BGE 106 II 22
 
5. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Februar 1980 i.S. Fritz Feller AG gegen Osterwalder (Berufung)
 
Regeste
Bauhandwerkerpfandrecht; Vollendung der Arbeit im Sinne von Art. 839 Abs. 2 ZGB.
 
Sachverhalt
A.- Die General-Bauunternehmung Handschin und Aplanalp AG (HABAG) erstellte auf der Parzelle Grundbuchblatt Nr. 1493 in Unterseen ein Wohnhaus. Sie übertrug der Fritz Feller AG, Interlaken, die Ausführung der Heizungsinstallationsarbeiten zum Pauschalpreis von Fr. 10'800.--. Das einmalige Demontieren und Wiederanschliessen der Radiatoren im Zusammenhang mit den Malerarbeiten gehörte ebenfalls zu den vereinbarten Leistungen und war im Pauschalpreis inbegriffen.
Die Installation der Heizungsanlage erfolgte im Herbst 1977. Die Anlage stand im Winter 1977/1978 zur Beheizung der Neubaute in Betrieb. Am 18., 19. und 20. Juli 1978 liess die Fritz Feller AG sodann im Zusammenhang mit den Malerarbeiten die Radiatoren abnehmen und hernach wieder anschliessen sowie die Heizung einregulieren.
B.- Am 28. August 1978 stellte die Fritz Feller AG der HABAG für die ausgeführten Arbeiten Rechnung im Betrage von Fr. 10'800.--. Die Rechnung blieb unbezahlt. Am 18. Oktober 1978 wurde der Werklohn ein zweites Mal in Rechnung gestellt. Gleichzeitig gelangte die Fritz Feller AG an den Gerichtspräsidenten I des Amtsbezirks Interlaken mit dem Gesuch um vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts für den Betrag von Fr. 10'800.--. Dieses Gesuch richtete sie gegen Kurt Osterwalder, der die Wohnhausliegenschaft in der Zwischenzeit gekauft hatte und am 17. Juli 1978 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden war. Am 20. Oktober 1978 entsprach der angerufene Richter dem Gesuch und ordnete an, dass das Bauhandwerkerpfandrecht vorläufig im Grundbuch einzutragen sei, was unter dem gleichen Datum geschah. Ferner setzte er der Gesuchstellerin eine Frist von zwei Monaten an, um ihren Anspruch im ordentlichen Verfahren gerichtlich geltend zu machen.
C.- Mit Klage gegen Kurt Osterwalder vom 13. März 1979 stellte die Fritz Feller AG beim Appellationshof des Kantons Bern folgende Rechtsbegehren:
"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Klägerin ein definitives Bauhandwerkerpfandrecht im Betrage von Fr. 10'800.-- am Grundstück Unterseen-Gbl. Nr. 1493 des Beklagten zusteht.
2. Der Grundbuchverwalter von Interlaken sei gerichtlich anzuweisen, das Bauhandwerkerpfandrecht der Klägerin im Betrage von Fr. 10'800.-- zulasten des Grundstückes Unterseen-Gbl. Nr. 1493 definitiv einzutragen."
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.
Mit Urteil vom 20. Juni 1979 wies der Appellationshof (I. Zivilkammer) die Klage ab und auferlegte sämtliche Kosten der Klägerin. Er gelangte zum Schluss, dass die Klägerin die für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts vorgeschriebene Frist von drei Monaten nach der Arbeitsvollendung nicht eingehalten habe.
D.- Gegen diesen Entscheid hat die Klägerin Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie hält darin am Antrag auf Gutheissung der Klage fest.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
a) Aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz steht in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Installation der Heizung in der heute dem Beklagten gehörenden Liegenschaft im Herbst 1977 erfolgte, dass die Heizungsanlage in der Folge - offenbar zum Zwecke der Beheizung des Neubaus - in Betrieb genommen wurde und dass sie im darauffolgenden Winter ohne jede Störung funktionierte. Wesentlich später, nämlich erst am 18., 19. und 20. Juli 1978 führte die Klägerin noch folgende Arbeiten aus, die im Zusammenhang mit den Malerarbeiten notwendig wurden: Abnahme der Heizkörper (was die vorherige Entleerung des Wassers voraussetzte), Wiederanschluss der Heizkörper sowie Einregulierung der Heizung. Diese Arbeiten waren von der Klägerin nicht absichtlich aufgeschoben worden. Der Zeitpunkt ihrer Ausführung hing vielmehr vom Arbeitsprogramm des Malers ab. Sie erforderten den Einsatz eines Monteurs und eines Lehrlings während je eines Tages. Wären sie nicht im Pauschalpreis von Fr. 10'800.-- inbegriffen gewesen, so wäre ein Rechnungsbetrag von Fr. 238.-- darauf entfallen.
Diese Tatbestandswiedergabe beruht auf der Schilderung des Sachverhalts in Ziffer II des angefochtenen Urteils. Dort wird die Einregulierung der Heizung als ein Teil der in der Zeit vom 18. bis 20. Juli 1978 ausgeführten Arbeiten erwähnt. Im rechtlichen Teil der Urteilsbegründung wird dann aber unter Ziffer III ausgeführt, der Umstand, dass die Heizung nach deren Installation ohne jegliche Störung funktioniert habe, lasse den Schluss zu, dass sie bereits einreguliert gewesen sei. Bei dieser Erwägung handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung - eine solche stünde zur ersterwähnten in einem unlösbaren Widerspruch -, sondern um eine Schlussfolgerung aufgrund der Lebenserfahrung, die vom Bundesgericht auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden kann (BGE 99 II 84 und 329, BGE 95 II 124 und 169). Der von der Vorinstanz gezogene Schluss vermag aus folgendem Grund nicht zu überzeugen: Auch wenn eine Heizung während der Bauzeit störungsfrei funktioniert hat, pflegt dies deren Einregulierung vor der definitiven Inbetriebnahme nicht überflüssig zu machen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass anlässlich der vom 18. bis 20. Juli 1978 ausgeführten Arbeiten auch die Einstellung und das richtige Funktionieren der Heizung kontrolliert worden sind. Diese Kontrolltätigkeit kann durchaus als "Einregulierung der Heizung" bezeichnet werden, auch wenn sie nicht mit einem grossen Arbeitsaufwand verbunden ist.
b) Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen ist nun zu prüfen, welcher Zeitpunkt als Vollendung der klägerischen Arbeit im Sinne von Art. 839 Abs. 2 ZGB und damit als Beginn der Dreimonatsfrist für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts im Grundbuch zu betrachten ist. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei beurteilen kann (zur Abgrenzung von Rechts- und Tatfrage bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Arbeitsvollendung vgl. BGE 102 II 208, wo die bisherige Praxis verdeutlicht wurde).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten die Arbeiten des Bauhandwerkers oder Unternehmers dann als vollendet, wenn alle Verrichtungen, die Gegenstand des Werkvertrages bilden, ausgeführt sind. Leistungen, die nicht kraft des Werkvertrages und des Baubeschriebs auszuführen sind, sondern die zusätzlich bestellt wurden, ohne dass angenommen werden könnte, dass sie in den erweiterten Rahmen des Vertrages fallen, gehören nicht zur Vollendung der Arbeiten. Das gleiche gilt für geringfügige oder nebensächliche Arbeiten, die vom Handwerker oder Unternehmer absichtlich aufgeschoben wurden, sowie für Ausbesserungen wie den Ersatz von gelieferten, aber fehlerhaften Teilen oder die Behebung anderer Mängel (BGE 102 II 208 mit Hinweisen). In BGE 101 II 253 ff. hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Einrichten einer Küche das nachträgliche Regulieren eines Drehgestells sowie der Verschlüsse von Schubladen und Schränken, das Ausbessern der Ecken von Formica-Flächen und das Einsetzen eines ausziehbaren Fachs als nebensächliche Vervollkommnungsarbeiten betrachtet, die nicht zur Arbeitsvollendung gehörten. In BGE 102 II 206 ff. hat es hingegen das aus Sicherheitsgründen erfolgte Schliessen von zwei Öffnungen noch zur Vollendung der Arbeit gerechnet, obwohl diese Verrichtungen nur mit einem Arbeitsaufwand von einer Stunde und mit Zementkosten von Fr. 5.-- verbunden waren. In diesem Entscheid wurde hervorgehoben, dass je nach den Umständen auch Arbeiten, die nur wenig Zeit und Material erfordern, zur Arbeitsvollendung im Sinne von Art. 839 Abs. 2 ZGB gehören können (vgl. a.a.O., S. 209).
c) Da es vom Parteiwillen abhängt, welchen Umfang die Arbeitsleistung eines Handwerkers oder Unternehmers haben soll, ist in erster Linie von der Regelung mit Werkvertrag auszugehen (LEEMANN, N. 18 zu Art. 839 ZGB). In der Auftragsbestätigung der HABAG an die Klägerin vom 1. September 1977 wurde von "Rohinstallation" der Heizung gesprochen, die bis zum 18. November 1977 zu erfolgen habe; auf dieses Datum hin sollte die Heizung "provisorisch" betriebsbereit sein, so dass die Baute von dann an beheizt werden könne. Sodann wurden das einmalige Abnehmen und Wiederanschliessen der Radiatoren im Zusammenhang mit den Malerarbeiten als weitere vertragliche Leistungen erwähnt, die im Preis inbegriffen sein sollten.
Die der Klägerin im Werkvertrag übertragene Leistung umfasste danach auch das im Zuge der Malerarbeiten notwendige Abnehmen und Wiederanschliessen der Heizkörper sowie die damit zwangsläufig verbundene Kontrolle des richtigen Funktionierens der Heizungsanlage. Der Umstand, dass die im November 1977 auszuführende Installation der Heizung als "Rohinstallation" bezeichnet und im Zusammenhang damit von "provisorischer" Betriebsbereitschaft der Heizung gesprochen wurde, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Vertragsparteien die Heizungsanlage erst nach Vornahme der von der Klägerin anlässlich der Malerarbeiten zu erbringenden Leistungen als definitiv installiert und betriebsbereit oder mit andern Worten als vollendet betrachteten.
In der Regel fällt der Zeitpunkt der Arbeitsvollendung gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB mit jenem gemäss Werkvertrag zusammen. Eine Ausnahme besteht nach der Rechtsprechung für geringfügige oder nebensächliche Arbeiten, die vom Handwerker oder Unternehmer absichtlich aufgeschoben wurden, sowie für blosse Ausbesserungen. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die in der Zeit vom 18. bis 20. Juli 1978 ausgeführten Arbeiten von der Klägerin nicht absichtlich aufgeschoben wurden, sondern dass ihr Zeitpunkt ausschliesslich vom Arbeitsprogramm des Malers abhing. Es bestand somit keine Gefahr, dass die Klägerin die Ausführung dieser Arbeiten hätte verzögern und so den Beginn der dreimonatigen Frist für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts hätte hinausschieben können.
Im übrigen handelte es sich auch nicht um völlig nebensächliche Arbeiten. Zwar war der damit verbundene Arbeitsaufwand im Vergleich zur gesamten Installation der Heizungsanlage gering. Dies ist indessen nach der neuesten Rechtsprechung nicht ausschlaggebend, da es sich je nach den Umständen rechtfertigen kann, auch geringfügige Verrichtungen als Arbeitsvollendung im Sinne von Art. 839 Abs. 2 ZGB zu betrachten (BGE 102 II 209). Solche Umstände liegen hier vor. Erst mit dem definitiven Anschluss der Heizkörper sowie der Funktionskontrolle der Heizungsanlage nach der Ausführung der Malerarbeiten hatte die Klägerin die ihr übertragene vertragliche Leistung vollständig erfüllt und konnte sie die volle Verantwortung für die richtige Arbeitsausführung übernehmen (SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, N. 346).
Die Vorinstanz hat die in Frage stehenden Arbeiten zu Unrecht als blosse Hilfs- oder Vervollkommnungsarbeiten betrachtet, die gleichsam akzessorisch zu den Malerarbeiten hinzugetreten seien. Mit dieser Betrachtungsweise wurde sie dem Umstand nicht gerecht, dass sich die vertragliche Leistung der Klägerin nicht darin erschöpfte, eine Heizung in einem Rohbau zu installieren. Zur Einrichtung der Heizungsanlage gehörte vielmehr auch, die Ausführung der Malerarbeiten durch die vorübergehende Abnahme der einstweilen nur provisorisch montierten Heizkörper zu ermöglichen und das richtige Funktionieren der Heizung nach dem Abschluss dieser Arbeiten sicherzustellen. Bezeichnenderweise hat die Klägerin für die Einrichtung der Heizungsanlage auch erst nachher Rechnung gestellt. Die in der Zeit vom 18. bis 20. Juli 1978 ausgeführten Arbeiten hatten daher nicht bloss Vervollkommnungs- oder Ausbesserungscharakter, sondern sie gehörten zur Arbeitsvollendung. Eine Privilegierung der Klägerin im Vergleich zu andern Bauhandwerkern kann entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darin erblickt werden, dass sich der Beginn der dreimonatigen Frist für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts entsprechend lange hinauszog. Der späte Beginn dieses Fristenlaufs ist vielmehr die zwangsläufige Folge davon, dass die Klägerin die ihr gemäss Werkvertrag obliegende Leistung erst nach der Ausführung der Malerarbeiten vollenden konnte. Ähnliche Verhältnisse dürften auch bei einer ganzen Reihe weiterer Bauhandwerker anzutreffen sein (SCHUMACHER, a.a.O., N. 351).
3. Die am 20. Oktober 1978 erfolgte vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts der Klägerin im Grundbuch war somit nicht verspätet. Das angefochtene Urteil ist daher in Gutheissung der Berufung aufzuheben. Dem Klagebegehren, gerichtet auf Feststellung und definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts im Betrage von Fr. 10'800.--, kann allerdings nicht in dieser Form entsprochen werden. Nach Art. 839 Abs. 3 ZGB darf die (definitive) Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts nur erfolgen, wenn die Forderung vom Eigentümer anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Hierüber lässt sich dem angefochtenen Urteil nichts entnehmen. Aus den kantonalen Akten ergibt sich an sich, dass der Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Forderung nicht in substantiierter Weise bestritten hat. Es kann aber nicht Sache des Bundesgerichts sein, hierüber eine Feststellung zu treffen. Es hängt weitgehend vom kantonalen Prozessrecht ab, ob und inwieweit aus der Tatsache der Nichtbestreitung auf eine Anerkennung geschlossen werden kann. Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese zur Frage der durch das Bauhandwerkerpfandrecht zu sichernden Forderung Stellung nehme.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.