BGE 126 III 129 - Kodak-Farbnegativfilme |
26. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1999 i.S. Kodak SA gegen Jumbo-Markt AG (Berufung) |
Regeste |
Erschöpfungsgrundsatz im Patentrecht. Parallelimporte patentrechtlich geschützter Produkte. |
Die traditionelle schweizerische Rechtsauffassung, die Rechtsvergleichung sowie eine Abwägung der betroffenen Interessen sprechen für den Grundsatz der nationalen Erschöpfung im Patentrecht, zumal die Unterschiede zwischen Marken- und Urheberrecht einerseits und Patentrecht anderseits eine einheitliche Behandlung der Erschöpfungsfrage nicht als zwingend erscheinen lassen (E. 4-8). |
Auf patentrechtliche Einfuhrmonopole kann das Kartellrecht Anwendung finden (E. 9). |
Sachverhalt |
Die Kodak SA (Klägerin) ist infolge einer Patentabtretung Inhaberin des schweizerischen Teils des Europäischen Patents EP 0 028 099 (Kodak-Farbnegativfilme), welches im Übrigen ihrer Muttergesellschaft, der Eastman Kodak Company, Rochester/USA zusteht. Die Klägerin ist eine reine Vertriebsgesellschaft. Sie bezieht von verschiedenen Kodak-Produktionsgesellschaften Farbnegativ-Filme unter der Bezeichnung Kodak Gold 200 (mit 12, 24 und 36 Bildern pro Film) sowie Einwegkameras mit Kodak Gold 400-Farbnegativ-Filmen insbesondere unter der Bezeichnung "Fun Flash", "Fun Waterproof" und "Fun Wide Angle" für den Vertrieb in der Schweiz. Sie hat für die Schweiz die exklusive Kodak-Vertriebsberechtigung und beliefert Grossisten und Detailhändler. |
Die Jumbo Markt AG (Beklagte) verkauft unter anderem Kodak-Produkte, die sie teilweise über die von der Klägerin autorisierten Quellen in der Schweiz bezieht. Daneben bietet sie ihren Kunden aber auch Farbnegativfilme Kodak Gold 200 und Kodak Einwegkameras (mit dem Film Kodak Gold 400) an, die aus Grossbritannien stammen. Diese Filme und Kameras sind vom Schutzbereich des EP 0 028 099 erfasst. Sie sind in England mit Zustimmung der für Grossbritannien zuständigen Kodak-Gesellschaft in Verkehr gebracht worden, und es handelt sich um ordnungsgemäss für den englischen Markt bestimmte Kodak-Produkte.
|
Am 19. Dezember 1996 klagte die Kodak AG gegen die Jumbo Markt AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich im Wesentlichen mit dem Antrag, der Verkauf der nicht von der Klägerin in den Verkehr gebrachten Kodak-Produkte sei der Beklagten unter Androhung der Ungehorsamstrafe zu verbieten (Rechtsbegehren Ziffer 1), die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin den durch den widerrechtlichen Vertrieb der Filme und Einwegkameras erzielten, gerichtlich festzustellenden Gewinn herauszugeben (Ziffer 2), die Beklagte habe die Bezugsquellen der Filme und Einwegkameras gemäss Begehren 1 zu bezeichnen (Ziffer 3) und die Klägerin sei schliesslich für berechtigt zu erklären, das Ziffer 1 betreffende Urteilsdispositiv auf Kosten der Beklagten in zwei Fachzeitschriften für den Fotohandel sowie je einer Tageszeitung in der deutschen, französischen und italienischen Schweiz sowie im Fürstentum Liechtenstein zu publizieren. |
Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Urteil vom 23. November 1998 ab. Das Gericht erkannte, dass im Patentrecht ebenso wie im Marken- und Urheberrecht der Grundsatz internationaler Erschöpfung gelte.
|
Mit Berufung vom 11. Januar 1999 stellt die Klägerin die Anträge, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. November 1998 sei aufzuheben, die Klage sei bezüglich Rechtsbegehren Ziffer 1 gutzuheissen und bezüglich der Rechtsbegehren Ziff. 2 bis 4 zur Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
|
Die Beklagte schliesst in ihrer Antwort auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. November 1998.
|
Aus den Erwägungen: |
Dem Patentinhaber allein ist somit vorbehalten, der Erfindung entsprechend hergestellte, patentrechtlich geschützte Waren in Verkehr zu bringen. Benutzt er die Erfindung in dieser Weise und veräussert er eine patentrechtlich geschützte Sache, so gerät sein ausschliessliches Recht zur gewerbsmässigen Benützung der Erfindung für diesen Gegenstand mit den Befugnissen des Erwerbers aus sachenrechtlichem Eigentum in Konflikt. In der Lehre ist anerkannt, dass das sachenrechtliche Eigentum hier vorgeht und der Erwerber sowie seine Rechtsnachfolger die Befugnisse aus dem Sacheigentum ausüben können, ohne die Rechte des Patentinhabers zu verletzen.
|
b) Das freie Benutzungsrecht des Sacheigentümers wurde im 19. Jahrhundert theoretisch mit einer stillschweigenden Lizenz erklärt, die der Patentberechtigte dem Erwerber und dessen Rechtsnachfolgern einräume (ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 3. Auflage 1985, S. 764). Diese Theorie liegt offenbar dem britischen Recht der "implied licence" nach wie vor zugrunde (vgl. PERRET, Importations parallèles et droit des brevets d'invention, in: Mélanges Dessemontet, Lausanne 1998, S. 181; BEIER, Die Zulässigkeit von Parallelimporten patentierter Erzeugnisse, GRUR Int. 1996 S. 4; GLADWELL, The Exhaustion of Intellectual Property Rights, European Intellectual Property Review, Bd. 8 1986, S. 366; ähnlich für Japan auch das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 1. Juli 1997, GRUR Int. 1998 S. 168 ff., insb. Ziff. 3 (4) S. 169/70; so auch der japanische Report bei TELLEKSON, Should the Theory of International Exhaustion of Intellectual Property Rigths Be Universally Accepted and Applied in an Identical Manner to Each of the Different Categories of These Rights?, Revue Internationale de la Concurrence, 2. 1999, S. 17). |
Die aktuelle schweizerische Doktrin folgt dagegen mit der kontinentaleuropäischen der von JOSEF KOHLER entwickelten Lehre über den Zusammenhang der Benutzungsarten. Danach werden die durch das Patentrecht vermittelten Befugnisse für einen Gegenstand verbraucht, konsumiert oder erschöpft, wenn die am Patent berechtigte Person eine patentgeschützte Sache veräussert oder wenn die Sache mit ihrem Einverständnis in Verkehr gesetzt wird (BLUM/PEDRAZZINI, Das Schweizerische Patentrecht, 2. Auflage 1975, Bd. I, Anm. 13 zu Art. 8; TROLLER, a.a.O.; vgl. auch HEATH, Parallel Imports and International Trade, International Review of Industrial Property and Copyright Law [IIC] 1997, S. 625; KOHLER, Handbuch des deutschen Patentrechts, Mannheim 1900, S. 452 ff., 457; BENKARD/BRUCHHAUSEN, Patentgesetz, 9. Auflage München 1993, N. 15-17 zu § 9 PatG; COHEN JEHORAM, Prohibition of Parallel Imports Through Intellectual Property Rights, IIC 1999, S. 497/8). In dieser Weise erschöpft sich durch das Inverkehrsetzen namentlich die Befugnis des Patentinhabers zu gewerbsmässigem Gebrauch und weiterem Feilhalten, Verkauf und Inverkehrbringen des patentgeschützten Gegenstandes (TROLLER, a.a.O.; BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O.). Dieser Grundsatz ist allgemein anerkannt und wird von den Parteien nicht in Frage gestellt, soweit der Gegenstand vom Patentinhaber selbst oder mit seinem Einverständnis in der Schweiz in Verkehr gebracht wird (PEDRAZZINI/VON BÜREN/MARBACH, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bern 1998, S. 48 N. 140).
|
Streitig ist allein, ob die Befugnisse aus dem Schweizer Patent ebenfalls erschöpft werden, wenn die Waren vom schweizerischen Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung im Ausland in Verkehr gebracht werden (Grundsatz der internationalen Erschöpfung), eventuell nur bei Inverkehrsetzung in bestimmten andern Ländern (regionale Erschöpfung, vgl. dazu COTTIER/STUCKI, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, in: Conflit entre importations parallèles et propriété intellectuelle?, Comparativa 60, Genève 1996, S. 35, 47/8), oder ob die Einfuhr derartiger Waren in die Schweiz das Patent verletzt, wenn sie gegen den Willen des Patentinhabers erfolgt (Grundsatz der nationalen Erschöpfung). |
a) Art. 8 Abs. 2 PatG gewährleistet dem Patentinhaber das ausschliessliche Recht zur Einfuhr patentierter Gegenstände. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung wird klar, dass daraus nicht eine Positivierung des Grundsatzes der nationalen Erschöpfung abgeleitet werden kann. Die Aufnahme auch der Einfuhr als dem Patentinhaber vorbehaltene Benützung wurde nämlich bei der Revision vom 16. Dezember 1994 im Rahmen der notwendigen Rechtsanpassungen für die Ratifizierung der GATT/WTO-Übereinkommen zusätzlich in Art. 8 Abs. 2 PatG eingefügt. In der Botschaft vom 19. September 1994 führte der Bundesrat zur Begründung aus, die bis dahin nicht ausdrücklich erwähnte Einfuhr zum Zwecke der anderen in Art. 8 Abs. 2 PatG genannten Verwendungen gelte gemäss Art. 28 Abs. 1 des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPs-Abkommen; SR 0.632.20 Anhang 1.C) ebenfalls als Benützungshandlung. Die entsprechende Gesetzesänderung werde es dem Patentinhaber erlauben, sich bereits bei der Einfuhr patentverletzender Erzeugnisse zur Wehr zu setzen. Diese Möglichkeit sei insofern von Bedeutung, als es in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereite, importierte Erzeugnisse zu beschlagnahmen, nachdem sie bereits Eingang in die landesweiten Vertriebs- und Verteilungskanäle gefunden haben (GATT-Botschaft 2 vom 19. September 1994, BBl 1994 IV 984). Die redaktionelle Änderung von Art. 8 PatG vom 16. Dezember 1994 hat die geltende Rechtslage nicht geändert (vgl. BGE 97 II 169 E. 2a S. 172). Für die Einfuhr regelt Art. 8 Abs. 2 PatG den Konflikt patentrechtlicher Befugnisse gegenüber den Rechten aus dem Sacheigentum ebenso wenig wie für die anderen, in dieser Bestimmung aufgeführten patentrechtlichen Nutzungsbefugnisse.
|
Nach der Praxis des Bundesgerichts kommt dem schweizerischen Patentgesetz ein strikt territorialer Geltungsbereich zu. Dies bedeutet namentlich, dass der Schutz des schweizerischen Patentes an den Landesgrenzen endet (BGE 122 III 81 E. 5a S. 87; BGE 115 II 279; BGE 100 II 237 E. 2; BGE 97 II 169 E. 2a S. 173; BGE 92 II 293 E. 4). Der mit dem Patentgesetz angestrebte Schutz gilt bloss innerhalb der Landesgrenzen und Patentverletzungen werden nur erfasst, wenn sie sich in der Schweiz auswirken, wenn also die in Nachahmung der Erfindung widerrechtlich hergestellten oder benutzten Gegenstände auf schweizerisches Gebiet gelangen. Dies schliesst etwa aus, den Ort des Vertragsschlusses in der Schweiz unbekümmert darum zu berücksichtigen, ob die Gegenstände ausschliesslich für Drittländer bestimmt sind, weil diesfalls der Schutzbereich des Gesetzes auf das Ausland ausgedehnt würde (BGE 100 II 237 E. 2 S. 238; 35 II 643). Auch die Herstellung von Erzeugnissen im Ausland in Verletzung eines in der Schweiz geschützten Patentes wird vom Geltungsbereich des Patentgesetzes nur erfasst, wenn die Gegenstände in die Schweiz eingeführt werden, um hier vertrieben oder auch bloss gelagert und dann wieder ausgeführt zu werden (BGE 100 II 237 E. 2 S. 239 mit Hinweisen). Dass die unbefugte Benützung einer patentierten Erfindung nach dem Territorialitätsprinzip nur dann gegen schweizerisches Recht verstösst, wenn sie in der Schweiz erfolgt, heisst dagegen nicht, im Ausland erfolgte Handlungen seien in jedem Fall unbeachtlich. Vielmehr genügt, dass die widerrechtliche Benützung in der Schweiz vom Ausland aus veranlasst oder gefördert worden ist, und die handelnde Person ist für jedes Tun oder Unterlassen unbesehen um den Ort der Handlung nach schweizerischem Recht verantwortlich, wenn solches Verhalten rechtserhebliche Ursache einer in der Schweiz erfolgten Benützung ist (BGE 97 II 169 E. 2a S. 173; BGE 92 II 293 E. 4 S. 296).
|
Das Territorialitätsprinzip besagt somit, dass das Patentgesetz nur Anwendung findet, sofern die Benutzung der geschützten Erfindung im Sinne von Art. 8 PatG auf schweizerischem Hoheitsgebiet erfolgt und insofern der Erfolg hier eintritt (VISCHER, IPRG-Kommentar, Zürich 1993, N. 3 sowie 5/6 zu Art. 110). Es ergibt sich daraus nicht, dass für die Anwendung des schweizerischen Rechtes Ereignisse allein deshalb unbeachtlich wären, weil sie sich im Ausland zugetragen haben (MARBACH, Der Stellenwert ausländischer Sachverhalte bei der Beurteilung nationaler Markenrechte, ZBJV 124bis/1988 S. 320/1; BIERI-GUT, Parallelimport und Immaterialgüterrechte nach schweizerischen Spezialgesetzen und dem Recht der EU, AJP 1996 S. 560; COTTIER/STUCKI, a.a.O., S. 35; vgl. auch BERNHARDT/KRASSER, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Auflage München 1986, S. 582; LOEWENHEIM, Nationale und internationale Erschöpfung von Schutzrechten im Wandel der Zeiten, GRUR Int. 1996 S. 309 mit Hinweisen in Fn. 36). Seit jeher selbstverständlich ist in dieser Hinsicht auch, dass für Fragen der Neuheit oder des Standes der Technik nicht allein auf schweizerische Veröffentlichungen zurückgegriffen werden kann. Inwiefern Sachverhalte, die sich im Ausland zugetragen haben, für die Anwendung des Patentgesetzes beachtlich sind, lässt sich aus dem Territorialitätsprinzip als solchem nicht beantworten. Namentlich steht es einer internationalen Erschöpfung des Patentrechts nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BGE 122 III 469 E. 5e S. 479 in Bezug auf das Markenrecht). |
Wie bereits in BGE 124 III 321 E. 2d S. 328 festgestellt wurde, ist somit davon auszugehen, dass die hier zu entscheidende Problematik gesetzlich nicht geregelt ist.
|
a) Das Territorialitätsprinzip ist auch im internationalen Patentrecht verankert (vgl. BAEUMER, Anmerkungen zum Territorialitätsprinzip im internationalen Patent- und Markenrecht, Festschrift für Wolfgang Fikentscher zum 70. Geburtstag, Tübingen 1998, S. 809/810). So ist der Patentschutz nach den von der Schweiz abgeschlossenen internationalen Verträgen jeweils auf die Staaten beschränkt, für welche dieser Schutz vom Berechtigten ausdrücklich beansprucht wird und für welche die entsprechenden formellen Schutzvoraussetzungen erfüllt werden.
|
Art. 4bis der in Stockholm revidierten Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ; SR 0.232.04) bestimmt etwa in Absatz 1, dass die in den verschiedenen Verbandsländern von Verbandsangehörigen angemeldeten Patente unabhängig sind von den Patenten, die für dieselbe Erfindung in anderen Ländern erlangt worden sind, mögen diese Länder dem Verband angehören oder nicht. Gemäss Absatz 2 ist diese Bestimmung ohne jede Einschränkung zu verstehen, insbesondere in dem Sinn, dass die während der Prioritätsfrist angemeldeten Patente sowohl hinsichtlich der Gründe der Nichtigkeit und des Verfalls als auch hinsichtlich der gesetzmässigen Dauer unabhängig sind. Aus dem in Art. 4bis PVÜ zum Ausdruck gelangenden Grundsatz der Unabhängigkeit der Patente kann indessen nicht auf eine Kodifizierung der nationalen Erschöpfung geschlossen werden. Vielmehr sollten damit nationale Regelungen ausgeschlossen werden, welche aufgrund des internationalen Abkommens erworbene Patente von der Gültigkeit des Ursprungspatents abhängig machten (HEATH, a.a.O., S. 628; BÜRGI/LANG, Rettungsanker Patentrecht zum Schutz selektiver Vertriebssysteme in der Schweiz?, sic! 4/1999 S. 385). |
Die territoriale Unabhängigkeit von Patenten ist auch in Art. 3 des Europäischen Patentübereinkommens vom 5. Oktober 1973 (EPÜ; SR 0.232.142.2) statuiert. Nach dieser Bestimmung kann die Erteilung des europäischen Patentes für einen, mehrere oder alle Vertragsstaaten beantragt werden. Trotz der weitgehenden Vereinheitlichung des materiellen Schutzes im EPÜ und trotz der Möglichkeit einheitlicher Patentanmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA) erhält der Erfinder kein einheitliches Patent für den gesamten Geltungsbereich des EPÜ. Die europäische Patentanmeldung verschafft dem Patentinhaber vielmehr dieselben Rechte, die ihm ein in den ausdrücklich benannten Vertragsstaaten jeweils erteiltes nationales Patent gewähren würde (Art. 64 Abs. 1 EPÜ). Ein europäisches Patent zerfällt daher mit seiner Erteilung in nationale Patente und unterliegt dem entsprechenden nationalen Recht (RIPPE/GALL, Europäische und internationale Patentanmeldungen, Leitfaden für die Praxis, Köln/Berlin/Bonn/München 1998, S. 4/5).
|
Ebenso verhält es sich mit der internationalen Anmeldung nach dem Vertrag vom 9. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT; SR 0.232.141.1). Nach diesem Abkommen können Anmeldungen zum Schutz von Erfindungen in jedem Vertragsstaat eingereicht werden (Art. 3 Abs. 1). Auch hier sind die Bestimmungsstaaten zu bezeichnen, in denen Patentschutz beansprucht wird (Art. 4 Abs. 1 lit. ii). Die Wirkungen der internationalen Veröffentlichung einer internationalen Anmeldung sind die gleichen, wie sie nach dem nationalen Recht des Bestimmungsstaates der gesetzlich vorgeschriebenen inländischen Veröffentlichung einer ungeprüften nationalen Anmeldung zukommen (Art. 29 Abs. 1, vgl. auch RIPPE/GALL, a.a.O., S. 141 ff.).
|
Auch wo daher die Anmeldung, sei es im Rahmen des PCT oder des EPÜ, formell einheitlich für mehrere Verbandsstaaten erfolgen kann und auch wo die Schutzvoraussetzungen, sei es im Sinne der Mindestvorschriften gemäss Art. 28-33 TRIPs oder im Sinne weitgehender Harmonisierung im Rahmen des EPÜ, materiell übereinstimmen, besteht der Patentschutz in einem ganzen Bündel nationaler Rechte (DAVID, AJP 1999 S. 110 Ziff. 5; COMTE, Internationale Erschöpfung der Patentrechte?, sic! 4/1999 S. 479, 482). Es bedarf der formellen Beanspruchung und Aufrechterhaltung des Schutzes für jedes einzelne Land sowie der Erfüllung der entsprechenden Formvorschriften, insbesondere der Entrichtung der Gebühren, um in einem bestimmten Land Patentschutz beanspruchen und ihn während der Schutzdauer aufrecht erhalten zu können (vgl. dazu sic! 4/1999 S. 513/4). Diese nationale Beschränkung des Patentschutzes selbst im Rahmen internationaler Abkommen kann zwar nicht unbeachtet bleiben (vgl. dazu E. 8c hienach). Aus dem im internationalen Patentrecht verankerten Territorialitätsprinzip ergibt sich indessen so wenig wie aus dem nationalen Recht (vgl. hiezu oben E. 2b) der Grundsatz der nationalen Erschöpfung. |
b) Gemäss Art. 28 TRIPs-Abkommen hat der Patentinhaber u.a. das Recht, Dritten den Verkauf und die diesem Zweck dienende Einfuhr patentierter Gegenstände zu untersagen. Diese Bestimmung schreibt mit dem Schutz der Einfuhr allein vor, den Import von Produkten zu sanktionieren, die das Patent verletzen, ohne selbst ein Verbot von Parallelimporten zu statuieren. Dies ergibt sich nicht nur aus Art. 6 TRIPs-Abkommen, sondern wird überdies in einer Fussnote zu Art. 28 TRIPs mit dem Verweis auf Art. 6 klargestellt (GATT-Botschaft 1, BBl 1994 IV S. 301/2; vgl. auch BOLLINGER, Die Regelung der Parallelimporte im Recht der WTO, sic! 6/1998 S. 548; ALESCH STAEHELIN, Das TRIPs-Abkommen, 2. Auflage Bern 1999, S. 57 ff. und 148/9; COTTIER/STUCKI, a.a.O., S. 52; COHEN JEHORAM, International Exhaustion versus Importation Right: a Murky Area of Intellectual Property Law, GRUR Int. 1996 S. 284). Die in der Literatur vereinzelt geäusserte Behauptung, dass mit dem materiellen Schutz der Einfuhr die nationale Erschöpfung durch das TRIPs-Abkommen geradezu vorgeschrieben werde, überzeugt dagegen nicht (so aber STRAUS, Bedeutung des TRIPs für das Patentrecht, GRUR Int. 1996 S. 193/4); denn mit dem Versuch, gerade aus diesem Abkommen die ausschliessliche Geltung der nationalen Erschöpfung herzuleiten, wird die auf Beseitigung von Handelshemmnissen jeglicher Art gerichtete Zielsetzung des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994, dessen Bestandteil das TRIPs-Abkommen bildet, übergangen und verkannt. Im TRIPs sollen vielmehr zwei Anliegen zum Ausgleich gebracht werden, nämlich die Förderung des Freihandels einerseits und ein verstärkter Schutz des geistigen Eigentums andererseits (BRONCKERS, The Exhaustion of Patent Rights under WTO Law, Journal of World Trade 1998, S. 144). Die Erschöpfung und damit die Frage, ob insbesondere Parallelimporte durch den Patentberechtigten verboten werden können, wird durch Art. 28 TRIPs jedoch nicht geregelt, sondern gemäss Art. 6 TRIPs ausdrücklich dem nationalen Recht vorbehalten (vgl. auch KUNZ-HALLSTEIN, Zur Frage der Parallelimporte im internationalen gewerblichen Rechtsschutz, GRUR 1998 S. 269/70). |
Zusammengefasst ist die Frage der nationalen oder internationalen Erschöpfung weder im nationalen, noch im für die Schweiz geltenden internationalen Recht geregelt, weshalb diesbezüglich von einer echten Lücke auszugehen ist.
|
Richterliche Lückenfüllung besteht in der Bildung einer Rechtsregel in umfassender Würdigung der generell-abstrakten Interessenlage unter dem Gesichtspunkt der Realien, der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 317 zu Art. 1 ZGB). Die Verpflichtung auf die Realien rückt dabei diejenige Norm in den Vordergrund, welche im Verkehr bisher beachtet worden ist (dazu E. 5 hienach). Zudem gilt es, das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung zu beachten. Die richterliche Rechtsregel soll sich nach Möglichkeit in das vorgegebene System einpassen, dem Gedanken Rechnung tragend, dass gleichgelagerte Rechtsfragen ohne Not nicht unterschiedlich beantwortet werden sollten. Die Lückenfüllung ist damit auf den Weg der Analogie verpflichtet, auf die Gesetzesanalogie wenn eine positive Norm Gleichwertiges regelt, auf die Rechtsanalogie wenn eine solche Norm fehlt, aber aus dem Geist der positiven Rechtsordnung ein Prinzip auszumachen ist, welches regelfähig umgesetzt werden kann (dazu E. 6 hienach; zum Ganzen MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 345 ff.). Namentlich im traditionell grenzüberschreitenden Rechtsverkehr lässt sich überdies eine sachgerechte Rechtsfindung und damit auch Lückenfüllung ohne rechtsvergleichende Grundlage nicht verwirklichen (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 366 ff.). Dies gilt besonders, wo sich vordringlich wirtschaftspolitische Fragen stellen und darauf zu achten ist, dass durch einen isolationistischen Rechtszustand weder Privilegierungen noch Diskriminierungen auf dem internationalen Markt begründet werden (dazu E. 7 hienach). Sind schliesslich sich widerstrebende Interessen betroffen, muss - namentlich bezüglich verschiedener Verfassungsnormen mit unterschiedlicher Schutzrichtung - eine Interessenabwägung vorgenommen werden (E. 8 hienach). |
b) Von einem anderen Teil der Doktrin wird in jüngerer Zeit in Ablehnung der herrschenden Lehre der Grundsatz der internationalen Erschöpfung vertreten. Begründet wird dies namentlich mit der Handels- und Gewerbefreiheit, dem aussenwirtschaftsrechtlichen Umfeld sowie den Interessen der Konsumenten (ZÄCH, Recht auf Parallelimporte und Immaterialgüterrecht, SJZ 91/1995 S. 301 ff., 310; COTTIER/STUCKI, a.a.O., S. 58; BIERI-GUT, a.a.O., S. 573/4; BÜRGI/LANG, a.a.O., S. 384 ff.). Zum Teil wird aus denselben Gründen auch eine Änderung der Auslegung des Freihandelsabkommens der Schweiz mit der Europäischen Union befürwortet, die zu einer regionalen Erschöpfung in diesem Freihandelsraum führen müsste (COTTIER/STUCKI, a.a.O., S. 48). |
c) Aus der kantonalen Rechtsprechung sind - abgesehen vom angefochtenen Urteil des Handelsgerichts Zürich, in dem der Grundsatz der internationalen Erschöpfung für das Patentrecht anerkannt wird - vier Entscheide bekannt, deren zwei Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen betreffen. So hat die Justizkommission des Obergerichts Luzern in einem Entscheid vom 11. Dezember 1987 internationale Erschöpfung angenommen (LGVE 1987 I Nr. 25 S. 66 ff.; kritisch dazu PEDRAZZINI, SMI 1989 S. 181). Der Einzelrichter im summarischen Verfahren am Handelsgericht des Kantons Zürich hat dagegen am 6. Februar 1979 nach dem Grundsatz nationaler Erschöpfung entschieden (SMI 1982 S. 95 ff.), ebenso wie das Appellationsgericht des Kantons Tessin in einem Entscheid vom 30. August 1985 (SMI 1988 S. 202 ff.) und die Cour de Justice des Kantons Genf am 14. April 1983 (SJ 1984 S. 31).
|
Obwohl die neueren Tendenzen nicht übersehen werden, spricht demnach die traditionelle schweizerische Rechtsauffassung für den Grundsatz der nationalen Erschöpfung.
|
In Bezug auf das Markenrecht erschien in erster Linie wesentlich, dass die Kennzeichnungsfunktion der Marke durch Parallelimporte nicht beeinträchtigt wird, wobei zusätzlich auf die durch Art. 31 BV gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit hingewiesen wurde, die auch die Aussenhandelsfreiheit umfasst (BGE 122 III 469 E. 5f, g S. 479/80).
|
Für das Urheberrecht wurde namentlich die lange Tradition internationaler Erschöpfung im schweizerischen Recht berücksichtigt, die zunächst auch in Vorentwürfen und Entwürfen zum geltenden Art. 12 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG; SR 231.1) Ausdruck gefunden hatte, die jedoch in der parlamentarischen Beratung im Hinblick auf den EWR-Vertrag und der dort vorgesehenen regionalen Erschöpfung nicht ins Gesetz aufgenommen wurde (BGE 124 III 321 E. 2b S. 325). Im Nintendo-Urteil wurde überdies der systematische Unterschied zwischen der Marke als Kennzeichen und dem Urheberrecht als Verwertungsrecht einer Leistung anerkannt, wenn auch angesichts der Leistungen des Markenberechtigten bei der Schaffung, Einführung und Vermarktung des Kennzeichens relativiert (BGE 124 III 321 E. 2c S. 327/8). Es wurde zudem wiederum berücksichtigt, dass die in Art. 31 BV gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit insbesondere das Recht umfasst, auch immaterialgüterrechtlich geschützte Produkte ein- und auszuführen (BGE 124 III 321 E. 2g S. 331). Ausdrücklich offen gelassen wurde in diesem Urteil die Frage, ob die Unterschiede des Urheberrechts zum funktionsverwandten Patent eine unterschiedliche Beurteilung der Erschöpfungsfrage rechtfertigen würden (BGE 124 III 321 E. 2d S. 328). |
Im Hinblick auf das Postulat der Einheit der Rechtsordnung stellt sich die Frage, ob alle Immaterialgüterrechte bezüglich der Erschöpfung zwingend gleich zu behandeln oder ob im Patentrecht Besonderheiten zu beachten sind, die eine unterschiedliche Regelung der Erschöpfung gegenüber dem Marken- und dem Urheberrecht zu rechtfertigen vermögen.
|
b) Die Funktion des Markenrechts als Kennzeichen hatte schon altrechtlich eine einschränkende Auslegung von Art. 24c aMSchG in dem Sinne veranlasst, dass Einfuhren mit im Ausland rechtmässig angebrachten Marken vom Berechtigten nur unter der Voraussetzung der Täuschung des Publikums verboten werden konnten (BGE 122 III 469 E. 5b S. 474/5 mit Verweisen; vgl. auch DAVID, Basler Kommentar zum Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Auflage 1999, N. 17 zu Art. 13 MSchG). Diese Funktion als Kennzeichen unterscheidet die Marke denn auch vom primären Verwertungsrecht, welches Patent wie Urheberrecht dem Berechtigten verschaffen (PERRET, Quelques observations sur l'épuisement des droits de propriété intellectuelle, SZIER 1997, S. 288 ff., hält aus diesem Grund im Anwendungsbereich des Markenrechts das Konzept der Erschöpfung für verfehlt). Auch wenn dieser funktionelle Unterschied nicht überbewertet werden darf und allein eine unterschiedliche Regelung der Erschöpfung kaum rechtfertigt (BGE 124 III 321 E. 2c S. 328), bleibt die Kennzeichnungsfunktion der Marke doch ihr unverzichtbares Merkmal. Das Markenrecht ist zudem im Unterschied zum Patent grundsätzlich unbefristet (vgl. TELLEKSON, a.a.O., S. 15). |
c) Die Verwertungsrechte von Patent und Urheberrecht sodann sind zwar funktionsverwandt, beziehen sich aber auf andere geistige Leistungen - technologische einerseits, kulturelle anderseits - und sind grundlegend anders ausgestaltet. Das Patent verleiht seinem Inhaber Ausschliesslichkeitsansprüche zur Verwertung der Erfindung für eine im Vergleich zum Urheberrecht wesentlich kürzere Dauer. Die Schutzdauer für Patente beträgt grundsätzlich höchstens 20 Jahre seit der Anmeldung (Art. 14 PatG, vgl. auch Art. 140a ff. PatG). Das Urheberrecht demgegenüber verschafft dem Urheber selbst bis zum Tod und seinen Rechtsnachfolgern darüber hinaus während 70, ausnahmsweise 50 Jahren urheberrechtlichen Schutz (Art. 29 URG). Dem Patentinhaber steht für die Amortisation seiner Investitionen daher wesentlich weniger Zeit zur Verfügung als dem Schöpfer eines urheberrechtlich geschützten Werkes. Zudem setzt das Erlangen und Aufrechterhalten eines Patentes nach Art. 41 PatG die Bezahlung der in der Verordnung vorgesehenen Gebühren voraus, während ein literarisches oder künstlerisches Werk individuellen Charakters urheberrechtlichen Schutz geniesst, sobald es geschaffen ist (Art. 29 Abs. 1 URG).
|
Die urheberrechtlichen Befugnisse sind im Übrigen generell weniger eng an die Sachen gebunden, in denen das Immaterialgut sich konkret verwirklicht und zum Ausdruck kommt. Während beim Patent der wirtschaftliche Nutzen regelmässig in der Sache selbst liegt, zu deren technischen Herstellung die Erfindung anleitet, kann ein künstlerisches Werk auf unterschiedliche Weise verwendet werden (Art. 10 URG). Dies beeinflusst insbesondere das Verhältnis der immateriellen Verwertungsbefugnisse zum Sacheigentum, welches mit der Lehre der Erschöpfung erfasst wird. Die wirtschaftliche Verwertung einer Erfindung ist nach der Herstellung eines patentierten Gegenstandes an den Gebrauch und die Weiterveräusserung dieses Gegenstandes gebunden. Diese Nutzungen sind dem Patentinhaber zwar vorbehalten (Art. 8 Abs. 2 PatG), doch begibt er sich ihrer mit der ersten massgebenden Inverkehrsetzung. Ein urheberrechtlich geschütztes Werk dagegen kann regelmässig auf unterschiedliche Weise und mehrfach wahrnehmbar gemacht werden, wobei wesentliche Befugnisse zur Verwertung des Werkes trotz Begebung eines Werkexemplares bei der Urheberin verbleiben (vgl. insbes. Art. 10 Abs. 2 lit. c-f, Art. 13 ff. URG). Mit der Veräusserung des geschützten Gegenstands begibt der Urheber daher weniger Rechte als der Patentinhaber. |
Unterschiede zwischen Patent und Urheberrecht sind sodann im wirtschaftspolitischen Bereich nicht zu übersehen. Die Objekte des Urheberrechts befriedigen traditionell eher ästhetische Bedürfnisse, diejenigen des Patentrechts verbreitet auch existentielle. Die internationale Preisgestaltung erhält damit gerade bei patentierten Erzeugnissen auch eine wirtschaftsethische Seite, sollen bestimmte Regionen nicht von einer wirtschaftlich tragbaren Versorgung mit lebensnotwendigen oder -erhaltenden Gütern ausgeschlossen sein. Gegebenenfalls sind deshalb bezüglich patentierter Produkte unterschiedliche Parameter zu beachten, welche nicht erlauben, den ausländischen Markt zu den Bedingungen des inländischen zu bedienen.
|
d) Obwohl das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung eine einheitliche Behandlung sämtlicher Immaterialgüterrechte in Bezug auf die Erschöpfungsfrage als wünschbar erscheinen lässt, ist eine solche angesichts der dargelegten Unterschiede zwischen Marken- und Urheberrecht einerseits und Patentrecht andererseits nicht zwingend.
|
a) In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wurde - bis zur Anpassung der Gesetzgebung an das Recht der Europäischen Union - insbesondere zwischen der Erschöpfung im Markenrecht einerseits und im Patentrecht anderseits differenziert (vgl. LOEWENHEIM, a.a.O., S. 307 ff.). Während für das Markenrecht der Grundsatz internationaler Erschöpfung aus der Erwägung gerechtfertigt wurde, das Warenzeichen diene lediglich dem Zweck, Verwechslungen der Waren des Zeicheninhabers mit den Waren anderer zu verhüten, ohne den Abnehmern Beschränkungen hinsichtlich des Weitervertriebs oder der Preisgestaltung aufzuerlegen, wurde für das Patentrecht der Grundsatz nationaler Erschöpfung damit begründet, dass dessen Wirkung wegen seiner territorialen Natur auf das Inland beschränkt sei (LOEWENHEIM, a.a.O., unter Verweis namentlich auf RGZ 51, 139; RGZ 51, 263; BGH GRUR 197 6S. 579/582 sowie BGHZ 41, 84; ebenso REIMER, Der Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, GRUR Int. 1972 S. 228). In der herrschenden deutschen Lehre wird der Grundsatz nationaler Erschöpfung im Patentrecht auch dort nicht in Frage gestellt, wo für das Markenrecht die internationale Erschöpfung unterstützt wird. Dabei wird insbesondere geltend gemacht, dass das Territorialitätsprinzip nach wie vor das massgebliche Ordnungsprinzip des gewerblichen Rechtsschutzes wie auch des Urheberrechts bilde und nur dann zurücktrete, wenn Funktion und Zweckbestimmung für eine internationale Beurteilung spreche, was für das Markenrecht im Gegensatz zum Patentrecht zutreffe (BEIER, a.a.O., S. 5/6). Ebenfalls betont wird der Belohnungsgedanke (LOEWENHEIM, a.a.O., S. 310; BEIER, a.a.O., S. 6/7). So wird namentlich angeführt, dass jeder Staat dem Patentinhaber für die Offenbarung seiner Erfindung durch das an seinen Grenzen endende selbständige Ausschliesslichkeitsrecht einen selbständigen Anspruch auf Belohnung zugestehe, der von der Erlangung eines Vorteils aus einem anderen, wenn auch inhaltsgleichen Patent in einem anderen Staat völlig unabhängig sei (BENKARD/BRUCHHAUSEN, a.a.O., N. 21 zu § 9; BERNHARDT/KRASSER, a.a.O., S. 582/3). |
In Frankreich gilt für das Patentrecht ebenfalls der Grundsatz nationaler Erschöpfung, soweit nicht das europäische Recht regionale unionsweite Erschöpfung verlangt (PAUL MATHÉLY, Le nouveau droit français des brevets d'invention, Ed. du J.N.A. Paris 1991, S. 309 ff., vgl. auch S. 284). Art. 30 bis des französischen Patentgesetzes von 1968 in der Fassung von 1978 bestimmt diesbezüglich, dass sich die Rechte aus dem Patent nicht auf Handlungen an Produkten erstrecken, die in Frankreich (Hervorhebung nur hier) durch den Patentinhaber oder mit seiner Einwilligung in Verkehr gesetzt worden sind (zit. nach MATHÉLY, a.a.O., S. 309; vgl. auch BEIER, a.a.O., S. 3). Im französischen Markenrecht war demgegenüber herkömmlicherweise der Erschöpfungsgedanke nicht bekannt; der Markeninhaber behielt vielmehr seine aus dem Markenrecht fliessende Kontrolle so lange, als sich der mit dem Zeichen versehene Gegenstand im Handel befand und verlor die Herrschaft darüber erst, wenn der Gegenstand in den Herrschaftsbereich des Endverbrauchers gelangt war (MATHÉLY, Le nouveau droit des marques, Ed. du J.N.A. Paris 1994, S. 180; vgl. auch TELLEKSON, a.a.O., S. 27).
|
In Österreich gilt traditionellerweise für das Patentrecht ebenfalls der Grundsatz der nationalen Erschöpfung (vgl. FRIEBEL/PULITZER, Österreichisches Patentrecht, 2. Auflage Köln etc. 1971, § 22 Rz. K.IV.2.c S. 217), während für das Markenrecht vor der europäischen Harmonisierung die Erschöpfung ungeachtet dessen eintrat, wo das Inverkehrsetzen erfolgt war (ANNETTE KUR, Einführung, in: SCHRICKER/BASTIAN/ALBERT, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, Baden-Baden 1998, S. 42/3; vgl. auch das EuGH-Urteil Silhouette gegen Hartlauer vom 16. Juli 1998, Rs C-355/96, Slg. 1998 I-4799, I-4827 Rz. 13). |
Auch Italien kennt traditionell den Grundsatz nationaler Erschöpfung im Patentrecht. Art. 1 Abs. 2 des entsprechenden Erlasses bestimmt denn auch ausdrücklich, dass sich die Befugnisse des Patentinhabers erschöpfen, wenn sie im Staatsgebiet in Verkehr gebracht worden sind (vgl. MARCHETTI/UBERTAZZI, Commentario breve alla legislazione sulla proprietà industriale e intellettuale, Padova 1987, brevetti per invenzioni, S. 109). Auch für das Urheberrecht und das Markenrecht gilt in Italien unter Vorbehalt des EU-Rechtes der Grundsatz nationaler Erschöpfung (MARCHETTI/UBERTAZZI, a.a.O., S. 6, 469).
|
b) Innerhalb der Europäischen Union gilt das Recht des Patentinhabers an einer patentierten Sache (regional) als erschöpft, wenn sie in einem Mitgliedstaat vom Patentinhaber oder mit dessen Einverständnis in Verkehr gesetzt worden ist, wobei dieses Einverständnis mit der Inverkehrsetzung als wesentlich erscheint (MAGER, Zur Zulässigkeit von Parallelimporten patentgeschützter Waren, GRUR 1999 S. 639; COHEN JEHORAM, a.a.O. in IIC 1999, S. 500; TELLEKSON, a.a.O., S. 6/7; vgl. dazu schon KOCH/FROSCHMAIER, Patentgesetze und Territorialitätsprinzip im Gemeinsamen Markt, GRUR Int. 1965 S. 121 ff.). Wird ein Erzeugnis in einem Mitgliedstaat abgesetzt, in dem kein Patentschutz besteht, hindert dies die unionsweite Erschöpfung nicht (EuGH-Urteil Merck gegen Stephar vom 14. Juli 1981, Rs 187/80, Slg. 1981 2063). Nur wenn ein Patentinhaber nicht frei über die Bedingungen der Inverkehrsetzung seiner patentgeschützten Erzeugnisse im Ausfuhrstaat hat bestimmen können, z.B. weil er infolge einer gesetzlichen Vermarktungspflicht gezwungen war, die Waren dort in Verkehr zu bringen, kann von einem Einverständnis nicht gesprochen werden und ist das Patentrecht an der Ware nicht erschöpft (EuGH-Urteil Merck gegen Primecrown und Beecham gegen Europharm of Worthing vom 5. Dezember 1996, Rs C-267/95 und C-268/95, Slg. 1996 I-6285, I-6389/90 Rz. 49-51). Im Grundsatz hat der EuGH für alle Immaterialgüterrechte erkannt, dass die Freiheit des Warenverkehrs innerhalb des Gemeinsamen Marktes gemäss Art. 30 EWG-Vertrag (neu Art. 28) die Berufung auf den immaterialgüterrechtlichen Schutz immer dann ausschliesst, wenn nur die Ausübung der Rechte und nicht deren Substanz - deren spezifischer Gegenstand - betroffen wird (EuGH-Urteil Centrafarm gegen Sterling Drug vom 31. Oktober 1974, Rs 15/74, Slg. 1974 1147 betr. Patent; EuGH-Urteil Deutsche Grammophon Gesellschaft mbH gegen Metro-SB-Grossmärkte GmbH & Co. KG vom 8. Juni 1971, Rs 78/70, Slg. 1971 487 betr. Urheberrecht; EuGH-Urteil Centrafarm gegen Winthrop vom 31. Oktober 1974, Rs 16/74, Slg. 1974 1183 betr. Marken). Dabei besteht gemäss der Rechtsprechung des EuGH die Substanz des Patentrechts im Wesentlichen darin, dem Erfinder das ausschliessliche Recht zu verleihen, das Erzeugnis als Erster in den Verkehr zu bringen. Dadurch werde ihm ermöglicht, einen Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit zu erhalten, ohne dass ihm jedoch dieser Ausgleich unter allen Umständen garantiert werde. Im Übrigen hält es der EuGH für die Sache des Patentinhabers, in voller Kenntnis der Sachlage über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringt. Er habe die Konsequenzen seiner Wahl hinzunehmen, soweit es um den freien Verkehr der Erzeugnisse innerhalb des Gemeinsamen Marktes gehe und insofern um ein Grundprinzip, das zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Faktoren gehöre, denen der Patentinhaber bei Festlegung der Ausübungsmodalitäten seines Ausschliesslichkeitsrechts Rechnung tragen müsse (EuGH-Urteil Merck gegen Stephar vom 14. Juli 1981, Rs 187/80, Slg.1981 2063, 2081/2 Rz. 9-11; vgl. auch ULLRICH, Gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung von Immaterialgüterrechten und europäischer Konzernverbund, GRUR Int. 1983 S. 370/1). |
Innerhalb der europäischen Union hat der EuGH der Warenverkehrsfreiheit durchwegs den Vorrang vor nationalen Erschöpfungsregelungen eingeräumt. Eine entsprechende Regelung für Freihandelsabkommen, welche wie dasjenige der EWG mit der Portugiesischen Republik ebenfalls die Beseitigung mengenmässiger Einfuhrbeschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung unter Vorbehalt von Beschränkungen aus Gründen (unter anderen) des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums vorsah, hat er jedoch abgelehnt (EuGH-Urteil Polydor gegen Harlequin Record Shops vom 9. Februar 1982, Rs 270/80, Slg. 1982 329 betr. Urheberrechte). Die Überlegungen, die zur Auslegung der Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag (neu Art. 28 und 30) geführt hatten, hielt der Gerichtshof hier nicht für zutreffend, da das Freihandelsabkommen nicht auf die Schaffung eines einheitlichen Marktes abziele, dessen Bedingungen denjenigen eines Binnenmarktes möglichst nahe kommen (a.a.O., Slg. 1982 348 ff.).
|
c) Nach der Rechtsprechung des EuGH werden innerhalb der EU alle Immaterialgüterrechte im Grundsatz einheitlich behandelt, um insbesondere den gemeinsamen Binnenmarkt durchzusetzen. Eine rechtsvergleichende Betrachtungsweise ergibt indessen, dass die nationalen Rechtsordnungen die Frage der Erschöpfung für die verschiedenen Immaterialgüter nicht nur bedingt durch die Modalitäten der Ausgestaltung der Rechte unterschiedlich regeln, sondern für die einzelnen Rechte schon im Grundsatz zugunsten nationaler oder internationaler Erschöpfung differenzieren (TELLEKSON, a.a.O., S. 13/4). |
So nehmen einige europäische Länder für das Markenrecht traditionellerweise internationale oder globale Erschöpfung an (neben Österreich vor allem die Niederlande, Deutschland, England, Schweden, vgl. KUR, a.a.O., S. 42 Fn. 201; COHEN JEHORAM, a.a.O. in IIC 1999, S. 502; TELLEKSON, a.a.O., S. 20). Auch Japan kennt für das Markenrecht internationale Erschöpfung (TELLEKSON, a.a.O., S. 23). Einige nationale Rechte kennen den Grundsatz internationaler Erschöpfung für das Urheberrecht (vgl. für europäische Länder COHEN JEHORAM, a.a.O. in IIC 1999, S. 499; für die Niederlande, die daran auch im Rahmen der EU festhalten, TELLEKSON, S. 29 sowie für Japan S. 31; für Singapur, Malaysia, Neuseeland, COHEN JEHORAM, a.a.O. in IIC 1999, S. 509) oder differenzieren jedenfalls für urheberrechtlich geschützte Produkte den Grundsatz nationaler Erschöpfung (vgl. auch das Urteil des US-Supreme Court vom 9. März 1998 i.S. Quality King Distributors vs. l'Anza Research International, 523 U.S. 135 [1998] betreffend den Fall einer Wiedereinfuhr; COHEN JEHORAM, a.a.O. in IIC 1999, S. 510/1; MOENS, IP Rights Loosening Grip on Parallel Imports, les Nouvelles 1999, S. 27/8).
|
Im Patentrecht dagegen gilt nahezu durchwegs in allen nationalen Rechten der Grundsatz nationaler Erschöpfung (BEIER, a.a.O., S. 1 ff.; TELLEKSON, a.a.O., S. 5 ff.); als Ausnahmen werden nur Argentinien, Brasilien und die Sowjetunion genannt, wo die Rechtslage offenbar streitig ist bzw. war (Beier, a.a.O., S. 5). Brasilien hat nun mit einem neuen Gesetz ebenfalls die nationale Erschöpfung für das Patentrecht statuiert (TELLEKSON, a.a.O., S. 16; MOENS, a.a.O., S. 29). Diese gilt namentlich auch für die USA (VERMA, Exhaustion of Intellectual Property Rights and Free Trade - Article 6 of the TRIPs Agreement, IIC 1998, S. 543, wobei neuere Urteile möglicherweise differenziert entschieden haben, so MOENS, a.a.O., S. 28/9). Japan ermöglicht dem Patentinhaber aufgrund der Theorie der implied license, durch Vereinbarung das mit-übertragene Recht zur Weiterveräusserung zu beschränken (TELLEKSON, a.a.O., S. 17; HEATH, a.a.O., S. 624; MOENS, a.a.O., S. 29). |
Als Gründe für eine differenzierte Anwendung nationaler oder internationaler Erschöpfung je nach der Art des Immaterialgüterrechts werden neben der traditionell unterschiedlichen gesetzlichen Regelung auch noch immer unterschiedliche Schutz-Standards in den einzelnen nationalen Rechten insbesondere für Patente, aber auch die unterschiedliche Funktion und Substanz der Immaterialgüterrechte genannt (vgl. dazu COHEN JEHORAM, a.a.O. in GRUR Int. 1996 S. 281; TELLEKSON, a.a.O., S. 33 ff.).
|
d) Zusammengefasst ist in rechtsvergleichender Sicht eine unterschiedliche Behandlung der Erschöpfung für die verschiedenen Immaterialgüterrechte weitverbreitet. Nahezu sämtliche Staaten gehen von der nationalen Erschöpfung im Patentrecht aus. Diese wird im europäischen Wirtschaftsraum auf die regionale Erschöpfung erweitert. Der internationale Rechtsvergleich spricht damit für die nationale Erschöpfung im Patentrecht.
|
a) Das Patent verleiht dem Inhaber ein zeitlich beschränktes ausschliessliches Nutzungsrecht (vgl. TROLLER, a.a.O. Bd. II., S. 606, 620; BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O., Anm. 2 zu Art. 8). Dieses kann als ein von der Rechtsordnung geschaffenes Monopol umschrieben werden (BORNER, Nationale oder internationale Erschöpfung von Patenten, sic! 4/1999 S. 476). Es beruht auf dem Gedanken der Belohnung für die Bereicherung der Technik und soll dem Erfinder eine Gegenleistung für die Veröffentlichung der Erfindung zugunsten der Allgemeinheit verschaffen. Das befristete Monopol soll dem Patentinhaber die Erzielung eines Gewinnes und die Amortisation seiner Aufwendungen ermöglichen und insofern mit wirtschaftlichen Anreizen zur Forschungstätigkeit motivieren und entsprechend den technischen Fortschritt fördern.
|
Die Patentinhaber sind daran interessiert, die Befugnisse aus dem Patent möglichst weitgehend und umfassend zur Erzielung von Gewinnen nutzen zu können. Sie können sich auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie berufen, zu deren Schutzobjekt die Immaterialgüterrechte gehören (GEORG MÜLLER, Kommentar BV, N. 2 zu Art. 22ter BV mit Verweisen; vgl. auch COMTE, a.a.O., S. 479).
|
Die Händler sind grundsätzlich daran interessiert, bei der Vermarktung immateriellrechtlich geschützter Güter ungehinderten Zugang zu möglichst vielen Bezugsquellen zu haben, um die preiswertesten Angebote nutzen zu können. Sie können sich nicht nur aufgrund des erworbenen Sacheigentums auf die Eigentumsgarantie, sondern zusätzlich auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen, welche auch die aussenwirtschaftliche Befugnis gewährleistet, Waren ein- und auszuführen (BGE 124 III 321 E. 2g S. 331; BGE 122 III 469 E.5g/aa S. 480). |
Die Konsumenten schliesslich kommen tendenziell in den Genuss günstigerer Preise, wenn der Handel gleichwertige Waren bei Anbietern beschaffen kann, die in einem Preiswettbewerb stehen. Entscheidende Voraussetzung für günstigere Konsumentenpreise ist allerdings, dass der Wettbewerb auf Handelsstufe funktioniert, wovon bei Parallelimporten nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann (vgl. die "NERA"-Studie der EU im Zusammenhang mit Parallelimporten von Marken-Waren: NERA/SJ Berwin & Co/IFF Research, The Economic Consequences of the Choice of Regime of Exhaustion in the Area of Trademarks, Executive Summary, Final Report for DG XV of the European Commission, London 8. Februar 1999 sowie die Ausführungen von COHEN JEHORAM, a.a.O. in IIC 1999, S. 496 über die ausgebliebenen Preiseffekte des Übergangs von der internationalen zur regionalen Erschöpfung in den Niederlanden und MAGER, a.a.O., S. 637). Der Konsumentenschutz ist dem Bund als Aufgabe übertragen, wobei die allgemeinen Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft sowie die Handels- und Gewerbefreiheit zu wahren sind (Art. 31sexies BV).
|
Diese betroffenen Interessen sind gegeneinander abzuwägen und unter den in den divergierenden Verfassungsnormen zum Ausdruck kommenden Wertungen ist praktische Konkordanz herzustellen (JÖRG PAUL MÜLLER, Kommentar BV, N. 138 der Einleitung zu den Grundrechten).
|
b) Mit der Theorie der Erschöpfung wird das Verwertungsmonopol der Patentinhaber zugunsten der Händler und der Endverbraucher auf ein Monopol zur ersten Veräusserung der patentgemäss hergestellten Sache beschränkt. Der mit der ersten Veräusserung patentgeschützter Produkte erzielbare Gewinn soll dem Erfinder die Realisierung des Wertes ermöglichen, der dem mit der Erfindung erreichten technischen Fortschritt entspricht. Durch den befristeten Patentschutz wird der Wettbewerb bei der ersten Inverkehrsetzung der patentgemäss hergestellten Sachen ausgeschlossen und dem Patentinhaber so die Abschöpfung des Wertes seiner Erfindung ermöglicht, während der Handel und die entsprechende Konkurrenz um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis mit patentgeschützten Waren erst nach der erstmaligen, ausschliesslich dem Erfinder vorbehaltenen Inverkehrsetzung zugelassen wird. Unter idealen Marktverhältnissen sollte der Preis, der vom Erfinder für seine Ware bei der ersten Inverkehrsetzung in Konkurrenz mit Produkten ohne technische Neuerung zu realisieren ist, dem (Markt-) Wert des erzielten technischen Fortschritts entsprechen. Im Binnenverhältnis wird mit der Lehre der Erschöpfung somit ein sachgerechter Ausgleich der betroffenen Interessen erreicht. Dies setzt indessen eine einheitliche und kohärente Rechts- und Marktordnung voraus. |
c) Bei der Berücksichtigung ausländischer Sachverhalte stellt sich die Frage, ob der Ausgleich konfligierender Interessen der Patentinhaber einerseits und der Händler und Konsumenten anderseits ohne weiteres in gleicher Weise getroffen werden kann wie im internen schweizerischen Recht.
|
aa) Unter dem Gesichtspunkt des internationalen Freihandels ist auf den ersten Blick nicht einzusehen, weshalb eine im Ausland in Verkehr gesetzte patentgeschützte Sache anders als eine im Inland vermarktete behandelt werden sollte, sofern die patentierte Ware durch den Patentinhaber selbst oder mit seinem Einverständnis dem Verkehr übergeben worden ist (vgl. KUNZ-HALLSTEIN, a.a.O., S. 271; COTTIER/STUCKI, a.a.O., S. 58; ZÄCH, a.a.O., S. 310; BIERI-GUT, a.a.O., S. 573/4; BÜRGI/LANG, a.a.O., S. 379 ff.). Dementsprechend hat der EuGH in Bezug auf die regionale Erschöpfung im internen EU-Binnenmarkt den Patentinhabern verwehrt, die nationalen Märkte gegeneinander abzuschotten, indem sie sich auf ihr Patentrecht berufen, um Einfuhren in bestimmte Länder zu verhindern oder nur zu ihren Bedingungen zuzulassen (vgl. oben E. 7b). Allerdings zeichnet sich die Situation unter den EU- (und EWR-)Staaten dadurch aus, dass sie nicht nur durch einen Freihandelsraum verbunden sind, sondern durch eine gemeinsame Rechtsordnung, welche die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Sinne regionaler Erschöpfung die Inverkehrsetzung in andern Mitgliedstaaten für ihre Gebiete wechselseitig anzuerkennen, und in deren Rahmen die Substanz der Immaterialgüterrechte garantiert ist (EuGH-Urteil Merck gegen Primecrown und Beecham gegen Europharm of Worthing vom 5. Dezember 1996, Rs C-267/95 und C-268/95, Slg. 1996 I-6285, I 6377 Rz. 12, vgl. auch I-6389 Rz. 47). Die Rechtsprechung des EuGH bezieht sich denn auch allein und ausschliesslich auf den Binnenmarkt unter den Mitgliedstaaten und gilt gerade nicht gegenüber Drittstaaten, mit denen (nur) Freihandelsabkommen bestehen (vgl. oben E. 7b). Den Mitgliedstaaten ist - jedenfalls aufgrund der Richtlinie im Markenrecht - gegenteils gar verwehrt, sich im Verhältnis zu Drittstaaten in gleicher Weise freihandelsrechtlich zu verhalten (EuGH-Urteil Silhouette gegen Hartlauer vom 16. Juli 1998, Rs C-355/96, Slg. 1998 I-4799). |
bb) Da den einzelnen Staaten mangels Einigung im Rahmen des GATT/WTO/TRIPs-Übereinkommens die Frage der Erschöpfung überlassen bleibt, kann die Schweiz die internationale Erschöpfung zwar einseitig für die nationale Rechtsordnung vorsehen. Die Folge ist jedoch entsprechend einseitig begrenzt auf den schweizerischen Rechtsraum: Einfuhren aus Drittstaaten kann der schweizerische Patentinhaber nach dem Prinzip der internationalen Erschöpfung mindestens im Grundsatz nicht verhindern, soweit die Waren im Ausland mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Die Ausfuhr von in der Schweiz hergestellten und in Verkehr gebrachten Produkten und damit der gegenseitige Freihandel ist damit jedoch nicht zu erreichen. Zur Förderung des internationalen Freihandels mit technologischen Spitzenprodukten bedarf es einer entsprechenden Erschöpfungsregelung vielmehr auch im ausländischen Recht. Es hängt von der Ausgestaltung des ausländischen Patentrechts ab, ob die Inverkehrsetzung der patentgemäss hergestellten Ware in der Schweiz die Befugnisse auch des ausländischen Patents erschöpft oder nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die nationalen Rechte fast ausschliesslich die nationale - in der EU erweitert auf die regionale - Erschöpfung vorsehen. Nahezu alle ausländischen Rechte verleihen ihren Patentinhabern die Befugnis, Einfuhren in den jeweiligen Geltungsbereich der Patente unbesehen darum zu verhindern, ob parallele ausländische Patente bestehen und ob die patentgeschützte Ware im jeweiligen Ausland rechtmässig in Verkehr gebracht worden ist. Soll das Ziel des Freihandels im Anschluss an die erste Inverkehrsetzung patentgeschützter Ware erreicht werden, müsste demnach die wechselseitige Anerkennung der Erschöpfung in einem (multilateralen) Abkommen verankert werden (VERMA, a.a.O., S. 565).
|
cc) Sodann ist nicht zu verkennen, dass im Zuge der Globalisierung und der entsprechenden Harmonisierung der Rechtsordnungen zwar eine Angleichung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfolgt, dass jedoch eine etwa dem EWG/EU-Vertrag vergleichbare Weltwirtschaftsordnung (noch) fehlt (vgl. KUNZ-HALLSTEIN, a.a.O., S. 271). Selbst für eine multinationale Regelung im Rahmen des GATT/WTO/TRIPs-Abkommens könnte ohne hinreichende Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen die Konsumation der Befugnisse durch die erstmalige Inverkehrsetzung einer patentgeschützten Ware kaum allein an das Einverständnis des Patentinhabers gebunden werden. Die internationale Erschöpfung dürfte vielmehr auch im Rahmen staatsvertraglicher Vereinbarung nur unter bestimmten materiellen Bedingungen oder mit bestimmten Beschränkungen in Frage kommen (vgl. dazu etwa HEATH, a.a.O., S. 632; BRONCKERS, a.a.O., S. 159; COHEN JEHORAM, a.a.O. in IIC 1999, S. 511; MAGER, a.a.O., S. 639/40); denn die Bedingungen, unter denen ein nach der patentierten Erfindung hergestellter Gegenstand im Ausland in Verkehr gebracht wird, sind nicht ohne weiteres mit den Verhältnissen im Inland vergleichbar. Namentlich kann nicht unbedingt angenommen werden, ein Patentinhaber habe den mit der Einräumung der Monopolstellung bei der erstmaligen Inverkehrsetzung der patentierten Ware erzielbaren Marktwert der Erfindung realisiert, wenn die Ware mit seinem Einverständnis im Ausland in Verkehr gebracht worden ist (vgl. PERRET, a.a.O. in Mélanges Dessemontet, S. 178/9). |
So kann die geringere Kaufkraft im Land der ersten Inverkehrsetzung einen kostendeckenden Absatz der im Inland entwickelten patentierten Gegenstände verunmöglichen (weshalb die internationale Erschöpfung dazu führen kann, dass auf ein Angebot der patentierten Erzeugnisse in bestimmten Märkten überhaupt verzichtet wird, vgl. MAGER, a.a.O., S. 644). Zudem ist auch nicht auszuschliessen, dass im Ausland gar kein Patentschutz besteht, weil die massgebende Rechtsordnung im konkreten Fall keinen Schutz zur Verfügung stellt (vgl. Art. 27 Abs. 2, 3 TRIPs-Abkommen) oder weil kein Patent beansprucht worden ist. Möglich ist aber auch, dass im Gegensatz zur im Inland anerkannten Marktordnung im Ausland staatliche Vorschriften wie Preisbestimmungen oder Vermarktungspflichten den von der inländischen Rechtsordnung gewährleisteten Patentschutz mindestens beschränken, wenn nicht gar unmöglich machen. Mit dem TRIPs-Abkommen werden zwar gewisse minimale Schutzvorschriften zugunsten der Patentinhaber für alle Mitgliedstaaten verbindlich vorgeschrieben (Art. 27 ff. TRIPs). Dies schliesst jedoch nicht aus, dass auch abgesehen vom noch immer zulässigen unterschiedlichen Schutz-Niveau die rechtlichen Rahmenbedingungen im Ausland so verschieden sein können, dass der mit dem schweizerischen Patentrecht bei der erstmaligen Inverkehrsetzung der Ware angestrebte Schutz nicht gewährleistet ist, auch wenn der Patentinhaber sich mit der Inverkehrsetzung einverstanden erklärt hat. |
dd) Wenn auch die sachlichen Gründe, welche für die Beibehaltung der nationalen Erschöpfung sprechen, angesichts der neuesten Entwicklungen - insbesondere der Globalisierung der Märkte sowie der WTO-Abkommen - auch im Patentrecht zunehmend in Frage gestellt sein dürften (vgl. BAEUMER, a.a.O., S. 804/5), so kann nach dem Gesagten nicht unberücksichtigt bleiben, dass es nicht in der Macht schweizerischer Behörden liegt, die sachlich angemessene Regelung autonom einzuführen. Zu den eigentlichen Rechten aus dem schweizerischen Patent gehört nämlich unabdingbar die Monopolstellung bei der erstmaligen Inverkehrsetzung patentgeschützter Produkte unter den Bedingungen, wie sie die schweizerische Rechts- und Wirtschaftsordnung gewährleistet. Diese soll dem Patentinhaber im Inland auch dann zustehen, wenn im Ausland mit seinem Einverständnis Waren unter nicht vergleichbaren Bedingungen in Verkehr gebracht worden sind. Eine einseitige Statuierung des Grundsatzes der internationalen Erschöpfung vermag diesem Postulat nicht gerecht zu werden und einen sachgerechten Ausgleich der betroffenen Interessen nicht zu bewirken (vgl. für den Fall, in dem die Bedingungen im Ausland mit den inländischen vergleichbar sind, E. 9 hienach). Für den Grundsatz der nationalen Erschöpfung spricht zudem, dass der Patentinhaber die fehlende Harmonisierung der Rahmenbedingungen unter den beteiligten nationalen Rechtsordnungen nicht entgelten soll, sondern dass ihm der schweizerische Patentschutz auch gewährleistet bleiben soll, wenn er sich zur Inverkehrsetzung seiner Waren im Ausland trotz fehlenden analogen Schutzes entschliesst.
|
a) Zu den Befugnissen des Patentinhabers gehört nicht, künstlich Märkte aufzuteilen bzw. den schweizerischen Markt vom Ausland abzuschotten (vgl. TELLEKSON, a.a.O., S. 14). Die Herrschaft des Patentinhabers über die Einfuhr patentgeschützter Waren ergibt sich nicht aus dem Inhalt seiner Erfinderrechte, sondern allein aus der territorialen Begrenzung der schweizerischen Rechtsordnung. Die Befugnis, über die Einfuhr patentgeschützter Waren ausschliesslich zu bestimmen, bezweckt die Gewährleistung des vom schweizerischen Recht angestrebten Erfindungsschutzes namentlich auch für den Fall, dass die Waren mit Einverständnis des schweizerischen Patentinhabers im Ausland unter nicht mit dem Inland vergleichbaren Bedingungen in Verkehr gesetzt worden sind. |
b) Das patentrechtliche Einfuhrmonopol verleiht dem Berechtigten jedoch insoweit eine überschiessende Rechtsmacht, als die Ware mit Einverständnis des schweizerischen Patentinhabers im Ausland unter Bedingungen in Verkehr gebracht worden ist, die mit den inländischen vergleichbar sind. Die Beschränkung des Wettbewerbs mit patentgeschützten Waren ergibt sich insoweit nicht ausschliesslich aus der Patentgesetzgebung (Art. 3 Abs. 2 KG), sondern ist wie erwähnt durch die territoriale Begrenzung der schweizerischen Rechtsordnung bedingt. Das Kartellgesetz ist daher anwendbar (SCHMIDHAUSER, in: Homburger et al. [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zürich 1997, N. 24 ff. zu Art. 3).
|
c) Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen seine ihm vom Patentgesetz bei der Einfuhr verliehene Monopolstellung missbraucht, um den schweizerischen Markt abzuschotten und insbesondere unangemessene Preise oder sonst unangemessene Geschäftsbedingungen zu erzwingen, liegt ein Verstoss gegen Art. 7 Abs. 2 lit. c KG vor (ZÄCH, a.a.O. in Kartellrecht, S. 232, weitergehend allerdings S. 135 ff.; SCHMIDHAUSER, a.a.O., N. 113 ff. zu Art. 7). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein wesentlicher Preisunterschied patentierter Erzeugnisse bei der ersten Inverkehrsetzung in der Schweiz im Vergleich zum Ausland einen kartellrechtlich verpönten Missbrauch indiziert, wenn die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen vergleichbar sind. Dass das Kartellrecht eine stumpfe Waffe sei (so BORNER, a.a.O., S. 477), ist nicht ohne weiteres einleuchtend, kann dem in der Ausübung des Wettbewerbs behinderten schweizerischen Händler doch ein Anspruch auf Abschluss von marktgerechten Verträgen aus Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 12 und 13 KG zustehen, deren Konditionen grundsätzlich den unter vergleichbaren ausländischen Marktbedingungen vereinbarten entsprechen dürften. Konsumenten und Konsumentenschutzorganisationen können zudem eine Anzeige gemäss Art. 26 Abs. 1 KG einreichen. Organisationen von nationaler oder regionaler Bedeutung, die sich statutengemäss dem Konsumentenschutz widmen, sind gemäss Art. 43 KG überdies berechtigt, sich an einer verwaltungsrechtlichen Untersuchung der Wettbewerbskommission zu beteiligen. Bei dieser Rechtslage ist nicht ersichtlich, weshalb der erwünschte Wettbewerb auf der Handelsstufe nach der ersten Inverkehrsetzung einer patentierten Ware mit kartellrechtlichen Mitteln weniger gut gefördert werden kann als mit Parallelimporten. |