BGE 99 IV 146
 
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Oktober 1973 i.S. Lustenberger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
 
Regeste
Art. 169, 217 StGB.
 


BGE 99 IV 146 (146):

Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht habe ihn zu Unrecht wegen Verstrickungsbruchs und Vernachlässigung von Unterstützungspflichten in der Höhe der vom Betreibungsamt für die Privatklägerin Lustenberger gepfändeten und von ihm nicht abgelieferten Beträge schuldig gesprochen. Der Verstrickungsbruch werde insoweit durch die Vernachlässigung von Unterstützungspflichten konsumiert. Art. 169 StGB schütze nämlich die Gläubigerrechte im allgemeinen, Art. 217 die Gläubigerrechte jener Personen, deren Ansprüche

BGE 99 IV 146 (147):

auf einem familienrechtlichen Grundverhältnis beruhten. Art. 169 müsse demnach zu Art. 217 StGB im Verhältnis von lex generalis zu lex specialis stehen, mit der Folge, dass einzig die letztere Bestimmung anzuwenden sei. Diese erfasse allein schon den Unrechts- und Schuldgehalt des inkriminierten Verhaltens nach allen Richtungen. Er sei daher vom Vorwurf des Verstrickungsbruchs insoweit freizusprechen, als er über Einkommen verfügt haben solle, das zugunsten der Privatklägerin gepfändet worden sei (Fr. 600.--). Ein Verstrickungsbruch falle ihm nur im Umfang von Fr. 178.-- zur Last, was ebenfalls zu einer Herabsetzung der Strafe führen müsse.
Wie die Staatsanwaltschaft demgegenüber zutreffend feststellt, geht Art. 169 StGB in Art. 217 StGB nicht auf. Während die letztere Bestimmung ausschliesslich Gläubiger und auch unter diesen nur bestimmte Kategorien von Gläubigern schützt, geht es bei Art. 169 StGB ausser um den Schutz von Gläubigern schlechthin zusätzlich um die Wahrung der Interessen der Zwangsvollstreckung als eines Bestandteils der Rechtspflege, mit andern Worten, um den Schutz der staatlichen Autorität (BGE 75 IV 174; HAFTER, Bes. Teil S. 735; LOGOZ, N. 2 zu Art. 169 StGB; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, S. 288; THORMANN/v. OVERBECK, N. 1 der Vorbemerkungen zu den Art. 163-172 StGB). Decken sich aber die beiden Tatbestände hinsichtlich des von ihnen geschützten Rechtsgutes nicht, dann würde mit der ausschliesslich nach Art. 217 StGB erfolgenden Bestrafung des Beschwerdeführers dessen Ungehorsam gegen den Amtsakt einer behördlichen Beschlagnahme nicht abgegolten. Die konkurrierende Anwendung beider Bestimmungen durch die Vorinstanz war somit auch in dem Masse begründet, als die Lohnpfändung zugunsten von Unterhaltsberechtigten im Sinne des Art. 217 StGB angeordnet worden war.