BGer 5A_960/2016
 
BGer 5A_960/2016 vom 24.04.2017
5A_960/2016
 
Urteil vom 24. April 2017
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Leu.
 
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler,
2. C.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Blum,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
vorsorgliche Massnahmen (Abänderung Scheidungsurteil),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 16. November 2016.
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. A.A.________ (geb. 1961) und B.A.________ (geb. 1962) sind die Eltern des C.A.________ (geb. 2002). Aufgrund einer Verfügung der Vormundschaftsbehörde vom 7. Oktober 2010 wurde der Sohn fremdplatziert. Mit Urteil vom 31. August 2011 schied das Bezirksgericht Zürich die Ehe und regelte die Nebenfolgen. Der Sohn wurde unter der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen und die Fremdplatzierung blieb aufrecht erhalten.
A.b. Am 20. Januar 2012 klagte A.A.________ auf Abänderung des Scheidungsurteils und beantragte, ihr sei die Obhut über den Sohn zuzuweisen. Mit Urteil vom 10. Juni 2013 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab.
A.c. Mit Beschlüssen vom 5. November 2013 und 4. November 2014 regelte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Zürich den persönlichen Verkehr zwischen Mutter und Kind.
A.d. Am 31. Januar 2014 reichte A.A.________ eine neuerliche Abänderungsklage ein. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2014 schrieb das Bezirksgericht Dielsdorf das Verfahren zufolge Rückzugs ab.
A.e. Am 24. Februar 2015 machte B.A.________ beim Bezirksgericht Dietikon eine Abänderungsklage hängig. Er beantragte die Zuteilung des alleinigen Sorgerechts über den Sohn. A.A.________ beantragte ihrerseits den Erlass einer vorsorglichen Massnahme. Sie verlangte, der Sohn sei unter ihre Obhut zu stellen, eventualiter sei ein angemessenes Besuchsrecht festzulegen und ein unbeschränkter telefonischer Kontakt zwischen ihr und dem Sohn zuzulassen. Anlässlich der Verhandlung vom 11. April 2016 zog die Mutter ihr Gesuch um vorsorgliche Obhutszuteilung zurück, hielt aber am Gesuch um vorsorgliche Regelung des persönlichen Verkehrs fest. Mit Verfügung vom 27. Oktober 2016 hob das Bezirksgericht Dietikon die Ziffer 1 des Dispositivs des Beschlusses der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Zürich vom 4. November 2014 auf und regelte den persönlichen Verkehr zwischen Mutter und Kind, beides für die Dauer des Abänderungsverfahrens.
B. Dagegen erhob A.A.________ Berufung mit den Anträgen, das Kind sei umgehend zu seiner Mutter und in seine angestammte Umgebung freizulassen, eventuell sei das Besuchs- und Ferienrecht neu zu regeln (jedes Wochenende und alle Schulferien sowie alle schulfreien Tage bei der Mutter). Letztere Anordnung sei superprovisorisch zu verfügen. Mit Urteil vom 16. November 2016 trat die I. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich auf das als Gesuch um Obhutszuteilung interpretierte, aber zurückgezogene Hauptbegehren nicht ein und erklärte das Gesuch um superprovisorische vorsorgliche Massnahmen als gegenstandslos. Soweit die Regelung des persönlichen Verkehrs betreffend, wies das Obergericht die Berufung ab.
C. Mit als Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG bezeichneter Eingabe vom 10. Dezember 2016 (Postaufgabe 15. Dezember 2016) wendet sich A.A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht, dem sie beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und ihr Sohn sei umgehend und sofort und seinem Wunsch entsprechend zu seiner Mutter nach Hause freizulassen. Eventualiter seien die Mutter-Kind-Kontakte umgehend und sofort den Wünschen des Kindes und seiner Mutter entsprechend zu gestalten; der Sohn sei für berechtigt zu erklären, alle Wochenenden, Feiertage und Geburtstage sowie alle Ferien wieder zusammen mit seiner Mutter zu verbringen. Ausserdem sei festzustellen, dass die Beistandschaft aufgehoben ist und dass der Sohn wieder von seinem Kinderarzt Dr. med. D.________ behandelt werde. Schliesslich beantragt die Beschwerdeführerin, den rechtmässigen Zustand superprovisorisch wieder herzustellen.
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt.
Mit Schreiben vom 10. April 2017 erinnert die Beschwerdeführerin das Bundesgericht daran, dass sie eine superprovisorische Verfügung verlangt habe, und kündigt an, die Schweiz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzuzeigen, falls ihr Kind nicht sofort zu seiner Mutter nach Hause könne; es herrsche eine Nulltoleranzmaxime.
 
Erwägungen:
1. Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit eines ihm unterbreiteten Rechtsmittels von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 141 II 113 E. 1).
1.1. Angefochten ist ein kantonal oberinstanzlicher Rechtsmittelentscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG), der vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Verfahrens auf Abänderung eines Scheidungsurteils anordnet. In der Sache handelt es sich - anders als bei vorsorglichen Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens (BGE 134 III 426 E. 1) - um einen Zwischenentscheid (BGE 130 I 347 E. 3.2; zuletzt Urteil 5A_641/2015 vom 3. März 2016 E. 2.1), der, weil er die Obhut über ein Kind beschlägt, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Der Rechtsweg eines Zwischenentscheids folgt jenem der Hauptsache. Dort geht es um die Abänderung eines Ehescheidungsurteils hinsichtlich der Obhutszuteilung und den persönlichen Verkehr und damit um eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Folglich ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben. Wo diese offen steht, ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde - wie es schon ihr Name sagt - ausgeschlossen. Indes schadet die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels der Beschwerdeführerin nicht.
1.2. Die Beschwerdeführerin ist beschwert (Art. 76 BGG) und die Beschwerdefrist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).
1.3. Nicht zulässig sind vor Bundesgericht neue Begehren (Art. 99 Abs. 2 BGG), das heisst Begehren, mit denen die Vorinstanz nicht befasst war (BGE 135 I 119 E. 2) und die zu einer Ausweitung des Streitgegenstandes führen. Mit dem Begehren um Feststellung, dass die Beistandschaft aufgehoben ist und der Sohn wieder von seinem Kinderarzt Dr. med. D.________ behandelt werde, verlangt die Beschwerdeführerin mehr bzw. anderes als von der Vorinstanz beurteilt wurde; darauf ist nicht einzutreten. Daran ändert, wie dies die Beschwerdeführerin zumindest sinngemäss einzuwenden scheint, der Umstand nichts, dass im kantonalen Verfahren in Kinderbelangen die Offizialmaxime gilt, denn im Verfahren vor Bundesgericht findet dieser Verfahrensgrundsatz keine Anwendung (Art. 107 Abs. 1 BGG; Urteil 5A_980/2015 vom 26. Januar 2016 E. 3).
1.4. Unzulässig ist ferner das Begehren um Erlass eines Superprovisoriums und damit einer vorsorglichen Massnahme im Sinne von Art. 104 BGG, denn damit würde in unzulässiger Weise der Entscheid in der Hauptsache vorweg genommen.
1.5. Das Obergericht ist auf das Begehren um vorsorgliche Zuteilung der Obhut zufolge Rückzugs des Antrags nicht eingetreten. Weil sich die Vorinstanz mit der Begründetheit des Antrages auf vorsorgliche Obhutszuteilung nicht befasst hat, kann auch das Bundesgericht kein Sachurteil darüber fällen (vgl. Urteil 4A_330/2008 vom 27. Januar 2010 E. 2.1, nicht publ. in BGE 136 III 102). Entsprechend kann sich die Beschwerde nicht auf die materielle Beurteilung beziehen, sondern nur gegen das Nichteintreten richten. Daher müsste die Beschwerdeführerin darlegen, weshalb das Obergericht zu Unrecht nicht auf das Begehren eingetreten ist. Das tut sie nicht; auf das Hauptbegehren kann daher nicht eingetreten werden.
 
2.
2.1. Weil vorsorgliche Massnahmen Streitgegenstand sind, können nur verfassungsmässige Rechte als verletzt angerufen werden (Art. 98 BGG). Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft in diesem Fall nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt; ausserdem ist darzutun, inwiefern die Behebung der aufgezeigten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (BGE 140 III 264 E. 2.3).
2.2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeführerin von vornherein nicht, wenn sie in ihrer Beschwerdeschrift die Art. 9, Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3, Art. 11 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 14, Art. 17, Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 31 Abs. 4 und Art. 36 Abs. 4 BV sowie die Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 1, Art. 8 Abs. 2, Art. 10 und Art. 15 Abs. 2 EMRK anruft, ohne indes mit der erforderlichen Begründungsdichte aufzuzeigen, in welcher Hinsicht diese Bestimmungen verletzt sein sollen. Ebenso wenig lässt sich eine Verfassungsverletzung dartun, indem die Gegenpartei und die involvierten Behörden querbeet als hanebüchen, minderqualifizierte Halunken oder Halbanalphabeten und die angeordneten Massnahmen als erniedrigend, demütigend, reine Abzocke oder Erpressung bezeichnet werden. Überhaupt ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Beschwerdeführerin mit den Erwägungen des Obergerichts zur Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen Mutter und Kind auseinandersetzt bzw. mit welchen Sachverhalts- oder Rechtsrügen sie diese als verfassungswidrig darzutun beabsichtigt.
2.3. Soweit die Beschwerdeführerin moniert, es werde dem Kind das rechtliche Gehör verweigert und sein wirklicher Wille ignoriert, sei immerhin darauf hingewiesen, dass der Sohn sehr wohl als Beteiligter, begleitet von seiner Beiständin und assistiert von einem Anwalt, am Verfahren teilnimmt. Es trifft zwar zu, dass die Vorinstanz den Sohn nicht persönlich angehört hat, was zufolge der offensichtlichen Unbegründetheit bzw. Unzulässigkeit der Berufung unbedenklich war. Freilich wird aber der Sohn im Rahmen des Hauptverfahrens in geeigneter Weise anzuhören sein und dessen Wille nach Massgabe seiner Urteilsfähigkeit in die Überlegungen des Gerichts einbezogen werden müssen.
3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde offensichtlich unzureichend begründet, weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteikosten sind keine zu sprechen, zumal den Beschwerdegegnern kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, und dem Bezirksgericht Dietikon schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. April 2017
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: Leu