BGer 2C_998/2016
 
BGer 2C_998/2016 vom 10.05.2017
2C_998/2016
 
Urteil vom 10. Mai 2017
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiberin Genner.
 
Verfahrensbeteiligte
A.C.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Daniel Weber,
gegen
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6002 Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6002 Luzern.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, Familiennachzug,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 16. September 2016.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. A.C.________ (geb. 1975), kosovarischer Staatsangehöriger, reiste am 19. Januar 1995 in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Nach Abweisung des Asylgesuchs und Wegweisung aus der Schweiz am 17. Juli 1995 stellte er am 29. Februar 2000 ein Gesuch um Erteilung einer Saisonbewilligung. Dieses wurde am 8. März 2000 abgewiesen, worauf A.C.________ die Schweiz verliess.
Am 18. August 2003 beantragte die Schweizer Bürgerin D.________ (geb. 1979) die Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung für A.C.________ zur Vorbereitung der Heirat. Diese fand am 23. März 2004 statt, und A.C.________ erhielt die Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Ehefrau.
D.________ gebar am 28. Januar 2009 die Tochter E.________. Die von A.C.________ am 19. Juni 2009 erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage wurde mit Urteil des Amtsgerichts Hochdorf vom 19. April 2010 gutgeheissen.
Nachdem die Eheleute am 19. Mai 2009 bestätigt hatten, in einer intakten Ehe zu leben, wurde A.C.________ am 5. Juni 2009 die Niederlassungsbewilligung erteilt. Am 1. Oktober 2009 trennten sich die Eheleute. Daraufhin traf das Amt für Migration des Kantons Luzern vertiefte Abklärungen, verzichtete aber aufgrund unzureichender Indizienlage vorerst auf den Widerruf der Niederlassungsbewilligung.
Die Ehe zwischen A.C.________ und D.________ wurde am 23. Januar 2012 geschieden. Am 19. Juli 2012 heiratete A.C.________ im Kosovo seine Landsfrau B.C.________ (geb. 1980).
1.2. Am 17. Juli 2014 stellte A.C.________ im Rahmen des Familiennachzugs ein Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung für seine Ehefrau sowie die gemeinsamen Kinder F.________ (geb. am 15. Oktober 2004) und G.________ (geb. am 8. Februar 2006).
Am 4. Januar 2016 widerrief das Amt für Migration die Niederlassungsbewilligung und wies A.C.________ aus der Schweiz weg. Gleichzeitig wies es das Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung für die Ehefrau und die gemeinsamen Kinder ab. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 21. April 2016, Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 16. September 2016).
1.3. A.C.________ erhebt am 27. Oktober 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben. Am 28. Oktober 2016 ist der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.
 
2.
2.1. Mit dem angefochtenen Urteil wird der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und - als Folge davon - die Verweigerung des Familiennachzugs für die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers bestätigt. Demgemäss richtet sich die Beschwerde in erster Linie gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a BGG), weil grundsätzlich ein Anspruch auf den Fortbestand der Niederlassungsbewilligung gegeben ist (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht, und der Beschwerdeführer ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.2. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, so dass sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung zu erledigen ist.
 
3.
3.1. Ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 AuG). Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren haben die Ehegatten Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Art. 42 Abs. 3 AuG). Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG i.V.m. Art. 62 lit. a AuG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn die ausländische Person oder ihr Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat. Im Fall einer Scheinehe kommt ebenfalls dieser Widerrufsgrund zur Anwendung (Urteil 2C_1095/2016 vom 5. Dezember 2016 E. 2.2).
3.2. Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu Art. 62 lit. a AuG, insbesondere zur Tatbestandsvariante des Verschweigens wesentlicher Tatsachen im Bewilligungsverfahren (BGE 142 II 265 E. 3.1; Urteil 2C_359/2014 vom 1. Dezember 2014 E. 3) korrekt wiedergegeben; es kann darauf verwiesen werden.
3.3. Ob eine Scheinehe geschlossen wurde bzw. ob die Ehe bloss noch formell besteht, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und kann nur durch Indizien erstellt werden (BGE 135 II 1 E. 4.2 S. 9 f.; 130 II 113 E. 10.2 S. 135). Es handelt sich dabei um tatsächliche Feststellungen, welche das Bundesgericht nur auf offensichtliche Unrichtigkeit oder Rechtsverletzungen hin überprüft (Art. 97 Abs. 1 BGG). In die vorinstanzliche Beweiswürdigung greift es nur ein, wenn diese willkürlich ist (Urteile 2C_752/2016 vom 16. September 2016 E. 3.2; 2C_1141/2015 vom 18. Juli 2016 E. 2.2; BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9).
3.4. Indizien für eine Scheinehe werden praxisgemäss unter anderem darin erblickt, dass der ausländischen Person die Wegweisung drohte, zum Beispiel weil sie ohne Heirat keine Aufenthaltsbewilligung erhalten hätte oder diese nicht verlängert worden wäre. Dass die Begründung einer echten Lebensgemeinschaft gewollt war, ergibt sich nach der Rechtsprechung nicht notwendigerweise schon daraus, dass die Ehegatten während einer gewissen Zeit zusammengelebt und (angeblich) intime Beziehungen unterhalten haben; ein derartiges Verhalten kann auch nur vorgespiegelt sein, um die Behörden zu täuschen (BGE 127 II 49 E. 5a S. 57 mit Hinweisen; Urteile 2C_936/2016 vom 17. März 2017 E. 2.3; 2C_804/2013 vom 3. April 2014 E. 2.2). Die Zeugung eines Kindes mit einem anderen Partner als dem Ehegatten stellt ein starkes Indiz für eine Scheinehe dar, desgleichen das Führen einer zur Ehe parallel verlaufenden Beziehung im Herkunftsland (Urteile 2C_563/2013 vom 9. Januar 2014 E. 3.4.1; 2C_980/2012 vom 8. Mai 2013 E. 5.3).
 
4.
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe den Behörden keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen. Er sei nie nach ausserehelichen Kindern im Ausland gefragt worden, weshalb er auch keine Angaben habe machen müssen. Die Frage auf dem Gesuchsformular "Leben Ihre Kinder im Ausland?" habe sich offensichtlich nicht auf aussereheliche Kinder bezogen.
Die Vorinstanz hat richtig erwogen, dass die Existenz von Kindern im Herkunftsland in der vorliegenden Konstellation relevant ist für die Erteilung der Bewilligung: Indem der Beschwerdeführer (trotz entsprechender Frage) verschwieg, dass er im Kosovo zwei Kinder hat, bestärkte er die Migrationsbehörde in der Annahme, dass eine echte eheliche Gemeinschaft mit D.________ (der anwesenheitsberechtigen Ehepartnerin) vorliegt. Hätte das Amt für Migration von den im gleichen Zeitraum mit einer anderen Frau gezeugten, im Ausland lebenden Kindern Kenntnis gehabt, hätte es wohl Abklärungen getroffen, um eine Scheinehe auszuschliessen. Der Beschwerdeführer musste wissen, dass die Existenz dieser Kinder für die Frage der Anspruchsberechtigung gestützt auf die Ehe mit D.________ wesentlich ist. Indem er die entsprechende Tatsache (wie auch die Parallelbeziehung zur Mutter dieser Kinder, vgl. E. 4.2 hiernach) verschwieg, hat er den Widerrufsgrund nach Art. 62 lit. a AuG gesetzt.
4.2. Der Beschwerdeführer bestreitet auch, mit D.________ eine Scheinehe eingegangen zu sein. Die Ehe sei gescheitert, weil die Ehefrau fremdgegangen sei. Es treffe nicht zu, dass er während der Ehe eine Parallelbeziehung mit seiner heutigen Ehefrau geführt habe. Er habe die Beziehung zu ihr nach der Eheschliessung mit D.________ beendet. Die heutige Ehefrau und die Kinder seien erst nach der Heirat ins Haus seiner Mutter eingezogen; davor hätten sie bei der Mutter der Ehefrau gelebt.
4.2.1. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer mit B.C.________ zwei Kinder zeugte, während er mit D.________ verheiratet war. Zudem steht fest, dass letztere während der Ehe eine Tochter gebar, deren Vater der Beschwerdeführer nicht ist. Obwohl die Eheleute am 19. Mai 2009 gegenüber der Migrationsbehörde angegeben hatten, ihre Ehe sei intakt, focht der Beschwerdeführer einen Monat später, am 19. Juni 2009, die Vaterschaft hinsichtlich der Tochter E.________ an. Zwei Wochen zuvor hatte er die Niederlassungsbewilligung erhalten; wenige Monate danach erfolgte die Trennung von D.________. Ein halbes Jahr nach der Scheidung heiratete der Beschwerdeführer die Mutter seiner im Kosovo geborenen Kinder.
4.2.2. Dieser Verlauf legt, auch mit Blick auf die mehrmals gescheiterten Bemühungen des Beschwerdeführers, in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, die Vermutung einer Scheinehe nahe. In Anbetracht der Tatsache, dass das ältere Kind des Beschwerdeführers im Kosovo rund sieben Monate nach dessen Heirat in der Schweiz geboren wurde, erscheint es nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe die Beziehung zu B.C.________ nach der Eheschliessung mit D.________ beendet, keinen Glauben schenkte. Die Vorinstanz hat zudem einleuchtend begründet, warum sie davon ausgeht, dass B.C.________ vor der Heirat mit dem Beschwerdeführer mit den Kindern bei dessen Eltern gelebt hat. Warum es willkürlich sein soll, dass sie sich dabei auf die Aussage des damals achtjährigen Sohns G.________ stützte, ist nicht erkennbar. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers geht die Vorinstanz nicht davon aus, er und seine spätere Ehefrau B.C.________ seien "seit 2003/2004 nach kosovarischer Tradition verheiratet" gewesen. Sie nimmt aufgrund der Wohnverhältnisse und der regelmässigen Ferienaufenthalte des Beschwerdeführers im Dorf seiner Eltern lediglich an, dass die Beziehung während der gesamten Ehedauer aufrecht erhalten wurde. Mit Blick auf die spätere Heirat ist dies naheliegend und keineswegs willkürlich.
4.3. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist der Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht unverhältnismässig: Weder wird er von seiner Familie getrennt, noch gibt es andere Gründe, welche die Rückkehr in den Kosovo unzumutbar erscheinen liessen.
 
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Mai 2017
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Die Gerichtsschreiberin: Genner