BGer 6B_1323/2016 |
BGer 6B_1323/2016 vom 05.04.2017 |
6B_1323/2016
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Urteil vom 5. April 2017 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Rüedi,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiberin Schär.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Beat Luginbühl,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, vom 19. Oktober 2016.
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Sachverhalt: |
A. |
X.________ wird vorgeworfen, am 17. Juli 2014 bei einem Wendemanöver mit dem hinteren rechten Kotflügel seines Fahrzeugs versehentlich ein parkiertes Fahrzeug beschädigt zu haben. Obwohl er die Kollision bemerkt habe, habe er den Unfallort verlassen, ohne den Geschädigten oder die Polizei zu benachrichtigen. Damit habe er mehrfach gegen Vorschriften des SVG verstossen.
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B. |
Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilte X.________ am 13. Oktober 2015 wegen einfacher Verkehrsregelverletzung durch unvorsichtiges Rückwärtsfahren und wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall zu einer Übertretungsbusse von Fr. 400.--. Vom Vorwurf der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit sprach es ihn hingegen frei.
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C. |
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin sprach das Obergericht des Kantons Bern X.________ zusätzlich der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit schuldig und verurteilte ihn für dieses Delikt zu einer Geldstrafe von 12 Tagessätzen zu Fr. 70.-- sowie einer Busse von Fr. 300.--.
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D. |
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit freizusprechen.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, da gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen am anderen Fahrzeug lediglich Kratzer entstanden seien, könne es sein, dass er zwar die Kollision bemerkt, jedoch nicht darum gewusst habe, dass dadurch ein Sachschaden entstanden sei. Es sei durchaus möglich, dass eine Kollision stattfinde, ohne dass ein Sachschaden entstehe. In einem solchen Fall bestehe auch keine Meldepflicht. Weiter stelle die Vorinstanz fest, dass er den nach der Kollision auf ihn gerichteten Lichtstrahl einer Taschenlampe gesehen habe. Daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass er gewusst habe, dass es sich bei der Person mit der Taschenlampe um eine Polizistin gehandelt habe. Die Polizistin habe selber ausgesagt, er sei durch den Lichtstrahl geblendet worden. Da er weder um den meldepflichtigen Schaden gewusst habe, noch, dass eine Polizeibeamtin versuchte, ihn anzuhalten, habe er nicht damit rechnen müssen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet worden wäre. Die Meldepflicht habe er, wenn überhaupt, lediglich fahrlässig verletzt. Der vorinstanzliche Schuldspruch verletze Art. 91a Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 StGB.
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1.2. Nach Art. 91a Abs. 1 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe, einer Atemalkoholprobe oder einer anderen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung gerechnet werden musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzogen hat oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt hat.
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Die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei erfüllt den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe, wenn (1) der Fahrzeuglenker gemäss Art. 51 SVG zur sofortigen Meldung verpflichtet ist, (2) die Meldepflicht der Abklärung des Unfalls und damit allenfalls auch der Ermittlung des Zustands des Fahrzeuglenkers dient (Zweckzusammenhang), (3) die Benachrichtigung der Polizei möglich war und wenn (4) bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte (BGE 142 IV 324 E. 1.1.1; 126 IV 53 E. 2a; 125 IV 283 E. 3). Während die Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe nach der bisherigen Rechtsprechung von den konkreten Umständen des Falles (Art, Schwere und Hergang des Unfalls, Zustand sowie Verhalten des Fahrzeuglenkers vor und nach dem Unfall) abhängig gemacht wurde (BGE 131 IV 36 E. 2.2.1; 126 IV 53 E. 2a), muss nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich bereits mit der Anordnung einer Alkoholkontrolle gerechnet werden, wenn ein Fahrzeugführer in einen Unfall verwickelt ist (BGE 142 IV 324 E. 1.1.2 f.). Die Frage, ob eine Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit sehr wahrscheinlich ist, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüft (BGE 142 IV 324 E. 1.1.1).
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Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes genügt Eventualvorsatz im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB. Er ist gegeben, wenn der Fahrzeuglenker die die Meldepflicht sowie die die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe begründenden Tatsachen kannte und daher die Unterlassung der gemäss Art. 51 SVG vorgeschriebenen und ohne weiteres möglichen Meldung an die Polizei vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung einer Blutprobe gewertet werden kann (BGE 142 IV 324 E. 1.1.1; 131 IV 36 E. 2.2.1; je mit Hinweisen).
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1.3. Explizit rügt der Beschwerdeführer zwar ausschliesslich eine falsche Rechtsanwendung. Indem er geltend macht, den Sachschaden nicht bemerkt und daher nicht eventualvorsätzlich gehandelt zu haben, richtet sich seine Kritik jedoch auch gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hinsichtlich des subjektiven Tatbestands. Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sogenannte innere Tatsachen und ist damit Tatfrage. Als solche prüft sie das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV; Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 141 IV 369 E. 6.3 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür: BGE 141 IV 305 E. 1.2; 140 III 16 E. 2.1; je mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4; 141 IV 317 E. 5.4, 369 E. 6.3; je mit Hinweisen).
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1.3.1. Die Vorinstanz erwägt, die Behauptung des Beschwerdeführers, die Kollision nicht bemerkt zu haben, müsse als Schutzbehauptung qualifiziert werden. Die bei der Kollision anwesende und anschliessend als Zeugin einvernommene Polizeibeamtin habe ausgesagt, es habe bei der Kollision einen lauten, unüberhörbaren Knall gegeben. Ansonsten sei es in der Gegend zur Zeit der Kollision ruhig gewesen. Es müsse somit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, welcher gemäss Aussagen der Polizistin keine laute Musik gehört habe, den Knall gehört habe. Hinzu komme, dass dem Beschwerdeführer hätte auffallen sollen, dass beim Rückwärtsfahren plötzlich Widerstand vorhanden gewesen sei. Ferner sei undenkbar, dass er den auf ihn gerichteten Lichtstrahl der Zeugin nicht bemerkt habe. Er sei von diesem nämlich geblendet worden. Es könne höchstens sein, dass er allenfalls ihr Handzeichen nicht gesehen habe.
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1.3.2. Nachdem der Beschwerdeführer gemäss Aussagen der Zeugin eine Kollision mit relativ heftigem Aufprall und einem lauten Knall verursacht hatte, ist die vorinstanzliche Erwägung, er müsse die Kollision sowie den dadurch verursachten Sachschaden am fremden Fahrzeug bemerkt haben, nicht willkürlich. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer, auch wenn er die Zeugin nicht als Polizeibeamtin erkannt haben sollte, zumindest ihr Rufen und den auf ihn gerichteten Lichtstrahl wahrnahm, was er aufgrund der vorangehenden Kollision ohne weiteres damit in Zusammenhang bringen konnte. Seine Ausführungen, wonach es sich beim Lichtstrahl um einen Streich oder die Lampe eines Joggers gehandelt haben könnte, ist nicht geeignet, die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als willkürlich erscheinen zu lassen.
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1.3.3. Es bleibt zu prüfen, ob die Vorinstanz den Eventualvorsatz hinsichtlich der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit zu Recht bejaht. Der Beschwerdeführer gab an, zunächst in der Stadt Bern Alkohol konsumiert zu haben und anschliessend in sein Fahrzeug gestiegen zu sein. Die Polizeibeamtin gab zu Protokoll, sie habe einen Mann mit einem "komischen" Gang zum Fahrzeug gehen sehen und er habe auch danach ein auffälliges Verhalten gezeigt. So habe dieser beim Manövrieren aus dem seitlichen Parkfeld hinaus Mühe bekundet, das Gas zu dosieren, weshalb der Motor mindestens einmal abgestorben sei. Diese Tatsache werde vom Beschwerdeführer bestätigt. Zudem habe er mehrfach hin- und herfahren müssen und die Distanz beim Rückwärtsfahren falsch eingeschätzt, weshalb es zur Kollision mit einem anderen Fahrzeug gekommen sei. Anschliessend sei er nach Hause gefahren, ohne auf die Polizeibeamtin, deren Rufen oder den Lichtstrahl der von ihr auf ihn gerichteten Lampe zu reagieren. Gemäss Vorinstanz ereignete sich der Vorfall an einem Donnerstagabend, rund anderthalb Stunden nach Schluss des Abendverkaufs (ca. 22.30 Uhr). In dieser Zeit kehrten typischerweise vermehrt Personen nach einem Umtrunk nach Hause und es seien Polizeikontrollen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
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Dass die Polizei, wäre sie in Kenntnis des Vorfalls sowie der soeben geschilderten Umstände gewesen, Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit angeordnet hätte, ist offensichtlich. Im Lichte der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt dies umso mehr, hat der Beschwerdeführer doch eine Kollision mit Sachschaden verursacht, was für die Anordnung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit bereits genügt. Auch das Erfordernis des Zweckzusammenhangs (vgl. E. 1.2), ist vorliegend, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, erfüllt. Denn der Zweckzusammenhang ist bei Verletzung von Meldepflichten gemäss Art. 51 Abs. 3 SVG, dessen der Beschwerdeführer schuldig gesprochen wurde, in der Regel ohne weiteres gegeben (vgl. dazu BGE 125 IV 283 E. 3a).
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Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, die unterlassene Meldung lasse sich nur damit erklären, dass der Beschwerdeführer der Polizei aus dem Weg gehen und damit die Anordnung einer Blutprobe habe verhindern wollen. Er habe zumindest in Kauf genommen, so die zu erwartende Abklärung seiner Fahrunfähigkeit zu vereiteln. Nachdem dem Beschwerdeführer die erwähnten Umstände bekannt waren und er auch nicht bestreitet, vom Bestand einer Meldepflicht gewusst zu haben, bejaht die Vorinstanz den Eventualvorsatz zu Recht.
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2. |
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 5. April 2017
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Schär
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