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Informationen zum Dokument  BGE 120 Ib 120  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. a) Auslieferungsfragen sind in erster Linie aufgrund der massg ...
3. a) Dass das vorliegende Auslieferungsersuchen den massgebenden ...
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17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Januar 1994 i.S. B. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Auslieferung an die Republik Slowenien.  
Das landesinterne Recht darf die Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsvoraussetzungen gegenüber vorrangigem Vertragsrecht nicht erschweren, wohl aber erleichtern (E. 1a).  
Da beidseitige Strafbarkeit jedenfalls nach Art. 35 IRSG zu bejahen ist, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten auch von Art. I des Vertrages erfasst werden (E. 3b).  
Die vom Verfolgten geltend gemachten familiären und beruflichen Gründe stehen der verlangten Auslieferung nicht entgegen, ebensowenig der von ihm angerufene Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3c und d).  
 
Sachverhalt
 
BGE 120 Ib, 120 (121)Gestützt auf den zwischen der Schweiz und Serbien am 28. November 1887 abgeschlossenen Auslieferungsvertrag verlangte das Generalkonsulat der Republik Slowenien in Genf mit Note vom 28. Mai 1993 die Auslieferung des slowenischen Staatsangehörigen B. zur Vollstreckung der Strafe gemäss Urteil des Gerichts von Celje vom 18. April bzw. 9. Juli 1990, die zunächst auf ein Jahr und einen Monat festgesetzt und hernach - gestützt auf einen Amnestiebeschluss - um drei Monate und sieben Tage reduziert wurde. Laut den Angaben im Ersuchen ist dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen. B. wird zur Last gelegt, dass er nach Alkoholgenuss (mit einem Blutalkoholgehalt von 1,52 Gew.%o) und infolge überhöhter Geschwindigkeit bei nasser Fahrbahn mit seinem Auto einen Verkehrsunfall verursachte, dass dabei eine Person tödlich und zwei Personen schwer verletzt wurden und dass er den Unfallort vorschriftswidrig verliess. Deswegen wurde er in Anwendung von Art. 255 Abs. 4 (schwere strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs) in Verbindung mit Art. 251 Abs. 1 und 3 (Gefährdung des öffentlichen Verkehrs, fahrlässig begangen) und in Anwendung von Art. 254 Abs. 1 des slowenischen Strafgesetzbuches (Verlassen eines hilflosen Verletzten nach Verkehrsunfall) zur genannten Strafe verurteilt. - Dem Ersuchen sind die in Art. IV des Vertrages verlangten Dokumente beigelegt worden. Sodann hat der Justizminister der Republik Slowenien zugesichert, den in Art. IX des Abkommens vorgesehenen Grundsatz der Spezialität einzuhalten.
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Am 27. August 1993 wurde der Verfolgte zum Auslieferungsbegehren angehört. Er erklärte, mit der Auslieferung nicht einverstanden zu sein, bestritt dabei aber die ihm zur Last gelegten Tathandlungen nicht.
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BGE 120 Ib, 120 (122)Mit Eingabe vom 27. August 1993 hat ebenfalls der Anwalt des Verfolgten beantragt, von einer Auslieferung sei abzusehen. Dabei ging er - wie der ersuchende Staat und auch das BAP gemäss dessen Schreiben vom 21. Juni 1993 an die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau - von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Auslieferungsübereinkommens aus, doch machte er geltend, der Verfolgte sei lediglich wegen fahrlässiger Tatbegehung und nicht wegen eines Vorsatzdeliktes verurteilt worden; das Auslieferungsübereinkommen zähle indes in Art. I nur Vorsatzdelikte auf, weshalb die Auslieferung zu verweigern sei.
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Mit Entscheid vom 24. September 1993 bewilligte das BAP die Auslieferung zur Vollstreckung der genannten Strafe. Dabei erwog es, dass das Ersuchen den formellen Voraussetzungen entspreche und die diesem zugrundeliegende Straftat auch nach schweizerischem Recht strafbar sei und als Delikt gelte, für das nach Art. 35 IRSG die Auslieferung zulässig sei. Entsprechend könne offenbleiben, ob das dem Verfolgten angelastete Verhalten überhaupt unter Art. I Ziff. 12 des Vertrages ("Bedrohung von Personen ...") subsumiert werden könnte.
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B. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Entscheid vom 24. September 1993 sei aufzuheben.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen:
 
1. a) Auslieferungsfragen sind in erster Linie aufgrund der massgebenden Staatsverträge zu entscheiden. Im vorliegenden Fall stützt sich das Auslieferungsersuchen der Republik Slowenien auf den zwischen der Schweiz und Serbien am 28. November 1887 abgeschlossenen Auslieferungsvertrag (SR 0.353.981.8). Auch das BAP und der Beschwerdeführer gehen von der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieses Abkommens aus, wobei das BAP im angefochtenen Entscheid offengelassen hat, ob sich die Gegenstand des Ersuchens bildenden Delikte unter Art. I Ziff. 12 des Übereinkommens subsumieren lassen (während es dies in der im bundesgerichtlichen Verfahren erstatteten Vernehmlassung bejaht), da es die Auslieferungsfähigkeit ohnehin im Lichte der Voraussetzungen von Art. 35 IRSG als erfüllt erachtet hat. Soweit eine staatsvertragliche Regelung fehlt oder soweit sie die Voraussetzungen und Bedingungen der Auslieferung nicht abschliessend BGE 120 Ib, 120 (123)ordnet, gelangen die Vorschriften des internen schweizerischen Rechtes zur Anwendung (BGE 116 Ib 89 E. 1a S. 91), also diejenigen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1; s. Art. 1 Abs. 1 IRSG) und der diesbezüglichen Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11). Dabei darf das landesinterne Recht die Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsvoraussetzungen gegenüber vorrangigem Vertragsrecht nicht erschweren, wohl aber erleichtern (s. BGE 117 Ib 53 E. 3 S. 62 mit Hinweisen), d.h. es ist - wenn eine anderslautende vertragliche Abmachung fehlt - nicht ausgeschlossen, einem Vertragsstaat über ein im Verhältnis zu diesem Staat geltendes Abkommen hinausgehend die nach dem IRSG mögliche Rechtshilfe zu gewähren, sei es mit oder ohne Gegenrechtserklärung nach Art. 8 IRSG (s. BGE 109 Ib 165 ff. und dazu HANS SCHULTZ, ZBJV 121/1985 S. 58; HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 134 ff.; CURT MARKEES, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SJK 421, S. 33; vgl. auch BGE 106 Ib 341 ff. und dazu JEAN-FRANÇOIS EGLI, Votum zuhanden des Schweizerischen Juristenvereins, ZSR 1981 II S. 576).
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b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat angenommen, dass der schweizerisch-serbische Auslieferungsvertrag auf die Föderative Volksrepublik Jugoslawien überging, die an die Stelle des ursprünglichen Unterzeichnerstaates trat (BGE 111 Ib 52 ff.). Inzwischen ist auch das frühere Jugoslawien in Auflösung begriffen; einzelne Landesteile haben sich verselbständigt und sind seither als unabhängige Staaten anerkannt worden. Dies trifft namentlich für den im vorliegenden Fall ersuchenden Staat, Slowenien, zu; dieses Land ist im Januar 1992 insbesondere auch von der Schweiz als unabhängiger Staat anerkannt worden und unterhält seither Beziehungen mit der Schweiz (s. etwa Notenaustausch vom 3./5. August 1992 zwischen der Schweiz und Slowenien über die gegenseitige Aufhebung der Visumpflicht, in Kraft getreten am 4. September 1992, AS 1992 S. 2006 ff., SR 0.142.116.912). Gemäss den Ausführungen im Ersuchen ist das erwähnte Abkommen nach Art. 3 des Grundgesetzes über die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit der Republik Slowenien auf dieses Land übergegangen, das sich nunmehr darauf bezogen, als einer von mehreren Nachfolgestaaten der bisherigen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, zum Vertragspartner der Schweiz erklärt hat. Nachdem auch das BAP als für den Auslieferungsverkehr zuständige schweizerische Vollzugsbehörde und - wie erwähnt - ebenfalls der Beschwerdeführer die grundsätzliche Anwendbarkeit BGE 120 Ib, 120 (124)des Abkommens anerkannt haben, besteht kein Anlass, hieran zu zweifeln. Die Frage braucht aber letztlich auch deshalb nicht weiter erörtert zu werden, weil - wie nachfolgend (E. 3) aufzuzeigen ist und denn auch das BAP zutreffend festgestellt hat - unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des Staatsvertrages und der vom Beschwerdeführer bestrittenen Subsumtionsfähigkeit der Gegenstand des Ersuchens bildenden Tathandlungen unter Art. I des Abkommens jedenfalls schon gemäss IRSG die Auslieferungsvoraussetzungen zu bejahen sind. Zudem steht im vorliegenden Fall nichts entgegen, über die vertraglichen Bestimmungen hinausgehendes internes Recht zu Gunsten des ersuchenden Staates gelten zu lassen (oben lit. a, mit Hinweisen).
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Ein allgemeiner Verweigerungsgrund (sei es nach Art. VI des Vertrages bzw. nach Art. 2 ff. oder 53 IRSG) liegt nicht vor.
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b) aa) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nur wegen fahrlässiger Tatbegehung und nicht wegen eines Vorsatzdeliktes verurteilt worden; das Übereinkommen zähle indes in Art. I nur Vorsatzdelikte auf, weshalb die Auslieferung im Lichte des Vertragsrechtes nicht zu bewilligen sei. Zudem seien auch die Auslieferungsvoraussetzungen des IRSG nicht erfüllt.
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Das BAP hält dafür, das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten gelte jedenfalls als Delikt, für das nach Art. 35 IRSG die Auslieferung zulässig sei. Entsprechend könne offenbleiben, ob dieses Verhalten überhaupt unter Art. I Ziff. 12 des Vertrages ("Bedrohung von Personen ...") subsumiert werden könnte.
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bb) Zutreffend ist, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Verkehrsunfalls wegen fahrlässiger Begehung verurteilt worden ist (Art. 255 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 251 Abs. 1 und 3 des slowenischen Strafgesetzbuches), wogegen in bezug auf den Vorwurf des Verlassens hilfloser Verletzten nach Verkehrsunfall (Art. 254 Abs. 1 des slowenischen Strafgesetzbuches) selbst nach der rechtsgültigen Darstellung im Ersuchen ohne weiteres von vorsätzlicher Tatbegehung auszugehen ist. Anderseits trifft auch zu, dass die Deliktsliste im Übereinkommen praktisch ausschliesslich Vorsatzdelikte enthält (s. Art. I); wird das Auslieferungsdelikt so bezeichnet, dass es vorsätzlich oder fahrlässig begangen BGE 120 Ib, 120 (125)werden kann, ist regelmässig, ohne ausdrückliche anderslautende Regelung, nur die vorsätzliche Begehung als Auslieferungsdelikt gemeint (SCHULTZ, a.a.O. [Auslieferungsrecht], S. 266).
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Im weiteren ist festzustellen, dass das BAP zu Recht davon ausgegangen ist, dass - anders als der Beschwerdeführer anzunehmen scheint - nicht in erster Linie anhand der im ersuchenden Staat angewandten Strafbestimmungen, sondern anhand der dem Verfolgten zur Last gelegten Tathandlungen zu beurteilen ist, ob das (sowohl vertraglich als auch gesetzlich vorgesehene) Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist (s. MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 422 S. 32). Entsprechend ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers unerheblich, dass dem Abkommen Strassenverkehrsdelikte, wie sie hier in Frage stehen, noch nicht bekannt waren; denn massgebend zur Beurteilung eines Ersuchens ist nicht das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern das im Zeitpunkt des Ersuchens geltende Strafrecht (s. SCHULTZ, [Auslieferungsrecht], S. 135).
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Verhält es sich so, so kann man sich in der Tat fragen, ob das dem Beschwerdeführer im Lichte des erwähnten Art. 254 Abs. 1 des slowenischen Strafgesetzbuches angelastete Verhalten als Bedrohung der Gesundheit der durch den Verkehrsunfall betroffenen Personen und damit als Bedrohung dieser Personen selber aufzufassen ist, wovon das BAP ausgeht. Die bundesrätliche Botschaft (BBl 1888 I S. 33 ff.) äussert sich allerdings nicht zu diesem Tatbestand, während aus der Literatur hervorgeht, dass damit das in andern Staatsverträgen und im früheren Auslieferungsgesetz enthaltene Auslieferungsdelikt der "Androhung gewaltsamer Handlungen gegen die Person oder gegen das Eigentum" gemeint sein dürfte (s. SCHULTZ, a.a.O. [Auslieferungsrecht], S. 301). SCHULTZ weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nur die Androhung besonders schwerer Angriffe gegen eine Person, so Tötungsverbrechen, einfache und schwere Körperverletzung, Brandstiftung, Raub, Einbruchdiebstahl, Sachbeschädigung, Auslieferungsdelikt sein soll (a.a.O., S. 301 f.). Ob dies in bezug auf den vorliegenden Fall zutrifft, in dem der Beschwerdeführer den durch den Verkehrsunfall betroffenen Personen zwar nicht vorsätzlich unmittelbare Nachteile angedroht, sie aber durch die (laut Ersuchen vorsätzlich begangene) Führerflucht einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt hat, kann indes letztlich offenbleiben, da nichts entgegensteht, mit dem BAP im Sinne des angefochtenen Entscheides jedenfalls beidseitige Strafbarkeit gemäss Art. 35 Abs. 1 IRSG zu bejahen (nachf. lit. cc).
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BGE 120 Ib, 120 (126)cc) Nach Art. 35 Abs. 1 IRSG ist die Auslieferung zulässig, wenn nach den Unterlagen des Ersuchens die Tat (a) nach dem Recht sowohl der Schweiz als auch des ersuchenden Staates mit einer freiheitsbeschränkenden Sanktion im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Sanktion bedroht ist und (b) nicht der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterliegt. Bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht werden dessen besondere Schuldformen und Strafbarkeitsbedingungen nicht berücksichtigt (Art. 35 Abs. 2 IRSG).
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Die Gegenstand des Auslieferungsbegehrens bildenden Straftaten erfüllen diese Voraussetzungen ohne weiteres. Sie wurden zwar schon im Jahre 1986 begangen, also noch vor der Unabhängigkeit des ersuchenden Staates. Dabei ist aber nach dem Begehren und dem ihm zugrundeliegenden - ebenfalls noch vor der Unabhängigkeit ergangenen - Urteil des Gerichts von Celje davon auszugehen, dass das Strafrecht in Jugoslawien nicht vereinheitlicht war und Slowenien schon damals, innerhalb der Föderation, ein eigenes Strafgesetzbuch hatte, das nun weiterhin zur Anwendung gelangt. Nach den erwähnten slowenischen Strafbestimmungen sind die fraglichen Delikte mit Haftstrafen bis zu fünf Jahren zu ahnden; eine schweizerische Gerichtsbarkeit entfällt. Nach dem Ausgeführten ist somit nach dem slowenischen Recht Strafbarkeit im Sinne von Art. 35 Abs. 1 IRSG erstellt; bei den gegebenen Verhältnissen erübrigt es sich, auf das massgebende ausländische Strafrecht weiter einzugehen. Nach schweizerischem Recht lässt sich das in Frage stehende Verhalten ohne weiteres jedenfalls unter die Tatbestände der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB), der fahrlässigen schweren Körperverletzung Art. 125 StGB), des Fahrens in angetrunkenem Zustand (Art. 91 SVG) sowie der Führerflucht (Art. 92 Abs. 2 SVG) subsumieren, so dass auch hier die Voraussetzungen von Art. 35 IRSG erfüllt sind (Strafandrohung in allen Fällen Gefängnis, also Strafrahmen bis zu drei Jahren Freiheitsentzug [Art. 36 StGB]). Dabei bedarf es keiner weiteren Erörterungen, dass gemäss Art. 32 ff. IRSG - wie übrigens auch nach dem Abkommen (s. Art. IV) - nicht nur die Auslieferung zur Strafverfolgung, sondern auch die Auslieferung zur Strafvollstreckung vorgesehen ist (s. etwa Art. 37 IRSG; MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 422, S. 22 ff.), auch wenn eine mit Art. 2 Ziff. 1 Satz 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EAÜ, SR 0.353.1) vergleichbare Regelung in bezug auf die ausgesprochene Mindestdauer der Strafe fehlt. Gemäss dieser - für nahezu alle Länder Europas massgebenden - BGE 120 Ib, 120 (127)Regelung ist indes bereits für eine ausgesprochene Freiheitsstrafe von einer Dauer von vier Monaten die Auslieferung vorgesehen. Im vorliegenden Fall ist die noch zu vollstreckende Strafe rund doppelt so hoch.
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Demgemäss ist nicht zu beanstanden, dass das BAP beidseitige Strafbarkeit und damit Auslieferungsfähigkeit jedenfalls nach Art. 35 IRSG bejaht hat.
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c) Nach Art. 37 Abs. 1 IRSG kann die Auslieferung abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung eines ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten als angezeigt erscheint. Der Beschwerdeführer macht derartige familiäre und berufliche Gründe geltend, aus denen er nicht ausgeliefert werden, sondern die Strafe lieber in der Schweiz verbüssen möchte. Doch ist festzustellen, dass die Schweiz die Verfolgung wegen einer im Ausland begangenen Tat oder die Strafvollstreckung nur dann übernehmen kann, wenn der Tatortstaat sie ausdrücklich darum ersucht, an seiner Stelle die Strafgewalt auszuüben (BGE 117 Ib 210). Im hier zu beurteilenden Fall hat Slowenien jedenfalls bis anhin kein Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung durch die Schweiz gestellt, sondern ausdrücklich die Auslieferung des Beschwerdeführers verlangt. Dieses Begehren ist bis jetzt nicht zurückgezogen worden.
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d) Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, der Auslieferungsbewilligung stehe Art. 4 IRSG entgegen, wonach ein Ersuchen abgelehnt wird, wenn die Bedeutung der Tat die Durchführung des Verfahrens nicht rechtfertigt. Damit rügt er der Sache nach eine Verletzung des auch im Rechtshilfeverkehr zu berücksichtigenden Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Die Vorschrift hat einerseits blosse Bagatellfälle im Auge; daneben sind aber auch die Härten des Verfahrens für den Betroffenen und unangemessene administrative Umtriebe für die Behörden - beispielsweise im Falle einer Auslieferung zu einem nur sehr kurzen Strafvollzug - zu berücksichtigen (MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 421a, S. 9, wo angemerkt wird, dass im Falle einer Auslieferung zum Vollzug einer Strafe von weniger als drei Monaten an Unverhältnismässigkeit zu denken wäre). Auf den vorliegenden Fall bezogen ist zwar festzustellen, dass die dem Beschwerdeführer angelasteten Vorfälle sich Ende 1986 ereigneten und damit schon einige Zeit zurückliegen und dass die Auslieferung für ihn eine gewisse Einschränkung der von ihm geltend gemachten familiären und beruflichen Bindungen zur Schweiz zur Folge hätte.
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BGE 120 Ib, 120 (128)Anderseits ist aber - wie bereits erwähnt - festzustellen, dass jedenfalls im heutigen Zeitpunkt von einem Strafvollzug in der Schweiz nicht die Rede sein kann (oben lit. c). Dass mit der Auslieferung das Familien- und Berufsleben eingeschränkt wird, kann sowenig wie in jedem andern Straffall vermieden werden, in dem eine freiheitsentziehende Sanktion zu verhängen ist. Dies stellt aber keine unzulässige Einschränkung dar. In Auslieferungsfällen, in denen Art. 8 EMRK angerufen wurde, hat sich die Europäische Kommission für Menschenrechte bisher auf Ziff. 2 dieser Bestimmung berufen und befunden, dass der Eingriff in das Recht auf Schutz der Familie gerechtfertigt sei (s. BGE 117 Ib 210 mit Hinweisen). Abgesehen davon handelt es sich bei den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tathandlungen nicht etwa um Bagatellfälle, gilt es doch zu berücksichtigen, dass er nach erheblichem Alkoholgenuss (mit einem Blutalkoholgehalt von 1,52 Gew.%o) und infolge übersetzter Geschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem eine Person getötet und zwei Personen schwer verletzt wurden, und zusätzlich beging er Führerflucht. Inwiefern dieses verwerfliche Verhalten noch als Bagatelle eingestuft werden soll, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass auch die vom Beschwerdeführer noch zu verbüssende Freiheitsstrafe von rund acht Monaten mehr als das Doppelte dessen beträgt, das in der Literatur noch als geringfügig bezeichnet wird (s. den vorstehenden Hinweis auf MARKEES). Insgesamt ergibt sich somit, dass von einer blossen Bagatelle, welche die Rechtshilfeleistung nicht zu rechtfertigen vermöchte, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht die Rede sein kann. Geht dessen Berufung auf Art. 4 IRSG somit fehl, so kann offenbleiben, inwieweit dieser Bestimmung im vorliegenden Fall, in dem eine analoge Vorschrift im erwähnten Staatsvertrag fehlt, überhaupt selbständige Bedeutung zukommen kann.
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