BGE 73 II 158 - Vorkaufsrecht Bütler
 
27. Urteil der II. Zivilabteilung
vom 25. September 1947 i.S. H. und A. Bütler gegen Wwe Weibel.
 
Regeste
Vorkaufs- und Rückkaufsrecht, Vormerkung, Konventionalstrafe.
Jede zum voraus eingegangene Verpflichtung, die Vormerkung solcher Rechte nach zehn Jahren (einmal oder wiederholt) erneuern zu lassen, ist ungültig; ebenso eine für den Fall der Nichterneuerung vorgesehene Konventionalstrafe. Art. 681 Abs. 3, 683 Abs. 2 ZGB, 163 Abs. 2 OR.
 
Sachverhalt
 
A.
Durch Vertrag vom 13. Juni 1914 verkaufte Josef Bütler von seiner Liegenschaft von 64 a 61m2 dem Gottlieb Weibel eine Parzelle von 4 a 33m2 mit einem Wohnhaus zum Preise von Fr. 9000.-. Dabei bedang er sich und seinen Erben ein Rückkaufsrecht bzw. "Kaufsvorrecht" aus, gemäss folgender Bestimmung:
    3. Der Verkäufer oder dessen Erben, speziell aber seine Ehefrau hat nach dem Tode von Gottl. Weibel und seiner jetzigen Ehefrau Verena geb. Lieb, oder auch falls der Käufer das Kaufsobjekt früher wieder verkaufen will, das Rückkaufsrecht für das gesamte Kaufobjekt für den Preis von Fr. 9000.-.
    Wenn nach 10 Jahren das Rückkaufsrecht, bzw. Kaufsvorrecht des Verkäufers oder seiner Erben erlischt (ZGB Art. 683), so ist der Käufer oder dessen Ehefrau verpflichtet, dieses Recht neuerdings z.G. des Verkäufers oder dessen Erben beim Grundbuchamt vormerken zu lassen.
    Sollte der Käufer oder dessen Ehefrau sich weigern das zu tun, so hat er an den Verkäufer oder seine Erben eine Entschädigung von 6000.- Fr. zu zahlen.
 
B.
Dieses Recht wurde am 25. Juni 1914 im Grundbuch vorgemerkt. Weibel liess die Vormerkung noch zweimal, am 25. Juni 1924 und am 26. November 1934, für je zehn weitere Jahre erneuern. Am 24. März 1939 verkaufte Bütler seine Liegenschaft seinen Söhnen Hermann und Alfons, auf die laut einer Vertragsklausel das Rückkaufsrecht gegen Weibel übergehen solle. Er starb am 28. Dezember 1940, beerbt von seinen sieben Kindern. Weibel seinerseits starb am 6. Februar 1942 und hinterliess als Erben laut letztwilliger Verfügung die Witwe Verena Weibel geb. Lieb sowie seine Schwester und drei Neffen. Die Witwe erwarb die Hälfte zu Eigentum und an der andern Hälfte Nutzniessung.
 
C.
Hermann und Alfons Bütler, als Eigentümer der ihnen vom Vater verkauften Liegenschaft, betrieben am 21. September 1944 die Witwe Weibel auf Zahlung von Fr. 6000.-, mit der Erklärung: "Sobald das Vorkaufsrecht wieder für 10 Jahre erneuert ist, soll das Betreibungsverfahren abgebrochen werden." Da keine Einigung zustande kam, verlangten die betreibenden Gläubiger provisorische Rechtsöffnung. Diese wurde erteilt, und die Aberkennungsklage der Witwe Weibel wurde in erster Instanz abgewiesen, vom Obergericht des Kantons Aargau dagegen am 25. April 1947 gutgeheissen.
 
D.
Mit der vorliegenden Berufung halten die beiden Söhne Bütler an der geltend gemachten Forderung fest und beantragen Abweisung der Aberkennungsklage.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die erwähnte Vertragsbestimmung ist unklar. Indessen mag ungeprüft bleiben, ob ein Vorkaufsrecht oder ein Rückkaufsrecht oder beides gemeint sei, ferner, wie es sich mit der Aktiv- und der Passivlegitimation der Parteien verhält, d.h. wem das in Frage stehende Recht nach dem Tode des Verkäufers zustehen soll und gegen wen es sich nach dem Tode des Käufers richtet, und endlich, ob die Erneuerungsverpflichtung als einmalige oder wiederholte, ja nach je zehn Jahren immer wieder zu erfüllende vereinbart worden sei. Auf alle Fälle ist diese Verpflichtung ungültig, weil gegen die gesetzliche Begrenzung solcher Vormerkungen auf höchstens zehn verstossend (Art. 681 Abs. 3 und 683 Abs. 2 ZGB). Diese Begrenzung ist um der öffentlichen Ordnung willen vom Gesetze festgelegt und darum unabdingbar (vgl. die Erläuterungen zum Vorentwurf, Art. 681-683, und BGE 49 II 335). Daran ändert es nichts, dass Vorkaufs-, Rückkaufs- und Kaufsrechte als rein persönliche Ansprüche gültig auf längere Dauer vereinbart werden können (BGE 53 II 394, 71 II 158). Die sogenannte dingliche Wirkung, wie sie eben mit einer Vormerkung erzielt wird, ist zwingend auf eine Maximaldauer von zehn Jahren begrenzt. Lässt sich somit die Freiheit des Grundeigentümers nicht gültig auf längere Dauer in solcher Weise beschränken, so ist auch jede zum voraus eingegangene Verpflichtung zur Erneuerung der Vormerkung nach Ablauf der gesetzlich begrenzten Dauer ungültig. Nur auf Grund einer neuen Vereinbarung kann eine nochmalige Vormerkung derartiger Rechte stattfinden. Es handelt sich dabei keinesfalls um die Verlängerung der frühern, sondern immer um eine neue Vormerkung, die als selbständige zu betrachten ist und den Rang einnimmt, der ihr nach den zur Zeit ihrer Einschreibung im Tagebuchbestehenden Verhältnissen zukommt. Das entspricht der herrschenden Lehre (vgl. Leemann, 2. Auflage, zu Art. 681 N. 27, und Haab, dazu N. 24, Allgäuer, Vorkaufs- Rückkaufs- und Kaufsrecht 88; Schmid, Das Vorkaufsrecht 125). Die Grundbuchbehörden nahmen gelegentlich eine Erneuerungsvereinbarung als besondere Bedingung im Sinne von Art. 71 Abs. 2 der Grundbuchverordnung in die Vormerkung auf, in der Meinung, deren Gültigkeit sei von den Gerichten zu beurteilen (vgl. Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht 2, 149, und Schmid, a.a.O., Anmerkung 13). Indessen wurde dann doch die Nichtigkeit derartiger Vereinbarungen anerkannt (vgl. dieselbe Zeitschrift 9, 140, und 18, 192: Bericht des eidgenössischen Grundbuchamtes). Die Erneuerungsklausel im Beispiel einer Vorkaufsrechtsvereinbarung bei Nussbaum, Öffentliche Beurkundungen 289, wäre demnach auch nicht gültig. Auf den Kaufvertrag vom 13. Juni 1914 liess sich schon die erste Erneuerung, vom 25. Juni 1924, nicht mehr stützen. Die bezügliche Anmeldung, und ebenso diejenige vom Jahre 1934, hätte mangels eines Rechtsgrundausweises für die nochmalige Vormerkung abgelehnt werden sollen.
 
Erwägung 2
2. Konnte sich Weibel nicht gültig zur jeweiligen Erneuerung der Vormerkung verpflichten (noch dazu, jeweilen zum Abschluss eines neuen Vormerkungsvertrages auf weitere zehn Jahre Hand zu bieten), so ist auch die diese Verpflichtung verstärkende Konventionalstrafe ungültig (vgI. von Thur OR § 87; Roger Secretan, Clause pénale 50 ff., 93). Die Konventionalstrafe hat akzessorischen Charakter, was Art. 1227 des französischen Code civil deutlicher zum Ausdruck bringt als Art. 163 Abs. 2 OR. Sie setzt freilich nicht in jedem Fall eine klagbare Hauptverpflichtung voraus, sondern kann auch zur Sicherung gewisser Naturalobligationen dienen, insbesondere von Leistungen, an deren Erfüllung ein blosses Affektionsinteresse besteht (vgl. von Thur a.a.O.; Oser-Schönenberger, zu Art. 159 OR Nr. 12; Dernburg, System des römischen Rechtes, 8. Auflage, 645). Eine Verpflichtung jedoch, die gegen unabdingbare Freiheitsrechte verstösst und daher schlechthin ungültig ist, lässt sich keinem, auch nicht psychischem Zwang unterstellen und daher nicht durch Konventionalstrafe rechtsverbindlich sichern. Verhält es sich so bei Verpflichtungen, die sich als unzulässige Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ZGB erweisen (BGE 48 II 439), so ist auch die vorliegende, gegen die unantastbare Freiheit des Grundeigentums verstossende Vereinbarung nicht tauglich, durch Konventionalstrafe verstärkt und gesichert zu werden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 25. April 1947 bestätigt.