BGE 81 II 112
 
20. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. April 1955 i.S. Tirenga Treu-Unternehmen gegen Immo-Hyp-Propria A.-G. in Nachlassliq.
 
Regeste
"Verpfändung" eines Namensschuldbriefes durch einen nichtverfügungsberechtigten Nichteigentümer:
Für Übertragung des Namensschuldbriefes (zu Eigentum) gemäss Art. 869 Abs. 2 genügt - im Gegensatz zur Verpfändung nach Art. 901 Abs. 2 - ein Blankoindossament nicht.
Dass der den Schuldbrief im eigenen Namen und als Eigentümer Verpfändende, falls er dies nicht war, vom Eigentümer zur Verpfändung sonstwie ermachtigt gewesen sei, hätte der Pfandansprecher zu beweisen.
 
Sachverhalt
Im Verfahren über den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung der Immo-Hyp-Propria A.-G. in Nachlassliquidation meldete das Tirenga Treu-Unternehmen reg. in Vaduz eine Forderung von Fr. 150'000.-- zur Kollokation an sowie ein Pfandrecht dafür am Namensschuldbrief per Fr. 80'000.-- dat. 1. September 1945, lastend auf Liegenschaft Rotwandstrasse 52, Zürich 4.
Die Liquidatoren anerkannten die Forderung, nicht aber das Pfandrecht, weil es nicht rechtsgültig bestellt worden sei, und setzten der Ansprecherin Frist zur Anfechtung des Kollokationsplanes nach Art. 250 SchKG. Die Ansprecherin stellte fristgerecht beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren des Bezirksgerichts Zürich das Rechtsbegehren auf Anerkennung des Pfandrechts am Schuldbrief.
Beide Vorinstanzen haben das Bestehen eines Pfandrechtes verneint und die Klage abgewiesen. Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihrem Begehren fest.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1./3. - (Streitwert, formellrechtliche Anträge).
a) Gemäss dem Kaufvertrag vom 18. Oktober 1949 zwischen der Immo-Aktiengesellschaft und der Immo-Hyp-Propria AG über die Liegenschaft Rotwandstrasse 52 in Zürich 4 war damals die Käuferin, d.h. die heutige Beklagte, Eigentümerin des Schuldbriefes. Sie bezahlte Fr. 80.,000.-- an den Kaufpreis durch Verrechnung ihres Guthabens gegenüber der Verkäuferin "laut dem ihr gehörenden Namenschuldbrief".
b) Die Verpfändung dieses Schuldbriefes an die heutige Klägerin erfolgte einige Tage später, am 1. November 1949 durch Edwin Gloor, der beim Abschluss des Kaufvertrags vom 18. Oktober 1949 sowohl die Verkäuferin als die Käuferin vertreten hatte, da er in beiden Firmen einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat war. In der Verpfändungserklärung vom 1. November 1949 bezeichnete Gloor sich selbst als Eigentümer des Schuldbriefes und fügte der Beschreibung des Titels bei: "blanco cediert". Der Schuldbrief seinerseits enthält unter der Rubrik "Übertragungen" zunächst eine Zessionserklärung der Leihkasse Neumünster, Zürich, gegenüber der Immo-Aktiengesellschaft vom 29. Dezember 1947, dann ein undatiertes Blankoindossament dieser letztern.
c) Die Klägerin macht nun geltend - und hat im kantonalen Verfahren nur geltend gemacht -, Gloor sei durch dieses Blanko-Indossament und die Inbesitznahme des Titels Eigentümer desselben geworden und habe als solcher den Titel der Klägerin verpfändet, oder er sei durch die Blanko-Zession zum mindesten zur Verpfändung ermächtigt worden. Ein Beweis dafür, dass Gloor, falls nicht Eigentümer, ausdrücklich von berechtigter Seite die Ermächtigung zur Verpfändung des Titels erhalten habe, wurde nicht erbracht. Vielmehr ist nach Annahme der Vorinstanz als erwiesen zu betrachten, dass Gloor - wenn er nicht Eigentümer des Schuldbriefes geworden ist - in der Zeitspanne zwischen dem erwähnten Kaufvertragsabschluss (18. Oktober 1949) und der angeblichen Verpfändung (1. November 1949) den Titel für die Beklagte besessen hat.
Die zu diesem Schlusse und damit zur Abweisung der Klage führenden rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz treffen durchaus zu, so dass ohne weiteres auf sie verwiesen werden kann. Zusammenfassend und, in Rücksicht auf die teilweise neuen Rechtserörterungen der Berufungsschrift, ergänzend ist indessen zu bemerken:
a) Wäre die Verpfändung des Namenstitels durch Gloor in wertpapiermässiger Form durch Indossierung erfolgt, so könnte sich der Pfandgläubiger auf gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts berufen und wäre darin auch dann zu schützen, wenn der Verpfänder kein Recht zur Verpfändung hatte, analog Art. 933 ZGB. Bei der in casu von Gloor gewählten, nicht skripturmässigen Verpfändung mit Ausstellung einer Verpfändungserklärung (vergl.BGE 42 III 296ff.) jedoch konnte die Pfandgläubigerin auch bei gutem Glauben nicht mehr Rechte erwerben, als Gloor selbst am Titel hatte (vergl. OFTINGER Komm. zu Art. 900, 901). Es kommt daher in der Tat darauf an, ob Gloor die Verfügungsmacht über den Titel hatte oder nicht.
b) Eigentümer des Namenschuldbriefes bzw. Gläubiger der darin verkörperten Forderung ist Gloor nicht geworden; und zwar durch gewöhnliche Abtretung nach Art. 165 Abs. 1 OR nicht, weil sie, wenn überhaupt, jedenfalls nicht schriftlich verembart worden ist; durch skripturrechtliche Übertragung nach Art. 869 Abs. 2 ZGB nicht, weil die für die Übereignung der Namenstitel ausdrücklich geforderte Angabe des Erwerbers auf dem Titel selbst fehlt. Die Auffassung der Klägerin, es genüge entgegen dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ein sog. Blanko-Indossament, ist von beiden Vorinstanzen zutreffend widerlegt worden. Der Hinweis der Klägerin auf Art. 901 Abs. 2 ZGB und auf LEEMANN N. 25 zu dieser Bestimmung geht am Problem vorbei; denn es handelt sich in diesem Zusammenhang nicht darum, ob dem nach Art. 901 Abs. 2 zur Verpfändung - alternativ mit einer Abtretungserklärung - notwendigen Indossament auch ein blosses Blanko-Indossament entspreche (was LEEMANN a.a.O. bejaht), sondern ob der für den Eigentumserwerb an Schuldbriefen massgebenden, ganz anders lautenden, den Übertragungsvermerk mit Angabe des Erwerbers verlangenden Vorschrift des Art. 869 Abs. 2 mit einem Blanko-Indossament Genüge getan sei, was zweifellos zu verneinen ist.
c) Hat aber Gloor das Eigentum am Schuldbrief nicht erworben, so steht der Beklagten als Eigentümerin desselben - wie die Klägerin an sich zugibt - die Einrede zu, dass letztere mangels Verfügungsbefugnis des Gloor ein Pfandrecht nicht erworben habe. Diese Einrede wurde schon mit der auf Art. 869 Abs. 2 ZGB hinweisenden Verfügung der Liquidatoren vom 2. Dezember 1952 erhoben und im Prozess näher substanziert. Sie ist nach dem Gesagten, soweit der Eigentumserwerb des Gloor in Frage steht, begründet und zu schützen.
d) Die Klägerin macht nun allerdings eventualiter geltend, Gloor sei, wenn auch nicht Eigentümer des Titels, so doch zur Verpfändung im Namen des wirklichen Eigentümers berechtigt gewesen, und sie beanstandet, dass die Vorinstanz zu dieser These ihr, der Klägerin, den Beweis und nicht der Beklagten den Gegenbeweis auferlegt habe. Denn nach ihrer Auffassung ergäbe sich das Verfügungsrecht des Gloor bereits aus dem richtig ausgelegten Pfandvertrag. Der gute Glaube der Klägerin sei bei Anwendung von Art. 900 ZGB nur insofern nicht geschützt, als ihr Einreden aus dem Grundgeschäft entgegengehalten werden könnten. Nun habe aber die Beklagte sowohl das Grundgeschäft als die Stellung Gloors als ihres Verwaltungsrates gekannt und müsse sein Handeln gegen sich gelten lassen, soweit sie nicht beweise, dass er unbefugt gehandelt habe.
Diese Argumentation geht jedoch - abgesehen von den darin enthaltenen neuen Behauptungen - fehl. Gloor hat den Pfandvertrag mit der Klägerin eindeutig im eigenen Namen und für ein ihm persönlich von dieser gewährtes Darlehen abgeschlossen und sich dabei ausdrücklich als Eigentümer des Schuldbriefs erklärt. Wie dieses Dokument dahin ausgelegt werden könnte, Gloor habe eventuell - falls er nicht Eigentümer wäre - nur als Vertreter der Immo-Hyp-Propria gehandelt und diese ihn zu seinem Handeln ermächtigt, ist unerfindlich. Ein solcher Sachverhalt könnte sich höchstens aus andern Tatsachen ergeben, die aber die Klägerin zu behaupten und zu beweisen hätte. Dieser Beweis wurde nach Feststellung der Vorinstanz nicht erbracht, ja nicht einmal angetragen. Ihre Erwägungen, wonach eine gültige Pfandbestellung mangels Verfügungsberechtigung des Gloor nicht erfolgen konnte, treffen daher zu.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Soweit auf die Berufung eingetreten werden kann, wird sie abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich. II. Zivilkammer, vom 2. April 1954 bestätigt.