BGE 91 IV 138
 
37. Urteil des Kassationshofes vom 8. Oktober 1965 i.S. Michel gegen Generalprokurator des Kantons Bern
 
Regeste
Art. 18 Abs. 3, 222 Abs. 1 StGB.
 
Sachverhalt
A.- Michel begab sich am 29. Dezember 1963 zusammen mit Zurbrügg ins Gebiet des auf der Nordseite des Brienzersees gelegenen Augstmatthorns, um auf dessen schneefreiem Südabhang in der Nähe der Heidstud-Hütte auf ca. 1600 m Höhe Filmaufnahmen von Tieren zu machen. Nachdem sie die Filmkamera auf einem Felsblock aufgestellt hatten, hielten sie etwas weiter oben nach Adlern Ausschau. Als Zurbrügg einen solchen meldete, stieg Michel zur Kamera hinunter und legte die Zigarette, die er rauchte, auf einem von Gras umwachsenen Felskopf ab. Nach ungefähr fünf Minuten, während denen er die Kamera bediente, nahm er Brandgeruch wahr und stellte fest, dass bei der Stelle, wo er die brennende Zigarette abgelegt hatte, das Gras auf einer Fläche von ungefähr einem Quadratmeter brannte. Michel und Zurbrügg versuchten, den Brand zu löschen, was ihnen jedoch nicht gelang. Das Feuer verbreitete sich im hohen, dürren Gras rasch den steilen Hang aufwärts, ergriff auch die baufällige Heidstud-Hütte und erstreckte sich nach einigen Stunden auf das ganze zwischen 1200 und 1800 Meter über Meer gelegene Gebiet auf einer Länge von einem Kilometer.
Den Eigentümern des Landes erwuchs dadurch ein Schaden von rund Fr. 54 500.--.
B.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte Michel am 2. Juli 1965 in Bestätigung eines Urteils des Gerichtspräsidenten I von Interlaken wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--.
C.- Michel führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
 
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass er bei der Verursachung der Feuersbrunst schuldhaft, d.h. fahrlässig gehandelt habe. Er macht geltend, er habe höchstens voraussehen können, dass die auf dem Felskopf abgelegte brennende Zigarette eine kleine, unter Gewalt zu bringende Grasfläche entzünden, nicht aber, dass daraus ein Grossbrand entstehen könnte.
Der Einwand hält nicht stand. Der eingetretene Erfolg lag nicht nur objektiv im Bereiche normalen Geschehens, sondern die Möglichkeit seines Eintritts hätte vom Beschwerdeführer auch vorausgesehen werden können. Es ist allgemein bekannt und wird durch Wald- und Steppenbrände in südlichen Gebieten immer wieder bestätigt, dass bei lang anhaltender Trockenheit, insbesondere an Hängen mit intensiver Sonnenbestrahlung, Bäume und Pflanzen, die dürr geworden sind, sich leicht entzünden und dass unter solchen Verhältnissen, wenn Winde auftreten, schon das kleinste Feuer rasch einen ausgedehnten Brand verursachen kann. Dass eine erhöhte Brandgefahr dieser Art Ende Dezember 1963 an den Südhängen des Augstmatthorns bestand, hätte der bergkundige und mit der Gegend vertraute Beschwerdeführer schon daraus erkennen können, dass der Winter bis dahin aussergewöhnlich trocken und sonnig verlaufen und der fragliche schneefreie Steilhang mit hohem, völlig dürrem Gras bewachsen war. Zudem wusste der Beschwerdeführer, dass in dieser dem Föhn unterworfenen Gegend wegen Waldbrandgefahr beim Umgang mit Feuer äusserste Sorgfalt geboten war. Aus diesem Grunde hat er denn auch in seiner eigenen Schreinerei ein Rauchverbot erlassen und eine gut ausgebaute Feuersicherungsanlage erstellt. Nach seinen Kenntnissen und seiner Erfahrung musste er sich Rechenschaft darüber geben, dass unter den damals gegebenen ausserordentlichen Wetterbedingungen die Brandgefahr kaum geringer war, als sie dort bei Föhn zu herrschen pflegt, hätte er doch als routinierter Berggänger auch die besonderen Windverhältnisse in Berglagen bedenken und die Möglichkeit eines plötzlich aufkommenden Windes in Betracht ziehen müssen, der nicht nur das leicht brennbare Gras aus vorhandener Glut entzünden, sondern das entfachte Feuer auch mit grosser Geschwindigkeit verbreiten konnte. Zu dieser Überlegung wäre der Beschwerdeführer befähigt gewesen, da er nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz wusste, dass an einem Berghang, der starker Sonnenbestrahlung ausgesetzt ist, bei zunehmender Erwärmung mit Sicherheit ein thermischer Aufwind zu erwarten war. Unter diesen Umständen war es im Sinne des Art. 18 Abs. 3 StGB pflichtwidrig unvorsichtig, die Zigarette brennend auf einem von hohem dürrem Gras umwachsenen Felskopf abzulegen, statt sie auszulöschen. Dass für den Beschwerdeführer weder das ganze Ausmass des Brandes noch die Höhe des eingetretenen Schadens in vollem Umfange vorauszusehen war, ist bei der Strafzumessung berücksichtigt worden.
Demnach erkennt der Kassaitonshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.