisierter Magermilch im Laden bedarf der Bewilligung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 91 I, 55 (55)A.- Die Genossenschaft Migros Bern verkauft in ihren Geschäften eine als M-Drink bezeichnete pasteurisierte bezw. uperisierte Magermilch mit einem auf 2,8% herabgesetzten Fettgehalt.
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Mit Entscheid vom 13. November 1964 stellte das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) fest, dass der Verkauf des von der Genossenschaft in Verkehr gebrachten M-Drinks der Bewilligungspflicht gemäss Art. 21 des Milchbeschlusses der Bundesversammlung (des Milchstatutes) vom 29. September 1953 (MB) unterstehe. Es verpflichtete die Genossenschaft, den Verkauf dieses Produktes in denjenigen Filialen einzustellen, für welche keine Bewilligung zum Verkauf pasteurisierter Milch erteilt ist.
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B.- Die Genossenschaft erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben und BGE 91 I, 55 (56)festzustellen, dass der Verkauf des M-Drinks der Bewilligungspflicht gemäss Art. 21 MB nicht unterstehe.
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Sie macht geltend, der M-Drink sei Magermilch im Sinne des Art. 74 der Lebensmittelverordnung (LMV) und dürfe daher im Verkehr nicht als Milch im Sinne des Art. 39 ebenda bezeichnet werden. In Art. 27 des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 (LandwG) werde an die Begriffsumschreibungen der Lebensmittelverordnung angeknüpft. Magermilch falle weder unter dieses Gesetz noch unter den auf ihm beruhenden Milchbeschluss. Dass dies gewollt sei, ergebe sich auch aus dem BRB vom 10. November 1964 betreffend Änderung der Lebensmittelverordnung, welcher zwischen der pasteurisierten Milch und der pasteurisierten Magermilch unterscheide. Magermilch sei nicht Konsummilch im Sinne des Art. 27 LandwG und des Art. 21 MB, d.h. nicht das Ergebnis des vollen Gemelkes (Vollmilch). Bezeichnenderweise seien auch alle Milchmischgetränke dem Milchbeschluss nicht unterstellt. Der angefochtene Entscheid verletze Art. 27 LandwG und Art. 21 MB.
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C.- Das EVD beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Die Frage der Bewilligungspflicht kann sich als Vorfrage für den Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung einer Bewilligung, aber auch unabhängig hievon stellen. Im ersten Falle ist klar, dass die zum Entscheid über die Bewilligung zuständige Behörde auch über die Vorfrage zu befinden hat. Aber auch wenn die Frage der Bewilligungspflicht selbständig zu entscheiden ist, kommt dafür eine andere Zuständigkeit nicht in Betracht und müssen auch die gleichen Rechtsmittel gegeben BGE 91 I, 55 (57)sein. So hat das Bundesgericht bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 des Uhrenstatuts vom 22. Juni 1951 in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass das EVD, welches für die Erteilung der dort genannten Bewilligungen zuständig war, auch über die Frage der Bewilligungspflicht zu entscheiden habe, sei es vorfrageweise oder selbständig, und dass auch gegen diese Entscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offenstehe (BGE 85 I 188,BGE 79 I 105).
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Dasselbe muss auch für den Streit über die Bewilligungspflicht nach Art. 21 MB gelten. Danach ist hier die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig und infolgedessen gemäss Art. 126 lit. a OG die - von der Beschwerdeführerin ebenfalls erhobene - Beschwerde an den Bundesrat ausgeschlossen. Das Bundesgericht hat daher dem Bundesrat mitgeteilt, dass es die Beurteilung übernimmt.
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a) Der Milchbeschluss knüpft nirgends ausdrücklich an Definitionen der Lebensmittelverordnung an. Er präzisiert in Art. 1 Abs. 1, dass er unter Milch nur Kuhmilch versteht. Die in den Verkehr gebrachte Kuhmilch, die er Verkehrsmilch nennt, teilt er ein in Konsummilch und Verarbeitungsmilch (Art. 1 Abs. 2, Art. 5 usw.). Art. 21 MB unterstellt der Bewilligungspflicht den Verkauf von "Konsummilch jeder Art". Es ist offensichtlich, dass mit dieser Umschreibung nicht nur Vollmilch im Sinne des Art. 39 Abs. 1 LMV - "Kuhmilch mit unverändertem Gehalt, wie sie von richtig genährten Kühen durch regelmässiges, ununterbrochenes und vollständiges Ausmelken gewonnen wird" - gemeint sein kann; denn sonst wären die Worte "jeder Art" sinnlos. Der Wortlaut des Art. 21 MB erhält dagegen einen guten Sinn, wenn angenommen wird, dass darunter alle Kuhmilch fällt, die zum Konsum verkauft, d.h. nicht zu Milchprodukten verarbeitet wird. Danach ist nicht der Fettgehalt der Milch massgebend, sondern die Art ihrer Verwendung: Wird Milch dem Konsum zugeführt, so ist BGE 91 I, 55 (58)sie Konsummilch im Sinne des Art. 21 MB, gleichgültig, ob sie nach dem Fettgehalt unter Art. 39 Abs. 1 LMV (Vollmilch) oder unter Art. 74 daselbst (Magermilch) fällt.
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus Art. 27 LandwG nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gelten als Milch und Milchprodukte im Sinne der vorstehenden Bestimmungen (des Art. 26, welcher Massnahmen im Bereich der Milchwirtschaft vorsieht) "Konsummilch, Konsumrahm, Milch für die Butter- und Käsefabrikation, Butter, Käse, Trocken- und Kondensmilch". Hier wird also, wie im Milchbeschluss, nicht an die Definitionen des Art. 39 Abs. 1 und des Art. 74 LMV angeknüpft. Wie der Milchbeschluss, so unterscheidet auch Art. 27 LandwG zwischen Konsum- und Verarbeitungsmilch. Hier wie dort wird demnach auf die Verwendung der Milch und nicht auf deren Fettgehalt abgestellt. Der Wortlaut des Art. 21 MB ("Konsummilch jeder Art") steht im Einklang mit demjenigen des Art. 27 LandwG.
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Die Fassung dieser beiden Bestimmungen spricht mithin eindeutig gegen die Meinung der Beschwerdeführerin, dass Konsummilch im Sinne des Art. 21 MB identisch mit Vollmilch im Sinne des Art. 39 Abs. 1 LMV sei.
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b) Die von der Beschwerdeführerin angefochtene Auslegung des Art. 21 MB wird auch gestützt durch Überlegungen, welche die Ziele der Lebensmittelverordnung und des Milchstatutes einander gegenüberstellen.
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Die Lebensmittelverordnung ist polizeilicher Natur. Ihre Aufgabe ist der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichen Produkten und vor Täuschung im Verkehr mit Produkten. Ihre Bestimmungen, insbesondere auch in den Abschnitten über die Milch und die Milchprodukte, haben diesen Zwecken zu dienen und sind dementsprechend gefasst. So wird vorgeschrieben, dass bestimmte Manipulationen mit der Milch, die zwar nicht gesundheitsschädlich sind und daher nicht untersagt werden, doch in der Bezeichnung des Produktes zum Ausdruck kommen müssen, weil sonst der Verbraucher über den Wert der Ware getäuscht werden könnte. Entrahmte Milch - und als solche gilt jede, deren natürlicher Fettgehalt vermindert worden ist - muss als Magermilch bezeichnet werden. Geschieht dies, so ist auch diese Milch vom Gesichtspunkte der Lebensmittelpolizei aus unbedenklich und darf dem Konsum zugeführt werden (Art. 74 LMV).
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BGE 91 I, 55 (59)Dagegen ist das Milchstatut im wesentlichen nicht polizeilicher, sondern wirtschaftspolitischer Natur. Das ergibt sich schon aus seiner Grundlage in Art. 26 LandwG, der die Bundesversammlung ermächtigt, "zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten und zur Förderung des Absatzes von Milch zu Preisen, die nach den Grundsätzen dieses Gesetzes angemessen sind", u.a. Anordnungen "über Erzeugung, Qualität, Ablieferung und Verwertung von Milch und Milchprodukten" zu treffen und Vorschriften "über die zweckmässige und kostensparende Sammlung und Verteilung der Konsummilch" zu erlassen, "insbesondere auch durch Verhinderung einer übersetzten Zahl von Milchgeschäften". Der Art. 21 MB selbst wird mit einem entsprechenden Hinweis auf den Zweck der Regelung eingeleitet: "Im Interesse einer zweckmässigen und kostensparenden Versorgung der Verbraucher..."
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Hat somit das in Art. 21 MB für Milchverkaufsstellen aufgestellte Erfordernis der Bewilligung völlig anderen Zwecken zu dienen als die Lebensmittelverordnung, so sind die Unterscheidungen, welche diese macht, für die Regelung jener Bewilligungspflicht nicht ohne weiteres tauglich. Um eine wirksame Marktordnung für die Milch zu erreichen, d.h. eine Regelung, die dem Produzenten einen genügenden Ertrag seiner Arbeit sichert und durch Tiefhaltung der Zwischenhandelsmarge doch noch einen tragbaren Konsumpreis zu erzielen erlaubt, will der Milchbeschluss den Verteilungsapparat nach Möglichkeit konzentrieren. In diesem Zusammenhang steht die Bewilligungspflicht für Milchverkaufsstellen. Dass es dabei nicht auf die Art der vertriebenen Milch ankommen kann, sondern nur auf den Verwendungszweck, d.h. darauf, dass möglichst der ganze Konsummilchvertrieb erfasst wird, ergibt sich aus dem Ziel der Bewirtschaftung. Die Wirksamkeit der staatlichen Intervention auf Grund des Milchstatutes wäre von vornherein in Frage gestellt, wenn es möglich wäre, durch jede auch geringfügige Herabsetzung des Fettgehalts der Milch die Anwendung des Statutes auszuschliessen. Dass ein solches Vorgehen nicht ausserhalb jeder Möglichkeit liegt, ergibt sich, abgesehen vom Beispiel des M-Drinks, aus der Tatsache, dass in manchen Staaten für den Konsum einzig eine Milch mit herabgesetztem, standardisiertem Fettgehalt, also "Magermilch" nach der Begriffsumschreibung unserer Lebensmittelverordnung, BGE 91 I, 55 (60)vertrieben wird. Der Zweck des Milchbeschlusses verbot es daher von vornherein, an die Definitionen der verschiedenen Milcharten anzuknüpfen, wie sie zu ganz anderen Zwecken in der Lebensmittelverordnung enthalten sind. Vielmehr waren im Milchbeschluss selbständige, seinen Zielen angepasste Bezeichmungen zu wählen.
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c) Diese Situation war dem Bundesrat nicht unbekannt, als er der Bundesversammlung den Entwurf des Milchstatutes unterbreitete. In der Botschaft (BBl 1953 I S. 422) wies er darauf hin, dass "in vielen Staaten die Pasteurisierung und der Flaschenmilchvertrieb mit einer teilweisen Entrahmung der Milch verbunden wird, um mit dem so gewonnenen Butterfett einen wesentlichen Teil der zusätzlichen Kosten decken zu können". Er fügte bei: "Für schweizerische Verhältnisse käme dieses Verfahren in allgemeiner Form nicht in Betracht, da unsere Bevölkerung ein grosses Misstrauen gegen auch nur teilweise entrahmte Milch hat und wir auch kein Interesse daran haben, noch eine neue zusätzliche Quelle für die Vermehrung der Butterproduktion zu schaffen." Damit hat aber der Bundesrat die Anwendung des Milchstatutes auf die teilweise entrahmte pasteurisierte Milch keineswegs abgelehnt. Er hat bloss deren Vertrieb als wirtschaftlich wenig aussichtsreich und inopportun bezeichnet. Er kann keinen Anlass gehabt haben, damit die Absicht zu verbinden, den Vertrieb einer Milch, der in der damaligen Sicht als unerwünscht erschien, von den Einschränkungen des Milchstatutes zu befreien, also zu privilegieren. Gerade weil der Bundesrat die Möglichkeit einer Umstellung des Milchvertriebes, insbesondere auf den Verkauf pasteurisierter Milch, durchaus kannte, bestand für ihn ein guter Grund, durch Verwendung der Worte "Konsummilch jeder Art" die Wirksamkeit der wirtschaftspolitischen Massnahmen des Milchstatutes auch in dieser Richtung sicherzustellen. Dabei kam es nicht auf die Qualität der Milch, sondern einzig darauf an, dass diese für den Konsum bestimmt ist.
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Übrigens ist ohne Bedeutung, ob beim Erlass des Milchstatutes vorausgesehen wurde, dass einmal pasteurisierte Magermilch auf den Markt gebracht werden könnte. Ein Gesetz gilt nicht bloss für jene Fälle, an welche die an der Gesetzgebung beteiligten Personen gedacht haben, sondern für alle, auf welche sein Wortlaut und Sinn zutrifft. Dies ist hinsichtlich der Unterstellung des Verkaufs pasteurisierter Magermilch unter die in BGE 91 I, 55 (61)Art. 21 MB vorgesehene Bewilligungspflicht zweifellos der Fall.
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d) Unerheblich ist, dass das Milchlieferungsregulativ vom 29. Dezember 1954, das gemäss Art. 3 MB von der Schweizerischen Milchkommission im Einvernehmen mit dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und dem Schweizerischen Milchkäuferverband erlassen und vom Bundesrat genehmigt wurde, in Art. 48 Abs. 1 Qualitätsanforderungen aufstellt, die mit denjenigen des Art. 39 Abs. 1 LMV identisch sind. Dieses Regulativ nimmt eine Mittelstellung zwischen der Gesetzgebung über die Lebensmittelpolizei und der wirtschaftspolitischen Ordnung des Milchstatutes ein. Es richtet sich vor allem an die Produzenten und Verwerter der Milch. Dass unabhängig von der Art des Verkaufs der Milch an den Konsumenten der Produzent in jedem Falle Vollmilch nach den Vorschriften des Art. 39 Abs. 1 LMV in Verkehr zu bringen hat, ist selbstverständlich. Erst in einer späteren Phase kann die Vollmilch in Magermilch umgewandelt werden. Soweit das Regulativ Qualitätsanforderungen aufstellt, musste es naturgemäss von den Vorschriften der Lebensmittelverordnung ausgehen. Es kann für die Auslegung des Milchstatutes, das von der Bundesversammlung erlassen ist, keine Anhaltspunkte bieten.
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e) Schliesslich hilft der Beschwerdeführerin auch der Einwand nicht, dass das Milchstatut die sogenannten Milchmischgetränke nicht erfasse. Es kann offen bleiben, ob das Statut nicht erlauben würde, auch solche Getränke der Marktordnung zu unterstellen. Offenbar sind sie durch die Praxis freigegeben worden, weil ihre wirtschaftliche Bedeutung gering ist und sie wegen ihrer Andersartigkeit auch die Milch nicht konkurrenzieren. Mit dem M-Drink verhält es sich anders. Er unterscheidet sich kaum von der Vollmilch, und es ist zu erwarten, dass er wie die übrige pasteurisierte Milch vorzugsweise nicht zusätzlich zu offen ausgemessener Milch, sondern an deren Stelle konsumiert werden wird.
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Die Unterstellung des Verkaufs des M-Drinks unter die Bewilligungspflicht verstösst somit nicht gegen das Bundesrecht.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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