BGE 103 II 127
 
21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung als staatsrechtliche Kammer vom 17. März 1977 i.S. Roth gegen J. Ruckstuhl AG
 
Regeste
Art. 344a Abs. 1 OR.
 


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Aus den Erwägungen:
2. Das Appellationsgericht stellt unangefochten fest, dass der Beschwerdeführer - nachdem er am 30. September 1975 nur den praktischen Teil der Lehrabschlussprüfung bestanden

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hatte - von der J. Ruckstuhl AG über den ersten Prüfungstermin hinaus weiterbeschäftigt wurde, um ihm damit den weiteren Schulbesuch und die Nachprüfung im Frühjahr 1976 zu ermöglichen. Daraus folgern beide kantonalen Instanzen, der Beschwerdeführer sei weiterhin Lehrling im Sinne der massgebenden Bestimmungen geblieben; durch die Weiterbeschäftigung hätten die Parteien den Lehrvertrag verlängert. Demgegenüber macht die Beschwerde geltend, dass wie der Vertrag selbst auch seine Verlängerung hätte schriftlich vereinbart werden müssen. In Ermangelung dieser Form sei der Beschwerdeführer für die Zeit nach dem September 1975 nicht mehr als Lehrling einzustufen, sondern habe nach dem Gesamtarbeitsvertrag für das Heizungs- und Lüftungsgewerbe Anspruch auf den Lohn eines C-Monteurs.
Der schriftliche Lehrvertrag der Parteien sieht eine Lehrzeit vom 17. April 1972 bis zum 16. Oktober 1975 vor. Das entspricht der Forderung von Art. 344a Abs. 1 und 2 OR, wonach der Lehrvertrag schriftlich sein und unter anderem die Ausbildungsdauer regeln muss. Wird ein Arbeitsverhältnis trotz Ablauf einer festen Vertragsdauer fortgesetzt, so kommen nicht die allgemeinen Bestimmungen über die Abänderung eines Vertrages (Art. 12 OR), sondern die besonderen Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts, namentlich des Einzelarbeitsvertrages, zum Zuge, die ergänzend auch auf den Lehrvertrag anwendbar sind (Art. 355 OR). Nach Art. 335 Abs. 2 OR bewirkt die stillschweigende Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der bestimmten Vertragsdauer dessen Verlängerung auf unbestimmte Zeit. Die kantonalen Behörden durften deshalb durchaus annehmen, dass eine vorübergehende Verlängerung des Lehrvertrages, welche dem Lehrling das Bestehen einer Nachprüfung ermöglichen sollte, nicht von der Einhaltung der Schriftform abhängig ist, zumal eine solche Verlängerung dem Zweck des Lehrvertrages entspricht. Im übrigen nimmt selbst das Gesetz gegebenenfalls sogar dann ein Lehrverhältnis an, wenn überhaupt kein gültiger Lehrvertrag abgeschlossen worden ist (Art. 320 Abs. 3 OR, Art. 15 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung; vgl. auch VISCHER in Schweiz. Privatrecht, VII/1 S. 432). Auch rechnen einzelne Bestimmungen des von den Parteien abgeschlossenen schriftlichen Lehrvertrages mit einer Verlängerung der vertraglich festgesetzten Lehrzeit bei

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Vorliegen besonderer Umstände. Eine Auslegung dieses Lehrvertrages, die dahin geht, dass das vereinbarte Vertragsverhältnis zumindest im gegenseitigen Einvernehmen über die vereinbarte Dauer hinaus verlängert werden könne, wenn das zur Erreichung des Lehrziels notwendig sein sollte, ist vertretbar, ja drängt sich sogar auf. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Beschwerdeführer im Herbst 1975 wenigstens die praktische Teilprüfung bestand. Weder das Gewerbliche Schiedsgericht noch das Appellationsgericht verfielen deshalb in Willkür, als sie eine gültige Verlängerung des Lehrvertrages annahmen; der Beschwerdeführer rügt zu Unrecht eine Verletzung von Art. 4 BV.