BGer 9C_25/2017 |
BGer 9C_25/2017 vom 11.05.2017 |
{T 0/2}
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9C_25/2017
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Urteil vom 11. Mai 2017 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiberin Huber.
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Verfahrensbeteiligte |
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. Oktober 2016.
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Sachverhalt: |
A. Mit Verfügung vom 26. November 2008 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem 1980 geborenen A.________ ab 1. September 2006 eine Viertelsrente zu (Invaliditätsgrad: 48 %).
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Im Rahmen einer von Amtes wegen eingeleiteten Revision veranlasste die IV-Stelle eine polydisziplinäre Begutachtung bei der Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH (ABI; Expertise vom 20. Dezember 2010). Es folgten Untersuchungen bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH (Gutachten vom 25. Januar 2012), und Dr. med. C.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH (Expertise vom 11. Juni 2013). Die IV-Stelle ordnete eine weitere psychiatrische Begutachtung mit Verfügung vom 9. September 2014 an, welche das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich auf Beschwerde des Versicherten hin aufhob (Entscheid vom 22. Dezember 2014).
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Die IV-Stelle tätigte weitere medizinische Abklärungen und holte zusätzliche Akten im Bereich Strassenverkehrs-, Straf- und Migrationsrecht ein. Am 12. Februar 2016 verfügte sie nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren, das Leistungsbegehren werde abgewiesen. Die Einstellung der Rente erweise sich als korrekt. Es bestehe auch für die Zukunft kein Rentenanspruch mehr.
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B. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. Oktober 2016 teilweise gut. Es hob die Verfügung vom 12. Februar 2016 auf und stellte fest, A.________ habe ab 1. Februar 2010 weiterhin Anspruch auf eine Viertelsrente und ab 1. April 2012 Anspruch auf eine ganze Rente. Im Übrigen trat es auf die Beschwerde nicht ein.
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C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 12. Februar 2016 zu bestätigen. Es sei festzustellen, dass kein Rentenanspruch bestehe.
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Erwägungen: |
1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht über den 31. Januar 2010 hinaus einen Rentenanspruch bejaht und ab 1. Februar 2010 eine Viertelsrente sowie ab 1. April 2012 eine ganze Rente zugesprochen hat.
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2. |
2.1. Die Vorinstanz zog zur Beurteilung des Gesundheitszustands in psychiatrischer Hinsicht unter anderem das Gutachten des Dr. med. C.________ vom 11. Juni 2013 heran, welches sie als beweiskräftig erachtete. Danach stehe beim Versicherten eine posttraumatische Belastungsstörung im Zentrum. Sie erwog im Weiteren, aufgrund der diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung sei ein strukturiertes Beweisverfahren unter Verwendung der Standardindikatoren nach Massgabe von BGE 141 V 281 durchzuführen. Dabei kam das kantonale Gericht zum Ergebnis, in einer abschliessenden Würdigung des Beschwerdebildes anhand der Standardindikatoren sei die Einschätzung einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit, wie sie sich aus dem Gutachten des Dr. med. C.________ vom 11. Juni 2013 sowie der Würdigung der weiteren medizinischen Akten ergebe, nicht in Frage zu stellen.
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2.2. Soweit die IV-Stelle in der Beschwerde die vorinstanzliche Auffassung - insbesondere in Bezug auf die Diagnose - nicht teilt und integral auf ihre Verfügung vom 12. Februar 2016 verweist, lässt sie ausser Acht, dass nicht nur die Rüge, sondern auch deren Begründung in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein müssen. Der reine Verweis auf gemachte Ausführungen in der Verfügung, worauf sich die IV-Stelle in dieser Hinsicht beschränkt, genügt nicht (BGE 141 V 416 E. 4 S. 421).
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2.3. Tatsachenwidrig ist sodann die Rüge der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe im Rahmen der "Ressourcenprüfung" nach BGE 141 V 281 den Aspekt der "Konsistenz" nicht geprüft. Es ist hierfür auf die Erwägung 5.3.2 des angefochtenen Entscheids hinzuweisen, worin sich das kantonale Gericht zum Aktivitätsniveau und zum Leidensdruck des Versicherten geäussert hat, welche beiden verhaltensbezogenen Kriterien der Kategorie "Konsistenz" zuzuordnen sind (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.4 S. 303 f.).
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2.4. Gemäss Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz zudem die von ihr im Verwaltungsverfahren eingeholten Akten des Strassenverkehrs- und des Migrationsamtes nicht gewürdigt, weshalb der angefochtene Entscheid unzureichend begründet sei. Dem kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Das kantonale Gericht nahm die entsprechenden Akten zur Kenntnis, wie aus dem Sachverhalt des vorinstanzlichen Entscheids hervorgeht. Es würdigte diese im Anschluss nicht explizit, was jedoch nicht zu schaden vermag. Denn die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessende Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 61 lit. h ATSG) erfordert nicht, dass sich das Gericht mit allen Akten einlässlich auseinandersetzt. Vielmehr kann es sich auf die für seinen Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (statt vieler: Urteil 8C_391/2015 vom 11. August 2015 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen). Massgeblich ist, dass das Gericht in seiner Begründung die Überlegungen nennt, von denen es sich hat leiten lassen, damit der Entscheid sachgerecht angefochten werden kann (vgl. BGE 138 IV 81 E. 2.2 S. 84; 136 I 229 E. 5.2 S. 236). Überdies behauptet die IV-Stelle pauschal und unsubstanziiert, basierend auf den Akten des Strassenverkehrs- und Migrationsamtes sei weder eine gleichmässige Einschränkung des Aktivitätsniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen noch ein Leidensdruck ausgewiesen. Insbesondere geht aus ihren Vorbringen, die entsprechenden Akten würden ein anderes Licht auf den Beschwerdegegner werfen, mit keinem Wort hervor, worin die unterschiedliche Sachlage denn überhaupt genau liegt.
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2.5. Zusammengefasst vermögen die oberflächlichen Rügen der IV-Stelle den vorinstanzlichen Entscheid nicht in Frage zu stellen. Die Beschwerde ist unbegründet und abzuweisen.
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3. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 11. Mai 2017
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Die Gerichtsschreiberin: Huber
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