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Informationen zum Dokument  BGE 115 Ib 358  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Vor Bundesgericht ist unbestritten, dass der Beschwerdefü ...
3. Nach Art. 12 Abs. 1 (lit. a) VStrR ist eine Abgabe, die infolg ...
4. Nach Art. 12 Abs. 4 VStrR verjähren Leistungs- und Rü ...
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47. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. Juni 1989 i.S. A. gegen Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF) und Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Verordnung über Preiszuschläge auf Futtermitteln (Preiszuschlagsverordnung; SR 916.112.231); BG über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0): Nachentrichtung von zu Unrecht nicht erhobenen Abgaben (Preiszuschläge auf Futtermitteln); Verjährung.  
2. Sind Strafverfolgung und Strafvollstreckung bezüglich der Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes (hier: gegen das Zollgesetz) nicht verjährt, so ist es kraft Gesetzesvorschrift (Art. 12 Abs. 4 VStrR) auch die Leistungspflicht nicht (E. 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 115 Ib, 358 (359)Der Landwirt A. führte in den Jahren 1978 bis 1980 (die genauen Einfuhrdaten lassen sich mit Ausnahme der letzten Einfuhr am 2. November 1980 im nachhinein nicht mehr feststellen) insgesamt 28 785 kg Körnermais und 158 000 kg Silomais zu Unrecht zoll- und bewilligungsfrei aus dem deutschen Grenzgebiet in die Schweiz ein. Im Zuge des Zollstrafverfahrens wurden ihm am 15. August 1983 von der Zolldirektion Schaffhausen die Verfügung über die Zoll-Leistungspflicht und am 29. August 1985 der Strafbescheid vom 23. August 1985 der Eidgenössischen Oberzolldirektion wegen Bannbruchs und Zollübertretung eröffnet. Am 16. September 1985 erklärte A. seinen Verzicht auf eine Einsprache gegen den Strafbescheid. Am 8. Januar 1986 teilte ihm die Zollkreisdirektion II mit, dass die Angelegenheit zollseits erledigt sei.
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Mit Schreiben vom 12. Februar 1986 brachte die Eidgenössische Oberzolldirektion der Schweizerischen Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF) das von der Eidgenössischen Zollverwaltung, Untersuchungsdienst Schaffhausen, am 15. August 1983 in Sachen A. erstellte Schlussprotokoll und die am 4. August 1983 ausgestellte und am 6. Januar 1986 von der Zolldirektion Schaffhausen gestempelte Einfuhrdeklaration Nr. 64955 zur Kenntnis. In der Folge teilte die Genossenschaft für Getreide und Futtermittel A. am 7. März 1986 unter anderem mit, dass sie die nicht bewilligten Einfuhren mit Futtermittelpreiszuschlägen belasten werde. In seiner Vernehmlassung vom 6. Mai 1986 machte A. für die von ihm geforderten Preiszuschläge aus den Jahren 1978 bis 1980 Verjährung geltend. Am 9. Juni 1986 verfügte die Genossenschaft für Getreide und Futtermittel wider A. Preiszuschläge und Kanzleigebühren von insgesamt Fr. 48'533.30.
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Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ab. In Anwendung von Art. 105 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes (Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1) befand es, dass die (Nach-)Forderung der Genossenschaft für Getreide und Futtermittel nicht verjährt sei.
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Gegen den Beschwerdeentscheid des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes erhebt A. Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er bestreitet die analoge Anwendbarkeit von Art. 105 LwG, der für Rückerstattungsansprüche des Bundes eine absolute BGE 115 Ib, 358 (360)Verjährungsfrist von zehn Jahren vorsieht. Auszugehen sei von der allgemeinen fünfjährigen Verjährungsfrist, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs zu laufen beginne. Die letzte "Tathandlung" sei im Jahre 1980 und die erste "Einforderungshandlung" der Genossenschaft für Getreide und Futtermittel am 7. März 1986 erfolgt. Somit hätten die vorliegenden Ansprüche als verjährt zu gelten.
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Die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel sowie das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement beantragen, die Beschwerde sei kostenpflichtig abzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen:
 
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Umstritten ist die Frage, ob die nachträgliche Forderung der Genossenschaft für Getreide und Futtermittel zu Recht bestehe, oder ob sie zufolge Ablaufs einer absoluten Verjährungsfrist untergegangen sei. Streitig ist weiter, welche Verjährungsbestimmung vorliegend anwendbar sei. Zum Entscheid darüber ist von Bedeutung, auf welche Rechtsgrundlage sich der nachträgliche Leistungsanspruch der Genossenschaft stützt.
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a) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer durch die zoll- und abgabenfreie Einfuhr von Futtermitteln objektiv eine Widerhandlung gegen mehrere Bestimmungen des Zollgesetzes begangen und damit die eine Voraussetzung von Art. 12 Abs. 1 lit. a VStrR erfüllt (vgl. BGE 110 Ib 309 E. 2a, mit Hinweis).
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BGE 115 Ib, 358 (361)b) Weiter setzt Art. 12 Abs. 1 lit. a VStrR eine zu Unrecht nicht erhobene Abgabe voraus. Es ist deshalb zu prüfen, ob die (nicht erhobenen) Preiszuschläge auf die importierten Futtermittel Abgaben im Sinne dieser Bestimmung darstellen.
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Die Preiszuschläge belasten konkurrierende Importgüter zusätzlich zum Zoll; es handelt sich um öffentlichrechtliche, auf der rein formellen Zentralisierung der Einfuhr beruhende Beiträge (O.K. KAUFMANN, SJK Nr. 553). Die Entstehungsgeschichte der Preiszuschlagsverordnung legt den engen sachlichen Zusammenhang der Preiszuschläge mit den Zollzuschlägen auf ausländischen Kraftfuttermitteln und damit den Abgabecharakter dieser Preiszuschläge deutlich offen (vgl. BBl 1933 I 358 ff.). Damit steht fest, dass es sich vorliegend um eine Forderung gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 VStrR handelt. Der Abgabecharakter der Preiszuschläge schliesst gleichzeitig die Anwendung der auf agrarrechtliche Beiträge zugeschnittenen Bestimmung von Art. 105 LwG über die Rückerstattung und Verjährung aus. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen ist deshalb für die Nachentrichtung und für die Verjährung der fraglichen Preiszuschläge von Art. 12 in Verbindung mit Art. 11 VStrR auszugehen.
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Art. 87 ZG verweist für die Strafverfolgung auf das Verwaltungsstrafrecht; damit richtet sich die Verjährung nach Art. 11 VStrR: Eine Übertretung verjährt in zwei Jahren (Abs. 1). Besteht sie jedoch in einer Hinterziehung oder Gefährdung von Abgaben oder im unrechtmässigen Erlangen einer Rückerstattung, Ermässigung oder eines Erlasses von Abgaben, so beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (Abs. 2). Die Strafe einer Übertretung verjährt in fünf Jahren (Abs. 4).
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Die letzte Einfuhr durch den Beschwerdeführer erfolgte am 2. November 1980. Das Zollstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde am 16. Mai 1983 (Datum des untersuchungsdienstlichen Einvernahmeprotokolls), also innerhalb der fünfjährigen Strafverfolgungsfrist eingeleitet. Als abgeschlossen gelten kann das Zollstrafverfahren mit dem rechtskräftigen Verzicht vom BGE 115 Ib, 358 (362)16. September 1985 des Beschwerdeführers auf eine Einsprache gegen den Strafbescheid, spätestens aber mit der Erledigungsmitteilung der Zollkreisdirektion II vom 8. Januar 1986. Mit Datum der Verzichtserklärung oder spätestens der Zollmitteilung begann die fünfjährige Vollstreckungsfrist gemäss Art. 11 Abs. 4 VStrR zu laufen. Die erste Einforderungshandlung der Genossenschaft für Getreide und Futtermittel datiert unbestrittenermassen vom 7. März 1986, also innerhalb der laufenden Verjährungsfrist für die Strafvollstreckung. Seither ist die Verjährung nicht eingetreten.
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Unter diesen Umständen braucht über die Modalitäten der Verjährung der fraglichen Forderung (Beginn, Unterbrechung, relative und absolute Dauer, Ablauf) für den Fall, dass kein Strafverfahren durchgeführt worden wäre, nicht entschieden zu werden. (Vgl. BGE 110 Ib 311 E. 3, mit Hinweisen.)
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