BGE 91 II 177
 
27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Oktober 1965 i.S. V. gegen St. und Sch.-V.
 
Regeste
In ihrer Gültigkeit bestrittene Bezeichnung eines nicht mit Namen genannten Ersatz- Willensvollstreckers durch das Testament.
2. Dazu kann eine Verwaltungsbehörde als zuständig erachtet werden, insbesondere diejenige, welcher die Ausstellung von Erbbescheinigungen nach Art. 559 ZGB obliegt. (Erw. 2).
3. Greift die Verwaltungsbehörde in den Zuständigkeitsbereich des Richters ein, wenn sie dem in seiner Rechtsstellung umstrittenen Prätendenten ein vorbehaltlos lautendes Willensvollstrecker-Zeugnis ausstellt? (Erw. 3).
 
Sachverhalt


BGE 91 II 177 (178):

A.- Die am 22. Juni 1964 an ihrem Wohnsitz Arlesheim verstorbene Frau Witwe A. V.-G. hiniterliess als nächste Angehörige den Sohn F. V. und die Tochter Frau S. Sch.-V. In einem Testament vom 16. Juli 1957 hatte sie verschiedene Verfügungen getroffen und in Ziff. VIII "Herrn Dr. L., Notar, oder seinen Stellvertreter oder Nachfolger" als Willensvollstrecker bezeich net.
B.- Beim Eintritt des Erbfalles war Dr. L. bereits gestorben. Mit ihm hatte Dr. St. in Bureaugemeinschaft gestanden, der dort weiterhin seine Praxis als Anwalt und Notar ausübt.


BGE 91 II 177 (179):

Auf Anfrage des Erbschaftsamtes Arlesheim erklärte sich Dr. St. bereit, das dem Nachfolger des Dr. L. aufgetragene Amt eines Willensvollstreckers anzunehmen. Als er dann aber ein "Testamentsvollstreckerzeugnis" verlangte, lehnte das Erbschaftsamt dieses Ansuchen ab, weil der eine Erbe F. V. die Gültigkeit des Testamentes bestritten hatte.
C.- Dr. St. beschwerte sich beim Regierungsrat mit dem Begehren, das Erbschaftsamt sei anzuweisen, ihm das verlangte Zeugnis auszustellen. F. V. nahm gegen dieses Begehren Stellung, während die Miterbin Frau S. Sch.-V. auf Gutheissung der Beschwerde antrug.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft wies die Beschwerde am 19. Januar 1965 ab. Dagegen führte Dr. St. verwaltungsgerichtliche Beschwerde mit dem Erfolg, dass das kantonale Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 7. April 1965 die Beschwerde teilweise guthiess und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurückwies. Die Begründung geht im wesentlichen dahin: Der Willensvollstrecker erhält in jedem Fall eine beglaubigte Abschrift des Testamentes, wie es auch hier geschehen ist. Unter Umständen bedarf er ausserdem einer besondern Legitimationsurkunde. So im vorliegenden Falle, wo die Person des Willensvollstreckers dem Testament nicht mit "absoluter" Sicherheit zu entnehmen ist. Freilich lässt sich die im Testamentstexte liegende Unsicherheit nicht durch eine Legitimationsurkunde beheben. Als Nachfolger des Dr. L. fällt zwar niemand anderes als Dr. St. in Betracht. Es darf diesem aber nicht schlechthin bescheinigt werden, er sei Willensvollstrecker im Nachlass der Frau A. V.-G. Denn die in Frage stehende Testamentsklausel unterliegt der Ungültigkeitsklage (BGE 44 II 107ff.). Da der eingesetzte Willensvollstrecker aber - mit Vorbehalt einstweiliger Verfügungen des Richters - mindestens bis zum gerichtlichen Entscheid über die Gültigkeit des Testamentes die zur Erhaltung des Nachlassvermögens erforderlichen Massnahmen treffen soll (BGE 74 I 423ff.), hat er Anspruch "auf urkundliches, getreues und zweifelsfreies Festhalten der Lage mit Einschluss der bestrittenen Punkte". Es kann dem Erbschaftsamt überlassen bleiben, den Wortlaut der Bescheinigung festzusetzen.
F.- Mit vorliegender Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht macht F. V. geltend, der angefochtene Entscheid greife in die sachliche Zuständigkeit der Zivilgerichte ein. Somit sei der

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Beschwerdegrund des Art. 68 Abs. 1 lit. b OG gegeben. Die Begehren der Beschwerde gehen dahin: 1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft sei aufzuheben. 2. "Der Antrag des Dr. St. sei, soweit er materiell auf Feststellung seiner Eigenschaft als Willensvollstrecker abzielt, in das Verfahren vor den ordentlichen Zivilgerichten des Kantons Baselland zu verweisen, und im übrigen sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen".
Dr. St. beantragt, auf die Nichtigkeitsbeschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. In gleichem Sinne lauten die Anträge der Miterbin Frau S. Sch.-V. Das kantonale Verwaltungsgericht verweist auf diese Parteieingaben.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit dem Gesuch um Ausstellung eines "Willensvollstreckerzeugnisses" wird keine "Zivilrechtsstreitigkeit" eingeleitet, die unter den nähern Voraussetzungen der Art. 43 ff. OG der Berufung an das Bundesgericht unterstünde. Der dahingehende, von einem wirklichen oder vermeintlichen Willensvollstrecker erhobene Anspruch ist ebensowenig Gegenstand einer solchen Streitigkeit wie der Anspruch eines wirklichen oder vermeintlichen Erben auf Ausstellung einer Erbbescheinigung, wie sie in Art. 559 Abs. 1 ZGB für eingesetzte Erben vorgeschrieben, jedoch gegebenenfalls auch gesetzlichen Erben auszustellen ist. Es handelt sich vielmehr um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die nicht auf dem Wege der Berufung vor das Bundesgericht gebracht werden kann, jedoch immerhin um eine Zivilsache, die den Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 ff. OG bilden kann (vgl.BGE 41 II 213ff. und 762 ff.,BGE 57 II 400ff.). Nichts Gegenteiliges folgt daraus, dass das ZGB die Ausstellung eines Ernennungsausweises für den Willensvollstrecker nicht ausdrücklich vorschreibt wie § 2368 des deutschen BGB. Da das Amt des Willensvollstreckers auch nach schweizerischem ZGB ein privatrechtliches ist (BGE 90 II 379 ff.), erweist sich die Ausstellung eines solchen Zeugnisses, gleichgültig ob sie von Amtes wegen erfolgt oder von einem Beteiligten, insbesondere vom (wirklichen oder vermeintlichen) Willensvollstrecker selbst, verlangt wird, als Zivilsache.
Im übrigen richtet sich die vorliegende Beschwerde gegen einen Entscheid der letzten kantonalen Instanz, und als einer der Erben ist F. V. zur Bestreitung der von Dr. St. in Anspruch

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genommenen Stellung eines Willensvollstreckers legitimiert. Mit Recht erhielt er daher im kantonalen Verfahren Gelegenheit, sich zur Beschwerde des Genannten vernehmen zu lassen, und dementsprechend ist er nun auch zur Beschwerde nach Art. 68 ff. OG gegen den Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichtes befugt, der die Ausstellung eines vom Erbschaftsamt zu verfassenden Zeugnisses der verlangten Art anordnet.
2. Die Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 ff. OG führt indessen nicht zur materiellen Überprüfung des angefochtenen Entscheides, der im vorliegenden Falle nicht bloss eine Frage der Zuständigkeit, sondern das Begehren um Ausstellung eines Ernennungsausweises selbst betrifft. In Betracht fällt nur der geltend gemachte Beschwerdegrund einer Verletzung eidgenössischer Normen über die sachliche Zuständigkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist aber der kantonale Entscheid grundsätzlich nicht zu beanstanden. Welche Behörde oder Amtsstelle zuständig sei, einem durch Testament eingesetzten Willensvollstrecker seine Ernennung zu bescheinigen, ist im ZGB nicht bestimmt, steht also der kantonalen Rechtsordnung anheim. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass dies (nach ausdrücklicher Gesetzesnorm oder auch beim Fehlen einer solchen) als Aufgabe des Erbschaftsamtes betrachtet wird, dem (z.B. nach § 14 des EG des Kantons Basel-Landschaft zum ZGB) die Eröffnung letztwilliger Verfügungen und somit auch die Ausstellung von Erbbescheinigungen im Sinne von Art. 559 ZGB obliegt.
3. Mittelbar kann freilich die einem Willensvollstrecker ausgestellte Ernennungsurkunde unter Umständen die gerichtliche Entscheidung in unzulässiger Weise vorwegnehmen und dem Titular eine Verfügungsmacht verschaffen, die ihm angesichts der von Erbenseite erhobenen Einwendungen einstweilen nicht zukommt. Allerdings steht der Ausübung des Amtes eines Willensvollstreckers nicht schlechtweg der Umstand entgegen, dass die Gültigkeit des Testamentes und allenfalls im besondern der Klausel betreffend Einsetzung eines Willensvollstreckers bestritten ist. Jedenfalls wenn ein im Testament mit Namen bezeichneter Willensvollstrecker gewillt ist, die ihm vom Erblasser zugedachte Aufgabe zu übernehmen, hat er sich der Erbschaft anzunehmen, auch wenn mit einer Ungültigkeitsklage zu rechnen ist. Immerhin soll er in diesem Falle nur sichernde und sonstige zur ordentlichen Verwaltung gehörende Massnahmen treffen und Veräusserungen nur dann vornehmen, wenn dazu

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eine dringende Veranlassung besteht (BGE 74 I 423ff.). Er handelt dabei auf eigene Verantwortung, und seine Massnahmen unterliegen der Beschwerde (ebendort S. 425 unten). Wird ihm ausser der Testamentsabschrift ein besonderer Ausweis über seine Ernennung ausgestellt, so ist es angezeigt, darin die Bestreitung der Gültigkeit des Testamentes und gegebenenfalls im besondern der darin vorgesehenen Willensvollstreckung zu vermerken, damit der Ausweis sich in den Augen Dritter nicht als Beleg über eine rechtskräftig feststehende Willensvollstreckung darbiete. Ein solcher Vermerk ist vollends unerlässlich, wenn es sich, wie hier, um einen vom Erblasser nicht mit Namen bezeichneten Ersatz-Willensvollstrecker handelt, der zudem nicht als eine vom Erblasser gemeinte bestimmte Person erscheint. Gewiss ist die Bezeichnung eines Willensvollstreckers im Testament auch ohne Namensangabe einwandfrei, wenn sie eindeutig auf die darunter zu verstehende Person hinweist (so etwa "meine Ehefrau" oder "unser seit 20 Jahren im Amte stehender Gemeindepräsident" und dergleichen). Eine offene Frage ist es aber, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen eine nicht von vornherein individuell bestimmte (natürliche oder juristische) Person als Willensvollstrecker eingesetzt werden kann, wie hier neben dem inzwischen verstorbenen Dr. L. "sein Stellvertreter oder Nachfolger" - also wer es im gegebenen Zeitpunkt auch sein möge (vgl. JEAN CARRARD, La désignation des exécuteurs testamentaires, p. 8, n. 15/16; TUOR, Komm., 2. A., N. 3 und 4 zu Art. 517 ZGB mit zahlreichen Hinweisen). InBGE 69 II 36/37 wurde zwar ausgeführt, es könne "gleich wie im Falle der Bezeichnung einer Behörde als Erbschaftsverwalter oder Willensvollstrecker" der jeweilige Amtsinhaber der bevollmächtigten Behörde als Erbenvertreter gelten. Wie es sich indessen damit auch verhalten mag, stellt sich hier die besondere Frage, ob es zulässig sei, den Stellvertreter oder Nachfolger eines an erster Stelle genannten Notars oder Rechtsanwaltes als Ersatz-Willensvollstrecker einzusetzen (was W. FLÜGEL, Zu einigen Fragen aus dem ehelichen Güterrecht und aus dem Erbrecht, Basler Juristische Mitteilungen 1965 S. 118/19, aufzurückhaltende Weise erörtert). All dies, und auch die Frage, ob Dr. St. wirklich "Nachfolger" des Dr. L. sei (was sich nicht einfach daraus schliessen lässt, dass "niemand anderes" als Nachfolger in Betracht fällt), ferner die unter den gegebenen Umständen diskutable Frage des Klagegegenstandes und der Parteirollenverteilung

BGE 91 II 177 (183):

(vgl. BGE 90 II 480 über eine die Unwirksamkeit einer testamentarischen Anordnung betreffende unverjährbare Feststellungsklage, ferner ein auch die Parteirollenverteilung besprechendes Urteil des Appellationsgerichts von Basel-Stadt, BJM 1963 S. 205/6), muss der gerichtlichen Beurteilung vorbehalten bleiben.
Der angefochtene Entscheid trägt jedoch der Rechtslage Rechnung und weist das Erbschaftsamt an, den Ausweis nicht vorbehaltlos auszustellen, sondern darin auch die bestrittenen Punkte zu vermerken. Darüber wird auch der Regierungsrat wachen, an den die Sache zurückgewiesen wurde. Unter diesen Umständen kann nicht davon die Rede sein, dass die durch den angefochtenen Entscheid getroffene Anordnung in den Zuständigkeitsbereich des Richters eingreife. Nur darauf kommt es bei der Beurteilung der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 Abs. 1 lit. b OG an. Welche der kantonalen Instanzen, der Regierungsrat oder das Verwaltungsgericht, sachlich richtig entschieden habe, kann das Bundesgericht in diesem Verfahren nicht prüfen.
Demnach erkennt das Budesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.