Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Urteilskopf

95 I 602


88. Auszug aus dem Urteil vom 26. November 1969 i.S. Wieser und Mitbeteiligte gegen Nordostschweizerische Kraftwerke AG.

Regeste

Art. 84 Abs. 1 und 36 lit. b EntG
1. Beim Begehren um Beurteilung durch das Bundesgericht handelt es sich nicht um eine Beschwerde gegen den Urteilsentwurf, sondern um eine prozessuale Gestaltungserklärung.
2. Wann liegt ein gültiges Begehren um Ausdehnung der Enteignung vor? (Bestätigung der Rechtsprechung).

Erwägungen ab Seite 602

BGE 95 I 602 S. 602
Aus den Erwägungen:

1. a) Eine mündliche Verhandlung findet statt auf Anordnung des Bundesgerichts oder wenn beide Parteien sie verlangen (Art. 85 Abs. 2 EntG). Die zweite Voraussetzung ist nicht erfüllt, da nur die Enteigneten, nicht aber die Enteignerin die mündliche Verhandlung verlangt haben. Es fragt sich daher nur, ob das Bundesgericht eine solche von sich aus anordnen solle. Entgegen der Ansicht der Enteigneten besteht hiezu im vorliegenden Fall kein Anlass. Die Parteien sind schon vor der Schätzungskommission und sodann auch im Schriftenwechsel vor dem Instruktionsrichter ausgiebig zu Wort gekommen. Zudem ergibt sich aus der Eingabe der Enteigneten, dass die mündliche Verhandlung zum Stellen neuer Beweisanträge benützt werden soll. Das ist gerade nicht ihre Aufgabe.
BGE 95 I 602 S. 603
b) Für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung nicht angeordnet werden sollte, verlangen die Enteigneten, es sei ihnen eine Nachfrist zur Ergänzung ihrer Rechtsschrift anzusetzen. Damit verkennen sie indessen die Bedeutung des Begehrens um Beurteilung durch das Bundesgericht. Es handelt sich dabei nicht um eine Beschwerde gegen den Urteilsentwurf, sondern um eine prozessuale Gestaltungserklärung. Inwieweit eine solche überhaupt zu begründen sei, braucht hier nicht abschliessend entschieden zu werden. Jedenfalls ist eine Begründung innert der gesetzlichen Frist von dreissig Tagen seit Zustellung des Urteilsentwurfes einzureichen. Eine Nachfrist zur Ergänzung kann den Enteigneten deshalb nicht eingeräumt werden.

3. Natur, Umfang und Inhalt des enteigneten Rechtes werden grundsätzlich von der Behörde bestimmt, die die Enteignungsermächtigung erteilt (vgl. Art. 3 EntG, Art. 50 ElG; BGE 91 I 157 Erw. 2). Der Bundesrat erteilte der NOK das Recht auf Erwerb der für den Ausbau und den Betrieb der Leitung benötigten Rechte, nicht aber ein Recht auf Erwerb auch eines Bauverbots im Leitungstrasse. Wie die Vorinstanz feststellt, haben die Enteigneten auch nicht etwa verlangt, dass der Bundesrat seine Enteignungsermächtigung erweitere. Die ESchK hatte daher gemäss Art. 19 und 20 EntG die Entschädigung für die Durchleitung, nicht aber für ein nicht beanspruchtes Bauverbot zu bestimmen.
a) Die Enteigneten halten dafür, es entstehe ihnen ein weiterer Schaden daraus, dass der im Hinblick auf eine mögliche spätere Überbauung erhöhte Verkehrswert wegen der Überspannung der Grundstücke beeinträchtigt werde. In der Weiterziehungsbegründung erklären sie sich denn auch bereit, als Gegenleistung ein Bauverbot einzuräumen. Damit würde aber im Ergebnis etwas anderes und mehr enteignet, als die Enteignungsermächtigung vorsieht. Das wäre ausnahmsweise nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen des Art. 12 EntG vorlägen. Diese Bestimmung gibt dem Enteigneten u.a. das Recht, die Enteignung zu verlangen, wenn ihm die Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechtes die bestimmungsgemässe Verwendung des Grundstücks verunmöglicht oder unverhältnismässig erschwert (vgl. Art. 12 Abs. 2 EntG). Ausdehnungsbegehren sind gemäss Art. 36 lit. b in Verbindung mit Art. 35 EntG schriftlich und begündet während der Eingabefrist anzumelden. Das haben
BGE 95 I 602 S. 604
die Enteigneten unbestrittenermassen nicht getan. Noch in der Einigungsverhandlung, also nach Ablauf der Eingabefrist, liess nur der Enteignete Wieser erklären, er sei allenfalls mit der Eintragung einer Bauverbotsdienstbarkeit einverstanden. Kunz äusserte sich zu dieser Frage überhaupt nicht. Erst in der Schätzungsverhandlung erklärten sich die Enteigneten mit der Eintragung eines Bauverbots einverstanden, dies als allfällige Gegenleistung für eine Entschädigung, die die angebliche Entwertung der Parzellen abgelten sollte. Die Vorinstanz hat angenommen, es liege unter diesen Umständen ein genügendes Begehren um Ausdehnung im Sinne von Art. 12 EntG vor. Eine solche Betrachtungsweise liesse aber den Art. 36 lit. b EntG gegenstandslos werden. Sie widerspräche auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach es für die Ausdehnung keineswegs genügt, unter Hinweis auf die angebliche Baulandqualität des betroffenen Grundstücks eine höhere Entschädigung zu fordern (BGE 91 I 159). Ein Ausdehnungsbegehren geht eben nicht bloss dahin, die Enteignungsermächtigung zu verändern, sondern verpflichtet auch - falls es grundsätzlich gutgeheissen wird - zu doppelter Schätzung (Art. 71 EntG). Die Rechtssicherheit verlangt daher, dass es klar und präzis formuliert werde. Daran ist festzuhalten.
Es ist mithin davon auszugehen, dass ein Ausdehnungsbegehren im Sinne der Art. 12 und 36 lit. b EntG innert der Eingabefrist nicht eingegangen ist.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 1 3

Referenzen

BGE: 91 I 157, 91 I 159

Artikel: Art. 12 EntG, Art. 84 Abs. 1 und 36 lit. b EntG, Art. 85 Abs. 2 EntG, Art. 3 EntG mehr...