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Urteilskopf

98 Ib 289


42. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1972 i.S. Fontana und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Schwyz.

Regeste

Nationalratswahlen, Vorverfahren; Tragweite des Abstimmungsgeheimnisses.
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).
2. Die kantonale Behörde hat die Namen der Unterzeichner eines Wahlvorschlages Stimmberechtigten auf Verlangen bekanntzugeben (Erw. 4).

Sachverhalt ab Seite 289

BGE 98 Ib 289 S. 289

A.- Bei der Gesamterneuerung des Nationalrates Ende Oktober 1971 waren im Kanton Schwyz wie bisher drei Ratsmitglieder zu wählen. Die bis anhin im Rat vertretenen politischen Parteien des Kantons liessen im gegenseitigen Einvernehmen je einen Einervorschlag einreichen. Um die damit beabsichtigte "stille Wahl" zu verhindern, reichte ein Aktionskomitee "Wir wollen wählen" einen eigenen, diese Bezeichnung tragenden Dreiervorschlag - Liste Nr. 4 - ein. An erster Stelle unterzeichnete diesen Vorschlag Jean-Albert Fontana, Sprachlehrer in Ibach; weitere Unterzeichner waren Karl Kümin, Gerichtsschreiber des Bezirkes Höfe in Wollerau, Richard-André Schindler, Rechtsanwalt in Schwyz, und Dr. Xaver Schnüriger, Land- und Gerichtsschreiber des Bezirkes Schwyz in Schwyz.
Parteipolitiker ersuchten die Staatskanzlei des Kantons Schwyz, ihnen die Unterzeichner der Liste Nr. 4 bekanntzugeben.
BGE 98 Ib 289 S. 290
Der Regierungsrat, dem das Begehren vorgelegt wurde, beschloss am 27. September 1971, die Staatskanzlei zu beauftragen, "allfälligen Interessenten Einblick in die Wahlvorschläge und die Namen ihrer Unterzeichner zu gewähren". Zwei Kantonsräte nahmen darauf Einsicht in die Liste der Unterzeichner des Wahlvorschlags Nr. 4.
Mit Eingabe vom 29. September 1971 beantragte Jean-Albert Fontana im Namen des genannten Komitees dem Regierungsrat, "alle geeigneten Massnahmen zu treffen, damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, und jene Personen, die in die Liste 'Wir wollen wählen' Einsicht genommen haben, aufzufordern, von ihrer Kenntnis keinen Gebrauch zu machen". Der Regierungsrat lehnte das Begehren am 4. Oktober 1971 ab.

B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 26. Oktober 1971 beantragen die vier erwähnten Unterzeichner der Liste Nr. 4, die genannten Beschlüsse des Regierungsrates seien aufzuheben, und dieser sei anzuweisen, "die Listen mit den Namen der Unterzeichner von Wahlvorschlägen betreffend die Nationalratswahlen nicht öffentlich aufzulegen und Personen, die in die Liste Nr. 4 Einsicht genommen haben, aufzufordern, von ihrer Kenntnis keinen Gebrauch zu machen". Die Beschwerdeführer machen geltend, die angefochtenen Beschlüsse verletzten das im Gesetz gewährleistete Wahlgeheimnis.
Das Gesuch der Beschwerdeführer, dem Regierungsrat sei durch vorsorgliche Verfügung eine Weisung im Sinne des Beschwerdebegehrens zu erteilen, ist vom Präsidenten der verwaltungsrechtlichen Kammer am 27. Oktober 1971 abgewiesen worden.

C.- Der Regierungsrat des Kantons Schwyz und die Schweizerische Bundeskanzlei beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Die angefochtenen Beschlüsse des Regierungsrates betreffen das Vorverfahren im Sinne des Art. 12 des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 über die Wahl des Nationalrates (NWG). Sie stellen Verfügungen gemäss Art. 5 VwG dar, und zwar solche einer letzten kantonalen Instanz, wie sich aus Art. 12 NWG ergibt. Daher ist hier nach Art. 97 und Art. 98
BGE 98 Ib 289 S. 291
lit. g OG
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, wenn sie nicht durch eine Ausnahmebestimmung ausgeschlossen ist. Eine solche Vorschrift besteht jedoch nicht.
Zwar hatte der Bundesrat in dem der Bundesversammlung mit Botschaft vom 24. September 1965 (BBl 1965 II 1265 ff.) unterbreiteten Entwurf für ein Bundesgesetz über die Änderung des OG vorgeschlagen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen "Verfügungen auf Grund von Bestimmungen über die eidgenössischen Wahlen, Volksbegehren und Abstimmungen" unzulässig zu erklären (Art. 99 lit. d Entw.); doch hat die Kommission des Nationalrates diese Ausnahme abgelehnt, und dabei ist es geblieben.
Art. 12 NWG behält indessen die "Befugnisse des Nationalrates" vor. Dieser Vorbehalt ist durch die letzte Revision des OG nicht beseitigt worden. Er bezieht sich auf die Zuständigkeit des Nationalrates zur letztinstanzlichen Beurteilung von Anständen über die Gültigkeit einer "zu Ende geführten" Nationalratswahl (vgl. Art. 10, 11, 25 und 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen [WAG]; Art. 4 des Geschäftsreglements des Nationalrates vom 2. Oktober 1962). Hier liegt aber nicht eine solche Streitigkeit vor. Vielmehr handelt es sich um einen Anstand, der nach der früheren Ordnung (Art. 125 Abs. 1 lit. b alt OG) an den Bundesrat als letzte Instanz hätte gezogen werden können. Nach dem neuen Recht tritt in einem solchen Fall das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz an die Stelle des Bundesrates.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die angefochtenen Verfügungen des Regierungsrates des Kantons Schwyz wäre allerdings nicht unmittelbar zulässig, wenn nach dem Bundesrecht zunächst Beschwerde bei einer Vorinstanz im Sinne von Art. 98 lit. b-f OG hätte geführt werden können (Art. 98 lit. g OG; vgl. auch Art. 102 lit. d ebenda). Eine solche vorgängige Beschwerde ist jedoch im Bundesrecht für den hier gegebenen Fall nicht vorgesehen. Insbesondere konnten die Verfügungen der Schwyzer Regierung nicht an eine eidgenössische Mittelinstanz - in Betracht käme die Bundeskanzlei - weitergezogen werden. Die automatische Kompetenzdelegation an eine Mittelinstanz nach Art. 23 Abs. 2 und 4 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung ist auf Materien beschränkt, in denen der Bundesrat bisher als erste
BGE 98 Ib 289 S. 292
und einzige Instanz verfügte. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher zulässig, wie im Meinungsaustausch zwischen dem Bundesgericht und der Bundeskanzlei festgestellt worden ist.
2./3. - (Weitere prozessuale Fragen).

4. Bei den Wahlen für den Nationalrat ist nach der Gesetzgebung des Bundes das Abstimmungsgeheimnis zu beachten. Die grundlegende Vorschrift findet sich in Art. 8 Abs. 1 WAG, wonach diese Wahlen "mittels schriftlicher und geheimer Stimmabgabe" stattfinden. Das Geheimnis wird nochmals im NWG erwähnt, welches in Ausführung des in der Volksabstimmung vom 13. Oktober 1918 angenommenen Art. 73 BV das Verfahren der Nationalratswahl nach dem Grundsatz der Proportionalität ordnet. Art. 11 NWG enthält in Abs. 1 und 2 Vorschriften über die Ausgestaltung der Wahlzettel und deren Verteilung an die Stimmberechtigten und fügt in Abs. 3 bei: "Das Geheimnis der Abstimmung ist unter allen Umständen zu wahren."
Es ist klar, dass nach Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG auf jeden Fall nicht bekanntgegeben werden darf, wem der einzelne Wähler in der Wahlverhandlung - dem eigentlichen Wahlakt - seine Stimme gibt. Streitig ist, ob nach der gesetzlichen Ordnung auch die Liste der Unterzeichner eines Wahlvorschlages geheimzuhalten sei. Die Beschwerdeführer bejahen dies mit der Begründung: Nur Stimmberechtigte seien befugt, einen Wahlvorschlag zu unterzeichnen. Einzig die von den Unterzeichnern nominierten Kandidaten könnten schliesslich vom Volk gewählt werden, und unter bestimmten Voraussetzungen würden sie sogar ohne weiteres als gewählt erklärt. "Weil die Unterzeichner in Ausübung ihres Stimmrechtes handeln, müssen sie auch den Schutz des Abstimmungsgeheimnisses geniessen." Ohne diesen Schutz müssten sie vielfach mit "Pressionen" oder "Vergeltungsschlägen" politischer Gegner rechnen. Sie seien in einer ähnlichen Lage wie die Unterzeichner von Initiativ- oder Referendumsbegehren, deren Namen denn auch geheimzuhalten seien. Die Beschwerdeführer meinen, ihre Auffassung entspreche dem "klaren Wortlaut" des Art. 11 Abs. 3 NWG und sei "nach herrschender Lehre unbestritten".
a) In Art. 8 Abs. 1 WAG ist von der "Stimmabgabe" die Rede; im französischen Text steht dafür "scrutin", im italienischen
BGE 98 Ib 289 S. 293
"voto". Diese Ausdrücke passen für die Willenskundgebung des Wählervolkes im eigentlichen Wahlakt, dagegen kaum auch für die Unterzeichnung und Einreichung eines Wahlvorschlages in dem erst durch das NWG eingeführten, der Verwirklichung des Grundsatzes der Proportionalität dienenden Vorverfahren. Das in Art. 11 Abs. 3 NWG verwendete Wort "Abstimmung" hat dem Anschein nach die gleiche Bedeutung wie der Ausdruck "Stimmabgabe"; werden doch in den romanischen Texten dieser Bestimmung wiederum die Ausdrücke "scrutin" und "voto" gebraucht. Die Ausdrucksweise der beiden Bestimmungen lässt eher darauf schliessen, dass nur die Wahlverhandlung - die Abstimmung durch das Volk - und nicht auch schon das Vorschlagsverfahren unter dem Schutze des Geheimnisses steht. Indessen ist noch zu prüfen, ob diese wörtliche Auslegung dem wahren Sinn der gesetzlichen Ordnung entspricht.
b) Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Beurteilung der streitigen Auslegungsfrage. Insbesondere spricht sich die Botschaft des Bundesrates zum NWG über die Tragweite des Art. 11 Abs. 3 Entw. (= Art. 11 Abs. 3 NWG) nicht näher aus (BBl 1918 V S. 132 Abs. 4).
c) Die Beschwerdeführer berufen sich auf Ausführungen von FLEINER/GIACOMETTI (Schweiz. Bundesstaatsrecht S. 500), B. M. SCHNEWLIN (Das Verfahren zur Wahl des schweiz. Nationalrates, Berner Diss. 1946, S. 28 und 122 f.), K. LAELY (Die stille Wahl in der Demokratie, Berner Diss. 1951, S. 144) und M. USTERI (Ausübung des Stimm- und Wahlrechtes nach freiheitsstaatlichen Prinzipien, ZSR 1959 Bd. II S. 424 a, Ziff. 45). Diese Hinweise helfen jedoch den Beschwerdeführern nicht.
FLEINER/GIACOMETTI bemerken a.a.O. (in § 50, "Der Nationalrat"): "Das ganze Wahlverfahren steht unter dem besonderen Schutz des schweizerischen Strafgesetzbuches." Darauf lässt sich der Standpunkt der Beschwerdeführer nicht stützen. Namentlich kann nichts zu ihren Gunsten daraus abgeleitet werden, dass nach Art. 283 StGB ("Verletzung des Abstimmungs- und Wahlgeheimnisses") bestraft wird, "wer sich durch unrechtmässiges Vorgehen Kenntnis davon verschafft, wie einzelne Berechtigte stimmen oder wählen". Gewiss wird durch diese Strafbestimmung auch das in Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG verankerte Geheimnis der Nationalratswahl geschützt. Ob sich dieses Geheimnis auch auf die Unterzeichnung
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der Wahlvorschläge beziehe, ist aber gerade die hier zu entscheidende Frage. Die Lösung muss sich aus der Auslegung des WAG und des NWG ergeben. FLEINER/GIACOMETTI äussern sich zu der Frage, die zu beurteilen ist, gar nicht, auch nicht etwa auf S. 451, wo sie vom Geheimnis der Stimmabgabe gemäss Art. 8 Abs. 1 WAG sprechen.
SCHNEWLIN sagt auf S. 28 lediglich, dass die Unterschriften zwar einen wesentlichen Bestandteil des Wahlvorschlages bilden, aber nicht zur bereinigten Liste gehören und deshalb nicht veröffentlicht werden. Damit erklärt er keineswegs, die Namen der Unterzeichner dürften überhaupt nicht, auch nicht auf Anfrage hin, bekanntgegeben werden. Im gleichen Sinne sind seine Ausführungen auf S. 123 zu verstehen.
LAELY äussert sich ähnlich wie SCHNEWLIN; auch er nimmt zur Frage, ob die Namen der Unterzeichner auf Anfrage bekanntgegeben werden dürfen, nicht Stellung.
USTERI erklärt a.a.O. nur, dass das Prinzip der geheimen Stimmabgabe auch für Initiativ- und Referendumsbegehren gelte, d.h. dass die Namen der Unterzeichner solcher Begehren nicht veröffentlicht werden dürften (dazu lit. h hiernach); vom Wahlvorschlagsrecht gemäss NWG ist dort nicht die Rede.
Dagegen berührt A. RUDOLF (Das eidg. Proportionalwahlrecht, 1922) die hier streitige Frage. Er neigt aber offenbar der Auffassung zu, dass die Namen der Unterzeichner eines Wahlvorschlages anderen "Vorschlagsgruppen" auf Verlangen bekanntzugeben seien (S. 46, 62).
d) Nach Art. 5 NWG muss jeder Wahlvorschlag von mindestens 15 im Wahlkreis wohnhaften Stimmberechtigten eigenhändig unterzeichnet sein (Abs. 1); ein Stimmberechtigter darf nicht mehr als einen Wahlvorschlag unterzeichnen (Abs. 2). Die Kantonsregierung oder die von ihr bezeichnete Amtsstelle hat die eingereichten Wahlvorschläge von Amtes wegen zu prüfen (Art. 9 NWG) und dabei auch zu untersuchen, ob diese Vorschriften eingehalten sind. Gegen Verfügungen unterer Instanzen hierüber kann nach Art. 12 NWG Beschwerde bei der Kantonsregierung geführt werden. Das NWG sagt nicht, wer zu dieser Beschwerde befugt ist. A. RUDOLF hält dafür, dass in der Regel jeder stimmberechtigte Bürger dazu legitimiert sei (a.a.O. S. 85 ff.). Das ist offenbar auch die Auffassung des Regierungsrates des Kantons Schwyz. Wie es scheint, nimmt er an, dass die Einsicht in die Liste der Unterzeichner eines
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Wahlvorschlags den anderen Stimmberechtigten schon deshalb gestattet werden müsse, weil diese sonst nicht imstande wären, wegen Verletzung der genannten Bestimmungen des Art. 5 NWG Beschwerde bei der Kantonsregierung zu erheben. Wie es sich damit verhalte, kann indessen offen gelassen werden, weil die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf jeden Fall aus anderen Gründen - auch nach Ansicht der Vorinstanz und der Bundeskanzlei - nicht gutgeheissen werden kann.
e) Nach Art. 8 NWG kann ein Vorgeschlagener bis am 30. Tage vor dem Wahltag die Erklärung abgeben, dass er eine Wahl ablehne. Für seinen Entschluss kann entscheidend sein, von wem er vorgeschlagen worden ist. Er muss daher verlangen können, dass ihm die Liste der Unterzeichner des Wahlvorschlages zugänglich gemacht wird, wenn ihm die Identität der Vorschlagenden nicht ohnedies schon bekannt ist.
f) Im Proportionalwahlverfahren gemäss NWG ist den Unterzeichnern von Wahlvorschlägen eine wichtige Rolle zugewiesen. Die zur Teilnahme an der Wahlverhandlung aufgerufenen Wähler können in diesem Verfahren nur für Personen stimmen, die in einem Wahlvorschlag als Kandidaten nominiert worden sind, und dementsprechend auch nur für politische Parteien oder Gruppen, welche Urheber eines solchen Vorschlags sind. Der Ausgang der Wahl kann ferner dadurch beeinflusst werden, dass die Unterzeichner zweier oder mehrerer Vorschläge diese miteinander verbinden (Art. 7 NWG). Von besonderer Bedeutung ist sodann die Möglichkeit der "stillen Wahl": Ist nur eine einzige Liste vorhanden oder überschreitet die Gesamtzahl der Kandidaten aller Listen nicht die Zahl der zu wählenden Vertreter, so werden alle Kandidaten einfach von der Kantonsregierung als gewählt erklärt und findet nur für die allenfalls unbesetzt gebliebenen Sitze eine Wahlverhandlung statt (Art. 22 Abs. 1 und 2 NWG). Bemerkenswert ist auch, dass für Ergänzungswahlen zunächst ausschliesslich die Unterzeichner derjenigen Liste, zu welcher die ausgeschiedenen Mitglieder des Nationalrates gehörten, das Recht auf Einreichung eines Vorschlags haben (Art. 25 Abs. 2 NWG).
Wie schon diese Hinweise zeigen, kann es der Allgemeinheit nicht gleichgültig sein, wer die Personen sind, welche vom Recht auf Einreichung von Wahlvorschlägen Gebrauch machen und die damit verbundenen weitreichenden Kompetenzen erhalten. Da die Funktionen, die das Gesetz den Unterzeichnern von
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Wahlvorschlägen zuweist, die Rechte der gesamten Aktivbürgerschaft berühren, drängt sich die Annahme auf, dass nicht nur den zur Wahl Vorgeschlagenen, sondern jedem Stimmberechtigten auf Verlangen die Liste der Unterzeichner bekanntgegeben werden muss.
g) Zu beachten ist insbesondere, wozu das Geheimnis der Stimmabgabe bestimmt ist. Es soll Gewähr dafür bieten, dass jeder stimmberechtigte Bürger frei und unabhängig stimmen oder wählen kann (FLEINER/GIACOMETTI a.a.O. S. 451; J. CASTELLA, L'exercice du droit de vote, ZSR 1959 Bd. II S. 572 a). Diesem Zweck der Geheimhaltungspflicht widerspräche es aber, wenn sie so weit ausgedehnt würde, dass die Freiheit der Stimmabgabe beeinträchtigt würde. Darauf ist bei der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 WAG und des Art. 11 Abs. 3 NWG Bedacht zu nehmen.
Wie gesagt, können im Proportionalwahlverfahren gemäss NWG die an der Wahlverhandlung teilnehmenden Bürger nur für Personen stimmen, die in einem Wahlvorschlag als Kandidaten nominiert worden sind, und auch nur für politische Parteien oder Gruppen, die hinter einem Wahlvorschlag stehen. Es kommt indessen vor, dass einem Wähler die politische Einstellung eines Kandidaten und der Gruppe, die diesen Kandidaten vorgeschlagen hat, zunächst nicht bekannt oder nicht klar ist. Die Bezeichnungen der Wahlvorschläge geben darüber nicht immer Aufschluss. Sie sind im allgemeinen kurz und oft recht unbestimmt. Sie können nach Belieben gefasst werden, vorausgesetzt, dass sie eine genügende Unterscheidung der Vorschläge erlauben (Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 NWG); Phantasiebezeichnungen sind nicht ausgeschlossen. Um das Stimmrecht in voller Freiheit und Unabhängigkeit ausüben zu können, muss aber jeder Wähler die Möglichkeit haben, sich Klarheit über die politischen Absichten der Vorgeschlagenen und der Vorschlagenden zu verschaffen. Ein dafür geeignetes Mittel ist die Einsicht in die Liste der Vorschlagenden. Wäre deren Identität geheimzuhalten, so wäre mancher Wähler unter Umständen ausserstande, sich über die politische Einstellung der einen oder anderen Gruppe von Unterzeichnern zu vergewissern, und wäre daher die Abstimmungsfreiheit beeinträchtigt. Das ist ein gewichtiger Grund für die Annahme, dass die Namen der Unterzeichner jedem Stimmberechtigten auf Verlangen bekanntzugeben sind.
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h) Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass die Namen der Unterzeichner von Initiativ- und Referendumsbegehren geheimzuhalten seien. Das scheint in der Tat ein in der Schweiz allgemein anerkannter Grundsatz zu sein (vgl. Art. 4 Abs. 5 BG vom 23. März 1962 über das Verfahren bei Volksbegehren auf Revision der Bundesverfassung; ZBl 60/1959 S. 58 und 140; M. USTERI a.a.O.). Es ist jedoch zu bedenken, dass der Geheimhaltung der Namen der Unterzeichner eines Initiativ- oder eines Referendumsbegehrens keine schutzwürdigen Interessen der Gesamtheit der Stimmberechtigten entgegenstehen. Insbesondere kann die Abstimmungsfreiheit dadurch, dass diese Namen nicht bekanntgegeben werden, unter keinen Umständen beeinträchtigt werden. Hinsichtlich der Unterzeichner der im NWG vorgesehenen Wahlvorschläge verhält es sich anders, wie oben ausgeführt ist.
i) Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Personen, welche einen Wahlvorschlag unterzeichnen und von den daraus sich ergebenden Befugnissen Gebrauch machen, damit ihr Stimmrecht ausüben, was sich namentlich im Fall der "stillen Wahl" zeige, und dass sie "Pressionen" zu gewärtigen hätten, wenn die Unterzeichnerliste nicht geheimgehalten werden müsste. Es trifft allerdings zu, dass die Funktionen der Unterzeichner in ihrem Stimmrecht begründet sind, und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Unterzeichner ab und zu gewissen Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein könnten, wenn ihre Namen auf Verlangen bekanntzugeben sind. Weit mehr Gewicht als das Interesse der Unterzeichner an der Geheimhaltung der Listen hat aber das Interesse der Allgemeinheit an deren Zugänglichkeit; insbesondere erfordert der Grundsatz der Abstimmungsfreiheit, dass die Listen allen Stimmberechtigten offenstehen. Wer einen Wahlvorschlag unterzeichnet und damit bedeutsame öffentlich-rechtliche Funktionen übernimmt, muss sich der Öffentlichkeit stellen, auch wenn ihm dies schwer fällt. Kommt es zu einer Wahlverhandlung - was die Regel ist -, so geniessen die Unterzeichner wie alle anderen Stimmberechtigten den Schutz des Geheimnisses, dem dieser Akt unterworfen ist.
k) Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich das in Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG vorgeschriebene Geheimnis der Stimmabgabe (Abstimmung) nach dem Wortlaut und Sinne dieser Bestimmungen nicht auch auf die Listen der Unterzeichner von Wahlvorschlägen bezieht.

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Sachverhalt

Erwägungen 1 4

Referenzen

Artikel: Art. 8 Abs. 1 WAG, Art. 97 und Art. 98

BGE 98 Ib 289 S. 291, Art. 98 lit. b-f OG, Art. 98 lit. g OG mehr...