BGer 9C_610/2013
 
BGer 9C_610/2013 vom 23.01.2014
{T 0/2}
9C_610/2013
 
Urteil vom 23. Januar 2014
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Traub.
 
Verfahrensbeteiligte
F.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Lotti Sigg,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 26. Juni 2013.
 
Sachverhalt:
A. Der 1964 geborene F.________ war selbständigerwerbender Maler. Wegen verschiedener Beeinträchtigungen im Bereich der inneren Organe, des Rückens und der unteren Extremitäten sowie wegen Kreislaufbeschwerden, Sehproblemen und einer eingeschränkten Feinmotorik meldete er sich am 6. Dezember 2010 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (berufliche Massnahmen, Rente) an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich kam zum Schluss, es liege keine Invalidität vor (Verfügung vom 10. Oktober 2011).
B. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 26. Juni 2013).
C. F.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine Invalidenrente zuzusprechen. Eventuell sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit dieses weitere medizinische Abklärungen veranlasse. Ausserdem beantragt er die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Rechtsvertretung).
Die IV-Stelle, das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.
 
Erwägungen:
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).
Dem vorinstanzlichen Sachgericht steht im Bereich der Beweiswürdigung ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn die Vorinstanz diesen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder willkürlich ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; Urteil 9C_1019/2012 vom 23. August 2013 E. 1.2.3).
 
2.
2.1. Das kantonale Gericht stellte fest, der Beschwerdeführer sei seit einer Magen-Bypass-Operation und den folgenden Komplikationen im Jahr 2009 in seiner angestammten Tätigkeit als Maler auf Dauer vollständig arbeitsunfähig, weil seine Stand- und Gehfähigkeit bleibend eingeschränkt sei. Nach Abschluss der Rehabilitation (das heisst seit dem 20. Februar 2010) sei er, jedenfalls bis zum Zeitpunkt der strittigen Verfügung vom 10. Oktober 2011, in leichten Tätigkeiten, welche auf die erwähnten funktionellen Einschränkungen Rücksicht nehmen, indem sie vorwiegend im Sitzen auszuüben sind (vgl. Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes [RAD] der IV vom 12. Januar 2011), zu 100 Prozent arbeitsfähig.
Hinweise auf eine weitergehende oder früher einsetzende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit liessen sich den Akten nicht entnehmen. So wirke sich eine periphere arterielle Verschlusskrankheit der unteren Extremitäten (Bericht der Klinik für Angiologie am Spital X.________ vom 14. März 2011) ebensowenig weitergehend auf das funktionelle Leistungsvermögen aus wie eine radikuläre Kompression im Bereich der Lendenwirbelsäule, die in den rechten Unterschenkel ausstrahlende anhaltende Schmerzen verursache (Berichte der Klinik für Plastische und Handchirurgie am Spital X.________ vom 1. April und 10. Mai 2011), oder der Status nach Nabelhernienrepair (Bericht der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie vom 24. Februar 2012; E. 4.1 und 4.2 des angefochtenen Entscheids).
2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, infolge einer - nach vorübergehender Stabilisierung gegen Ende 2010 - andauernden Verschlechterung der gesundheitlichen Situation sei die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht realistisch. Die Vorinstanz habe es unterlassen, zwei Berichte des behandelnden Internisten Dr. P.________ vom 21. Mai und 31. Dezember 2011 angemessen zu würdigen. Diese belegten eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um Gefälligkeitszeugnisse handeln könnte. Es gehe nicht an, stattdessen allein auf die Aktenbeurteilung des RAD abzustellen. Mit dem Verzicht auf weitere Abklärungen habe die Vorinstanz den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) verletzt.
2.3. Die Berichte des Dr. P.________ vom 21. Mai und 31. Dezember 2011 zeigen, dass damals weiterhin (von der Operation im Jahr 2009 herrührende) Komplikationen bestanden. Diese machten einen weiteren Eingriff (Nabelhernienrepair) anfangs 2012 nötig. Danach wendete sich die gesundheitliche Situation zum Besseren (Bericht der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie vom 24. Februar 2012). Eine vom früheren Zustand unabhängige Ursache für eine Der Beschwerdeführer weist zudem auf eine aufwendige Ilomedintherapie hin. Diese war indes von kurzer Dauer und bereits anfangs April 2010 abgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem Bericht der Klinik für Angiologie am Spital X.________ vom 14. März 2011, in welchem zudem ein therapeutisches Prozedere vorgeschlagen wird (konservative Behandlung, regelmässige Kontrolle bis zur vollständigen Wundheilung, Kontrolle/Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren, regelmässige körperliche Aktivität), das einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in angepassten, leichten Tätigkeiten nicht ersichtlich entgegensteht. Bei den letztinstanzlich eingereichten Belegen zur Ilomedintherapie handelt es sich im Übrigen um unzulässige Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG).
 
3.
3.1. Was die Bemessung der Invalidität durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG, Art. 28a Abs. 1 IVG; BGE 129 V 222) angeht, so hielt das kantonale Gericht zunächst fest, der Beschwerdeführer habe vor Eintritt der Invalidität ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen erzielt. Es sei indes davon auszugehen, dass er sich aus freien Stücken mit einem solchen begnügt habe (vgl. BGE 125 V 146 E. 5c/bb S. 157). Das Valideneinkommen (hypothetisches Einkommen ohne Gesundheitsschaden) sei somit auf derselben Grundlage (statistische Tabellenlöhne gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik) festzusetzen wie das Invalideneinkommen (vgl. dazu Urteil I 1/03 vom 15. April 2003 E. 5.2). Ausgehend von der vollständigen Arbeitsfähigkeit resultiere ein Invaliditätsgrad von null Prozent.
 
3.2.
3.2.1. Hinsichtlich des Valideneinkommens hält der Beschwerdeführer dagegen, er habe als selbständigerwerbender Maler effektiv ein höheres Einkommen erzielt als die Vorinstanz annehme. Inwiefern die diesbezügliche Feststellung des kantonalen Gerichts offensichtlich unrichtig sein sollte, ist jedoch nicht ersichtlich. Des Weiteren kann offen bleiben, ob und allenfalls in welchem Umfang das (aufgrund von Tabellenlöhnen bestimmte) Invalideneinkommen im Sinne von BGE 126 V 75 herabzusetzen gewesen wäre. Selbst wenn dem anbegehrten maximalen Abzug von 25 Prozent stattzugeben wäre, resultierte daraus kein rentenbegründender Invaliditätsgrad.
3.2.2. Schliesslich argumentiert der Beschwerdeführer, es erscheine fraglich, ob überhaupt noch eine angepasste Tätigkeit für ihn existiere. Die Vorgaben zum Arbeitsplatzprofil erscheinen indes nicht als derart einschränkend, dass solche Stellen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG; Urteil 9C_830/2007 vom 29. Juli 2008 E. 5.1 = SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203) nicht zu finden wären. Das Anforderungsprofil und damit der Kreis der geeigneten Verweisungstätigkeiten ist nicht so eng umschrieben, dass Verwaltung und Vorinstanz entsprechende Arbeitsgelegenheiten besonders hätten substantiieren müssen (vgl. Urteil 9C_364/2011 vom 5. April 2012 E. 3.1 mit Hinweis).
4. Der angefochtene Entscheid verletzt nach dem Gesagten kein Bundesrecht.
5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Nach Art. 64 Abs. 4 BGG hat die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Lotti Sigg wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
4. Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.
5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 23. Januar 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kernen
Der Gerichtsschreiber: Traub