BGE 72 IV 121 - Kreditbetrug Schmid
 


BGE 72 IV 121 (121):

37. Urteil des Kassationshofes
vom 13. September 1946 i.S. Schmid gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
 
Regeste
Art. 148 Abs. 1 StGB, Kreditbetrug.
Arglist der Täuschung (Erw. 1).
Schaden (Erw. 2).
Absicht unrechtmässiger Bereicherung; eventuelle Absicht genügt (Erw. 3).
 
Sachverhalt
 
A.
Schmid ist elfmal vorbestraft, hauptsächlich wegen Betruges und Diebstahls. Als er in Zürich wohnte, wurde er in den Jahren 1941 bis 1944 für Beträge von zusammen Fr. 7275.95 zweiundzwanzigmal betrieben und wurden gegen ihn neun Verlustscheine für zusammen Fr. 2674.20 ausgestellt. Im Jahre 1944 zog er nach Basel um. Dort waren vom Juli bis im November 1944 gegen ihn mehrere Betreibungen für zusammen Fr. 734.80 hängig. Aus einer Pfändungsurkunde vom 29. November 1944 ergibt sich, dass er gegenüber dem Betreibungsamt verschiedene gepfändete Gegenstände als Eigentum Dritter ausgab, die sie ihm unter Eigentumsvorbehalt verkauft und die noch einen beträchtlichen Kaufpreis zu fordern hatten.
Am 4. Oktober 1944 ersuchte Schmid die Darlehens A.G. um ein Darlehen von Fr. 300.-. Auf einem Formular, das ihm für falsche und irreführende Angaben Strafverfolgung androhte, verneinte er unter Zusicherung wahrheitsgetreuer Auskunft die Fragen, ob gegen ihn eine Betreibung anhängig sei, ob gegen ihn Verlustscheine bestünden und ob er Schulden habe, und gab er den Wert seiner Möbel, soweit sie nicht Kompetenzstücke seien, wahrheitswidrig

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mit Fr. 3200.- an. Die Darlehens A.G. verliess sich auf seine Antworten und gewährte ihm daher am 6. Oktober 1944 ein bis am 1. April 1945 in Monatsraten rückzahlbares Darlehen von Fr. 200.-, was sie bei Kenntnis seiner Vermögensverhältnisse nicht getan hätte. Schmid bezahlte das Darlehen nicht vertragsgemäss zurück. Die Betreibung, der er sich durch Rechtsvorschlag widersetzte, führte zu einem provisorischen Verlustschein. Nachdem die Darlehens A.G. gegen Schmid Strafanzeige wegen Betruges eingereicht hatte, leistete er am 6. Oktober 1945 Fr. 35.-. Den Rest blieb er schuldig.
Am 3. November 1944 ging Schmid die Basler Kantonalbank um ein Darlehen von Fr. 220.- an, indem er ein Formular ausfüllte, auf dem er wahrheitsgetreue Antworten zusicherte. Die Frage, ob er anderweitige Darlehensschulden habe, verneinte er. Ferner gab er auf dem Gesuch die "ehrenwörtliche" Erklärung ab, er sei nicht betrieben und gegen ihn bestünden keine Verlustscheine. Die Bank gewährte das Darlehen am 4. November 1944. Wenn Schmid die Wahrheit gesagt hätte, würde sie ihm das Geld nicht gegeben haben. Schmid verpflichtete sich, es bis Ende April 1945 in sechs Monatsraten zurückzuzahlen, befriedigte die Gläubigerin indessen erst im Verlaufe des Strafverfahrens, das sie am 3. Mai 1945 gegen ihn einleiten liess.
 
B.
Durch Urteil vom 8. Januar 1946 würdigte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt die Aufnahme der beiden Darlehen als Betrug im Sinne des Art. 148 Abs. 1 StGB und verurteilte Schmid zu drei Monaten Gefängnis. Das Appellationsgericht, an welches Schmid die Sache weiterzog, bestätigte dieses Urteil am 12. Juni 1946 unter Verweisung auf die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der ersten Instanz.
 
C.
Schmid führt gegen das Urteil des Appellationsgerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Er bestreitet die Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen, den Vorsatz der arglistigen Irre

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führung, die Schädigung und die Absicht unrechtmässiger Bereicherung.
 
D.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
 
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Betrug setzt unter anderem voraus, dass der Täter "jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt" (Art. 148 Abs. 1 StGB). Das Bundesgericht hat dieses Erfordernis dahin ausgelegt, dass falsche Angaben, die der Gegner ohne besondere Mühe auf ihre Richtigkeit hin überprüfen kann, nicht genügen (BGE 72 IV 13). Allein der Beschwerdeführer, der sich auf diese Rechtsprechung beruft, übergeht, dass der gleiche Entscheid eine Ausnahme vorbehält für den Fall, dass der Überprüfung der falschen Angaben zwar objektiv nichts im Wege steht, der Getäuschte jedoch durch den andern arglistig davon abgehalten wird, sie vorzunehmen. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach der Feststellung des Strafgerichts pflegen Kreditinstitute kleine Darlehen auf die blossen Angaben des Gesuchstellers über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse hin zu gewähren, um ihm nicht durch Einholung anderer Auskünfte Kosten zu verursachen. Daher haben die Darlehens A.G. und die Basler Kantonalbank dem Beschwerdeführer auf Formularen bestimmte Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt. Im Formular der Darlehens A.G. wurde ihm deutlich zur Kenntnis gebracht, "dass falsche und irreführende Angaben nach hiesigem Gesetz strafrechtlich verfolgbar" seien, und in Ziff. 1 der auf dem gleichen Formular enthaltenen Vertragsbestimmungen verpflichtete sich die Darlehens A.G. ausdrücklich, bei ordnungsgemässer Abwicklung des Kreditverhältnisses über den Kreditnehmer keine Informationen einzuziehen. Der Beschwerdeführer wusste somit, dass die Darleiherin sich auf die Richtigkeit seiner Angaben

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verlassen, ihn dabei behaften wollte. Dass auch die Basler Kantonalbank gleichen Willens war, sah er daraus, dass sie von ihm eine "ehrenwörtliche" Erklärung verlangte. Indem er unter diesen Umständen in beiden Fällen versicherte, wahrheitsgetreu Auskunft zu geben, hielt er die Darleiherinnen arglistig davon ab, seine Angaben zu überprüfen. Übrigens hätten sie nicht alle seine Antworten ohne besondere Mühe überprüfen können, so namentlich nicht die Angabe über den Wert seiner Möbel und seine Behauptung, er habe keine anderen Darlehensschulden. In der unrichtigen Beantwortung der Fragen über den Bestand von Betreibungen, Verlustscheinen, Schulden und den Wert der Möbel lag eine Vorspiegelung von Tatsachen. Der Beschwerdeführer hat die Darlehens A.G. und die Basler Kantonalbank dadurch arglistig irregeführt. Dass er dies vorsätzlich getan hat, ergibt sich aus der verbindlichen Feststellung der kantonalen Instanzen, wonach er sich der Unwahrheit seiner Angaben bewusst war.
 
Erwägung 2
2. Wie das Strafgericht ausführt, wollten die DarIeiherinnen das Geld einem augenblicklich an Barmitteln knappen, im übrigen aber aufrecht stehenden, zahlungsfähigen Schuldner zukommen lassen, welcher die nötige Gewähr biete für die Einhaltung der ihm auferlegten Verpflichtungen, namentlich für die möglichst reibungslose Rückzahlung des Darlehens binnen der vereinbarten Frist. Hätte der Beschwerdeführer diese Gewähr geboten, so wären die Darlehensforderungen gegen ihn soviel wert gewesen, als ihnen die Darleiherinnen bei der Hingabe des Geldes beimassen. Von einer Schädigung könnte dann nicht gesprochen werden. Allein der Beschwerdeführer hat in den Darlehensgesuchen seine finanzielle Lage wesentlich günstiger dargestellt, als sie war. Er bot von Anfang an weniger Gewähr für vertragsgemässe Rückzahlung, als die Darleiherinnen glaubten und er ihnen zu bieten behauptete. Die Forderungen der Darlehens A.G. und der Basler Kantonalbank waren daher von Anfang an weniger Wert, als im Vertrag vorausgesetzt wurde. Darin lag für

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die Getäuschten ein Schaden. Es ist somit für den Tatbestand des Betruges belanglos, dass der Beschwerdeführer schliesslich während des Strafverfahrens doch die eine Schuld ganz, die andere teilweise getilgt hat.
 
Erwägung 3
3. Der Beschwerdeführer verneint die Absicht unrechtmässiger Bereicherung, weil er von Anfang an im Sinne gehabt habe, die beiden Darlehen zurückzubezahlen. Dieses Vorhaben schliesst jedoch den Betrug dann nicht aus, wenn der Täter im Augenblick der Tat weiss, dass es ein blosser Wunsch bleiben wird, den er nicht rechtzeitig wird erfüllen können. Indem er die Tat trotz dieses Wissens begeht, billigt er die Bereicherung, die sie für ihn zur Folge hat. Der sicheren Voraussicht und dem direkten Wollen dieser Bereicherung gleichgestellt ist die bloss eventuelle Bereicherungsabsicht (BGE 69 IV 80). Sie liegt dann vor, wenn dem Täter die Möglichkeit der Bereicherung bewusst ist und er sie für den Fall, dass sie eintrete, billigt. Beim Betrug durch Aufnahme eines Darlehens muss also dem Borger die Möglichkeit, dass er das Darlehen nicht rechtzeitig werde zurückbezahlen können, bewusst gewesen sein, und er muss diesen Erfolg für den Fall, dass er eintrete, gewollt haben. Das Wollen darf, wenn das Wissen um die Möglichkeit des Erfolges das einzige Indiz ist, nur dann bejaht werden, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolges als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Handeln vernünftigerweise nicht anders denn als Billigung des Erfolges ausgelegt werden kann (BGE 69 IV 80). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle erfüllt. Dem Beschwerdeführer drängte sich angesichts seiner starken Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit, wenn nicht sogar als sicher, so doch als höchst wahrscheinlich auf, dass er die Darlehen nicht rechtzeitig werde zurückbezahlen können. Irgend ein besonderer Grund, der die Hoffnung auf rechtzeitige Rückzahlung gerechtfertigt hätte, ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Indem der Beschwerdeführer die Darlehen trotzdem aufnahm und das Geld für seine persönlichen Bedürfnisse verbrauchte,

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wollte er die Bereicherung für den Fall, dass sie eintrete. Er ist zu Recht des Betruges schuldig erklärt worden.
 
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeisbeschwerde wird abgewiesen.