VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 99 Ib 392  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Erwägungen:
1. Der Staatsrat ist auf die am 8. September 1972 eingereichten B ...
2. Nach Art. 1 Bundesbeschluss über vorübergehende Mass ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
51. Urteil vom 21. Dezember 1973 i.S. Andenmatten und Mitbeteiligte gegen Staatsrat des Kantons Wallis.
 
 
Regeste
 
Verfahren: Art. 97 ff. OG.  
Entfernung widerrechtlich angepflanzter Reben: Art. 1 und 7 BB über vorübergehende Massnahmen zugunsten des Rebbaues:  
Auslegung der Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz BB (Erw. 2a).  
Die Pflicht, widerrechtlich angepflanzte Reben auszureuten (Art. 7 BB), trifft den Eigentümer der Parzelle schlechthin und kann nicht auf dem Wege der Veräusserung oder der Verpachtung des Grundstückes beseitigt werden (Erw. 2b).  
 
Sachverhalt
 
BGE 99 Ib, 392 (393)Theophil Mathier pflanzte auf seiner im Gebiet der Gemeinde Salgesch liegenden Parzelle Reben an, obwohl dies nach der einschlägigen Rebbaugesetzgebung verboten war. Er wurde daraufhin mehrmals behördlich aufgefordert, die Reben auszureissen. Er kam den Aufforderungen nicht nach und versuchte, sich auf dem Wege der Verpachtung von je 100 Rebstöcken an 11 Pächter dem Ausreutungsgebot zu entziehen. Da er damit keinen Erfolg hatte, teilte er seine Pflanzung in sechs Parzellen von weniger als 400 m2 Fläche auf und verkaufte diese einzelnen an die heutigen Beschwerdeführer. In der Folge setzte das Departement des Innern und der Landwirtschaft des Kantons Wallis den sechs Käufern Frist, um die ausserhalb der Rebzone angepflanzten Reben auszureissen. Gegen diesen Verfügung wehrten sich die Betroffenen beim Staatsrat, der auf vier Beschwerden wegen Verspätung nicht eintrat und die übrigen Beschwerden abwies. Gegen den Entscheid des Staatsrates richten sich die vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerden.
1
Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit darauf einzutreten ist.
2
 
Erwägungen:
 
3
Wie das Bundesgericht in früheren Entscheiden (vgl. BGE 98 Ib 336) erkannt hat, kann bei einem auf kantonales Verfahrensrecht sich stützenden Nichteintretensentscheid mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden, der angefochtene Entscheid schliesse die Anwendung von Bundesrecht aus. Dies ist hier insofern der Fall, als materiell Fragen des Bundesrechts (Rebbaugesetzgebung) zur Diskussion stehen. Die Anwendung dieses Bundesrechts schliesst der angefochtene Entscheid aus; er ist mithin eine Verfügung im Sinne von Art. 5 lit. c VwG, die mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann. Das Bundesgericht prüft allerdings die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechtes nicht frei, sondern nach Art. 104 lit. a OG nur auf die Verletzung von Bundesrecht, d.h. in der Regel ausschliesslich auf die Verletzung von Art. 4 BV (BGE 98 Ib 336).
4
Der im angefochtenen Entscheid angewandte Art. 23 des kantonalen Verwaltungsverfahrensbeschlusses räumt den Betroffenen eine zwanzigtägige Rechtsmittelfrist ein. Diese Frist wurde den Beschwerdeführern im Entscheid des Departements des Innern und der Landwirtschaft des Kantons Wallis vom 4. August 1972 angegeben. Der Entscheid wurde gemäss der bei den Akten liegenden Auskunft des Postbüros Sitten 1 vom 30. März 1973 Herbert Bregy, Erich Bregy und Meinrad Hischier am 4. August 1972 und Emil Bayard am 10. August, 1972 zugestellt. Es verletzt daher Bundesrecht in keiner Weise wenn der Staatsrat die erst am 8. September 1972 eingereichten Beschwerden als verspätet betrachtet hat, zumal keine Gerichtsferien den Fristenlauf hemmten. Die Beschwerdeführer vermögen nichts vorzubringen, was dagegen spräche. Sie behaupten ohne jegliche Begründung, sie hätten fristgerecht beim Staatsrat Beschwerde erhoben, was offensichtlich unrichtig und geradezu mutwillig ist.
5
Ist demnach der Staatsrat zu Recht auf die vier Beschwerden nicht eingetreten, sind die Verwaltungsgerichtsbeschwerden des Herbert Bregy, Erich Bregy, Meinrad Hischier und Emil Bayard abzuweisen, ohne dass auf die Sache selbst eingetreten wird. Materiell zu prüfen sind hingegen die Beschwerden der Marie Andenmatten und des Konrad Venetz.
6
BGE 99 Ib, 392 (395)2. Nach Art. 1 Bundesbeschluss über vorübergehende Massnahmen zugunsten des Rebbaues vom 10. Oktober 1969 (BB), in Kraft seit dem 1. Januar 1970, ist die Neuanpflanzung von Reben ausserhalb der Rebbauzone verboten. Dieses Verbot gilt nicht für Grundeigentümer und Pächter, die noch keine Reben besitzen und die nicht mehr als 400 m2 anpflanzen, um sie für den Eigenbedarf zu bearbeiten. Die in Missachtung dieser Bestimmung gepflanzten Reben müssen vom Eigentümer des Grundstückes, gegebenenfalls vom Pächter, entfernt werden (Art. 7 Abs. 1 BB).
7
Die von Theophil Mathier angepflanzten Reben liegen unbestrittenermassen ausserhalb der Rebbauzone. Die Anpflanzung erfolgte unerlaubterweise. Die heutigen Eigentümer berufen sich auf Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz BB. Es fragt sich, ob sie dies können, nachdem die Anpflanzung entgegen dem gesetzlichen Verbot erfolgte.
8
a) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein allgemeines Anbauverbot von Reben ausserhalb der Rebbauzone besteht (Art. 1 Abs. 1 erster Satz BB). Dieses Verbot dient unmittelbar dem Schutz und der Förderung des inländischen Rebbaus. Das Verbot erfährt eine Ausnahme, indem Grundeigentümern und Pächtern, die noch keine Reben besitzen, gestattet wird, ausserhalb der Rebbauzone, auf einer Fläche von höchstens 400 m2, Reben anzupflanzen und für den Eigenbedarf zu bearbeiten.
9
Stellt man diese Ausnahmebestimmung, die weder extensiv noch restriktiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen des allgemeinen Verbots auszulegen ist, in ihren gesetzlichen Zusammenhang, wird ersichtlich, dass die Ausnahme nie dazu dienen darf, einen widerrechtlichen Anbau von der Rodungspflicht (Art. 7 BB) auszunehmen bzw. die Umgehung des Verbots zu ermöglichen. Eine widerrechtlich angepflanzte Rebfläche wird daher, selbst wenn sie nachträglich aufgrund zivilrechtlicher Vorkehren nur noch 400 m2 beträgt, von der Rodungspflicht nicht verschont (Art. 7 BB). Auf dem Umweg der Parzellierung und der Veräusserung kann eine ausserhalb der Rebbauzone widerrechtlich angepflanzte Rebfläche der gesetzlichen Sanktion, der Rodung, nicht entzogen werden. Der Sinn der Ausnahme liegt nämlich einzig darin, in der Landwirtschaft tätigen Familien, Grundeigentümern oder Pächtern, die Möglichkeit einzuräumen, eigenes, ausserhalb der Rebbauzone BGE 99 Ib, 392 (396)liegendes Land zum Zwecke der Selbstversorgung im Rahmen des Eigenbedarfs mit Reben zu bepflanzen. Jedes aussergewöhnliche Vorgehen, das diesen Rahmen sprengt, widerspricht dem Zweck der Ausnahmebestimmung und verdient keinen Rechtsschutz; denn einzig so verstanden ist die Ausnahmebestimmung durch die Behörden auch praktisch anwendbar. Wird bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen darüber hinausgegangen, sind klare Grenzen zum Anbauverbot nicht mehr zu ziehen und seiner Umgehung Tür und Tor geöffnet.
10
b) Die Akten erhellen, dass der Verkauf des hier in Frage stehenden Rebareals, nach vorheriger Parzellierung in Grundstücke von je 400 m2, der Umgehung des allgemeinen Anbauverbots bzw. der Rodungspflicht diente. Der frühere Eigentümer, Theophil Mathier, hat mit allen Mitteln versucht, sich der Rodungspflicht zu entziehen. Dies gelang ihm selbst dann nicht, als er es mit der Verpachtung seiner Parzelle in Teilen von je 150 m2 bzw. 100 Rebstöcken versuchte. Schliesslich glaubte er offenbar, einen Weg zu finden, indem er sein Grundstück in Parzellen zu je 400 m2 aufteilen liess und diese einzeln an Käufer veräusserte, die noch keine Reben besassen. Damit ist jedoch die Pflicht, die widerrechtlich angepflanzten Reben auszureuten, nicht entfallen. Nach Art. 7 BB trifft diese Pflicht den Eigentümer schlechthin und kann nicht auf dem Umweg über die Veräusserung oder Verpachtung des Grundstückes beseitigt werden.
11
Die heutigen Eigentümer, Andenmatten und Venetz, können sich auch nicht etwa auf ihren guten Glauben berufen. Dass sie von der widerrechtlichen Anpflanzung der Reben durch Theophil Mathier nichts wussten, behaupten sie nicht; es wäre auch völlig unglaubwürdig. Als nämlich Theophil Mathier am 2. März 1966 aufgefordert wurde, die, nach früherem Recht schon, rechtswidrig angepflanzten Reben auszureissen, unterbreitete er dem kantonalen Departement des Innern elf Pachtverträge über die Verpachtung von je 100 Rebstöcken an Personen, die keine Reben besitzen. Als Pächter traten damals unter anderen die heutigen Eigentümer und Beschwerdeführer Andenmatten und Venetz auf. Diese Pachtverträge wurden in der Folge von der kantonalen Behörde als ungültig erklärt, weil sie der Umgehung des Gesetzes dienten. Die Beschwerdeführer haben sich damals dagegen nicht gewehrt. Sollte ihnen BGE 99 Ib, 392 (397)anderseits der Veräusserer, Theophil Mathier, beim Verkauf der Grundstücke in Aussicht gestellt haben, dass durch die Parzellierung und die Handänderung des Grundstückes die Rodungspflicht (Art. 7 BB) dahinfallen und für die Käufer die Ausnahmesituation des Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz BB vorliegen würde, betrifft dies die zivilrechtlichen Beziehungen der Kaufvertragsparteien, nicht aber das vorliegende, vom öffentlichen Recht beherrschte Verfahren.
12
Hinzu kommt schliesslich, dass die Beschwerdeführer Andenmatten und Venetz - abgesehen davon, dass sie Eigentümer eines Grundstückes sind, das widerrechtlich mit Reben bepflanzt wurde, - die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz BB nicht erfüllen. Dies nicht nur deshalb, weil sie die Reben nicht selber angepflanzt haben, sondern weil sie bis anhin in keiner Weise nachgewiesen haben, dass sie die Reben selbst und für den Eigenbedarf bearbeiten.
13
c) Der angefochtene Entscheid verletzt mithin Bundesrecht nicht. Die Beschwerden der Marie Andenmatten und des Konrad Venetz sind unbegründet und daher abzuweisen.
14
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).