BGE 129 III 493 |
78. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. AG gegen A. (Berufung) |
4C.72/2003 vom 25. Juni 2003 |
Regeste |
Art. 329d OR; Art. 2 Abs. 2 ZGB. Abgeltung des Ferienlohnanspruchs mit dem laufenden Lohn; Rechtsmissbrauchsverbot. |
Verneinung der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Ferienlohnansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im konkreten Fall (E. 5). |
Sachverhalt |
A.- A. (Kläger) arbeitete seit dem 1. Oktober 1977 als Fassadenisoleur bei der X. AG (Beklagte). Er war teilweise im Stunden- und teilweise im Leistungslohn angestellt. Ursprünglich beruhte das Arbeitsverhältnis auf einem mündlichen Arbeitsvertrag. Erst am 18. Dezember 1996 schlossen die Parteien einen auf ein Jahr befristeten schriftlichen Vertrag ab. Sie vereinbarten dabei einen Stundenlohn von brutto Fr. 29.55 zuzüglich einer Ferien- und Feiertagsentschädigung von 11.5%. Der Kläger kündigte diesen Vertrag mit Schreiben vom 29. September 1997 auf den 31. Dezember des gleichen Jahres. |
Am 9. Februar 1998 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm als Ferien- und Feiertagsentschädigung auf dem Leistungslohn für den Zeitraum von Januar 1993 bis Dezember 1997 und für zu viel abgezogene Beiträge für die Arbeitslosenversicherung insgesamt Fr. 53'878.05 zu bezahlen.
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B.- Mangels Einigung zwischen den Parteien belangte der Kläger die Beklagte beim Einzelrichter des Bezirks March am 4. September 1998 auf Bezahlung des genannten Betrages nebst Zins. Der Einzelrichter wies die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2000 ab.
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Auf kantonalrechtliche Berufung des Klägers hin verurteilte das Kantonsgericht Schwyz die Beklagte am 17. September 2002 indessen zur Zahlung von Fr. 35'828.- nebst 5% Zins ab verschiedenen Daten.
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C.- Die Beklagte führt dagegen eidgenössische Berufung, mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Eine in gleicher Sache erhobene staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten hat das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 3 |
Diese Rechtsprechung ist auf Zustimmung gestossen (STAEHELIN, a.a.O., N. 15 zu Art. 329d OR; REHBINDER, a.a.O., N. 15 zu Art. 329d OR; JEAN-LOUIS DUC/OLIVIER SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, Lausanne 1998, N. 9 zu Art. 329d OR; BRÜHWILER, a.a.O., N. 4 zu Art. 329d OR; WYLER, a.a.O., S. 263). In neuerer Zeit ist daran allerdings auch heftige Kritik geübt worden (insbes. AUBERT, Le droit des vacances: quelques problèmes pratiques, in: Le droit du travail en pratique, Zürich 1990, S. 117 ff.; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 9 zu Art. 329d OR; ERIC CEROTTINI, Le droit aux vacances, Diss. Lausanne 2001, S. 209 ff.; vgl. auch VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1,III, S. 90). Es wird namentlich geltend gemacht, dass die Schwierigkeiten für die Berechnung des Ferienlohns auch bei unregelmässiger Arbeit nicht unüberwindlich seien. Selbst wenn sowohl im Arbeitsvertrag wie auch auf jeder einzelnen Lohnabrechnung genau erwähnt sei, welcher Betrag für die Ferien ausgerichtet werde, bestehe die Gefahr, dass dem Arbeitnehmer beim Bezug der Ferien der entsprechende Betrag durch vorzeitigen Verbrauch nicht mehr zur Verfügung stehe und damit der Ferienzweck vereitelt werde. AUBERT will deshalb die Abgeltung gänzlich ausschliessen. Demgegenüber schlägt CEROTTINI unter anderem ein differenziertes System vor, nach dem zwar das Feriengeld laufend gutgeschrieben, indessen erst beim effektiven Ferienbezug ausgerichtet werden darf. |
Da der für die Ferien bestimmte Betrag sowohl aus dem Arbeitsvertrag wie auch aus den einzelnen Lohnabrechnungen eindeutig hervorgehen muss, ist eine schriftliche Fixierung erforderlich. Nur so besteht für den Arbeitnehmer die notwendige Klarheit und kann er den genauen Betrag auch noch in einem späteren Zeitpunkt feststellen. Somit ist in allen Fällen unerlässlich, dass der Ferienlohn auf jeder periodischen Lohnabrechnung oder Lohnquittung betragsmässig ausgewiesen wird. Wurde ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen, ist die Vereinbarung über die laufende Ferienlohnabgeltung zudem in diesem Rahmen schriftlich zu treffen, unter Angabe des im Lohn eingeschlossenen, für die Ferien bestimmten Betrages oder prozentualen Lohnanteils. Einzig wenn die Parteien bloss einen mündlichen und keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen haben (Art. 320 Abs. 1 OR), rechtfertigt es sich, auch eine mündliche Abgeltungsvereinbarung zuzulassen (vgl. BGE 116 II 515 E. 4b S. 518). In einem solchen Fall wird mit der Erwähnung des Ferienlohnanteils in den periodischen Lohnabrechnungen genügend Klarheit geschaffen und die entsprechende mündliche Vereinbarung laufend in schriftlicher Form bestätigt.
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3.4 Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hat der Kläger auf den einzelnen Lohnabrechnungen nicht erkennen können, in welcher Höhe ein Zuschlag zum Leistungslohn als Feriengeld entrichtet wurde. Ebenso schweigt sich der für das Jahr 1997 abgeschlossene schriftliche Arbeitsvertrag darüber aus, ob mit dem Leistungslohn eine Ferienentschädigung ausgerichtet wird. Es fehlt damit an einer gültigen Abrede über die Abgeltung des Ferienlohnes mit dem laufenden Leistungslohn und die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte grundsätzlich zur Nachzahlung des entsprechenden Ferienlohnes verpflichtet blieb. |
(...)
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5.1 Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen (BGE 121 III 60 E. 3d. S. 63 mit Hinweis), wobei die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu beachten sind (BGE 125 III 257 E. 2a; BGE 120 II 100 E. 3a S. 108 mit Hinweisen). Zu diesen Fallgruppen ist die Rechtsausübung zu zählen, die ohne schützenswertes Interesse erfolgt oder zu einem krassen Missverhältnis berechtigter Interessen führen würde (BGE 123 III 200 E. 2b S. 203; BGE 120 II 100 E. 3a S. 108 mit Hinweisen). Ebenso kann allgemein gesagt werden, dass die Geltendmachung eines Rechts missbräuchlich ist, wenn sie im Widerspruch zu einem früheren Verhalten steht und dadurch erweckte berechtigte Erwartungen enttäuscht (BGE 128 III 375 E. 4.5; BGE 125 III 257 E. 2a; BGE 123 III 70 E. 3c, je mit Hinweisen). Indessen ist im Widerspruch zwischen der Zustimmung zu einer Vereinbarung und der nachträglichen Geltendmachung ihrer Ungültigkeit unter Berufung auf zwingendes Recht nur dann ein Rechtsmissbrauch zu erblicken, wenn zusätzliche besondere Umstände gegeben sind; ansonsten würde dem Arbeitnehmer der mit der zwingenden Gesetzesbestimmung gewährte Schutz auf dem Weg über Art. 2 ZGB wieder entzogen (BGE 126 III 337 E. 7 S. 344; BGE 110 II 168 E. 3c mit Hinweis). Ebenso hat die Partei, die das Recht der Gegenpartei zur Anrufung der Nichtigkeit aufgrund eines Formmangels bestreitet, besondere den konkreten Fall kennzeichnende Umstände nachzuweisen, die offensichtlich machen, dass die Berufung auf den Formmangel treuwidrig ist (BGE 104 II 99 E. 2b; BGE 90 II 21 E. 2a, je mit Hinweisen). Solche Umstände können vorliegen, wenn die Partei sich auf zwingendes Recht beruft, welche die dagegen verstossende Vereinbarung in eigenem Interesse und in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit selber vorgeschlagen und damit beim Rechtserwerb unredlich gehandelt hat (vgl. BGE 81 II 627 E. 3 S. 632). Besondere Umstände, welche die Berufung auf zwingendes Recht als missbräuchlich erscheinen lassen, sind auch zu bejahen, wenn die von der angerufenen Norm zu schützenden Interessen entfallen oder sonst wie gewahrt wurden oder wenn die Partei mit der Geltendmachung der Nichtigkeit der Vereinbarung derart lange zuwartet, dass der anderen Partei dadurch verunmöglicht wurde, ihre eigenen Interessen zu wahren (vgl. BGE 127 III 257 E. 6c, 357 E. 4c/bb; BGE 116 II 428 E. 2; BGE 94 II 37 E. 6b-d S. 41 ff.; vgl. zum Ganzen auch das Urteil 4C.184/2000 vom 24. Oktober 2000, E. 3a/bb, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 48 S. 280 ff. mit weiteren Hinweisen). |
Die Einforderung des Ferienlohnes mangels Einhaltung der formellen Voraussetzungen zu seiner Abgeltung ist insbesondere auch nicht rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger die Ferien während des gesamten zwanzigjährigen Arbeitsverhältnisses bezogen habe, wie die Beklagte geltend macht. Damit Feriengeld auch tatsächlich für die Ferien zur Verfügung steht und die Gerichte zudem überprüfen können, ob der vereinbarte Ferienlohnanteil die unverminderte Lohnfortzahlung während den Ferien gewährleistet, bleibt der Arbeitgeber trotz pauschaler Abreden und ungeachtet der auf dieser Grundlage erbrachten Leistungen auch dann verpflichtet, dem früheren Arbeitnehmer die gesetzlich vorgeschriebenen Ferienlöhne nach Vertragsauflösung als Entschädigung nachzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer die ihm zustehenden Ferien tatsächlich bezogen hat (BGE 118 II 136 E. 3b S. 137; BGE 116 II 515 E. 4b, je mit Hinweisen). |