BGer 5P.278/2005
 
BGer 5P.278/2005 vom 23.09.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
5P.278/2005 /bnm
Urteil vom 23. September 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Marti,
gegen
Obergericht des Kantons Glarus, Gerichtshaus, Gerichtshausstrasse 19, 8750 Glarus.
Gegenstand
Art. 29 Abs. 3 BV (unentgeltliche Rechtspflege im Eheschutzverfahren),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 17. Juni 2005.
Sachverhalt:
A.
Im Rahmen eines Eheschutzverfahrens ersuchte X.________ um unentgeltliche Rechtspflege. Der Kantonsgerichtspräsident des Kantons Glarus entband ihn am 14. Februar 2005 vorläufig von der Verpflichtung zur Leistung von Gerichtskostenvorschüssen, wies aber das Gesuch im Übrigen ab. Unter Hinweis auf die Erwägungen eines gleich lautenden Entscheides vom 6. September 2004 über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im nunmehr abgeschriebenen Scheidungsverfahren verneinte er sowohl die Bedürftigkeit des Gesuchstellers als auch die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung. Mit Verfügung vom 6. April 2005 genehmigte die Vizepräsidentin des Kantonsgerichts die Vereinbarung der Ehegatten betreffend Regelung des Getrenntlebens. Gemäss dieser Verfügung hat der Ehemann die Gerichtskosten von Fr. 500.-- sowie die Barauslagen von Fr. 60.-- zu tragen und seinen eigenen Anwalt zu vergüten.
B.
Gegen die abweisende Verfügung vom 14. Februar 2005 gelangte der Gesuchsteller mit Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht des Kantons Glarus, welches mit Urteil vom 17. Juni 2005 die Beschwerde abwies und die erstinstanzliche Verfügung bestätigte. Es gelangte zum Schluss, die bis Ende 2001 gültige Zivilprozessordnung habe den Anspruch auf anwaltlichen Beistand nicht von dessen Notwendigkeit abhängig gemacht. Aufgrund des klaren und daher nicht weiter auslegungsbedürftigen Wortlautes der nunmehr geltenden Bestimmung (Art. 147 Abs. 2 ZPO) bestehe indes kostenloser Rechtsbeistand nur noch insoweit, als eine bedürftige Prozesspartei für eine sachgerechte Bestreitung des Prozesses tatsächlich darauf angewiesen sei, was im konkreten Fall nicht zutreffe. Zu der in der Nichtigkeitsbeschwerde ebenfalls aufgeworfenen Frage der Bedürftigkeit äusserte sich das Obergericht nicht.
C.
Der Gesuchsteller führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 und 29 Abs. 3 BV mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
D.
In seiner Vernehmlassung ersucht das Obergericht um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Dabei ergänzt es die Begründung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Frage der Bedürftigkeit, wozu sich der Beschwerdeführer in der Folge vernehmen lässt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Angefochten ist ein letztinstanzliches kantonales Urteil betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege, mithin ein Zwischenentscheid mit nicht wieder gutzumachendem Nachteil (Art. 87 Abs. 2 OG; BGE 111 Ia 276 E. 2; 119 Ia 337 E. 1 S. 338; 126 I 207 E. 2a S. 210; 129 I 281 E. 1.1 S. 283). Insoweit ist auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten.
2.
Mit Bezug auf die Notwendigkeit zur Ernennung eines amtlichen Rechtsbeistandes wies das Obergericht auf den klaren und daher nicht weiter auslegungsbedürftigen Wortlaut des geltenden Art. 147 Abs. 2 ZPO hin und erwog, nach dieser Bestimmung setze der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung die Notwendigkeit anwaltlicher Verbeiständung voraus. Im vorliegenden Fall gehe es nicht um ein Scheidungs- sondern ein Eheschutzverfahren, das weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Schwierigkeiten biete; da die Ehegatten bereits seit dem 1. April 2004 getrennt lebten, habe keine Notwendigkeit bestanden, ihre Berechtigung zum Getrenntleben feststellen zu lassen; sprachliche Probleme könnten unter Beizug eines Dolmetschers zur Verhandlung gelöst werden.
2.1 Wie bereits in der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde macht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht geltend, einzige Voraussetzung für die Gewährung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes bilde die Bedürftigkeit des Gesuchstellers. Zwar habe der Gesetzgeber in Art. 147 Abs. 2 ZPO eine neue Standardformulierung aufgenommen, damit aber keineswegs beabsichtigt, die unentgeltliche Prozessführung restriktiver zu handhaben als bisher. Zu beachten sei überdies, dass beide Parteien die deutsche Sprache nur schlecht beherrschten.
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, das Obergericht verfalle in Willkür, indem es Art. 147 Abs. 2 ZPO seinem Wortlaut entsprechend ausgelegt und daraus geschlossen hat, für die Gewährung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes komme es auf die Bedürftigkeit und hinreichenden Prozesschancen (Abs. 1) sowie zusätzlich auf die Notwendigkeit einer solchen Verbeiständung an (Abs. 2). Mangels genügender Substanziierung kann insoweit auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 119 Ia 197 E. d S. 201; 130 I 258 E. 1.3). Sodann können fehlende Sprachkenntnisse eine anwaltliche Verbeiständung erheischen (BGE 123 I 145 E. 2b/cc S. 147). Das führt indes für sich genommen im konkreten Fall nicht zur Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde, zumal das Verfahren nach den Feststellungen des Obergerichts weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Schwierigkeiten bot.
2.2 Vor Bundesgericht macht der Beschwerdeführer im Weiteren geltend, der Anwalt habe ihn vor Einleitung des Eheschutzverfahrens darüber aufklären müssen, dass ein Scheidungsverfahren vor Ablauf der Zweijahresfrist nicht angehoben werden könne. Die Parteien hätten sich zwar über die Anordnung der Gütertrennung und den Verzicht auf Unterhaltsbeiträge einigen können; doch sei diese Einigung erst anlässlich der Verhandlung vom 4. April 2005 zu Stande gekommen, nachdem sich die Ehefrau vorerst dem Eheschutzbegehren widersetzt habe. Der Beschwerdeführer sei rechtsunkundig und ungebildet. Ferner sei auch die Gegenpartei durch einen Anwalt vertreten. Ferner sei er aufgrund der Intervention seines Anwalts von der Leistung eines Kostenvorschusses befreit worden; demgegenüber sei das im Scheidungsverfahren persönlich ohne Beizug eines Rechtsbeistands gestellte Gesuch um unentgeltliche Prozessführung abgewiesen worden.
Diese erstmals vor Bundesgericht eingebrachten Vorbringen erweisen sich als neu und sind daher im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich unzulässig. Inwiefern Ausnahmen vom Novenverbot bestehen, legt der Beschwerdeführer nicht dar; und solche Ausnahmen sind denn auch nicht ersichtlich, zumal die Vorbringen einerseits nicht erst vom Obergericht eingeführt worden sind und anderseits der Beschwerdeführer Anlass hatte, sie bereits im kantonalen Verfahren ordnungsgemäss vorzutragen (BGE 118 Ia 369 E. 4d S. 372). Darauf ist nicht einzutreten.
3.
Hinsichtlich der Bedürftigkeit beanstandet der Beschwerdeführer, mit der vorläufigen Befreiung von Gerichtskostenvorschüssen für das Eheschutzverfahren sei das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung keinesfalls gegenstandslos geworden, zumal ihm gemäss Verfügung des Kantonsgerichtspräsidiums vom 6. April 2005 die Gerichtskosten des Eheschutzverfahrens von Fr. 560.-- auferlegt worden seien. Er habe in der Nichtigkeitsbeschwerde durch Hinweis auf das im Rahmen hängiger Betreibungen festgelegte betreibungsrechtliche Existenzminimum belegt, dass er sowohl im Sinne von Art. 147 Abs. 1 ZPO als auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV bedürftig sei. Das Kantonsgerichtspräsidium habe aufgrund seiner Berechnungen einen erweiterten Notbedarf von Fr. 2'538.-- (Grundbetrag: Fr. 1'110.--, Wohnung: Fr. 785.--, Krankenkasse: Fr. 230.-- = Notbedarf Fr. 2'115.-- + Zuschlag 20% = Fr. 423.--) angenommen, welcher von der betreibungsrechtlichen Notbedarfsberechnung abweiche, weil dort einerseits der Grundbetrag für ein Ehepaar statt jener für eine Einzelperson in Rechnung gestellt worden sei und anderseits weitere Kosten in der Höhe von Fr. 530.-- für auswärtige Verpflegung (Fr. 150.--), die Fahrt zur Arbeit (Fr. 280.--) und ein Berufszuschlag (Fr. 100.--) Eingang gefunden hätten. Aufgrund der betreibungsrechtlichen Berechnung ergebe sich ein effektiver Notbedarf von Fr. 3'068.-- statt ein vom Kantonsgerichtspräsidium angenommener Betrag von Fr. 2'538.--, womit die Bedürftigkeit erstellt sei. Dies gelte auch bei einem Grundbetrag von Fr. 1'100.-- für eine Einzelperson, zumal die zusätzlichen Kosten von Fr. 530.-- nicht unberücksichtigt bleiben könnten. Falls ein Eingriff in das Existenzminimum zugelassen werde, liege eine Gläubigerbevorzugung vor (Art. 167 StGB). Das Obergericht habe das Gesuch ohne jegliche Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten abgewiesen und damit Art. 147 ZPO willkürlich angewendet bzw. Art. 29 Abs. 3 BV verletzt.
3.1 Der Beschwerdeführer bestreitet selbst nicht ernsthaft, dass im Rahmen der Berechnung nur der Grundbetrag für eine Einzelperson in Rechnung gestellt werden kann, und legt überdies nicht substanziiert dar, dass er die zusätzlich geltend gemachten Kosten von Fr. 530.-- für auswärtige Verpflegung, Fahrt zur Arbeit und den Berufszuschlag ausgewiesen hat; beim Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege für das kurz vorher angehobene Scheidungsverfahren wurden diese Kosten auch nicht in Betracht gezogen und der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er die entsprechende Verfügung angefochten hat oder seither entscheidrelevante Änderung eingetreten sind. Sodann hat der Kantonsgerichtspräsident einen Zuschlag von 20% auf dem Grundbetrag, den Wohnkosten und der Krankenkassenprämie, ausmachend Fr. 423.--, gewährt und hat damit allfälligen zusätzlichen Kosten, sollten sie tatsächlich anfallen, in bestimmtem Umfang Rechnung getragen. Damit aber besteht kein Anlass, von der obergerichtlich bestätigen Berechnung des Existenzminimums im Gesamtbetrag von Fr. 2'538.-- abzuweichen. Dem Beschwerdeführer bleiben bei unbestrittenen Einkünften von Fr. 2'830.-- rund Fr. 230.-- und somit genügend freie Mittel, um die Gerichtskosten von Fr. 560.-- sowie die eigenen Anwaltskosten für ein einfaches Verfahren innert angemessener Frist abzuzahlen; damit ist weder Art. 147 Abs. 1 ZPO willkürlich angewendet, noch Art. 29 Abs. 3 BV verletzt worden (zur Bedürftigkeit gemäss Art. 29 Abs. 3 BV: BGE 123 I 145 E. 2b/bb S. 147; zur unterschiedlichen Prüfungsdichte bei kantonalen Bestimmungen und bei Art. 29 Abs. 3 BV: BGE 126 I 165 E. 3; 124 I 1 E. 2, 304 E. 2c S. 306 f.; 119 Ia 11 E. 3a, je mit Hinweisen).
3.2 Ist aber der Entscheid insoweit im Ergebnis nicht zu beanstanden, erübrigen sich Ausführungen zu den weiteren Vorbringen, insbesondere zur Gläubigerbevorzugung, den Vorbringen des Obergerichts in der Vernehmlassung sowie zur Zulässigkeit der Ergänzung der staatsrechtlichen Beschwerde durch den Beschwerdeführer bzw. zu deren Inhalt.
4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Beschwerdeverfahrens abzuweisen (Art. 152 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. September 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: