BGE 90 III 86
 
20. Entscheid vom 21. August 1964 i.S. Albaplast AG
 
Regeste
Zur Beschwerde nach Art. 17 ff. SchKG ist gegenüber Verfügungen der Organe des Konkurses grundsätzlich auch ein nicht anerkannter Konkursgläubiger befugt, dessen Forderung noch den Gegenstand eines hängigen Rechtsstreites bildet.
Wann sind Drittpersonen zur Beschwerdeführung legitimiert?
Art. 17 ff., 240, 41, 252 ff. SchKG.
 
Sachverhalt
A.- Gegen den am 7. April 1963 verstorbenen J. J. Drittenbass, St. Gallen, hatte die Albaplast AG Klage auf Schadenersatz im Betrage von Fr. 150'000. - angehoben, war aber mit Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 14./21. Dezember 1962 abgewiesen worden. Am 13. Mai 1963 legte sie Berufung an das Bundesgericht ein. In dem über die Verlassenschaft des J. J. Drittenbass am 11. Juli 1963 eröffneten Konkurs wurde die streitige Forderung gemäss Art. 63 der Konkursverordnung im Kollokationsplan "pro memoria" vorgemerkt. Der auf den 4. Mai 1964 einberufenen zweiten Gläubigerversammlung gedachte das Konkursamt St. Gallen die Weiterführung des Prozesses durch die Masse zu beantragen. Indessen war die Versammlung nicht beschlussfähig. Hierauf erachtete sich das Konkursamt als befugt, aus eigenem Entschluss in den schwebenden Prozess im Namen der Konkursmasse einzutreten. Es reichte die Berufungsantwort ein.
B.- Nach Empfang dieser Rechtsschrift führte die Albaplast AG gegen das Konkursamt St. Gallen Beschwerde mit dem Antrag, dessen Verfügung auf Aufnahme des Prozesses und die Vollmachterteilung an einen Anwalt seien aufzuheben. Zur Begründung machte sie geltend, zur Weiterführung eines nach Art. 207 SchKG eingestellten Prozesses durch die Masse bedürfe es eines Beschlusses der Gläubigergesamtheit. Durch den Eintritt in diesen Prozess setze sich die Konkursmasse einem beträchtlichen Kostenrisiko aus.
C.- Mit Entscheid vom 19. Juni 1964 ist die kantonale Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde nicht eingetreten, weil die Albaplast AG zur Beschwerdeführung nicht legitimiert sei. Als Konkursgläubigerin könne sie nicht gelten. weil ihre Konkursforderung bestritten und der betreffende Rechtsstreit noch hängig sei. Als Drittperson verfechte sie kein rechtliches Interesse. Ihre Sorge um das Kostenrisiko der Masse könne nicht als echt betrachtet werden, da ihr an der Wahrung ihres eigenen Interesses liege, den Prozess mit oder wenn möglich ohne Urteil zu gewinnen. Übrigens wäre jenes Kostenrisiko nicht hoch zu veranschlagen.
D.- Diesen Entscheid hat die Albaplast AG an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die kantonale Aufsichtsbehörde anzuweisen, über die Beschwerde materiell zu entscheiden.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Dass einem Konkursgläubiger das Recht zur Beschwerde nach Art. 17 ff. gegenüber Verfügungen der Konkursorgane zusteht (wobei immerhin das der zweiten Gläubigerversammlung durch Art. 253 Abs. 2 SchKG im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften eingeräumte freie Ermessen zu beachten ist), ist allgemein anerkannt. Und zwar ist diese Beschwerdelegitimation, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, grundsätzlich auch dann gegeben, wenn der betreffende Beschwerdeführer nicht (bereits) als Konkursgläubiger kolloziert ist, er aber eine Forderung eingegeben hat, die noch in einem schwebenden Kollokations- oder nach Art. 207 SchKG eingestellten Prozesse zu beurteilen ist. Die dahingehende Entscheidung des Bundesrates vom 19. Dezember 1894 (Archiv Band 4 Nr. 91) ist vom Bundesgericht bestätigt worden (BGE 27 I 123ff. = Sep.-Ausg. 4 S. 31 ff., BGE 53 III 107 ff.). Sie ist deshalb gerechtfertigt, weil ein solcher Forderungsansprecher vor Nachteilen bewahrt sein soll, die sich aus einer Verfügung der Konkursorgane ergeben könnten, die beim Unterbleiben der Beschwerde in Rechtskraft erwüchse (vgl. JAEGER, N. 2 zu Art. 17 SchKG; FAVRE, Plainte en matière de poursuite, Fiches juridiques suisses no 679, ch. III 1). Aus dem gleichen Grund ist dem Ansprecher einer noch im Streite liegenden Konkursforderung das Recht zugestanden worden, zusammen mit anerkannten Konkursgläubigern die Abtretung streitiger Rechtsansprüche der Masse nach Art. 260 SchKG zu verlangen (BGE 48 III 88 ff.).
In der vorliegenden Angelegenheit kann die Rekurrentin jedoch aus ihrer allenfalls im hängigen Prozesse zu bejahenden Gläubigereigenschaft kein Mitspracherecht für sich herleiten. Es geht bei der angefochtenen Verfügung nicht (wie in BGE 53 III 107) um eine Verwertungsmassnahme oder eine andere die Abwicklung des Konkursverfahrens beeinflussende Anordnung, welche die Stellung der Rekurrentin als allfälliger Konkursgläubigerin irgendwie zu beeinträchtigen vermöchte. Vielmehr handelt es sich nur eben um die Stellungnahme der Konkursmasse zu der streitigen Konkursforderung, also zur Zulassung der Rekurrentin im Kollokationsplan. In dieser Hinsicht ist der Ansprecher einer streitigen Konkursforderung wie von der Teilnahme an der zweiten Gläubigerversammlung (Art. 252 Abs. 1 SchKG) so auch vom Recht zur Beschwerde gegen die Entschliessungen der Konkursorgane ausgeschlossen.
Er darf sich nicht auf die (von ihm behauptete, aber im Prozess erst zu beurteilende) Gläubigereigenschaft berufen, um einer auf Weiterführung des Prozesses durch die Masse gehenden Entschliessung entgegenzutreten. Aus ähnlichen Gründen ist eine Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse gemäss Art. 260 SchKG an denjenigen, gegen den sich der Anspruch richtet, nicht zulässig (BGE 34 II 85ff. = Sep.-Ausg. 11 S. 67 ff.) und eine solche Abtretung überhaupt verpönt, wenn sie sich für die Masse nachteilig auswirken würde (BGE 45 III 46ff. Erw. 3).
2. Als der Masse gegenüberstehender Dritter kann die Rekurrentin gleichfalls kein Beschwerderecht für sich in Anspruch nehmen. Ausser Zweifel steht das Recht der Konkursmasse, in den Prozess einzutreten. Dabei wird der Richter es vermutlich bei der formellen Vertretungsbefugnis der Konkursverwaltung nach Art. 240/41 SchKG bewenden lassen (vgl. BGE 67 III 181 Erw. 2). Sollte dem anders sein oder die Rekurrentin eine Einstellung des Prozesses erwirken, so wird sich die Frage erheben, ob die Konkursverwaltung nachträglich einen Gläubigerbeschluss herbeizuführen habe. Jedenfalls wird die Rekurrentin nicht in rechtlichen Interessen betroffen durch den von der Konkursverwaltung beschlossenen und ins Werk gesetzten Prozesseintritt. Wird ihre Klage in letzter Instanz abgewiesen, so ist damit ihre Gläubigereigenschaft in einer für beide Prozessparteien massgebenden Weise verneint. Wird sie aber zugesprochen, so ist die Rekurrentin in entsprechender Weise zu kollozieren mit allen sich daraus für den weitern Fortgang des Konkurses ergebenden Wirkungen. Gegenüber dem rechtskräftigen Urteil über die streitige Forderung wird keinesfalls etwas daraus hergeleitet werden können, dass die Konkursverwaltung aus eigenem Entschluss im Namen der Masse den Prozess aufgenommen hat.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.