BGE 80 IV 145
 
29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. September 1954 i. S. Bösch gegen Zinniker und Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen.
 
Regeste
Art. 27 Ziff. 3, Art. 29 StGB.
 
Aus den Erwägungen:
Ist davon auszugehen, dass das amtliche Verfahren zu Recht angeordnet worden ist, so dringt die Beschwerdeführerin auch mit der Rüge nicht durch, der Strafantrag sei nicht rechtzeitig gestellt worden. Ein unter dem Gesichtspunkt des eidgenössischen Rechts (Art. 28, 29 StGB) gültiger Strafantrag liegt vor, wenn der Antragsberechtigte vor Ablauf von drei Monaten, die mit dem Tage zu laufen beginnen, an dem ihm der Täter bekannt wird, bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde in der vom kantonalen Recht verlangten Form vorbehaltlos den Willen erklärt, dass die Strafverfolgung stattfinden solle, und zwar so, dass auf diese Erklärung hin nach kanto alem Recht das Verfahren auch tatsächlich in Gang kommt und ohne weitere Erklärung des Antragstellers seinen Lauf nimmt (vgl. BGE 68 IV 100, BGE 69 IV 198, BGE 71 IV 66, 227, BGE 74 IV 10, BGE 78 IV 49). Diese Voraussetzungen sind mit dem Begehren Zinnikers an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen vom 10. Dezember 1951 um Anordnung des amtlichen Verfahrens alle erfüllt worden. Es enthielt die vorbehaltlose Willenserklärung des Gesuchstellers, dass die Strafverfolgung durchgeführt werden solle. Dass Zinniker damals verlangte, die Behörden sollten "den Einsender respektive die Redaktion respektive den Drucker" zur Rechenschaft ziehen, machte die Erklärung nicht zu einer an Vorbehalte geknüpften. Freilich kam in dieser Wendung zum Ausdruck, dass der Redaktor nur verfolgt werden solle, wenn der Einsender (Verfasser) nicht belangt werden könne. Diese Einschränkung entsprach aber dem Gesetze (Art. 27 Ziff. 3 StGB), war nicht vom Willen des Antragstellers abhängig. Zinniker brachte damit zum Ausdruck, dass er die Verfolgung des Redaktors schon jetzt (vorbehaltlos) verlange für den Fall, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu dessen Verfolgung erfüllt sein sollten. Fragen könnte sich nur, ob diese Willenserklärung nicht verfrüht gewesen sei, solange nicht feststand, dass die Verfolgung des Verfassers entfalle. Indem Art. 29 StGB die Antragsfrist mit dem Tage beginnen lässt, "an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt wird", legt er indessen lediglich fest, dass drei Monate später das Antragsrecht erlischt, nicht auch, dass vor dem erwähnten Tage (Bekanntwerden des Täters) ein Antrag gültig nicht gestellt werden könne. Die Rechtsprechung hat daher stets zugelassen, dass der Verletzte Strafantrag schon stelle, bevor er den Täter kennt (BGE 68 IV 101, BGE 71 IV 230 Erw. 1, BGE 73 IV 72). Aus der gleichen Überlegung steht nichts im Wege, dass gegen den Redaktor einer Zeitung oder Zeitschrift Strafantrag gestellt werde, bevor feststeht, dass der Verfasser des Artikels nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann oder dass die Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden hat. An der in BGE 70 IV 149 nebenbei geäusserten Auffassung, dass nicht in einem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen zur Verfolgung des Redaktors noch nicht erfüllt seien, gegen diesen eventualiter Strafantrag gestellt werden könne, weil das Strafgesetzbuch nur das bedingungslose Begehren um Bestrafung als gültigen Strafantrag anerkenne, kann nicht festgehalten werden, da, wie gesagt, von einem bloss bedingten Strafantrag nicht die Rede sein kann, wenn der Antragsteller, was sich von selbst versteht, Verfolgung nur für den Fall verlangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Belangung der betreffenden Person erfüllt seien. Dass das Begehren Zinnikers vom 10. Dezember 1951 entsprechend den Vorschriften des kantonalen Rechts am richtigen Ort und in der richtigen Form gestellt worden ist und geeignet war, die Verfolgung der Beschwerdeführerin ohne weitere Erklärung des Verletzten in Gang zu bringen und ihren Lauf nehmen zu lassen, steht ebenfalls fest; die dahin gehende Auffassung des Kantonsgerichts beruht auf der Auslegung und Anwendung des kantonalen Prozessrechts und ist daher vom Kassationshof nicht zu überprüfen (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).