BGer 9C_316/2014
 
BGer 9C_316/2014 vom 17.06.2014
{T 0/2}
9C_316/2014
 
Urteil vom 17. Juni 2014
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Schmutz.
 
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden,
Neue Steig 15, 9102 Herisau,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Ehrenzeller,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Verwaltungsverfahren),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden
vom 19. Februar 2014.
 
Sachverhalt:
A. Mit Verfügung vom 6. Mai 2013 verneinte die IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden den Anspruch der A.________, geboren 1965, auf eine Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 34 %). Mit einer zweiten Verfügung vom gleichen Tage lehnte sie den Anspruch der Versicherten auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verwaltungsverfahren ab.
B. Die dagegen erhobenen Beschwerden hiess das Obergericht Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 19. Februar 2014 gut. Es hob die Verfügung betreffend Rente auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück. Die Verfügung betreffend unentgeltlicher Verbeiständung im Anhörungsverfahren hob es auf und wies die IV-Stelle an, die unentgeltliche Verbeiständung ausnahmsweise zu gewähren (Dispositiv-Ziffer 2).
C. Die IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt die Aufhebung der Dispositiv-Ziffer 2 und die Bestätigung der angefochtenen Verfügung betreffend Ablehnung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Wo die Verhältnisse es erfordern, wird der gesuchstellenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt (Art. 37 Abs. 4 ATSG; Art. 29 Abs. 3 BV). Die Frage nach der sachlichen Erforderlichkeit der anwaltlichen Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (Urteil 9C_720/2013 vom 9. April 2014 E. 2.2).
1.2. Die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung im Besonderen ist auch Voraussetzung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 201; SVR 2009 IV Nr. 3 S. 4, I 415/06 E. 4.2). Sie ist namentlich mit Blick darauf, dass der Untersuchungsgrundsatz gilt, die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen also den rechtserheblichen Sachverhalt unter Mitwirkung der Parteien nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Objektivität, Neutralität und Gesetzesgebundenheit (BGE 136 V 376) zu ermitteln haben (Art. 43 ATSG), nur in Ausnahmefällen zu bejahen. Es müssen sich schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen stellen und eine Interessenwahrung durch Dritte (Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen) muss ausser Betracht fallen (BGE 132 V 200 E. 4.1 in fine S. 201). Von Bedeutung ist die Fähigkeit der versicherten Person, sich im Verfahren zurecht zu finden.
 
2.
2.1. Die Vorinstanz befand, die Anforderungen an die 
2.2. Die Beschwerdeführerin hält daran fest, sie habe das Recht der Versicherten auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Verwaltungsverfahren mangels sachlicher Gebotenheit verneint. Auch im vorliegenden Fall gebe es Fragen, die durchaus rechtliche Schwierigkeiten aufwerfen würden und nicht ohne Weiteres von einem juristischen Laien beantwortet werden könnten. Dies reiche aber gerade noch nicht aus, um einen Anspruch entstehen zulassen. Denn dies liefe praktisch darauf hinaus, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in sehr vielen, wenn nicht praktisch allen Vorbescheidverfahren bejaht werden müsste, was der Konzeption von Art. 37 Abs. 4 ATSG als einer Ausnahmeregelung widerspräche.
 
3.
3.1. Im Vorbescheidverfahren erfordert es in der Regel gewisse medizinische Kenntnisse und juristischen Sachverstand, um Schwachstellen einer fachärztlichen Expertise und deren rechtliche Relevanz zu erkennen. Es kann insoweit aber nicht von einer komplexen Fragestellung gesprochen werden, die eine anwaltliche Vertretung geböte. Die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in praktisch allen Vorbescheidverfahren bejaht werden müsste, was der Konzeption von Art. 37 Abs. 4 ATSG als einer Ausnahmeregelung widerspräche (Urteile 8C_717/2012 vom 8. November 2012 E. 3.5 mit Hinweisen). Es bedarf mithin weiterer Umstände, welche die Sache als nicht (mehr) einfach und eine anwaltliche Vertretung als notwendig erscheinen lassen (Urteil 9C_908/2012 vom 22. Februar 2013 E. 5.2 in fine).
3.2. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend zu bejahen. Sowohl in rechtlicher als auch in sachverhaltsmässiger Hinsicht handelte es sich nicht um ein einfaches Verfahren, wie die einlässliche Würdigung der medizinischen Aktenlage durch die Vorinstanz zeigt. Bei der vorliegenden Sachlage warf auch die Frage der Heranziehung von Tabellenlöhnen Schwierigkeiten auf, welche die Versicherte nicht alleine lösen konnte, zumal noch offen ist, ob sie überhaupt im ersten Arbeitsmarkt tätig sein kann. Unter Berücksichtigung der erheblichen Tragweite der Sache sowie der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles verletzt der kantonale Entscheid auf ausnahmsweise Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Vorbescheidverfahren kein Bundesrecht.
4. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 17. Juni 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Meyer
Der Gerichtsschreiber: Schmutz