BGE 98 Ib 470
 
69. Urteil vom 10. November 1972 i.S. X. Immobilien AG gegen Steuerrekurskommission Baselland.
 
Regeste
Wehrsteuer; verdecktes Eigenkapital einer Immobiliengesellschaft.
 
Sachverhalt
Sachverhalt:
A.- Die X. Immobilien AG gehört zum Immobilienanlagefonds Y. Sie wurde 1964 mit einem Aktienkapital von Fr. 100'000. - gegründet und erwarb im gleichen Jahre mit Hilfe eines Hypothekarkredites einer Bank von Fr. 1'000'000.-- und eines Darlehens des Anlagefonds Y. von Fr. 1'200'000.-- eine Wohnliegenschaft.
In der für die 15. Wehrsteuerperiode massgebenden Bilanz per 29. Februar 1968 führte sie Aktiven von total Fr. 2'376,630.70 auf. Darin war die Liegenschaft mit Fr. 2'367,900.-- enthalten. Die Passiven deklarierte sie wie folgt:
Aktienkapital, gesetzliche Reserve, Gewinnvortrag: Fr. 103'625.50
+ Unterhalts- und Erneuerungsfonds und Amortisationsfonds: Fr. 17'000.--
Total deklariertes steuerbares Kapital: Fr. 120'625.50
Darlehen Anlagefonds Y: Fr. 1'200'000.--
Hypothek: Fr. 1'000'000.--
übrige Passiven : Fr. 56'005.20
= Fr. 2'376,630.70
Die Gewinn- und Verlustrechnungen der Vorjahre wiesen aus:
1966/67: 1967/68
Kapitalzinsen: Fr. 42'692.95: Fr. 44'952.60
Hypothekarzinsen: Fr. 67'041.25: Fr. 59'008.25
andere Unkosten: Fr. 18'639.25: Fr. 23'173.40
Gewinn: Fr. 298.95: Fr. 304.50
= Fr. 128'672.40: = Fr. 127'438. 75
Die Wehrsteuerverwaltung Baselland wandte auf die Beschwerdeführerin die Grundsätze an, die die EStV im Merkblatt vom 10. Juli 1968 betreffend verdecktes Eigenkapital bei Immobiliengesellschaften niedergelegt hat (ASA 37/199). Sie errechnete ein "verdecktes Eigenkapital" von Fr. 352'955.-- und eine verdeckte "geldwerte Leistung" von durchschnittlich Fr. 10'300.-- in den Geschäftsjahren 1966/67 und 1967/68. Auf Grund ihrer Berechnungen setzte sie das steuerbare Kapital der X. Immobilien AG für die 15. Wehrsteuerperiode auf Fr. 120'625.-- + Fr. 352'955.-- = rund Fr. 473'000.-- und den steuerbaren Reinertrag auf Fr. 300.-- + Fr. 10'300 = Fr. 10'600.-- fest. Die kantonale Steuerrekurskommission hat diese Veranlagung am 19. April 1972 bestätigt. Sie hält dafür, die Grundsätze des erwähnten Merkblattes der EStV seien auch auf Immobiliengesellschaften anwendbar, die zu einem Anlagefonds gehörten.
B.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die X. Immobilien AG Aufhebung des Entscheides der kantonalen Steuerrekurskommission und Veranlagung gemäss Selbstdeklaration. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht, Immobiliengesellschaften von Anlagefonds verdienten eine Sonderbehandlung; die ihnen vom Anlagefonds zur Verfügung gestellten Darlehen seien Darlehen der Anleger, also echte Darlehen Dritter. Es liege deshalb keine Steuerumgehung vor, wenn derartige Immobiliengesellschaften mit einem relativ kleinen Eigenkapital ausgestattet würden. Diese Auffassung decke sich mit einem neuen, eingehenden Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Luzern vom 24. Juni 1971 (ZBl 73/1972, S. 73 ff.).
C.- Die EStV, die kantonale Wehrsteuerverwaltung und die kantonale Steuerrekurskommission beantragen Abweisung der Beschwerde.
 
Erwägungen:
Seither hat die staatsrechtliche Abteilung am 21. Juni 1972 erklärt, es sei nicht willkürlich, Immobiliengesellschaften im Eigentum von Anlagefonds gleich zu behandeln wie die übrigen Immobiliengesellschaften und dementsprechend auch bei ihnen das verdeckte Eigenkapital und die darauf ausgeschütteten Zinsen nach Massgabe der kantonalen Steuergesetze zu erfassen.
Demgegenüber hält die Rekurskommission des Kantons Luzern in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheid vom 24. Juni 1971 (ZBl 73/1972, S. 73 ff.) dafür, bei derartigen Immobiliengesellschaften liege keine Steuerumgehung vor; es gehe nicht an, auf den wirtschaftlichen Sachverhalt abzustellen.
2. Im erwähnten Entscheid vom 12. November 1971 hat das Bundesgericht festgehalten, Immobilienaktiengesellschaften, bei denen der einzige Aktionär das Grundkapital klein hält und die weiteren Mittel in der Form eines Darlehens zur Verfügung stellt, seien zwar zahlreich. Dies schliesse aber nicht aus, dass diese Form der Finanzierung sachlich unangemessen sei und nur aus Gründen der Steuerersparnis gewählt werde. Soweit das Darlehen die Grenzen überschreite, bis zu denen Dritte Kredite gewähren würden, trage es die Risiken gleich wie Eigenkapital und werde deshalb auch nur von Zeichnern des Eigenkapitals zur Verfügung gestellt. Würde man auf die zivilrechtliche Betrachtungsweise abstellen, so entgingen solche Immobiliengesellschaften weitgehend einer Besteuerung des Liegenschaftsertrages. Eine Form der Steuerumgehung werde nicht dadurch zu einer gesetzeskonformen Steuerersparnis, dass sie immer häufiger angewandt werde.
a) Die der Immobiliengesellschaft vom Fonds zur Verfügung gestellten Mittel stammten von den Anlegern, also von Dritten, die keinen Einfluss auf die Verwaltung des Fonds und der Immobiliengesellschaft nehmen könnten. Von der Immobiliengesellschaft aus gesehen sei ein Darlehen des Fonds somit nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich Fremdkapital.
b) Der Immobilienanlagefonds bezwecke die kollektive Anlage der ihm von den Anlegern zur Verfügung gestellten Mittel in Immobilienwerten. Als solche gälten nach Art. 31 Abs. 2 lit. b AFG auch Beteiligungen an und Forderungen gegen Immobiliengesellschaften, deren Grundkapital und Stimmen zu mindestens zwei Dritteln im Anlagefonds vereinigt seien. Angesichts der wirtschaftlichen Identität zwischen Anlagefonds und vollständig zu diesem gehörender Immobiliengesellschaft sei praktisch bedeutungslos, ob der Fonds der Immobiliengesellschaft die Mittel in der Form einer Aktienbeteiligung oder in der Form eines Darlehens zur Verfügung stelle. Darlehensforderungen eigneten sich als Anlageform nicht weniger als Beteiligungen. Das vorgeschriebene Mindestkapital genüge der Immobiliengesellschaft durchaus für die Erfüllung ihrer Funktion, dem Anlagefonds die Anlage seiner Mittel in Liegenschaften grundbuchrechtlich zu ermöglichen. Die Anlage in Darlehensforderungen habe abgesehen von den niedrigen Gründungskosten der Gesellschaft den Vorteil, dass die Mittel einfacher und rascher dem wechselnden Kapitalbedarf der Gesellschaft angepasst werden könnten. Müsste das Grundkapital einen bestimmten, als normal geltenden Bruchteil des Verkehrswertes der Liegenschaften erreichen, so müsste es bei jedem Neuerwerb von Grundstücken erhöht werden. Auch andere Gründe als die der Steuerersparnis sprächen also für die üblich gewordene Gestaltungsform mit Mindestgrundkapital. Von einer sachwidrigen, absonderlichen, missbräuchlichen Rechtsgestaltung könne deshalb nicht gesprochen werden.
c) Schliesslich habe der Bundesgesetzgeber bei der Ausgestaltung des AFG die Doppelbelastung der Anleger auf ein Minimum reduzieren wollen. Deshalb habe er davon abgesehen, die Anlagefonds mit Rechtspersönlichkeit auszustatten und die Möglichkeit des Direktbesitzes von Grundstücken durch die Fondsleitung auf Rechnung des Fonds geschaffen; die Vermeidung oder Begrenzung der Doppelbelastung rechtfertige sich, da die Anleger keine wirtschaftliche Betätigung, sondern lediglich eine wertbeständige Anlage und eine fachkundige Verwaltung ihres Vermögens anstrebten.
a) Das Anlagefondsgesetz unterscheidet zwischen Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung. Die Eigenfinanzierung besteht in der Anlage der von den Anlegern zur Verfügung gestellten Mittel, die Fremdfinanzierung in der Aufnahme von Krediten bei Aussenstehenden. Die Fremdfinanzierung ist beschränkt durch die Art. 12 Abs. 2 und 35 Abs. 3 AFG (BGE 97 I 869). Grundkapital und Anlegerdarlehen kommen bei den Immobiliengesellschaften, die zu 100% zu einem Anlagefonds gehören, aus der gleichen Quelle. Nur ist diese Quelle ein Sondervermögen, das den Anlegern kollektiv zusteht, im Gegensatz zur gewöhnlichen Einmann-Immobiliengesellschaft, wo Grundkapital und Darlehen aus dem Vermögen der beherrschenden natürlichen oder juristischen Person stammen. Die Anleger sind deshalb nicht Dritte, sondern kollektive Risikoträger.
b) Aus dem von der Beschwerdeführerin und von der Rekurskommission Luzern angerufenen Art. 31 Abs. 2 lit. b AFG ergibt sich nur, dass es durchaus üblich ist, den zu einem Anlagefonds gehörenden Immobiliengesellschaften die Mittel der Anleger teils in der Form der Beteiligung am Grundkapital, teils als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Zur Frage, ob es sachgerecht ist, das Grundkapital möglichst klein zu halten, nimmt Art. 31 AFG in keiner Weise Stellung. Die Kleinhaltung des Grundkapitals ist zivilrechtlich zulässig. Nichts verpflichtet die zu einem Anlagefonds gehörigen Immobiliengesellschaften, bei Ausdehnung ihrer Tätigkeit ihr Kapital zu erhöhen. Das Verhältnis von Grundkapital zu Darlehen der Anleger ist, wie die Rekurskommission von Luzern zutreffend erklärt, praktisch irrelevant. Es ist deshalb der Rekurskommission Luzern und der Beschwerdeführerin zuzugeben, dass unter dem Gesichtspunkt der Funktion, die die Immobiliengesellschaft zu erfüllen hat, ein minimales Grundkapital genügt. Dies gilt aber nicht nur für die Immobiliengesellschaften von Anlagefonds, sondern für alle Immobiliengesellschaften, die einem einzigen oder einigen wenigen Aktionären gehören. Absonderlich ist und bleibt jedoch, dass solche mit einem ganz geringen Grundkapital ausgestattete Immobiliengesellschaften Eigentümer von Liegenschaften sind, deren Wert ihr Grundkapital oft um das zehn-, hundert-, ja sogar tausendfache übersteigt, was eben nur möglich ist, weil die Gesellschaften von ihrem oder ihren Geldgebern neben dem Grundkapital noch weitere, das Risiko mittragende Mittel als Darlehen erhalten. Es liegt auf der Hand, dass diese Lösung im wesentlichen nur zum Zwecke der Steuerersparnis gewählt wird. Ob sie geeignet ist, die Steuerpflicht nach Art. 49 und 60 WStB zu reduzieren, beurteilt sich ausschliesslich nach dem WStB. Das AFG hat darauf keinen Einfluss. Die aus der Besteuerung der Immobiliengesellschaft resultierende Doppelbelastung ist - zu Recht oder Unrecht - vom geltenden WStB gewollt.
c) Würde man die Immobiliengesellschaften von Anlagefonds anders behandeln als andere Immobiliengesellschaften so würde die kollektive Kapitalanlage gegenüber der individuellen Kapitalanlage in Immobiliengesellschaften bevorzugt. Nichts deutet darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber je eine solche Bevorzugung wollte. Jedenfalls hat er dies nirgends zum Ausdruck gebracht. Aus dem AFG ergibt sich nur, dass die Fondsleitungen Grundstücke direkt - ohne Zwischenschaltung einer Immobiliengesellschaft - für Rechnung der Anleger erwerben können, um eine Doppelbelastung zu vermeiden. Wo dieses Vorgehen gewählt wird, entfällt dann in der Tat die Besteuerung des Liegenschaftsertrages durch die Kantone und Gemeinden am Ort der Liegenschaft, und es kommt lediglich zu einer Besteuerung der vom Anlagefonds ausgeschütteten Erträgnisse oder Kapitalgewinne bei den Anlegern (MASSHARDT, Kommentar zur eidg. Wehrsteuer 1971-1982, Art. 21, N. 55; BOTTOLI, L'assoggettamento alle imposte dirette dei fondi d'investimento svizzeri, ASA 37/481).
Wenn aber die Fondsleitungen auf den Direktbesitz der Liegenschaften verzichten und die Liegenschaften über eine Immobiliengesellschaft beherrschen, müssen sie sich damit abfinden, dass diese Immobiliengesellschaften steuerlich gleich wie andere Immobiliengesellschaften belastet werden. Richtig ist, dass für die Fondsleitungen von Anlagefonds häufig kein echtes Interesse an einer nur indirekten Beherrschung der Liegenschaften über Immobiliengesellschaften besteht. Die Gründe, die in der Regel zur Gründung einer Immobiliengesellschaft führen (leichtere Übertragbarkeit der Titel, Wegfall der Notariatsgebühren und gegebenenfalls auch der Handänderungssteuer, Wahrung der Anonymität der wirklichen Trägerschaft), spielen für die Anlagefonds keine Rolle (vgl. OLIVIER BOURGEOIS, Le statut fiscal des sociétés immobilières dans les cantons de Vaud et de Genève, thèse Lausanne 1964, S. 11 ff.); doch würde die Auflösung der Immobiliengesellschaft bei steigenden Grundstückpreisen häufig zu einer beachtlichen Besteuerung von stillen Reserven führen. Sie wird deshalb unterlassen. Die Fondsleitungen müssen oft bereits gegründete Immobiliengesellschaften übernehmen und weiterführen, wenn sie eine bestimmte Liegenschaft erwerben wollen. Man kann sich de lege ferenda fragen, ob bei den Immobiliengesellschaften von Anlagefonds ein Verzicht auf deren Besteuerung sich rechtfertigt. Solange aber der Gesetzgeber nicht in diesem Sinne entschieden hat, müssen für die Immobiliengesellschaften der Anlagefonds die gleichen Grundsätze über die Steuerumgehung und die wirtschaftliche Betrachtungsweise gelten wie für alle andern Immobiliengesellschaften. Es geht nicht an, dass diese Immobiliengesellschaften durch die Wahl eines minimalen Aktienkapitals praktisch steuerfrei bleiben, obwohl der Gesetzgeber die Besteuerung gewollt hat.
Die von der Beschwerdeführerin und von der Steuerrekurskommission Luzern vertretene Auffassung ist somit nicht haltbar, und die Beschwerde daher abzuweisen.