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Informationen zum Dokument  BGE 105 Ib 389  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Erwägungen:
1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine auf ö ...
2. Art. 1 TVG lautet: ...
3. Freilich werden in der Computer-Wissenschaft (Informatik), in  ...
4. Da Vorrichtungen zur Öffnung von Garagetoren auf elektrom ...
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58. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. November 1979 i.S. Ellenberger Electronic AG gegen Generaldirektion PTT (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Umfang des Fernmelderegals (Art. 1 TVG).  
 
Sachverhalt
 
BGE 105 Ib, 389 (389)Die Ellenberger Electronic AG in Herzogenbuchsee stellt elektrische Geräte, Maschinen und Bauteile her. So entwickelte sie u.a. Anlagen für die induktive drahtlose Steuerung von Garagetoren. Sie beschreibt diese Anlagen als Fernsteuersysteme, die auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion beruhen, wobei durch Bewegen eines magnetischen Mediums oder durch Änderung des magnetischen Feldflusses magnetische Wechselfelder erzeugt und dadurch in einer Spule elektrische Spannungen induziert werden, welche über einen Leiter den Schalter für die Ingangsetzung des am Starkstrom angeschlossenen Elektromotors betätigen, der seinerseits den BGE 105 Ib, 389 (390)Öffnungsmechanismus bewegt. Seit 1966 steht sie in Briefwechsel mit der Generaldirektion PTT wegen der Frage, ob derartige Anlagen dem Fernmelderegal gemäss Art. 1 des Bundesgesetzes betreffend den Telegrafen- und Telefonverkehr vom 14. Oktober 1922 (TVG) und damit einer Prüfungs- und Konzessionspflicht unterstehen. Am 11. Oktober 1974 erliess die Radio- und Fernsehabteilung der Generaldirektion PTT, Unterabteilung Allgemeine Dienste und Funkregal, eine Feststellungsverfügung, wonach Anlagen mit induktiver drahtloser Übertragung unter das Fernmelderegal fallen. Eine Beschwerde der Ellenberger Electronic AG wies die Generaldirektion PTT mit Entscheid vom 18. Oktober 1977 ab. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht heisst sie im Sinne der Erwägungen gut.
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Erwägungen:
 
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"Telegrafen- und Telefonregal
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a) Umfang
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Die Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe haben das ausschliessliche Recht, Sende- und Empfangseinrichtungen sowie Anlagen jeder Art, die der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung dienen, zu erstellen und zu betreiben." Art. 3 TVG sieht vor, dass zur Erstellung und zum Betrieb solcher Einrichtungen Konzessionen erteilt werden können. Die VO (1) vom 10. Dezember 1973 zum TVG definiert in Art. 1 Abs. 6 als radioelektrische Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung u.a. "jede Übertragung von Zeichen, Bildern oder BGE 105 Ib, 389 (391)Lauten mittels elektromagnetischer Wellen durch den freien Raum". Gemäss Art. 2 TVG und Art. 2 VO (1) bestehen von diesem "Fernmelderegal" eine Reihe von Ausnahmen, die aber vorliegend ausser Betracht fallen; streitig ist nicht, ob die von der Beschwerdeführerin hergestellten Anlagen als Ausnahmefälle zu behandeln sind, sondern ob sie vom Fernmelderegal des Bundes grundsätzlich erfasst werden und damit einer Konzessionspflicht unterstehen. Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, elektromagnetische Impulse seien nur dann Zeichen im Sinne von Art. 1 TVG, wenn diese der sinnlichen Wahrnehmung durch den Menschen dienen. Demgegenüber glaubt die Generaldirektion PTT, es falle nicht nur die Übertragung von Mitteilungen oder Gedanken, welche zur sinnlichen Wahrnehmung durch den Menschen bestimmt sind, unter das Regal, sondern jede elektrische oder radioelektrische Übertragung von Impulsen, auch wenn sich diese darauf beschränke, eine Maschine zu steuern oder einen Motor (beispielsweise zur Öffnung von Garagetoren) in Betrieb zu setzen. Es ist im folgenden zu prüfen, welches die Bedeutung des Begriffs "Zeichen" im Sinne von Art. 1 TVG ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt vom Umfang des in der Bundesverfassung dem Bund vorbehaltenen Fernmelderegals (nachfolgend lit. a), von der Entstehungsgeschichte des TVG (lit. b) sowie vom Wortlaut des Art. 1 TVG (lit. c) ab.
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a) Das dem Bund in Art. 36 BV vorbehaltene Fernmelderegal ist ein Ausfluss des Postregals und dieses ein solcher der staatlichen Strassenhoheit. Das Postregal umfasst seit 1848 die Vermittlung von Mitteilungen, von Waren und Geld zwischen räumlich getrennten Personen sowie die regelmässige und gewerbsmässige Beförderung von Personen (BURCKHARDT, Kommentar der schweiz. Bundesverfassung, S. 309, 311). Nach der Erfindung des Telegrafen erhob sich die Frage, ob dieses neue Kommunikationsmittel dem Postregal unterstellt werden könne. Der Bundesrat bejahte dies, indem er ausführte, die Mitteilungen mittels der Telegrafen seien im Grunde nichts anderes als die Briefkorrespondenzen, deren Beförderung dem Bund ausschliesslich vorbehalten sei (BBl 1851 III 283 f.; 1852 I 25, 131). Gestützt auf diese Auffassung war es dem Bund 1851 möglich, ohne Verfassungsänderung das Telegrafenwesen als einen Zweig der Bundesverwaltung zu organisieren. Die Bundesverfassung von 1874 bestätigte diese Anschauung, indem sie BGE 105 Ib, 389 (392)in Art. 36 das Post- und Telegrafenwesen im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft für Bundessache erklärte (vgl. FLEINER, Schweiz. Bundesstaatsrecht, S. 508). Der Wortlaut von Art. 36 BV blieb bis heute unverändert. Nach der Erfindung des Telefons im Jahre 1877 waren die Meinungen zunächst geteilt, ob das Telefon in das Telegrafenregal einbezogen werden könne oder ob die Unterscheidungsmerkmale derart wesentlich seien, dass sich eine Gleichstellung nicht rechtfertigen lasse. Mit Beschluss vom 18. Februar 1878 erklärte der Bundesrat, dass die Telefonanlagen unter das Telegrafenregal fallen. Dieser Beschluss wurde bei der Bundesversammlung angefochten. Der Bundesrat führte in seinem Bericht zu dieser Beschwerde aus (BBl 1878 IV 448 f.), er sei nie im Zweifel gewesen, dass in dem Kollektivbegriff "elektrische Telegrafen" alle diejenigen Einrichtungen verstanden seien, welche dazu dienen, mittels der Elektrizität, zwischen zwei mehr oder weniger entfernten Punkten, Gedanken auszutauschen. Die Räte folgten dieser Ansicht und wiesen die Beschwerde ab (vgl. dazu im einzelnen: WIEDERKEHR, Die Rechtsstellung der Schweizerischen Telegrafen- und Telefonanstalt, Diss. Zürich 1924, S. 9). In der Folge stellte sich die gleiche Frage bezüglich der drahtlosen Telegrafie. Für solche Stationen wurde von Anfang an eine staatliche Bewilligung verlangt (BBl 1913 II 732) mit der Begründung, durch das Telegrafen- und Telefonregal werde die Übermittlung von Gedanken als eine notwendig einheitliche Verkehrseinrichtung dem Bunde vorbehalten. Das Regal dehne sich auch aus auf neue technische Mittel der Nachrichtenübertragung, auch wenn der Wortlaut der Verfassungsbestimmung diese Erweiterung nicht enthalte (vgl. BURCKHARDT, a.a.O., S. 312), so dass das zu Telegraf und Telefon Gesagte auch für jedes demselben Zwecke dienende Verkehrsmittel gelte (so auch MEILI, die drahtlose Telegrafie im internen Recht und Völkerrecht, 1908, S. 19 f.). Um das Jahr 1922 hielt eine neue Erscheinungsform der drahtlosen Übermittlung in der Schweiz Einzug, die sich von den bisherigen Formen des Funkverkehrs unterschied. Es war der Rundspruch, dessen Wesen nicht mehr darin besteht, Nachrichten an einzelne bestimmte Empfänger zu übertragen, sondern der dazu dient, Programme an einen unbestimmt grossen Empfängerkreis zu senden. Da diese neue Erfindung ebenso wie die Telegrafen- und Telefonanstalten als staatliche Einrichtung zur Übermittlung von Gedanken - in BGE 105 Ib, 389 (393)einem weiten Sinn - erschien, wurde auch sie dem Regal unterstellt (FLEINER, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 1928, S. 344; CASPAR, Konzessionen und Erlaubnisse im schweizerischen Telegrafen- und Funkrecht, Diss. Zürich 1933, S. 63; BAUMANN, Die rechtlichen Grundlagen des Programmdienstes im schweizerischen Rundspruch- und Fernsehwesen..., Diss. Zürich 1956, S. 53, 61). Kritik erwuchs dieser Betrachtungsweise insbesondere deshalb, weil nicht nur die technische Seite des Rundfunks, also die Aussendung und allenfalls der Empfang von akustischen Zeichen und Lauten, dem Regal unterstellt werden sollte, sondern auch die Programmgestaltung einbezogen wurde (vgl. dazu BBl 1953 I 29; 1956 I 1015). Dieser Aspekt braucht indessen für das vorliegende Verfahren nicht weiter verfolgt zu werden. Schliesslich fand das Radio seine Weiterentwicklung im Fernsehen. Das Fernsehen kann als Bildtelegraf und damit als besondere Erscheinungsform der drahtlosen Telegrafie betrachtet werden (BBl 1955 I 379). Insofern unterscheidet sich das Fernsehen vom Radio nur dadurch, dass neben akustischen Zeichen und Lauten auch Bilder übertragen werden. Wenn das Fernsehen dem Regal unterstellt wurde, dann wiederum deshalb, weil es sich auch hier um eine Vorrichtung handelt, die den an einem Ort zum sinnlichen Ausdruck gebrachten Gedanken - in einem weiten Sinn - an einem andern, entfernten Ort wahrnehmbar macht (TUASON, Das Recht der PTT-Betriebe, 1959, S. 33).
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Diese Entwicklung des Geltungsbereichs von Art. 36 BV zeigt, dass die Bundesbehörden stets gewillt waren, neue technische Mittel der Nachrichtenübertragung in das Regal einzuschliessen, dass sie aber bezüglich des übertragenen Gegenstandes immer davon ausgingen, dass es sich um Gedanken, Nachrichten oder Mitteilungen handeln müsse.
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b) Die Entstehungsgeschichte des TVG vom 14. Oktober 1922 weist in dieselbe Richtung. Der Gesetzgeber war damals der Meinung, dass das in Art. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1907 über die Organisation der Telegrafen- und Telefonverwaltung umschriebene Telegrafen- und Telefonregal in das neue Gesetz aufgenommen werden sollte. Bisher war das Regal im Gesetz umschrieben worden als das ausschliessliche Recht des Bundes, elektrische Telegrafen- und Telefonanlagen in der Schweiz zu errichten und zu betreiben oder die Bewilligung zur Erstellung von solchen zu erteilen (Art. 1 des Gesetzes von 1907).
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BGE 105 Ib, 389 (394)Die neue Formulierung sollte zwar von derjenigen des früheren Gesetzes abweichen, inhaltlich sollte sie jedoch nichts anderes wiedergeben als die Rechtslage, wie sie sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat (CASPAR, a.a.O., S. 42). Man war sich bewusst, dass wohl auch in Zukunft stets neue Mittel für die Nachrichtenübertragung erfunden würden und dass man eine Umschreibung finden müsse, welche jedes dem Zwecke der Übermittlung von Gedanken dienende Verkehrsmittel umfasse (BURCKHARDT, a.a.O., S. 312; FLEINER, a.a.O., S. 509; WIEDERKEHR, a.a.O., S. 12). Man war sich indessen einig, dass es sich ausschliesslich um Mittel zur Übertragung von Nachrichten, Meinungen oder Gedanken handeln konnte (die zitierten Autoren; CASPAR, a.a.O., S. 32; BAUMANN, a.a.O., S. 52). In der Botschaft vom 6. Juni 1921 (BBl 1921 III 293) führt der Bundesrat zu Art. 1 TVG aus, er wolle mit der neuen Formulierung die Möglichkeit bieten, alle elektrischen Einrichtungen, die dem Nachrichtenverkehr dienten, dem Staatsregal zu unterstellen. Auch im Nationalrat wiesen die Berichterstatter der Kommission darauf hin, dass man die Umschreibung des Regals grundsätzlich dem Gesetz von 1907 entnommen habe, dass man den Wortlaut aber weiter gefasst habe, um alle elektrischen Installationen erfassen zu können, welche der Übertragung von Korrespondenzen dienten (Sten. Bull. NR 1922, S. 221).
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Im Zusammenhang mit der Konkretisierung von Art. 36 BV und im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten für das TVG wurde daher stets die Ansicht vertreten, dass lediglich Anlagen, die der Übertragung von Gedanken, Meinungen oder Nachrichten, d.h. Einrichtungen, die der Kommunikation dienten, dem Regal unterstellt seien. Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung diesen Begriffen zukommt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist die Äusserung von Gedanken oder einer Meinung stets zur sinnlichen Wahrnehmung durch andere Menschen bestimmt. Ebenso ist eine Nachricht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einem Empfänger zugedacht, und zwar in Gestalt eines denkenden Wesens, das sich "nach ihr richten", d.h. sein Verhalten aufgrund der Information aus eigenem Willen neu bestimmen kann. Keine Nachricht ist daher die blosse Auslösung physikalischer Vorgänge als solche, ohne dass "am fernen Ende" jemand davon Kenntnis nehmen kann. Die Betätigung einer Schranke vom Stationsgebäude BGE 105 Ib, 389 (395)aus, erfolge sie durch direkte mechanische Kraftübertragung oder durch Übertragung eines elektrischen Impulses auf den Öffnungsmechanismus, bedeutet keine Nachrichtenübermittlung. Eine Nachricht ist dagegen der mündliche, schriftliche, telefonische, durch Funk oder vereinbarte optische oder akustische Zeichen erfolgte Befehl an den Barrierenwärter, die Schanke zu öffnen oder zu schliessen. Ebenso ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Kommunikation nur mit dem Menschen möglich (vgl. JARAFF, Die Freiheit der Massenmedien, 1978, S. 29 f. mit Hinweisen); mit einer Maschine wird nicht kommuniziert. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Gesetzgeber eine andere Betrachtungsweise vorschwebte. Ebensowenig gibt es in der Lehre und auch in der Praxis der Rechtsanwendungsbehörden bis weit in die Fünfzigerjahre einen Grund zur Annahme, dass diese Begriffe in anderer Weise verstanden worden wären.
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c) Das Gesetz selber spricht von Anlagen, die der "Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung" dienen. Der französische und der italienische Text verwenden anstelle des Wortes "Zeichen" den Ausdruck "signaux" bzw. "segnali". Der internationale Fernmeldevertrag vom 25. Oktober 1973 (für die Schweiz am 28. April 1976 in Kraft getreten, AS 1976 I 993 f.) verwendet in dessen Anlage 2 (AS 1976 I 1057) im Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung des Fernmeldeverkehrs sowohl die Begriffe "Zeichen" ("signes") als auch "Signale" ("signaux"), so dass anzunehmen ist, dass den beiden Begriffen nicht genau dieselbe Bedeutung zukommt. Immerhin muss nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch das Signal von jemandem verstanden werden. Dem Zeichen muss seinem Wesen nach um so mehr eine Bedeutung zukommen, welche ein Empfänger aufnehmen und verstehen kann. Erst dann erscheint ein Impuls oder eine Bewegung als Zeichen. Dass Zeichen im Sinne von Art. 1 TVG stets zur sinnlichen Wahrnehmung durch den Menschen bestimmt sein müssen, ergibt sich daher sowohl aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung, als auch aus dem verfassungsrechtlichen Zusammenhang, auf den Art. 1 TVG im Marginale Bezug nimmt.
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Die Generaldirektion PTT geht davon aus, dass die moderne Technik nicht nur Nachrichtenübermittlung von Mensch zu Mensch, sondern ebenso von Maschine zu Mensch, von Mensch zu Maschine und von Maschine zu Maschine kennt. Da BGE 105 Ib, 389 (396)die beiden ersten Kategorien eindeutig dem Fernmelderegal unterstünden, müsse dies für die beiden andern ebenso gelten, so dass auch Fernsteuerungs- und Fernwirksysteme vom Regal erfasst würden, sofern sie die Impulse auf elektrischem oder radioelektrischem Wege übertragen. Dieser Schluss ist nicht zwingend. Zeichen, Bilder und Laute, deren Übertragung in einer Maschine endet, ohne für die Wahrnehmung durch die menschlichen Sinne bestimmt zu sein, verlieren ihren Charakter als Zeichen, Bilder oder Laute, es sei denn, die Maschine gebe sie - sofort oder später, unverändert oder in Verbindung mit anderer Information - in irgendeiner wahrnehmbaren Form weiter. Fernsteuerungs- und Fernwirkanlagen erschöpfen sich in einer Kette rein physikalischer Abläufe. Zeichen, Bilder oder Laute im Sinne von Art. 1 TVG werden dabei nicht übertragen. Die gegenteilige Auffassung, die der Bundesrat in einem von der Generaldirektion PTT angerufenen Entscheid vom 3. Mai 1960 i.S. Verband Schweizerischer Elektrizitätswerke vertreten hat und wonach auch blosse Stromimpulse als Zeichen im Sinne von Art. 1 TVG zu gelten hätten, beruht auf einer unzulässig ausdehnenden Interpretation des Gesetzes. Der von der Generaldirektion PTT ebenfalls zitierte (unveröffentlichte) Entscheid des Bundesgerichts vom 11. Januar 1977 i.S. Einwohnergemeinde Rheinfelden hatte diese, allenfalls als Vorfrage zu prüfenden Probleme nicht untersucht, so dass sich aus diesem Entscheid für den vorliegenden Fall nichts ableiten lässt. Aus diesen Gründen sind Vorrichtungen zur Öffnung von Garagetoren, auch wenn dazu elektromagnetische Wellen verwendet werden, nach dem geltenden Recht dem Fernmelderegal nicht unterstellt.
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3. Freilich werden in der Computer-Wissenschaft (Informatik), in der Steuer- und Regeltechnik, aber auch in anderen Bereichen der Naturwissenschaft, die Begriffe der Nachricht, des Befehls, des Signals ausgedehnt auf die Abgabe, Übertragung und den Empfang von Impulsen ohne den Zweck sinnlicher Wahrnehmung durch den Menschen. In diesem Sinne mag die Öffnung eines Garagetores auf radioelektrischem Weg vom fahrenden Auto aus als Übermittlung einer Meldung, einer Nachricht, eines Signals oder allgemein als "Information" gelten. Es ist daher ein gewisser Wandel in der sprachlichen Ausdrucksweise festzustellen. Zudem kann nicht verkannt werden, dass die Entwicklung von radioelektrischen Fernsteuerungs- und Fernwirkanlagen in jüngster Zeit grosse Fortschritte gemacht BGE 105 Ib, 389 (397)hat und ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, diese Entwicklung in den Griff zu bekommen, weil die regalfreie Ausstrahlung von elektromagnetischen Wellen in den Raum die zweckmässige Ausübung des Regals behindern könnte.
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Diese Feststellungen ändern indessen nichts daran, dass nach dem geltenden Recht solche Steuersysteme vom Regal nicht erfasst werden; denn dieses ist im TVG von 1922 verbindlich umschrieben. Der Wortsinn des Gesetzes erscheint nach den vorangehenden Ausführungen derart eindeutig, dass kein Raum bleibt für eine Auslegung, welche dem in einzelnen Wissenschaften üblichen Sprachgebrauch Rechnung trägt. Für die Erfassung von Fernsteuerungs- und Fernwirkanlagen durch das Regal bedürfte es einer Neuumschreibung in der Verfassung oder allenfalls im Gesetz, sofern der Gesetzgeber zur Auffassung gelangen sollte, der Inhalt des Regals habe sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt (vgl. zur Möglichkeit des Verfassungswandels: BGE 104 Ia 291 E. 4c).
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Im übrigen ermächtigt das Fernmelderegal den Bund nicht nur zur alleinigen Ausübung der vom Regal erfassten Tätigkeitsbereiche, sondern darüber hinaus zur Ergreifung aller Massnahmen, die erforderlich sind, um die Ausübung des Regals gegen Störungen von aussen zu schützen. Diese Befugnis ergibt sich schon aus anstaltspolizeilichen Gesichtspunkten, erschöpft sich aber - sofern keine weitergehende gesetzliche Grundlage besteht - in der repressiven Anwendung, d.h. dem Recht, gegen bereits erfolgte oder unmittelbar drohende Störungen einzuschreiten. Präventive Massnahmen im Sinne der obligatorischen Unterwerfung der Herstellung von Geräten, welche radioelektrische Wellen ausstrahlen, unter eine vorgängige Einzel- oder Typenkontrolle würden eine besondere gesetzliche Grundlage erfordern. Ob eine solche Grundlage für den hier allein in Betracht fallenden Bereich der Schwachstromanlagen besteht oder allenfalls zunächst geschaffen werden muss, braucht im vorliegenden Verfahren nicht geprüft zu werden, denn es wird von der Generaldirektion PTT nicht behauptet, dass eine Bewilligungspflicht für Fernsteuerungsund Fernwirkanlagen unter dem Gesichtspunkt des Störungsschutzes bestehe.
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4. Da Vorrichtungen zur Öffnung von Garagetoren auf elektromagnetischem Weg bereits deshalb dem Fernmelderegal entzogen sind, weil keine Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung BGE 105 Ib, 389 (398)gemäss Art. 1 TVG erfolgt, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob solche Vorrichtungen, sofern sie auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion beruhen, auch aus dem weiteren Grund dem Regal entzogen seien, weil bei diesem Prinzip keine Übertragung auf elektrischem oder radioelektrischem Wege erfolge.
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