BGE 91 IV 37
 
11. Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1965 i.S. Kalt gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich.
 
Regeste
1. Art. 1 Abs. 4 VRV. Auf Strassen, die beidseits mit einem Trottoir versehen sind, erstreckt sich die Fahrbahn auch dann auf die ganze Verkehrsfläche zwischen den Trottoirs, wenn der Strassenrand zum Parkieren von Fahrzeugen benützt werden darf.
 
Sachverhalt


BGE 91 IV 37 (37):

A.- Der Stauffacherquai in Zürich 4 ist 10,5 m breit, auf beiden Seiten mit einem Trottoir versehen und zwischen Stauffacherstrasse und Sihlbrücke nur als Einspurstrecke befahrbar. Auf der einen Seite sind schräggestellte, auf der andern parallel zum Trottoir verlaufende Parkfelder auf der Fahrbahn markiert. Dadurch verschmälert sich bei besetzten Parkfeldern die für den Fahrverkehr frei bleibende Fahrbahn auf 3,85 m.


BGE 91 IV 37 (38):

Am Nachmittag des 24. Juni 1964 parkierte Kalt, weil kein Parkfeld frei war, ein Personenauto während mehr als vier Stunden auf dem 5,05 m breiten Trottoir vor dem Hause Stauffacherquai 8.
B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich verurteilte Kalt wegen unerlaubtem Parkieren in Anwendung von Art. 43 Abs. 2 SVG und Art. 41 Abs. 1 VRV zu einer Busse von Fr. 20.-. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich bestätigte am 4. Februar 1965 Schuldspruch und Busse.
C.- Kalt führt gegen das Urteil des Einzelrichters Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Er macht geltend, er sei berechtigt gewesen, auf dem Trottoir zu parkieren.
 
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
a) Fahrbahn ist der dem Fahrverkehr dienende Teil der Strasse (Art. 1 Abs. 4 VRV). Nicht dem Fahrverkehr dienen vor allem Verkehrsflächen, die dem Fussgängerverkehr vorbehalten sind, so das Trottoir. Der an das Trottoir angrenzende Teil der Strasse dagegen ist auch dann für den Fahrverkehr

BGE 91 IV 37 (39):

bestimmt, wenn auf ihm das Abstellen von Fahrzeugen gestattet ist. Durch das Parkieren von Fahrzeugen wird nicht die Zweckbestimmung dieser Verkehrsfläche aufgehoben, sondern bloss deren Benützbarkeit durch den fliessenden Verkehr zeitweise eingeschränkt. Das gilt auch, wenn auf dem an das Trottoir angrenzenden Teil der Strasse Parkfelder markiert sind. Die Markierungen bedeuten nur, dass ausserhalb der Parkfelder kein Fahrzeug abgestellt werden darf (Art. 55 Abs. 1 SSV). Unter Fahrbahn ist daher auf Strassen, die auf beiden Seiten mit einem Trottoir versehen sind, die ganze Verkehrsfläche zwischen den Trottoirs zu verstehen, gleichgültig, ob am Fahrbahnrand Fahrzeuge abgestellt sind oder nicht und ob allenfalls das Parkieren durch markierte Parkfelder geordnet wird oder nicht. Art. 18 Abs. 1 Satz 2 VRV, der sich auf das erlaubte Anhalten und Abstellen von Fahrzeugen auf Strassen mit und ohne Trottoir bezieht und vorschreibt, dass Fahrzeuge am Rand der "Fahrbahn" und parallel dazu angehalten und aufgestellt werden müssen, bestätigt, dass auch diese Stellen zur Fahrbahn zählen.
b) Ob eine Fahrbahn im Sinne des Art. 41 Abs. 1 VRV schmal sei, bestimmt sich somit nach ihrer Gesamtbreite, gemessen von einem Fahrbahnrand zum andern, unabhängig von der Breite des Fahrstreifens, der dem fliessenden Verkehr offen bleibt, wenn die auf einer oder auf beiden Seiten der Fahrbahn erlaubten Parkierungsmöglichkeiten voll ausgenützt werden. Hier war die Fahrbahn des Stauffacherquai zehn Meter breit, also auf keinen Fall schmal. Demzufolge durften dort keine Motorwagen auf dem Trottoir abgestellt werden. Die Unzulässigkeit des Vorgehens des Beschwerdeführers ergibt sich auch aus dem Zweck des Art. 41 Abs. 1 VRV, der das Abstellen von Motorwagen auf dem Trottoir nur dort ermöglichen will, wo die Fahrbahn schon an sich so schmal ist, dass der Verkehr behindert wäre, wenn auf ihr Motorwagen parkiert würden. Von einer schmalen Fahrbahn im Sinne dieser Bestimmung kann deshalb zum vornherein keine Rede sein, wenn die Breite der Fahrbahn das Parkieren von Motorwagen auf mindestens einer der beiden Seiten ohne Behinderung des Verkehrs zulässt.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.