BGE 99 Ib 225
 
27. Urteil vom 16. Februar 1973 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Stadt Zürich
 
Regeste
Garantiegesetz (GarG)
2. Routinemässige Zahlung einer Abgabe lässt sich nicht ohne weiteres als Anerkennung der Abgabepflicht deuten (Erw. 2).
3. Das in Art. 10 GarG enthaltene Verbot bezieht sich auch auf Abgaben an Gemeinden (Erw. 3 a).
4. In der Regel ist eine indirekte Steuer im Sinne von Art. 10 GarG anzunehmen, wo für die einmalige, nicht periodische Besteuerung schematisch an einen bestimmten Vorgang angeknüpft wird, der nicht ein Mass der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bildet (Erw. 4).
 
Sachverhalt


BGE 99 Ib 225 (226):

Sachverhalt:
A.- Die Eidgenossenschaft erstellt in Zürich im Bereich öffentlicher Strassen unter Flur einen begehbaren I-eitungskanal für das Leitungsnetz der ETHZ. Durch diesen Kanal werden namentlich Fernheizungs- und Kanalisationsrohre, Elektrizitäts-, Pressluft- und Spezialwasserleitungen sowie Leitungen des internen Telefonnetzes der ETHZ und des neuen Rechenzentrums geführt. Abgesehen davon, dass zur Zeit noch einige nicht zur ETHZ gehörende Gebäude an die Fernheizung angeschlossen sind, dienen die erwähnten Installationen ausschliesslich der ETHZ.
B.- Auf Gesuche der Direktion der eidg. Bauten, Bauinspektion V, hat die Bausektion I des Stadtrates Zürich die Benützung des Strassengebietes bewilligt und für die unterirdische Beanspruchung öffentlichen Grundes die folgenden "einmaligen Konzessionsgebühren" festgelegt:
a) für den Bau des Kanals in der Clausiusstrasse (1304 m2 Grundfläche) Fr. 130 000.-- (Beschluss vom 23. Januar 1968);
b) für den Bau des Kanals in der Universitäts-, Schmelzberg- und Sternwartstrasse (736 m2 Grundfläche zu Fr. 100/m2 und 44 m Erdanker zu Fr. 15/m) Fr. 74 260.-- (Beschluss vom 26. März 1971).
Den für den Bau des Kanals in der Clausiusstrasse geforderten Betrag von Fr. 130 000.-- hat die Eidgenossenschaft am 20. Mai 1968 vorbehaltlos bezahlt.
C.- Am 25. Juni 1971 erhob die Eidgenossenschaft beim Bundesgericht gestützt auf Art. 10 des Bundesgesetzes über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft vom 26. März 1934 (GarG) Klage gegen die Stadt Zürich mit dem Begehren:
"Der unter Flur der Clausiusstrasse für den Betrieb der ETH erstellte Kanal sei (als unmittelbar Bundeszwecken dienende Anlage) steuerfrei zu erklären, und demzufolge seien die von der Beklagten für diese Bauten auf Wertbasis veranlagten "Konzessionsgebühren" von Fr. 214 260.-- aufzuheben, in dem von der Klageschrift beantragten Umfange."
In der Klageschrift werden einige weitere pendente Forderungen der Stadt Zürich gegen die Eidgenossenschaft erwähnt, die

BGE 99 Ib 225 (227):

offenbar nach Ansicht der Klägerin ebenfalls gegen Bundesrecht verstossen.
In seiner Antwort stellt der Stadtrat von Zürich folgendes Rechtsbegehren:
"Die Klage um Aufhebung der von der Stadt Zürich für den unter Flur der Clausiusstrasse für den Betrieb der ETH erstellten Kanal veranlagten Konzessionsgebühren von Fr. 214 260.-- sei abzuweisen, und es sei festzustellen, dass die weiteren in der Klage erwähnten Forderungen, nämlich Fr. 74 260.-- für Kanäle in der Universität-, Schmelzberg- und Sternwartstrasse, Fr. 1600.-- für je einen Kanal in der Glaubtenstrasse und der Lerchenhalde, Fr. 7790.-- für Erdanker in der Clausiusstrasse und im Haldeneggsteig, Fr. 25 800.-- für eine Parkgarage an der Leonhardstrasse/Rämistrasse und Fr. 14 472.-- für vier gefällte Platanen an der Universitätstrasse, nicht gegen das Verwaltungsrecht des Bundes verstossen."
Er erklärt sich damit einverstanden, dass alle von der Klägerin erwähnten Forderungen insofern in dieses Verfahren einbezogen werden, als es um ihre Zulässigkeit unter dem Aspekt von Art. 10 GarG geht.
Für den Fall, dass die Widerklage zulässig sein sollte, beantragt er widerklageweise, festzustellen, dass auch diese Forderungen keine Norm des Bundesverwaltungsrechts verletzen.
E.- In der Replik hält die Eidgenossenschaft an ihrem Klagebegehren fest und stellt eventualiter die Verhältnismässigkeit der geforderten Beträge in Abrede.
F.- Die Stadt Zürich wiederholt in der Duplik ihr Begehren, alle von der Klägerin angeführten Forderungen unter dem Gesichtspunkt entgegenstehenden Bundesverwaltungsrechts zu prüfen. Sie anerkennt ausdrücklich die Verrechenbarkeit eines allfälligen Rückforderungsanspruchs der Klägerin mit Gebührenforderungen der Stadt Zürich.
G.- Am 17. Januar 1973 fand in Bern die Vorbereitungsverhandlung im Sinne von Art. 35 BZP statt.
Die Parteien beschränkten dabei das Prozessthema auf die Frage, ob folgende Forderungen der Stadt Zürich gegen Art. 10 GarG verstossen:
a) "Konzessionsgebühr" für den Leitungskanal in der Clausiusstrasse (bezahlt): Fr. 130 000.--
b) "Konzessionsgebühr" für die Leitungskanäle in der Universitäts-, Schmelzberg- und Sternwartstrasse (inkl. Erdanker): Fr. 74 260.--


BGE 99 Ib 225 (228):

c) "Konzessionsgebühr" für die unterirdische Beanspruchung öffentlichen Bodens durch eine Parkgarage der ETH (Leonhardstrasse/Rämistrasse): Fr. 25 800.--
 
Erwägungen:
b) Die Forderung von Fr. 25 800.-- für die unterirdische Beanspruchung öffentlichen Bodens durch eine Parkgarage der ETHZ ist im ursprünglichen Klagebegehren nicht erwähnt. Beide Parteien haben im Laufe des Verfahrens jedoch beantragt, auch die Zulässigkeit dieser Forderung unter dem Aspekt von Art. 10 GarG zu beurteilen. Einer solchen Erweiterung des Prozessthemas durch Klageänderung bzw. Widerklage auf Feststellung steht insofern nichts entgegen, als damit die durch Art. 113 lit. f OG umschriebene Zuständigkeit des Bundesgerichts nicht überschritten wird.
2. Die Beklagte macht geltend, in bezug auf die 1968 bezahlte Konzessionsgebühr von Fr. 130 000. - sei die Klage verwirkt. Sie beruft sich dabei auf PAUL STADLIN, der auf Seite 250 seiner Dissertation "Die Befreiung des Bundes von der kantonalen Steuerhoheit" geschrieben hat, es liege nahe, dass übermässiges Zuwarten mit der Einleitung der Klage und insbesondere eine freiwillige Steuerzahlung von der Gegenpartei "nicht mit Unrecht" als Anerkennung ihrer Auffassung gedeutet würden; das Bundesgericht solle nicht mehr angerufen werden können, wenn der eingeklagte Sachverhalt schon Jahre zurückliege. Dieser Passus bezieht sich aber offensichtlich auf den Fall eines den Beteiligten bekannten Streites über die Steuerbefreiung, und nicht auf eine Zahlung, die geleistet wird, bevor die Problematik der Forderung erkannt wird.
In der vorliegenden Streitsache kann von einer Verwirkung

BGE 99 Ib 225 (229):

der verwaltungsrechtlichen Klage - auch in bezug auf den bezahlten Betrag von Fr. 130 000.-- - nicht die Rede sein. Ein solcher im Gesetz nicht vorgesehener Verlust der Klagemöglichkeit könnte höchstens in Fällen trölerhaften Verhaltens angenommen werden. Eine die Klage ausschliessende Anerkennung durch Zahlung setzt voraus, dass die Meinungsverschiedenheit über die Zulässigkeit der Besteuerung bereits zuvor festgestellt worden ist; routinemässige Zahlung lässt sich nicht als Anerkennung der Abgabepflicht deuten. Es ist daher auf die verwaltungsrechtliche Klage auch einzutreten, soweit sie sich auf die bezahlte Konzessionsgebühr von Fr. 130 000.-- bezieht. - Die Frage einer allfälligen Verjährung des Rückforderungsanspruchs kann offen bleiben, sofern sich die Berufung auf Art. 10 GarG als unbegründet erweist.
a) Die ETHZ ist eine Bundesanstalt, für deren Gebäulichkeiten, Einrichtungen, Fonds und Materialien der Steuerbefreiungsgrund von Art. 10 des Garantiegesetzes gilt. Die Stadt Zürich anerkennt, dass die Einrichtungen, um welche es im vorliegenden Falle geht (Leitungskanäle, Parkgarage) der ETHZ und daher unmittelbar Bundeszwecken dienen. - Ebenfalls nicht streitig ist, dass das Verbot der Erhebung direkter Steuern sich nicht nur auf Abgaben bezieht, die dem Kanton zufliessen, sondern auch auf entsprechende Abgaben der Gemeinden (vgl. hiezu STADLIN a.a.O. S. 54, BGE 92 I 166, BGE 97 I 69).
b) Art. 10 GarG schliesst nur die Erhebung von direkten Steuern aus. Abgaben, die nicht den Charakter von direkten Steuern im Sinne dieser Bestimmung haben, dürfen somit erhoben werden (vgl. BGE 67 I 309 Erw. 3, BGE 70 I 126, BGE 72 I 385 ff., BGE 97 I 71 Erw. 4).
c) Zu entscheiden ist in diesem Verfahren lediglich, ob die dem Bund von der Stadt Zürich auferlegten "Konzessionsgebühren" direkte Steuern im Sinne von Art. 10 GarG sind oder Abgaben, von denen das Garantiegesetz den Bund nicht befreit.
Nicht zu beurteilen sind alle weiteren Fragen, die man im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stellen könnte und die in den Rechtsschriften zum Teil aufgeworfen werden. Insbesondere

BGE 99 Ib 225 (230):

ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen, ob die Forderungen der Stadt Zürich wegen Fehlens einer genügenden gesetzlichen Grundlage beanstandet werden könnten und ob die Festsetzung dieser Ansprüche prozessual und materiell jeder Kritik stand hält. Falls und soweit die streitigen "Konzessionsgebühren" nicht gegen Art. 10 GarG verstossen, muss die Eidgenossenschaft wie jeder andere Betroffene allfällige Einwendungen und Rügen im Rahmen des ordentlichen Rechtsmittelverfahrens vorbringen. Die Vorschrift des Garantiegesetzes kann nicht dazu dienen, kantonale Entscheidungen über Ansprüche gegen den Bund und seine Anstalten auch nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist generell durch das Bundesgericht überprüfen zu lassen.
Die Stadt Zürich verlangt die streitigen Beträge nicht als voraussetzungslose Abgabe, sondern als Entgelt für die unterirdische Beanspruchung des Strassenareals durch Leitungskanäle und Erdanker sowie durch eine Parkgarage. - Nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung haben diese Forderungen jedoch zumindest teilweise Steuercharakter, weil ihnen der von der Beklagten behauptete Rechtsgrund entweder ganz fehle oder höchstens eine wesentlich geringere Vergütung zu rechtfertigen vermöge.
Die Frage, in welchem räumlichen Bereich ein Strasseneigentümer für die unterirdische Beanspruchung seines Bodens gestützt auf das Herrschaftsrecht des Eigentümers (Art. 667 ZGB) eine Gegenleistung fordern kann und bis zu welchem Betrag ein solches Entgelt noch als Ausfluss der Sachherrschaft begründet erscheint, ist für den Ausgang dieses Verfahrens nur von Bedeutung, wenn eine übersetzte, durch das Eigentum nicht mehr begründete Forderung als direkte Steuer im Sinne von Art. 10

BGE 99 Ib 225 (231):

GarG zu qualifizieren ist. Daher erscheint es zweckmässig, vorweg zu prüfen, ob eine solche, als Entgelt für die Sondernutzung nicht gerechtfertigte, aber im Zusammenhang mit der Einräumung eines Sondernutzungsrechts am Untergrund der Strasse erhobene Abgabe als direkte Steuer im Sinne von Art. 10 GarG zu betrachten ist.
b) Zwischen direkten und indirekten Steuern unterscheidet sowohl die Lehre als auch die Praxis. Die Kriterien dieser Unterscheidung sind aber umstritten. So wird etwa darauf abgestellt, ob Steuersubjekt und Steuerträger identisch sind, ob die Steuer der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pflichtigen Rechnung trägt, ob sie in regelmässig wiederkehrender Weise erhoben wird, ob sie in einem eigentlichen Veranlagungsverfahren festgesetzt wird, oder auch ob sie die Berechnungsgrundlage unmittelbar belastet. Keines dieser Kriterien hat sich allgemein durchgesetzt (vgl. C. HIGY, Über die steuerrechtliche und steuerpolitische Bedeutung der Begriffe direkte und indirekte Steuern in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerische Statistik und Volkswirtschaft 1927 S. 575 ff.; E. BLUMENSTEIN, a.a.O. S. 131/132; E. HÖHN, Steuerrecht S. 26).
Es muss deshalb zunächst abgeklärt werden, welcher Sinn dem Begriff der direkten Steuer in Art. 10 GarG zukommt. Hinweise auf den Zweck von Art. 10 GarG finden sich in den Materialien zum Garantiegesetz vom 23. Dezember 1851, dessen Art. 7 in Art. 10 des heute geltenden Garantiegesetzes unverändert übernommen worden ist. In seiner Botschaft zum alten Garantiegesetz führt der Bundesrat aus: "In Art. 7 wird vorgeschlagen, dass die eidgenössischen Fonds und diejenigen Vermögensobjekte, welche unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt sind, von den Kantonen nicht mit direkten Steuern belegt werden sollen. Wir glauben nämlich, die Eidgenossenschaft, als Rechtssubjekt, und ihre Vermögensmasse, könne nicht in der Weise unter die Hoheit der einzelnen Kantone gestellt werden, dass dieses Vermögen in Gefahr steht, durch beliebige, vielleicht progressive Steuergesetze derselben bedeutenden Abbruch zu erleiden. Das Gesagte soll namentlich gelten von dem ganzen Kapitalvermögen, der Kasse und denjenigen Gegenständen, welche direkt für Bundeszwecke bestimmt sind. ... Dagegen scheint es uns nicht notwendig oder zweckmässig und zum Teil sogar unausführbar, diesen Grundsatz auf die indirekten Steuern auszudehnen, z.B. Stempel-, Handänderungs-, Inskriptionsgebühren u.s.w." (BBl 1851

BGE 99 Ib 225 (232):

III 251/252). Im Anschluss an diese Ausführungen hat das Bundesgericht in BGE 40 I 407 in Bestätigung einer langjährigen Praxis die Erbschaftssteuer als direkte Steuer im Sinne von Art. 7 des alten Garantiegesetzes bezeichnet, da bei dieser Steuer nicht der verkehrsrechtliche Vorgang selbst, sondern seine vermögensrechtlichen Folgen Grundlage der Besteuerung bildeten. Zur Bestimmung des Begriffes der direkten Steuer im Sinne von Art. 10 GarG ist es auch in späteren Entscheiden davon ausgegangen, dass für die indirekten Steuern im Sinne von Art. 10 GarG die Anknüpfung an einen Verkehrsvorgang charakteristisch sei und demnach Steuern, die dieses Merkmal nicht aufwiesen als direkte Steuern zu gelten hätten (vgl. BGE 67 I 309; BGE 72 I 385 ff.). An dieser negativen Umschreibung der direkten Steuer im Sinne von Art. 10 GarG kann im vorliegenden Falle insofern festgehalten werden, als in der Regel eine indirekte Steuer im Sinne von Art. 10 GarG anzunehmen ist, wo für die einmalige, nicht periodische Besteuerung schematisch an einen bestimmten Vorgang angeknüpft wird, der nicht ein Mass der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bildet.
Gerade dieses Merkmal weisen aber die hier streitigen "Konzessionsgebühren" der Stadt Zürich auf, wurden sie doch auf Grund eines verwaltungsinternen Schätzungsverfahrens schematisch nach dem Umfang der unterirdischen Beanspruchung städtischen Grundes festgesetzt. Soweit sie den Rahmen eines Entgeltes für die Beanspruchung des Strassenareals durch die Klägerin überschreiten sollten, wären sie deshalb als indirekte Steuern zu qualifizieren.
Da somit ein allenfalls in den streitigen Forderungen steckender Steuerbetrag nicht eine unzulässige direkte, sondern eine nach Art. 10 des Garantiegesetzes zulässige indirekte Steuer wäre, erübrigt sich unter dem Aspekt dieser bundesrechtlichen Bestimmung eine weitere Abklärung der allfälligen Zusammensetzung der geltend gemachten Ansprüche nach ihrer rechtlichen Natur. Die Klage muss auf jeden Fall abgewiesen werden, da Art. 10 des Garantiegesetzes der von der Klägerin behaupteten Art der Besteuerung nicht entgegensteht.