BGer C 114/2003
 
BGer C 114/2003 vom 30.07.2004
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 114/03
Urteil vom 30. Juli 2004
II. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Signorell
Parteien
C.________, 1962, Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 28. März 2003)
Sachverhalt:
A.
C.________, geb. 1962, meldete sich bei der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) zum Leistungsbezug ab 13. September 1997 an und bezog fortan Arbeitslosenentschädigung. Ab Dezember 1997 erzielte er einen Zwischenverdienst als Buchhalter der Firma P.________. Daneben arbeitete er vom 1. November 1998 bis zum 30. April 1999 mit einem Pensum von 50 % bei der Firma M.________. Per 1. Juli 2000 meldete er sich zufolge der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit von der Arbeitsvermittlung ab. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich, bei dem im Mai 2000 ein Gesuch um Ausrichtung besonderer Taggelder eingegangen war, verneinte einen Anspruch mit Verfügung vom 2. Juni 2000. Diese Verfügung war Anlass zu einer Überprüfung des Anspruches auf bereits bezogene Arbeitslosenentschädigung. Das AWA (Verfügung vom 28. Juli 2000) und - auf Beschwerde hin - das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich (Entscheid vom 26. März 2001) verneinten die Anspruchsberechtigung mit Wirkung ab 15. September 1997. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hiess eine dagegen geführte Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 5. November 2002 in dem Sinne gut, dass der vorinstanzliche Entscheid aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wurde, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu verfüge.
B.
Im Anschluss an dieses Urteil prüfte die Vorinstanz den anrechenbaren Arbeitsausfall sowie die Vermittlungsfähigkeit und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 28. März 2003 erneut ab.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt C.________, es sei der vorinstanzliche Entscheid vom 28. März 2003 aufzuheben und ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 15. September 1997 zu bejahen.
Das AWA und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf Vernehmlassung.
D.
Nachdem das AWA am 17. Dezember 2003 ein Einvernahmeprotokoll der Bezirksanwaltschaft Zürich, Hauptabteilung 1, in Sachen C.________ betreffend Widerhandlung gegen das AVIG vom 28. November 2003 zu den Akten gereicht hatte, wurde am 24. Dezember 2003 ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet. In einer Eingabe vom 23. Januar 2003 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat die massgeblichen Gesetzesbestimmungen über die Anspruchsvoraussetzungen, namentlich den anrechenbaren Arbeitsausfall und die Vermittlungsfähigkeit, zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen.
2.
2.1 Mit Verfügung vom 28. Juli 2000 hatte das AWA die Anspruchsberechtigung des C.________ mit Wirkung ab 15. September 1997 verneint. Dieser sei seit dem 21. Februar 1997 Gesellschafter, Geschäftsführer und alleiniger Unterzeichnender der Firma P.________ gewesen. Für diese Firma habe er bis Dezember 1997 erfolglos Aufträge gesucht. Dank des dort erzielten Zwischenverdienstes sei ab 15. September 1997 eine weitere Rahmenfrist für den Bezug von Arbeitslosenentschädigung eröffnet worden. Auch nach diesem Termin sei er weiterhin für diese Firma tätig gewesen. Es habe in seiner Kompetenz gelegen, in welchem Umfang dies geschehen soll. Die Inanspruchnahme von Arbeitslosenentschädigung sei daher als rechtsmissbräuchlich zu betrachten. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hob mit Urteil vom 5. November 2002 den diese Verfügung bestätigenden Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. März 2001 auf und wies die Sache zu ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen an dieses zurück. Als abklärungsbedürftig wurde der Sachverhalt hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, eines anrechenbaren Arbeitsausfalls und der Vermittlungsfähigkeit erachtet.
2.2 Die Vorinstanz erwog, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von Dezember 1997 bis April 2000 während 1474 Stunden für die Firma P.________ tätig gewesen sei, was einem durchschnittlichen monatlichen Aufwand von 50,8 Stunden entspreche. Dies liege deutlich über der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 20 Arbeitsstunden pro Monat. Für diese Periode habe die durchschnittliche betriebliche Normalarbeitszeit bei 44,7 Stunden in der Woche, das mittlere Arbeitspensum des Beschwerdeführers bei 26,2 % davon gelegen. Im Vergleich zum Monatsmittel von 50,8 Arbeitsstunden weise das Arbeitspensum grosse Schwankungen, vor allem nach oben, auf. Auch betreffend Anzahl Arbeitstage lägen starke Schwankungen vor (zwischen 5 und 23 Tagen). Eine eigentliche Normalarbeitszeit und ein anrechenbarer Arbeitsausfall lasse sich unter diesen Umständen nicht schlüssig festlegen. Neben dieser im Anstellungsverhältnis ausgeübten und entschädigten Buchhaltertätigkeit sei zudem in zeitlicher Hinsicht ein steter Geschäftsführungsaufwand (Verwaltung, Akquisition) zu berücksichtigen. Dass sich dieser einkommensmässig nicht niederschlage, spiele keine Rolle. Er sei realistischerweise mit gegen 20 % (bis zu seiner Anstellung durch die Firma P.________ noch höher) einer Vollzeittätigkeit zu veranschlagen. Über den gesamten beurteilungsrelevanten Zeitraum betrachtet ergebe sich damit, dass der Beschwerdeführer in einem durchschnittlichen Umfang von wesentlich mehr als 40 % in seinem eigenen Betrieb beschäftigt gewesen sei. Daneben sei er im Weiteren von November 1998 bis April 1999 bei der Firma M.________ angestellt gewesen. Es habe deshalb kein anrechenbarer Arbeitsausfall von mindestens 20 % resultiert. Aufgrund der tatsächlichen Betätigung müsse angenommen werden, dass eine Arbeitnehmertätigkeit zu den üblichen Zeiten ausgeschlossen bzw. die anderweitige beruflich-erwerbliche Verwirklichung so weit fortgeschritten gewesen sei, dass die Annahme einer unselbstständigen Tätigkeit nicht oder kaum mehr möglich gewesen sei. Die Beteuerungen des Versicherten, bei Erhalt einer Vollzeitstelle die Tätigkeit für die Firma P.________ aufzugeben, erschienen als wenig plausibel. Es sei diesem vielmehr darum gegangen, die zu Beginn jeder neuen Firmentätigkeit auftretenden und erst später überwindbaren finanziellen Engpässe mittels Arbeitslosenentschädigung zu überbrücken. Dies werde auch dadurch untermauert, dass er seine Doppelrolle verschleiert habe, indem er verschiedene Unterschriftszüge geführt und seine Identität als geschäftsführender Gesellschafter nirgends offen gelegt habe.
2.3 Anlässlich der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 28. November 2003 bestätigte der Beschwerdeführer unterschriftlich, dass er die Firma P.________ gegründet habe, weil er gemäss Auskunft des Arbeitsamtes als Selbstständigerwerbender keine Arbeitslosenunterstützung erhalten würde. Verschiedene Bekannte und Treuhandbüros hätten ihm bestätigt, dass er Arbeitslosenunterstützung bekomme, wenn er eine GmbH gründe. Seine Ehefrau sei diplomierte Buchhalterin und habe ihn beim Erlernen der Büroarbeiten und der Buchhaltung unterstützen können. Es treffe zu, dass er einziger Geschäftsführer gewesen sei und Einzelunterschrift besessen habe. Er habe ein Büro gemietet und eingerichtet: Er habe eine Büroeinrichtung, einen PC mit den notwendigen Buchhaltungs- und Textverarbeitungsprogrammen sowie einen Drucker angeschafft. Er habe sicher mehr als 20 Stunden für die Firma gearbeitet, doch könne er keine genaueren Angaben machen, da nicht alle aufgewendeten Stunden den Kunden hätten verrechnet werden können. Für die Erledigung der Kundenaufträge habe er jedoch mindestens die doppelte Zeit aufgewendet, als er den Kunden habe verrechnen können. Als Zwischenverdienst habe er nur die verrechnete Zeit gemeldet. Für ihn seien die Firma P.________ und er zwei verschiedene Persönlichkeiten gewesen, weshalb er auch zwei verschiedene Unterschriften verwendet habe. Bei der Zwischenverdienstmeldung habe er mit Firma P.________ gezeichnet und sei auf deren Telefonnummer auch immer erreichbar gewesen.
2.4 Aus den Akten ergibt sich schlüssig, dass der Beschwerdeführer nach Eintritt der Arbeitslosigkeit sich aus persönlichen Gründen darauf konzentrierte, eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufzubauen. Er besuchte zweckdienliche Basiskurse (Büro, Buchhaltung). Er suchte nach Kunden, indem er bei türkischsprachigen Geschäftsinhabern vorsprach, sich vorstellte und sich um Mandatsübernahmen bemühte. Er mietete Büroräumlichkeiten und kaufte die benötigte Infrastruktur. Bei dieser Aktenlage steht fest, dass der Beschwerdeführer eine selbstständige Erwerbstätigkeit nicht nur plante, sondern tatsächlich auch ausübte (ARV 1996/1997 Nr. 36 S. 202 Erw. 3). Die Vorinstanz hat daher zu Recht die Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers ab 15. September 1997 verneint.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werde keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 30. Juli 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: